Index
50 GewerberechtNorm
B-VG Art18 Abs2Beachte
vgl. Kundmachung BGBl. Nr. 69/1984 vom 27. Jänner 1984Leitsatz
GewO 1973; §69 Abs2 und §261, keine gesetzliche Deckung für §8 Abs9 und 10 der V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 16. Juni 1978, BGBl. Nr. 323/1978; Unzulässigkeit der Vereinbarung einer Vermittlungsprovision keine Standesregel für Immobilienmakler, Entrichtung einer Vermittlungsprovision kein VermögensschadenSpruch
§8 Abs9 und 10 der V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 16. Juni 1978 über Ausübungsregeln für Immobilienmakler, BGBl. Nr. 323, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Antragsteller ist konzessionierter Immobilienmakler. Er beantragt gemäß Art139 B-VG die Aufhebung der Abs9 und 10 des §8 der
V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 16. Juni 1978 über Ausübungsregeln für Immobilienmakler, BGBl. Nr. 323.
2. Die Bestimmungen des §8 Abs9 und 10 der V BGBl. Nr. 323/1978, die nach Ansicht des Antragstellers gesetzwidrig sind, lauten wie folgt:
"(9) Wenn die Vermittlung Häuser oder andere Räumlichkeiten als Wohnungen (zB Geschäftsräume, Räume zur Einstellung von Kraftfahrzeugen) betrifft, die unter Inanspruchnahme öffentlicher Wohnbauförderungsmittel errichtet wurden oder werden, darf der Immobilienmakler keine vom Käufer, Bestandnehmer oder sonstigen Gebrauchs- oder Nutzungsberechtigten zu bezahlende erhöhte Provision im Sinne des Abs7 vereinbaren.
(10) Stehen Häuser, Wohnungen oder sonstige Räumlichkeiten (zB Geschäftsräume, Räume zur Einstellung von Kraftfahrzeugen), die unter Inanspruchnahme öffentlicher Wohnbauförderungsmittel errichtet wurden oder werden im Baurecht oder im Eigentum des ursprünglichen Förderungsnehmers, so darf der Immobilienmakler keine vom Käufer, Bestandnehmer oder sonstigen Gebrauchs- oder Nutzungsberechtigten zu bezahlende Provision oder sonstige Vergütung vereinbaren. Der Immobilienmakler darf jedoch mit dem ursprünglichen Förderungsnehmer, der ihm den ausdrücklichen schriftlichen Vermittlungsauftrag erteilt hat, vereinbaren, daß der ursprüngliche Förderungsnehmer auch die Provision oder sonstige Vergütung für den Käufer, Bestandnehmer oder sonstigen Gebrauchs- oder Nutzungsberechtigten zu bezahlen hat."
Die im §8 Abs9 zitierte Regelung des §8 Abs7 dieser V lautet wie folgt:
"(7) Ist eine der Parteien des zu vermittelnden Rechtsgeschäftes zur Erteilung eines Vermittlungsauftrages nur unter der Bedingung bereit, daß sie die Pflicht zur Bezahlung einer Provision oder sonstigen Vergütung nicht trifft, so darf der Immobilienmakler - ausgenommen in den Fällen des Abs8 und 9 - mit der anderen Partei eine Provision oder sonstige Vergütung vereinbaren, die den zulässigen Höchstbetrag bis 100 vH überschreitet."
