TE Vfgh Erkenntnis 1983/10/14 B278/80

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Veröffentlicht am 14.10.1983
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Index

92 Luftverkehr
92/01 Luftverkehr

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z7
B-VG Art10 Abs1 Z9
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
LuftFG §8 Abs2
Verordnung des Bundesministers für Verkehr, BGBl 111/1958, betreffend das Überfliegen der Bundesgrenze §5 Abs1 lita
Verordnung des Bundesministers für Verkehr, BGBl 111/1958, betreffend das Überfliegen der Bundesgrenze §5 Abs2

Leitsatz

Luftfahrtgesetz; zum Begriff "Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit" in §8 Abs2; ausreichende Vorherbestimmung des Verordnungsinhaltes iS des Art18 B-VG Verordnung des Bundesministers für Verkehr, BGBl. Nr. 111/1958; keine Bedenken gegen §5 Abs1 lita und §5 Abs2 Keine Verletzung des Gleichheitsrechtes und des Rechtes auf Erwerbsausübungsfreiheit durch Nichterteilung einer Ausnahmebewilligung vom Flughafenzwang

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die T A Gesellschaft mbH hat als Halter eines bestimmten Flugzeuges am 22. April 1979 beim Bundesamt für Zivilluftfahrt angesucht, ihr gemäß §8 Abs2 litb des Bundesgesetzes vom 2. Dezember 1957, BGBl. Nr. 253, über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz - LFG), und §5 der Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 30. Mai 1958, BGBl. Nr. 111, betreffend das überfliegen der Bundesgrenze (im folgenden kurz: LFV), eine Ausnahmebewilligung vom Flughafenzwang für Flüge vom Flugfeld Mayerhofen in Ktn. ins Ausland und nach diesem Flugfeld aus dem Ausland zu erteilen.

Der Bundesminister für Verkehr hat diesen Antrag mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 6. Mai 1980 abgewiesen. Der Bescheid wird - zusammengefaßt - damit begründet, daß (wie sich aus einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Inneres ergebe) die Einhaltung der Vorschriften über den Grenzübertritt nicht sichergestellt sei, dies deshalb, weil sich auf dem Flugfeld Mayerhofen keine Grenzkontrollstelle befinde und eine solche wegen Personalmangels nicht eingerichtet werden könne. Auf dem Flugfeld Mayerhofen (einem Privatflugplatz) bestehe weder eine Flugsicherungsstelle noch eine Flugsicherungshilfsstelle; eine luftfahrtbehördliche Abfertigung von Luftfahrzeugen und deren Besatzung sei somit in Mayerhofen nicht möglich; es sei daher - insbesondere bei Auslandsflügen - eine Beeinträchtigung der Sicherheit der Luftfahrt nicht ausgeschlossen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der behauptet wird, die bf. Gesellschaft sei in dem - wie sie annimmt - ihr "nach Art18 Abs1 und 2 B-VG zustehenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Verordnungen, die nur aufgrund der Gesetze erlassen werden dürfen", verletzt worden. Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die bf. Gesellschaft begründet ihre Behauptung damit, daß §8 Abs2 LFG verfassungswidrig und §5 Abs2 LFV gesetzwidrig seien: §8 Abs2 LFG (auf den die LFV gestützt wird) stelle eine - nach Art18 Abs2 B-VG verbotene - "formalgesetzliche Delegation" dar. §8 Abs2 LFG spreche von "öffentlicher Sicherheit"; diese sei mit der allgemeinen Sicherheitspolizei gleichzusetzen; dem widerspreche §5 Abs2 LFV, wo von der "Sicherheit der Luftfahrt" und den "sonstigen öffentlichen Interessen" die Rede ist.

3. Der Bundesminister für Verkehr als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der er begehrt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. a) Gemäß §8 Abs1 erster Satz LFG sind der Einflug in das Bundesgebiet und der Ausflug aus demselben nur nach oder von Flughäfen (§64) zulässig, und zwar ohne Zwischenlandung zwischen Flughafen und Bundesgrenze.

