TE Vfgh Beschluss 1983/10/13 KII-3/79

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Veröffentlicht am 13.10.1983
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art138 Abs2
VfGG §55 lita

Leitsatz

VerfGG 1953; Unzulässigkeit eines Antrages auf Kompetenzfeststellung iS des §55 lita; kein in Geltung stehendes Gesetz, aufgrund dessen die Erlassung der V in Betracht kommt

Spruch

Der Antrag der Bundesregierung, festzustellen, ob die Erlassung einer V, die dem dem Antrag beigelegten Entwurf einer V über die Gutachterkommissionen zur Beurteilung von Lehrmaterial für Fernlehrgänge entspricht, in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fällt, wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Bundesregierung hat den Entwurfeiner V des Bundesministers für Unterricht und Kunst über die Gutachterkommissionen zur Beurteilung von Lehrmaterial für Fernlehrgänge mit dem Antrag vorgelegt, der VfGH möge feststellen, ob die Erlassung dieser V aufgrund eines dem Antrag beigelegten Entwurfs eines Bundesgesetzes, mit dem Bestimmungen über den Fernunterricht erlassen werden (Fernunterrichtsgesetz), in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fällt.

2. Der mit der Überschrift "Gutachterkommission" versehene §14 des dem Antrag beigelegten Gesetzentwurfes (Fernunterrichtsgesetz), auf den sich der dem Antrag zugrundeliegende Verordnungsentwurf stützt, hat folgenden Wortlaut:

"Gutachterkommission

§14. (1) Bevor die zuständige Behörde eine staatliche Anerkennung erteilt, hat sie ein Gutachten einer Gutachterkommission über das Vorliegen der im §13 Abs1 genannten Voraussetzung einzuholen.

(2) Zum Zweck der Abgabe der Gutachten hat der Bundesminister für Unterricht und Kunst in Gutachterkommissionen Sachverständige, die für einen oder mehrere Unterrichtsgegenstände einer oder mehrerer Schularten zuständig sind, und Sachverständige aus dem Bereich der Volksbildung zu berufen. Die Berufung hat jeweils auf die Dauer von vier Jahren zu erfolgen. Jede Gutachterkommission hat ihren Vorsitzenden aus ihrer Mitte zu wählen.

(3) Der Vorsitzende hat jeden Geschäftsfall einem oder mehreren Mitgliedern der Gutachterkommission zuzuweisen (Berichterstatter) oder beim Bundesminister für Unterricht und Kunst die Beiziehung eines nicht der Kommission angehörenden Sachverständigen als Berichterstatter mit beratender Stimme zu beantragen, wenn dies wegen der Art des Geschäftsfalles oder zur Beschleunigung des Verfahrens notwendig erscheint. Die Beschlüsse der Gutachterkommissionen werden mit unbedingter Stimmenmehrheit gefaßt, bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Bei Beschlüssen, die mit einer geringeren als der Zweidrittelmehrheit gefaßt werden, ist dem Gutachten auch die Stellungnahme der Minderheit anzuschließen, wenn diese den Anschluß ihres Votums (Minderheitsvotum) verlangt.

(4) Den Mitgliedernder Gutachterkommission gebührt für ihre Sachverständigentätigkeit in den Gutachterkommissionen eine Entschädigung nach dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 314/1976. Diese Entschädigung gilt als Barauslage iS des §76 Abs1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 172/1950, für welche der Antragsteller aufzukommen hat.

(5) Die näheren Bestimmungen über die Zahl der Mitglieder und den Geschäftsbereich der einzelnen Kommissionen sowie über die Geschäftsbehandlung hat der Bundesminister für Unterricht und Kunst durch Verordnung nach den Erfordernissen einer möglichst gründlichen, zeit- und kostensparenden Erstellung der Gutachten zu regeln."

