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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / BescheidLeitsatz
Art144 B-VG; Unzulässigkeit der Beschwerde gegen einzelne belastende Nebenbestimmungen als unselbständigen Teil eines Bescheides wegen Nichtzuständigkeit des VfGH (VfSlg. 9225/1981)Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Nach §6 des Tir. Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 15/1975, sind ua. die Errichtung von baulichen Anlagen (Abs1 litc) und die Vornahme von Geländeabtragungen und -aufschüttungen außerhalb eingefriedeter Hausgärten (Abs2 litb) in den außerhalb geschlossener Ortschaften gelegenen Bereichen fließender Gewässer verboten.
2. Die Tir. Landesregierung erteilte der Stadtgemeinde Kufstein mit Bescheid vom 28. November 1979, Z IIIa 2-7180/49-79, gemäß §13 Abs1 litb des Tir. Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 15/1975, die Ausnahmebewilligung von den Verboten des §6 Abs1 litc und Abs2 litb leg. cit. zur Errichtung einer rund 20 m hohen Betongewichtsmauer (Sperre) oberhalb der Ortschaft Stegen in der dort von Gosaukalken aufgebauten, rund 17 m tiefen und 10 m breiten Klamm der Brandenberger Ache, sowie zur Durchführung der von iZm. dem Kraftwerksbau erforderlichen (Bau-)Maßnahmen im Uferbereich der Brandenberger Ache unter Auferlegung einer Mehrzahl von Auflagen bzw. Bedingungen, darunter unter Ziffer
"2. Der Brandenberger Ache muß innerhalb der Staumauer ganzjährig eine Mindestwassermenge zugesichert werden, die so bemessen ist, daß die Entwicklung der für Güteklasse II (oder besser) typischen Bodenfauna gesichert ist, und trotz der Restbelastung aus dem Ablauf einer biologischen Kläranlage für die Gemeinde Brandenberg und unvermeidlichem diffusen Eintrag die Güteklasse II (oder besser) ganzjährig gewährleistet werden kann. Die Restwassermenge muß nicht über das ganze Jahr in gleicher Höhe gegeben werden, sie sollte dem natürlichen Rhythmus entsprechend im Herbst und Frühwinter abnehmen und ab Feber wieder ansteigen.
Da die Höhe des erforderlichen Restwassers aber erst nach Vornahme genauerer limnologischer Untersuchungen der Brandenberger Ache und der unterhalb Stegen mündenden Zubringer quantifiziert werden kann und für diese Festlegung zudem die im Bescheid des Landeshauptmannes vom 4. Feber 1977, Z IIIa 1-3628/45, als Bedingung 62 und 63 (p. 26/27) geforderten und noch beizubringenden Unterlagen über den Abwasseranfall bzw. die erforderliche und mögliche Reinigung von Bedeutung sind, bleibt die endgültige Festsetzung der Restwassermenge bis zum Vorliegen dieser Unterlagen vorbehalten."
und unter Ziffer
"6. Bezüglich der Wasserqualität muß einerseits die Kanalisierung und biologische Reinigung der Abwässer von Brandenberg vor Beginn der Wasserkraftnutzung realisiert sein und ist andererseits vor Inbetriebnahme des Kraftwerkes ein limnologisches Überwachungsprogramm zu erstellen, welches sicherstellt, daß die Güteklasse II in der gesamten Strecke der Brandenberger Ache unterhalb Pinegg ganzjährig gegeben ist. Sollte sich ergeben, daß Güteklasse II nicht ganzjährig gewährleistet ist, so ist durch vermehrte Wasserabgabe diese Mindestqualität zu sichen, soweit sich die Verschlechterung nicht durch Beseitigung anderer Ursachen vermeiden läßt."