§8 Abs2 LFG lautet:

"(2) Das Bundesministerium für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft hat nach Maßgabe der Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit und der Landesverteidigung durch Verordnung festzulegen,

a) ob und unter welchen Voraussetzungen zum Einflug in das Bundesgebiet und zum Ausflug aus demselben sowie zu dessen landungslosem Überfliegen eine Bewilligung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt erforderlich ist und

b) unter welchen Voraussetzungen das Bundesamt für Zivilluftffahrt in Einzelfällen auf Antrag Ausnahmen von den Bestimmungen des Abs1 erster Satz zulassen kann."

b) Gestützt auf diese Verordnungsermächtigungen erließ der (damalige) Bundesminister für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft im Einvernehmen mit den Bundesministerien für Inneres, für Finanzen und für Landesverteidigung die LFV.

Der unter der Überschrift "Ausnahmebewilligung gemäß §8 Abs2 litb des Luftfahrtgesetzes" stehende §5 lautet auszugsweise:

"(1) Das Bundesamt für Zivilluftfahrt kann abweichend von den Bestimmungen des §8 Abs1 erster Satz des Luftfahrtgesetzes bewilligen (Ausnahmebewilligung):

a) auf Antrag des Flugplatzhalters, des Halters des Luftfahrzeuges oder des Veranstalters einer Luftfahrtveranstaltung, daß Luftfahrzeuge nach dem Einflug in das Bundesgebiet unmittelbar auf einem Flugfeld landen bzw. von diesem unmittelbar in das Ausland ausfliegen, wenn die Einhaltung der Vorschriften über den Grenzübertritt sichergestellt ist,

b) ...

(2) Ausnahmebewilligungen gemäß Abs1 sind unzulässig, wenn dadurch entweder die Sicherheit des Luftverkehrs oder sonstige öffentliche Interessen beeinträchtigt werden.

(3) ..."

2. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf §5 Abs1 lita und auf §5 Abs2 LFV.

Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles weder gegen diese Verordnungsbestimmungen noch gegen den §8 Abs2 LFG, auf den diese Verordnungsstellen gegründet werden, verfassungsrechtliche Bedenken:

a) Dem Einleitungssatz des §8 Abs2 LFG zufolge sind Ausnahmen vom Flughafenzwang "nach Maßgabe der Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit und der Landesverteidigung" im Verordnungsweg festzulegen.

Wesentlich für die Beurteilung der Frage, ob sich die erwähnten Verordnungsbestimmungen im Rahmen des §8 Abs2 LFG halten, ist es zunächst, den Inhalt des Begriffes "Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit" zu ermitteln. Entgegen der Meinung der bf. Gesellschaft ist dieser Begriff nicht mit jenem des Art10 Abs1 Z7 B-VG "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" (mit anderen Worten der allgemeinen Sicherheitspolizei - s. zu deren Definition die ständige Judikatur des VfGH, zB VfSlg. 5910/1969, 8155/1977) gleichzusetzen. Es ist nämlich anzunehmen, daß der Gesetzgeber - hätte er auf die allgemeine Sicherheitspolizei Bezug nehmen wollen - entweder diesen Terminus oder die in der Rechtssprache stets übliche volle Wendung "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" gebraucht hätte. Hätte der Gesetzgeber hier tatsächlich mit dem Begriff "Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit" die allgemeine Sicherheitspolizei gemeint, hätte er (nach der vom VfGH hiefür entwickelten Begriffsumschreibung) damit ausgeschlossen, auf die Abwehr und die Unterdrückung von Gefahren Bedacht zu nehmen, die spezifisch einer bestimmten Verwaltungsmaterie zuzuzählen sind; diese Absicht kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden, weil es dann beispielsweise unzulässig wäre, auf Gefahren für die Luftfahrt, einer speziellen Verwaltungsmaterie (Art10 Abs1 Z9 B-VG), Rücksicht zu nehmen; ein solches Ergebnis ist wohl von vorherein auszuschließen.