3. a) Zur Antragslegitimation wird vorgebracht, die bekämpften Bestimmungen griffen in die Rechtssphäre des Bf. als Immobilienmakler unmittelbar ein. Es sei auch kein anderer zumutbarer Weg zur Bekämpfung dieser Verordnungsstellen vorhanden, weil dem Bf. nicht zugemutet werden könne, entgegen diesen ausdrücklichen Bestimmungen Vereinbarungen mit einem Käufer abzuschließen; eine solche Vereinbarung würde für den Bf. standesrechtliche Folgen nach sich ziehen, weil der §8 der V zu den Standesbestimmungen der Immobilienmakler gehöre. Dem Bf. sei es auch nicht zumutbar, zunächst eine solche verbotene Vereinbarung mit einem Käufer abzuschließen, um dann diese verbotene Provision im Wege eines teuren Prozesses bei Gericht einzuklagen.
b) Zur Gesetzwidrigkeit der bekämpften Verordnungsbestimmungen wird vorgebracht, die in §69 Abs2 GewO 1973 zum Schutze der Kunden vor Vermögensschäden enthaltene Verordnungsermächtigung rechtfertige sicherlich die dem Immobilienmakler aufgetragenen Aufklärungspflichten gegenüber den Kunden, die genau informiert sein sollten, welche Provisionen sie im Falle der Erteilung eines Auftrages zu bezahlen hätten und welche Kosten überhaupt mit solchen Vermittlungsaufträgen verbunden seien. Die in §8 Abs9 und 10 der V enthaltene Bestimmung, daß der Immobilienmakler vom Käufer keine Provision verlangen darf, wenn ein Haus mit öffentlichen Wohnbauförderungsmitteln errichtet worden sei oder errichtet werde, sei jedoch "niemals eine Maßnahme iS des §69 Abs2 GewO". Es könne nämlich keine Rede davon sein, daß die Provision eines Maklers in der zulässigen Höhe einen Vermögensschaden für den Kunden darstellt, es sei denn, man vertrete die "abwegige" Meinung, daß der Verdienst des einen einen Vermögensschaden des anderen darstelle.
Der Gesetzgeber habe bei Schaffung des §69 Abs2 GewO 1973 eine solche Vorgangsweise niemals im Auge gehabt, weil sonst der Verordnungsgeber "völlig willkürlich Verdienstsätze der im §69 Abs2 GewO angeführten Gewerbetreibenden festsetzen und festlegen könnte" oder überhaupt bestimmen könnte, daß die im §69 Abs2 GewO angeführten Gewerbetreibenden überhaupt keinen Verdienst haben dürfen, weil schließlich dieser Verdienst bei ihren Kunden einen Vermögensschaden herbeiführe.
Der Verordnungsgeber habe mit den bekämpften Bestimmungen in Wahrheit ein völlig anders geartetes Interesse schützen wollen, nämlich "das Interesse der Republik Österreich", daß eine Person, die öffentliche Wohnbauförderungsmittel in Anspruch genommen hat, gehindert werde, mit dem mit diesen Mitteln errichteten Haus bzw. der Wohnung ein Geschäft zu machen. Es bestehe daher kein "wie immer gearteter adäquater Zusammenhang" zwischen §69 Abs2 GewO 1973 und den Bestimmungen des §8 Abs9 und 10 der V.
Auch §261 Abs1 und 2 GewO 1973 böten keine gesetzliche Deckung für die angefochtenen Verordnungsbestimmungen, weil aus dieser Gesetzesvorschrift nicht hervorgehe, daß der Makler bei Vermittlung bestimmter Häuser keine Provision verlangen dürfe.
4. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie hat in einer Äußerung die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen verteidigt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzmäßigkeit von V auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die V ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der VfGH in seiner mit VfSlg. 8009/1977 und für V mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die V in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Des weiteren hat der VfGH in dieser Rechtsprechung den Standpunkt eingenommen, daß der Rechtsbehelf des Individualantrages nach Art139 B-VG dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (vgl. zB auch VfSlg. 8890/1980).
Die angefochtenen Verordnungsstellen schränken die Vertragsfreiheit des Antragstellers als Immobilienmakler ein, indem sie den Abschluß bestimmter vertraglicher Vereinbarungen untersagen; sie greifen also unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers ein.