3. Der vorgelegte Verordnungsentwurf hat folgenden Wortlaut:

"Aufgrund des §14 des Fernunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. XX, wird verordnet:

Zusammensetzung der Gutachterkommissionen

§1. Eine Gutachterkommission besteht je nach den Erfordernissen des Geschäftsbereiches aus drei bis fünf Mitgliedern aus dem betreffenden Schulartbereich und aus der gleichen Anzahl von Mitgliedern aus dem Bereich der Volksbildung.

Geschäftsbereiche der Gutachterkommissionen

§2. (1) Zur Begutachtung von Lehrmaterial für Fernlehrgänge sind Gutachterkommissionen getrennt nach den Bereichen der allgemeinbildenden Schulen, der berufsbildenden Schulen sowie der Anstalten der Lehrerbildung und der Erzieherbildung einzurichten.

(2) Die Geschäftsbereiche der einzelnen Gutachterkommissionen sind in den Anlagen A, B und C festgelegt, die einen Bestandteil dieser Verordnung bilden.

Geschäftsbehandlung durch die Gutachterkommissionen

§3. (1) Die Einberufung der Gutachterkommissionen obliegt dem jeweiligen Vorsitzenden. Er hat die Sitzungen nach Bedarf, längstens aber innerhalb von vier Monaten nach Zuweisung von Geschäftsfällen, unter Bekanntgabe der Tagesordnung einzuberufen. Solange ein Vorsitzender von der Gutachterkommission nicht gewählt ist, wenn ein Vorsitzender aus der Gutachterkommission ausscheidet oder ein Vorsitzender nicht innerhalb von vier Monaten nach Zuweisung eines Geschäftsfalles die Gutachterkommission einberuft, hat der Bundesminister für Unterricht und Kunst die Einberufung vorzunehmen.

(2) Jede Gutachterkommission hat in der ersten Sitzung ihren Vorsitzenden aus ihrer Mitte mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zu wählen. Scheidet der Vorsitzende aus einer Gutachterkommission aus, so ist die Wahl eines neuen Vorsitzenden in der folgenden Sitzung durchzuführen. Ist der Vorsitzende an der Teilnahme einer Sitzung der Gutachterkommission verhindert, so ist für die Dauer dieser Sitzung ein stellvertretender Vorsitzender zu wählen. Die Leitung der Wahl des Vorsitzenden obliegt dem ältesten anwesenden Mitglied.

(3) Der Vorsitzende hat jede anfallende Geschäftssache einem oder mehreren Mitgliedern unverzüglich zur Berichterstattung zuzuweisen. Erachtet es der Vorsitzende wegen der Art des Geschäftsfalles oder zur Beschleunigung des Verfahrens als notwendig, so kann er beim Bundesminister für Unterricht und Kunst die Beiziehung eines nicht der Gutachterkommission angehörenden Sachverständigen beantragen und diesem die Geschäftssache als Berichterstatter zuweisen.

(4) Der Vorsitzende hat gleichzeitig mit der Zuweisung des Geschäftsfalles an den (die) Berichterstatter die Frist für die Abgabe des Berichtes festzulegen; diese Frist ist unter Bedachtnahme auf den Umfang des zu begutachtenden Lehrmaterials festzulegen, jedenfalls jedoch so, daß eine vom Bundesminister für Unterricht und Kunst für die Abgabe des Gutachtens durch die Gutachterkommission allenfalls gestellte Frist eingehalten werden kann. Kommt ein Berichterstatter innerhalb der ihm gesetzten Frist seiner Verpflichtung nicht nach, kann der Vorsitzende den Geschäftsfall einem anderen Mitglied zur Berichterstattung zuweisen oder die Bestellung eines nicht der Gutachterkommission angehörenden Sachverständigen beim Bundesminister für Unterricht und Kunst beantragen; mit der Bestellung des neuen Berichterstatters erlischt die Zuweisung an den bisherigen Berichterstatter.

(5) Der (die) Berichterstatter hat (haben) einen Gutachtensentwurf auszuarbeiten und dem Vorsitzenden vorzulegen, der ihn den übrigen Kommissionsmitgliedern zur Kenntnis zu bringen hat.