Der im §8 Abs2 LFG verwendete Begriff "Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit" muß daher einen anderen Inhalt haben. Aus der Bedeutung, die dieser Wendung im täglichen Sprachgebrauch zukommt und aus dem Zusammenhang, in dem sie steht, ergibt sich, daß damit umfassend und ganz allgemein die Belange der öffentlichen Sicherheit gemeint sind, soweit sie zur Luftfahrt irgendeinen Bezug haben. Der erwähnte Begriff erfaßt also auch Sicherheitsinteressen, die iZm. einer konkreten Verwaltungsmaterie stehen.

Bei diesem Inhalt des Gesetzes hat der VfGH nicht das Bedenken, daß es dem Determinierungsgebot des Art18 B-VG widerspricht; vielmehr bestimmt es mit ausreichender Klarheit den Verordnungsinhalt voraus.

b) §5 Abs1 lita und §5 Abs2 LFV finden im §8 Abs2 LFG - bei dessen soeben festgestellten Inhalt - Deckung.

Eine gesetzeskonforme Interpretation des im §5 Abs2 LFV verwendeten Begriffes "sonstige öffentliche Interessen" ergibt, daß er nicht allumfassend verstanden werden darf; er ist vielmehr dahin auszulegen, daß darunter die (iZm. der Luftfahrt stehenden) Interessen der öffentlichen Sicherheit gemeint sind; diese Interpretation deckt sich mit dem Wortsinn dieser Wendung.

Wenn §5 Abs1 lita LFV speziell vorschreibt, im Falle der Erteilung einer Ausnahmebewilligung müsse sichergestellt sein, daß die Vorschriften über den Grenzübertritt eingehalten werden, so liegt dies - ohne daß dies einer näheren Begründung bedarf - im Sicherheitsinteresse iS des §8 Abs2 LFG.

3. a) Da der VfGH auch gegen die anderen, bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat, könnte die bf. Gesellschaft in den - hier allenfalls in Betracht zu ziehenden - verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Erwerbsausübungsfreiheit oder auf Gleichheit nur durch eine denkunmögliche oder willkürliche Anwendung genereller Normen verletzt worden sein (vgl. zB VfSlg. 9279/1981, 9292/1981).

Die Beschwerde enthält keine in diese Richtung gehenden Vorwürfe. Auch sonst hat das Verfahren keine Anhaltspunkte für ein derartiges Vorgehen der bel. Beh. ergeben. Insbesondere ist die Annahme der bel. Beh. durchaus vertretbar, daß bei dem von ihr festgestellten Sachverhalt (den die bf. Gesellschaft nicht bestreitet) die Erteilung der beantragten Ausnahmebewilligung gemäß §5 Abs1 lita und Abs2 LFV unzulässig war:

Die Behörde konnte zumindest vertretbar annehmen, daß bei direkten Auslandsflügen von und nach dem Flugfeld Mayerhofen mangels einer "Flugsicherungs(hilfs)stelle" und einer Grenzkontrollstelle sowohl die Sicherheit des Luftverkehrs beeinträchtigt als auch die Einhaltung der Vorschriften über den Grenzübertritt nicht sichergestellt wäre.

Die bf. Gesellschaft ist daher in den erwähnten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nicht verletzt worden.

b) Auch die Verletzung anderer derartiger Rechte hat nicht stattgefunden.

Soweit in der Beschwerde eine Verletzung des Legalitätsgrundsatzes nach Art18 B-VG geltend gemacht wird, ist auf die ständige Rechtsprechung des VfGH zu verweisen, nach der durch Art18 B-VG ein subjektives Recht auf gesetzmäßige Führung der Verwaltung nicht begründet wird (vgl. zB VfSlg. 9288/1981).

c) Da die bf. Gesellschaft auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde (s. o. II.2.), war die Beschwerde abzuweisen.

Schlagworte

Luftfahrt, Determinierungsgebot, Auslegung, Erwerbsausübungsfreiheit, Polizei, Sicherheitspolizei, Ausnahmebewilligung (Luftfahrt)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B278.1980

Dokumentnummer

JFT_10168986_80B00278_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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