Ein anderer zumutbarer Weg, um Rechtsschutz gegen die bekämpfte Norm zu erhalten, steht dem Antragsteller nicht zur Verfügung. Es ist dem Anstragsteller nicht zuzumuten, eine durch §8 Abs9 oder Abs10 der V untersagte Vereinbarung zu schließen und sich der Gefahr von Strafsanktionen (s. §367 Z21 GewO 1973) auszusetzen.
Da auch die übrigen Voraussetzungen des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gegeben sind, ist der Antrag zulässig.
2. a) Die V BGBl. Nr. 323/1978 - die Nov. BGBl. Nr. 69/1983 ist für den vorliegenden Fall nicht von Belang - stützt sich auf die §§69 Abs2 und 261 GewO 1973.
Der Abs2 des im allgemeinen Teil der GewO 1973 enthaltenen, die Überschrift "Schutzbestimmungen" aufweisenden §69 lautet wie folgt:
"Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie kann zum Schutz der Kunden vor Vermögensschäden für folgende Gewerbe durch Verordnung festlegen, welche Maßnahmen die Gewerbetreibenden bei der Gewerbeausübung hinsichtlich der Einrichtung der Beriebsstätten, hinsichtlich der Waren, die sie erzeugen oder verkaufen oder deren Verkauf sie vermitteln, hinsichtlich der Einrichtungen oder sonstigen Gegenstände, die sie zur Benützung bereithalten, oder hinsichtlich der Dienstleistungen, die sie erbringen, zu treffen haben:
...
Immobilienmakler (§259)
..."
§261 hat unter der Rubrik "Ausübungsregeln" folgenden Wortlaut:
"(1) Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie kann nach Anhörung der zuständigen Gliederung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft durch Verordnung Regeln über die bei der Gewerbeausübung zu beobachtenden Verhaltensweisen (Standesregeln) festlegen; hiebei ist auf die Gewohnheiten und Gebräuche, die in diesem Gewerbe von Personen, die die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes anwenden, eingehalten werden, und auf die Anforderungen, die von den die Leistungen dieses Gewerbes in Anspruch nehmenden Personen üblicherweise gestellt werden, Bedacht zu nehmen.
(2) Die Verordnung gemäß Abs1 kann zum Gegenstand haben Bestimmungen über
1. die Höchstbeträge der den Immobilienmaklern gebührenden Provisionssätze oder sonstigen Vergütungen,
2. das standesgemäße Verhalten im Geschäftsverkehr mit den Auftraggebern,
3. das standesgemäße Verhalten anderen Berufsangehörigen gegenüber."
b) Der mit "Ausübungsregeln" überschriebene §261 GewO 1973 betrifft - wenn man seine Abs1 und 2 in ihrem Zusammenhang betrachtet - eine Ermächtigung an den Verordnungsgeber zur Erlassung von Standesregeln, wobei auf bestimmte Kriterien (so etwa auf die Gewohnheiten und Gebräuche in dem betreffenden Gewerbe) Bedacht zu nehmen ist. Es ist im Verfahren vor dem VfGH nicht behauptet worden, daß die Unzulässigkeit der Vereinbarung einer vom Erwerber unter Inanspruchnahme öffentlicher Wohnbauförderungsmittel errichteter Häuser, Wohnungen oder Räumlichkeiten zu bezahlenden Provision oder erhöhten Provision eine Standesregel für Immobilienmakler darstelle. Auch die vor dem Inkrafttreten der bekämpften V gültigen Richtlinien für die Immobilienmakler und Immobilienverwalter 1977, enthielten nichts dergleichen: Die in der Z3 des Abschnittes II.A der Richtlinien angeführte Standesregel, wonach es standeswidrig sei, gegen den ausdrücklich erklärten Willen des jeweils Verfügungsberechtigten die Vermittlung näher umschriebener Rechtsgeschäfte anzubieten und wonach es inbesondere standeswidrig sei, aus öffentlichen Mitteln geförderte, im Eigentum oder Baurechtsbesitz einer gemeinnützigen Wohnbauvereinigung stehende Wohnungen oder Häuser ohne ausdrücklichen Auftrag dieser gemeinnützigen Wohnbauvereinigung zu vermitteln, ginge in eine völlig andere Richtung und diente der Verhinderung einer Vermittlungstätigkeit ohne Vorliegen eines Auftrages der Wohnbauvereinigung, also den Interessen der Wohnbauvereinigungen an einer eigenen Vermittlungstätigkeit.