Begründend wurde insbesondere ausgeführt, daß, wenn auch die Staumauer und der Stausee im Landschaftsbild nicht allzu störend in Erscheinung treten werden, sich doch im Bereich des Stauraumes durch Hebung und Senkung des Hochwasserspiegels, durch zu erwartende Verlandungen und durch allenfalls erforderliche Ausbaggerungen erhebliche Beeinträchtigungen des Lebensraumes der dort vorhandenen (Klein-)Tierwelt ergeben würden. Der Wasserentzug würde nicht nur den Verlust eines wildromantischen Gepräges bedeuten, sondern - als Folge der zu erwartenden Verschlechterung der Gewässergüte - auch die zumindest teilweise Zerstörung der Lebensgrundlagen für die im Gewässerbereich vorhandene Kleintierwelt erwarten lassen, der letztlich für die Selbstreinigung und den Erholungswert des Gewässers größte Bedeutung zukomme. Es sei also davon auszugehen, daß mit dem Kraftwerksbau eine Beeinträchtigung des Naturhaushaltes verbunden sei, die dem öffentlichen Interesse, das durch die Festsetzung der Bewilligungspflicht geschützt werden soll, zuwiderläuft. Die auf dem Gebiete der Energiewirtschaft bestehende Situation erfordere jedoch unerbittlich den weiteren Ausbau der Wasserkraftwerke. Wenn auch der Projektsverwirklichung erwiesenermaßen Beeinträchtigungen der in §13 Abs1 lita Naturschutzgesetz angeführten Art entgegenstünden, sei jedoch zu berücksichtigen, daß die Erfüllung der sowohl im naturschutzbehördlichen als auch im wasserrechtlichen Verfahren bescheidmäßig vorgeschriebenen, zum Teil sehr einschneidenden Auflagen zumindest eine gewisse Abschwächung der negativen Auswirkungen des Kraftwerkes mit sich bringen werde. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Gewässergüte, die als Folge des Wasserentzuges iVm. dem Zufluß ungeklärter Abwässer aus den Zubringern der Brandenberger Ache in der Entnahmestrecke und der Rückgabestrecke eine Verschlechterung erwarten lasse, der aber durch die wasserrechtliche Vorschreibung in Verbindung mit einer auf die verbleibende Belastung abgestimmten Restwasserdotierung und einerlaufenden limnologischen Überwachung (Auflagen 2 und 6) dieses Bescheides begegnet werden solle.
3. Die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde richtet sich "nicht gegen die naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung, sondern nur gegen die Auflagen bzw. Bedingungen 2) und 6)", mit dem Antrage zu erkennen, "daß die Stadtgemeinde Kufstein durch die Auflagen 2 und 6 des Bescheides" im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde. Die Bf. begehrt, der VfGH wolle "diese Auflagen daher ersatzlos aufheben".
Für den Fall der Abweisung wird die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
4.1. Die angefochtenen Teile des Bescheides stehen mit der Ausnahmebewilligung, an die sie geknüpft sind, in einem derartig koinzidenten Verhältnis, daß sie von dieser nicht lösbar sind. Vielmehr bilden die Bewilligung und die diese beschränkenden Auflagen bzw. Bedingungen infolge ihres engen sachlichen Zusammenhanges eine notwendige, nicht trennbare Einheit. Dieser Zusammenhang wird durch die gesamte Begründung des angefochtenen Bescheides bekräftigt, aus dem deutlich hervorgeht, daß die Behörde der Bf. die Bewilligung nur unter den festgelegten Auflagen und Bedingungen zu erteilen beabsichtigte.
Würden vom VfGH einzelne der angefochtenen Auflagen bzw. Bedingungen aufgehoben werden, so würde sich infolge dieser Interdependenz der Inhalt der Bewilligung selbst verändern.
4.2. Da mit der vorliegenden Beschwerde ausschießlich einzelne belastende Nebenbestimmungen angefochten werden, die aber mit der Bewilligung eine untrennbare Einheit bilden, ist die Beschwerde unzulässig (vgl. VfSlg. 8986/1980).
Einerseits kann nämlich ein unselbständiger Teil eines Bescheides beim VfGH nicht bekämpft werden (vgl. VfSlg. 4913/1965); andererseits hält sich der VfGH nicht befugt, über den ausdrücklichen Antrag der Bf., die sich explizit nur gegen einzelne belastende Nebenbestimmungen, nicht aber gegen den die Ausnahmebewilligung erteilenden Bescheid als solchen wendet, hinauszugehen und den gesamten, der Bf. im übrigen eine Bewilligung einräumenden Bescheid zu überprüfen (zuletzt Beschluß des VfGH vom 6. Oktober 1981 B413/80).
4.3. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Da die Nichtzuständigkeit des VfGH offenbar ist, wurde dieser Beschluß gemäß §19 Abs3 Z1 lita VerfGG idF vor der Nov. BGBl. Nr. 353/1981 (vgl. ArtIV der B-VG-Nov. BGBl. Nr. 350/1981) ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt.
5. Der Antrag, die Beschwerde dem VwGH abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung des VfGH in Betracht kommt (vgl. zB VfGH 30. November 1978 B530/78).
Schlagworte
VfGH / Zuständigkeit, Bescheid TrennbarkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B64.1980Dokumentnummer
JFT_10168876_80B00064_00