TE Vfgh Beschluss 1983/11/24 B82/79, B83/79

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Veröffentlicht am 24.11.1983
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
KO §1
KO §8

Leitsatz

Art144 B-VG; keine Legitimation des Gemeinschuldners zur Beschwerdeführung gegen Abgabenbescheide während des Konkurses

Spruch

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Am 20. August 1976 wurde vom Handelsgericht Wien zu GZ S 110/76 der Konkurs über das Vermögen der Paola B-N eröffnet; die Aufhebung des Konkurses erfolgte nach Verteilung des Massevermögens gemäß §139 KO am 25. November 1982.

2.1. Gegen die an Paola B-N am 15. September 1976 - also während des Konkursverfahrens - ergangenen Bescheide des Finanzamtes für den 1. Bezirk, und zwar als Gesellschafterin der Firma Theresia B-N u. Mitges., betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung 1968 bis 1971, Gewerbesteuer 1968 bis 1971, Umsatzsteuer 1968 bis 1971, Einheitswerte 1968 bis 1971 und als Parfümerieinhaberin, betreffend Einkommensteuer 1968 bis 1975, Umsatzsteuer 1972 bis 1975 und Jänner bis Juli 1976, Gewerbesteuer 1972 bis 1975, Einheitswert 1972 bis 1976 und Vermögenssteuer 1969 bis 1974, erhob der Masseverwalter Berufungen, die von der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld., Berufungssenat V, mit Bescheiden vom 16. Jänner 1979, GZ 6-3269/29/78 und GZ 6-1827/2/77, abgewiesen wurden.

2.2. Der Masseverwalter ließ diese Bescheide unbekämpft.

3.1. Gegen die Bescheide vom 16. Jänner 1979 erhob jedoch die Gemeinschuldnerin Paola B-N die vorliegenden, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.

3.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Zurückweisung, allenfalls die Abweisung der Beschwerden begehrt.

4. Die Beschwerden sind unzulässig.

Über das Vermögen der Bf. wurde am 20. August 1976 zu GZ S 110/76 des Handelsgerichtes Wien der Konkurs verhängt.

In den ungeachtet dessen von der Gemeinschuldnerin erhobenen Beschwerden wird gar nicht die Behauptung aufgestellt, daß es sich um Ansprüche handle, die das zur Konkursmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, und werden auch sonst keine Behauptungen aufgestellt, die rechtfertigen könnten, daß sie auch während des Konkurses berechtigt wäre, den Rechtsstreit vor dem VfGH anhängig zu machen (§6 KO).

Die Bf. hat auch gegen die eben zitierte Bestimmung der Konkursordnung keine Bedenken vorgebracht, solche sind aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles im VfGH auch nicht entstanden.

Die angefochtenen Bescheide betreffen wohl auch die Gemeinschuldnerin persönlich, lasten aber wirtschaftlich auf der Masse und deren Erträgnissen (vgl. VwSlg. 3239 F/1965). Auch in einem Verwaltungsverfahren tritt nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Anders wäre es nur dann, wenn einer der Fälle vorläge, denen zufolge es sich nach einer der hiefür maßgeblichen Bestimmungen der Konkursordnung (§§1, 119 Abs5 und §138 Abs3 KO) um freies Vermögen des Gemeinschuldners handelte; derartiges ist jedoch nicht der Fall.

Festzuhalten ist schließlich, daß auch aus §8 KO für die Bf. nichts zu gewinnen ist, da sich diese Bestimmung nur auf Rechtsstreitigkeiten erstreckt, die schon vor der Konkurseröffnung anhängig waren; einer ausdehnenden Auslegung ist diese Gesetzesbestimmung nicht zugänglich (vgl. OGH 10. September 1969, 5 Ob 181/69, Fundstelle: JBl. 1970, 207 ff.).

Festzuhalten ist schließlich, daß auch das VfGHG keine verfahrensrechtlichen Sonderbestimmungen enthält, auf die sich die Gemeinschuldnerin berufen könnte.

Da mit der Eröffnung des Konkursverfahrens der Gemeinschuldner mit den im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen die Befugnis verliert, sein zur Konkursmasse gehöriges Vermögen zu verwalten und hierüber zu verfügen und an seiner Stelle nur der Masseverwalter (auch prozessual) handlungsfähig ist, mangelte der Bf. die Beschwerdelegitimation.

Die Beschwerden waren daher zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Auslegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B82.1979

Dokumentnummer

JFT_10168876_79B00082_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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