Aus den vom Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie vorgelegten Akten über das Zustandekommen der bekämpften V ist zu ersehen, daß die Aufnahme von Bestimmungen betreffend die Vermittlung von aus öffentlichen Wohnbauförderungsmitteln errichteten Wohnungen und Häusern keineswegs unter dem Aspekt der Abgrenzung des standesgemäßen Verhaltens der Immobilienmakler angestrebt wurde, sondern - vor allem vom Bundesministerium für Bauten und Technik - aus Erwägungen, die mit den Zielsetzungen der Wohnbauförderung im Zusammenhang stehen.
Aus allen diesen Umständen ist zu ersehen, daß die im vorliegenden Fall bekämpften Verordnungsbestimmungen von vornherein keine Standesregeln für die Ausübung des Immobilienmaklergewerbes darstellen und somit - wie auch der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie in seiner Äußerung vermeint, aber im Gegensatz zu der im Urteil des OGH vom 27. Jänner 1983, 7 Ob 502/83, enthaltenen Auffassung - in §261 GewO 1973 keine Deckung finden.
c) Dies trifft aber - entgegen der vom Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie vertretenen Auffassung - auch für die verfassungsrechtlich unbedenkliche (vgl. VfGH 6. Oktober 1983 V55/79 ua.) Bestimmung des §69 Abs2 GewO 1973 zu.
Diese Gesetzesbestimmung - im vorliegenden Fall ist nur der Bereich der Dienstleistungen maßgeblich - enthält eine Verordnungsermächtigung zum Schutz der Kunden vor "Vermögensschäden", nicht aber vor Vermögenseinbußen. Der Bundesminister vermeint allerdings, den Schutzzweck des §69 Abs2 GewO 1973 in der V verwirklicht zu haben, weil förderungswürdige Personen iS der Wohnbauförderungsvorschriften bis zu einem bestimmten Grad in ihren finanziellen Möglichkeiten beschränkte Personen seien und die Kosten für die Errichtung und Bereitstellung von geförderten Wohnungen daher in tragbaren Grenzen gehalten werden sollten. In diesem Sinne schützen - meint der Bundesminister - die Bestimmungen des §8 Abs9 und 10 der V den Käufer eines unter Inanspruchnahme öffentlicher Wohnbauförderungsmittel errichteten Objekts vor "Vermögenseinbußen".
Die durch die Entrichtung einer Vermittlungsprovision eintretende Vermögenseinbuße kann nicht als Vermögens schaden angesehen werden.
Der Gedanke des Schutzes von Kunden vor Vermögensschäden - der auch dem Konsumentenschutz innewohnt - beinhaltet nicht den Schutz vor an sich gerechtfertigten Forderungen, sondern vielmehr den Schutz des nicht hinreichend informierten Kunden vor Irreführung, Übervorteilung, unseriösen Praktiken und ähnlichem.
Dieser der Verordnungsermächtigung des §69 Abs2 GewO 1973 innewohnende Zweck deckt jedoch nicht Verordnungsbestimmungen, die dazu dienen sollen, den - wenn auch im Regelfall nicht allzu finanzkräftigen - Käufer oder Bestandnehmer von aus öffentlichen Mitteln errichteten Objekten vor der Entrichtung einer Provision an sich zu bewahren.
3. Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen sind daher als gesetzwidrig aufzuheben.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Gewerberecht, Immobilienmakler, Schutzbestimmungen (Gewerberecht), KonsumentenschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:V39.1981Dokumentnummer
JFT_10168986_81V00039_00