Index
40 VerwaltungsverfahrenNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
VStG 1950; durch §9 wird für die juristische Person, über deren vertretungsbefugtes Organ eine Strafe verhängt wird, Parteistellung nicht begründet; kein Entzug des gesetzlichen Richters durch Zurückweisung ihrer BerufungSpruch
I. Die von Ing. Ewald K erhobene Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.
II. Die bf. Firma I Revisionsdienst für Blitzschutz- und Erdungsanlagen GesmbH ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 7. November 1978 wurde der Zweitbf. Ing. Ewald K als verantwortlicher Geschäftsführer der erstbf. Firma "I Revisionsdienst für Blitzschutz- und Erdungsanlagen GesmbH" (künftig: I) für schuldig erkannt, gewerbsmäßig die Überprüfung von Blitzschutzanlagen betrieben zu haben, ohne im Besitz der entsprechenden Konzession zu sein. Er habe dadurch eine Übertretung nach §366 Abs1 Z2 GewO 1973 begangen, wofür über ihn eine Geldstrafe von 30000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe in der Dauer von 6 Wochen, verhängt wurde.
1.2. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tir. vom 18. Jänner 1979, Z IIa-10.426/2, der I zugerechnet, deren Berufungsrecht verneint und die Berufung aus diesem Grunde als unzulässig zurückgewiesen.
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte, von der I als Erstbf. und von Ing. Ewald K als Zweitbf. erhobene Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet, die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich des §9 VStG 1950 angeregt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
2.2. Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.
3. Der VfGH hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:
3.1.1. Adressat des angefochtenen Bescheides ist ausschließlich die Erstbf. I. Der angefochtene Bescheid wurde auch nur der Erstbf. zugestellt. Mit dem Bescheid wurde eine nach Ansicht der bel. Beh. von der I erhobene Berufung zurückgewiesen, weil im Verwaltungsstrafverfahren nur dem Zweitbf. Ing. Ewald K, nicht aber der Firma I, Parteistellung zukomme. Die Rechtssphäre des Zweitbf. wird durch einen solchen Bescheid nicht berührt, da ihm gegenüber keine Entscheidung getroffen wurde.
Damit ist aber das für seine Beschwerde Entscheidungswesentliche bereits gesagt. Da der Zweitbf. in seiner Rechtssphäre durch den angefochtenen Bescheid nicht berührt wird, mangelt ihm die Beschwerdelegitimation zur Bekämpfung des angefochtenen Bescheides.
Damit war die von Ing. Ewald K erhobene Beschwerde mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z1 lite VerfGG idF vor der Nov. BGBl. Nr. 353/1981 zurückzuweisen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH war insofern abzuweisen, da eine solche nur im Falle einer Sachentscheidung in Frage kommt.
3.1.2. Demgegenüber ist die erstbf. Firma I durch die Zurückweisung der Berufung in ihrer Rechtssphäre betroffen. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die von der Erstbf. erhobene Beschwerde zulässig.
3.2. Der VfGH hat hinsichtlich der als zulässig erkannten Beschwerde der Firma I in der Sache selbst erwogen:
4.1. Die bf. Firma behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein. Für den Fall, daß ihre Beschwerdelegitimation verneint würde, macht sie verfassungsrechtliche Bedenken gegen §9 VStG 1950 geltend.
4.2. Hätte die bel. Beh. die Berufung der I zurückgewiesen, obwohl dieser Parteistellung im Administrativverfahren zukam, so wäre die Erstbf. tatsächlich im geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Bescheid erster Instanz war ausschließlich gegen Ing. Ewald K gerichtet. Eine Haftungsinanspruchnahme der erstbf. Firma I iS des letzten Satzes des §9 VStG 1950 idF vor der Nov. BGBl. Nr. 176/1983 ist dem Bescheid nicht zu entnehmen. Wie der VfGH bereits in VfSlg. 8015/1977 ausgesprochen hat, wird durch §9 für die juristische Person, über deren vertretungsbefugtes Organ eine Strafe verhängt wird, Parteistellung nicht begründet (vgl. auch die hiemit übereinstimmende Rechtsprechung des VwGH VwSlg. 2238 A/1951, 8805 A/1975 und VwGH 7. Dezember 1982 Z 11/2675/79). Damit wurde aber die von der I erhobene Berufung von der bel. Beh. zu Recht zurückgewiesen.
Da die Haftung der Erstbf. im Administrativverfahren gemäß §9 letzter Satz VStG 1950 idF vor der Nov. BGBl. Nr. 176/1983 nicht in Anspruch genommen war, war auf die in der Beschwerde gegen diese Regelung erhobenen Bedenken schon mangels Präjudizialität nicht einzugehen.
Da die Berufung der I im angefochtenen Bescheid mangels Parteistellung zu Recht zurückgewiesen wurde, kam auch die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes nicht in Frage.
4.3. Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs2 B-VG idF vor der Nov. BGBl. Nr. 350/1981 (vgl. ArtIV dieser Nov.) antragsgemäß dem VwGH abzutreten.
Schlagworte
VfGH / Legitimation, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsmaßstab, Verwaltungsstrafrecht, Parteistellung, Person juristischeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B128.1979Dokumentnummer
JFT_10168876_79B00128_00