(6) Der Zeitpunkt der Sitzung ist vom Vorsitzenden so anzuberaumen, daß für die Kenntnisnahme des Gutachtensentwurfes durch die übrigen Mitglieder der Gutachterkommission mindestens zwei Wochen zur Verfügung stehen.

(7) Bei der Begutachtung audio-visuellen Lehrmaterials kann abweichend von den Abs4 bis 6 auch die Zuweisung an den (die) Berichterstatter, die Vorführung des Lehrmaterials sowie die Beschlußfassung über das Gutachten in einer Sitzung erfolgen, sofern dies nach Art und Umfang des Lehrmaterials möglich ist.

§4. (1) Die Behandlung der einzelnen Geschäftsfälle in der Gutachterkommission hat mit dem Vortrag des (der) Berichterstatter(s) zu beginnen. Der Vortrag ist mit einem begründeten Beschlußantrag abzuschließen.

(2) Nach dem (den) Berichterstatter(n) erhalten die übrigen Mitglieder das Wort, und zwar in der Reihenfolge, in der sie sich hiezu gemeldet haben.

(3) Jedes Mitglied, das sich zu Wort gemeldet hat, hat das Recht, die Aufnahme des wesentlichen Inhaltes seiner Ausführungen in die Niederschrift (§5 Abs2) zu verlangen.

(4) Jedem Mitglied der Gutachterkommission kommt eine beschließende Stimme zu. Stimmenthaltung ist unzulässig. Eine Übertragung der Stimme auf eine andere Person ist ebenso wieder Widerruf der abgegebenen Stimme unzulässig und unwirksam.

(5) Die Gutachterkommission ist beschlußfähig, wenn mindestens zwei Drittel der Mitglieder anwesend sind.

(6) Die Abstimmung ist namentlich durchzuführen, es sei denn, daß die Stimmeneinhelligkeit offenkundig ist.

(7) Ein Mitglied wird in folgenden Fällen durch das für dieses berufene Ersatzmitglied vertreten:

a) bei Verhinderung;

b) bei Vorliegen von Befangenheitsgründen (§7 AVG 1950);

c) bei Ausscheiden aus der Gutachterkommission bis zur Neubestellung eines Mitgliedes.

§5. (1) Der Vorsitzende hat einen Schriftführer zu bestimmen und, falls dieser verhindert ist, für Ersatz zu sorgen.

(2) Der Schriftführer hat die Namen und Funktionen der anwesenden Personen sowie den Ablauf der Sitzung und den wesentlichen Inhalt der Beratung in einer Niederschrift festzuhalten. Darin sind insbesondere alle bis zum Schluß der Sitzung gestellten Anträge, der Beschluß des Gutachtens und das Abstimmungsergebnis zu verzeichnen. Die Niederschrift ist vom Schriftführer zu unterzeichnen und vom Vorsitzenden nach Prüfung mitzufertigen.

§6. Der Vorsitzende der Gutachterkommission kann den Autor, Herausgeber, Verleger oder Hersteller zur Auskunfterteilung einladen. Während des Vortrages des Berichterstatters und der Abstimmung über das zu erstellende Gutachten sind diese Personen jedenfalls von der Teilnahme an der Sitzung ausgeschlossen.

§7. Das Gutachten ist schriftlich abzufassen, vom Vorsitzenden und vom Schriftführer zu unterfertigen und binnen zwei Wochen nach Beschlußfassung dem Bundesminister für Unterricht und Kunst zu übermitteln."

4. Die Bundesregierung begründet ihren Antrag ausführlich. Sämtliche Landesregierungen haben zum Antrag der Bundesregierung Stellungnahmen erstattet. Die Bundesregierung gab zu den übermittelten Stellungnahmen der Landesregierungen eine Gegenäußerung ab.

II. Der VfGH hat erwogen:

Der VfGH hat zunächst die Frage seiner Zuständigkeit zu prüfen. Er hat daher zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Antrag dem VfGH zur Entscheidung vorgelegt werden kann.

Ein Antrag iS des Art138 Abs2 B-VG hat die Feststellung zu begehren, ob ein Akt der Gesetzgebung oder Vollziehung in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fällt. Handelt es sich um die Zuständigkeit der Vollziehung, dann hat der Antrag gemäß §55 lita VerfGG 1953 bei V den Entwurf der in Aussicht genommenen V und die Bezeichnung der Behörde, von der die V erlassen werden soll, zu enthalten.

Die Bundesregierung hat im vorliegenden Fall den Entwurf einer V des Bundesministers für Unterricht und Kunst über Gutachterkommissionen zur Beurteilung von Lehrmaterial für Fernlehrgänge vorgelegt und diesem den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem Bestimmungen über den Fernunterricht erlassen werden (Fernunterrichtsgesetz), beigefügt.

Der Verordnungsentwurf bietet - isoliert, also ohne Zugrundelegung des dem Verordnungsprüfungsantrag beigelegten Gesetzentwurfes, betrachtet - keine hinreichenden Anhaltspunkte, um ihn einem Kompetenztatbestand zuzuordnen. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Gutachterkommissionen sagt zwar §1 des Entwurfes aus, daß ein Teil der Mitglieder aus dem betreffenden Schulartbereich, ein anderer Teil aus dem Bereich der Volksbildung zu berufen ist. §2 Abs1 des Entwurfes enthält die Bestimmung, daß Gutachterkommissionen getrennt nach den Bereichen der allgemeinbildenden Schulen, der berufsbildenden Schulen sowie der Anstalten der Lehrerbildung und der Erzieherbildung einzurichten sind. Auch diese Bestimmungen lassen aber eine Zuordnung zu einem bestimmten Kompetenztatbestand der Vollziehung nicht zu. Eine Kompetenzfeststellung hinsichtlich der Vollziehung ist daher nur unter Berücksichtigung des beigelegten Gesetzesentwurfes möglich.

Dem VfGH kann gemäß §55 lita VerfGG 1953 zur Kompetenzfeststellung hinsichtlich der Vollziehung ein Verordnungsentwurf nur vorgelegt werden, wenn eine dem Entwurf entsprechende V von der zuständigen Verwaltungsbehörde auch wirklich erlassen werden könnte. Die Kompetenzfeststellung hinsichtlich der Vollziehung setzt daher eine Gesetzeslage voraus, aufgrund deren eine dem Verordnungsentwurf entsprechende V erlassen werden könnte.

Vergleichsweise zum selben Ergebnis ist der VfGH in ständiger Rechtsprechung (vgl. hiezu VfSlg. 3152/1957, 4446/1963 und 8830/1980) auch hinsichtlich der Kompetenzfeststellung betreffend Gesetze gelangt. Er hat hiezu ausgesprochen, der Gesetzentwurf müsse geeignet sein, Gegenstand der Beschlußfassung einer gesetzgebenden Körperschaft zu sein. Auch in Ansehung dieser Rechtsprechung ist die Auffassung folgerichtig, daß ein eine Kompetenzfeststellung ermöglichender Verordnungsentwurf iS des §55 lita VerfGG 1953 nur dann vorliegt, wenn eine dem Entwurf entsprechende V von der Verwaltungsbehörde ohne weiteres erlassen werden könnte. Diese Voraussetzung ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn kein Gesetz in Geltung ist, aufgrund dessen die Erlassung einer solchen V in Betracht kommt.

Der Antrag war daher mangels der Voraussetzungen des §55 lita VerfGG 1953 als unzulässig zurückzuweisen.

Bemerkt wird, daß der gefaßte Beschluß nicht im Widerspruch zum Erk. VfSlg. 8830/1980 steht, weil die Vollziehung des Vertragsbedienstetenrechtes der Länder durch die ordentlichen Gerichte, wie sich dem angeführten Erk. entnehmen läßt, der damals in Geltung gestandenen (und heute noch geltenden) Rechtslage entsprach.

Schlagworte

VfGH / Kompetenzfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:KII3.1979

Dokumentnummer

JFT_10168987_79KII003_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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