TE Vfgh Beschluss 1983/11/24 V41/83

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Veröffentlicht am 24.11.1983
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Index

72 Wissenschaft, Hochschulen
72/14 Hochschülerschaft

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
HochschülerschaftswahlO 1983 §7 Abs2
HochschülerschaftswahlO 1983 §7 Abs3
HochschülerschaftswahlO 1983 §9
VfGG §15 Abs2

Leitsatz

Art139 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung des §7 Abs2 sowie der Worte "sofern sie an der jeweiligen Hochschule immatrikuliert (§6 AHStG) sind oder der Fall des Abs4 vorliegt" in §7 Abs3 Hochschülerschaftswahlordnung 1983; keine Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Die Antragsteller begehren in einem als "Beschwerde nach Art139 B-VG" bezeichneten Schriftsatz die Aufhebung des §7 Abs2 sowie die Worte "sofern sie an der jeweiligen Hochschule immatrikuliert (§6 AHStG) sind oder der Fall des Abs4 vorliegt" in §7 Abs3 der Hochschülerschaftswahlordnung 1983, BGBl. Nr. 609/1982.

Die Antragsteller seien an der Universität Wien immatrikuliert und inskribiert. Sie betrieben aber auch an einer anderen Universität ein Studium (Doppelstudium).

Bei der Hochschülerschaftswahl 1983 hätten die Antragsteller zwar an der Hochschule, an der sie immatrikuliert seien (Stammhochschule), ihre Stimme für den Zentralausschuß der Österreichischen Hochschülerschaft, für den Hauptausschuß, die Fakultätsvertretung und Studienrichtungsvertretung abgeben können. Unter Hinweis auf §7 Abs2 und Abs3 der Hochschülerschaftswahlordnung 1983, BGBl. Nr. 609/1982, sei ihnen aber von der zuständigen Wahlkommission an der Hochschule, an der die Beschwerdeführer ihr Doppelstudium betrieben (Zweithochschule), verweigert worden, ihre Stimme für den Hauptausschuß und die Studienrichtungsvertretung der Hochschülerschaft der Zweituniversität abzugeben.

Nach den weiteren Ausführungen im Antrag ergebe sich aus §1 Abs1 lita des Hochschülerschaftsgesetzes (HSchG), BGBl. Nr. 309/1973 idgF, aus §3 Abs1 HSchG und aus §6 Abs2 des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes (AHStG), BGBl. Nr. 177/1966 idgF, daß die Antragsteller als "Doppelstudenten" auch an der Zweithochschule aufgenommen seien und daß sie nach §3 Abs3 HSchG auch an dieser Hochschule wahlberechtigt seien.

Durch die Hochschülerschaftswahlordnung 1983 sei den Antragstellern unmittelbar das ihnen gemäß §3 Abs3 HSchG zustehende Recht zur Wahl der Organe der Hochschülerschaft genommen worden, ohne daß noch ein die konkrete Regelung, das heißt den Entzug des Wahlrechtes, enthaltender materieller Verwaltungsakt notwendig gewesen sei. Die Erstellung der Wählerverzeichnisse gemäß §9 Abs1 der Hochschülerschaftswahlordnung 1983 sei nur mehr ein rein formeller, die Ausübung des Wahlrechtes regelnder Verwaltungsakt. Dies erhelle sich auch daraus, daß gemäß §9 Abs1 zweiter Satz der Hochschülerschaftswahlordnung 1983 die Wahlkommission eine Verbesserung der Wählerverzeichnisse (nur dann) durchzuführen habe, wenn durch die Vorlage geeigneter Urkunden und Belege deren Unrichtigkeit bewiesen werde. Daraus folge, "daß Gegenstand des Einspruchsverfahrens gegen das Wählerverzeichnis nur die Übereinstimmung des Wählerverzeichnisses mit der Hochschülerschaftswahlordnung 1983" sei, "nicht aber des, durch das HSchG gewährten, Wahlrechtes selbst" sei; denn dies sei eine reine Rechtsfrage, die durch die Vorlage von Urkunden nicht klärbar sei. Ein Einspruch gegen das Wählerverzeichnis hätte sich daher gegen ein qualitativ anderes Rechtsgut, nämlich die formale Korrektheit des Wählerverzeichnisses, gerichtet. Für die hier behauptete Rechtsverletzung wäre ein solcher Einspruch kein zweckentsprechendes Mittel zur Rechtsverfolgung gewesen, das Unterlassen des Einspruches sei daher für die Legitimation der Bf. ohne Belang.

Der Antrag nach Art139 B-VG an den VfGH sei somit der einzige Weg, die Gesetzwidrigkeit der Hochschülerschaftswahlordnung geltend zu machen und das gesetzlich zustehende Recht zur Wahl der Organe der Hochschülerschaft durchzusetzen. Dieses Wahlrecht sei den Antragstellern durch die Hochschülerschaftswahlordnung selbst entzogen worden, und nicht erst durch die aufgrund dieser V erstellten Wählerverzeichnisse, die nur mehr ein rein formell die Ausübung des Wahlrechtes regelnder Verwaltungsakt seien.

Die Interessen der Antragsteller seien durch diese V nicht nur potentiell, sondern auch aktuell betroffen, da sie an der Ausübung ihres Rechtes zur Wahl der Organe der Hochschülerschaft bei der diesjährigen Hochschülerschaftswahl tatsächlich gehindert worden seien. Da den Antragstellern kein anderer zumutbarer Weg zur Bekämpfung der rechtlichen Norm sowie zur Durchsetzung ihres Wahlrechtes zur Verfügung stehe, sei der Antrag nach Art139 B-VG zulässig.

Sodann wird dargelegt, daß die Abs2 und 3 des §7 gesetzwidrig seien, weil sie das in §3 Abs3 iVm. §1 Abs2 HSchG normierte Wahlrecht für "Doppelstudenten" bezüglich der Organe der Hochschülerschaft der Zweithochschule beseitigten. Andererseits seien die angeführten Bestimmungen wegen eines Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot verfassungswidrig.

II. 1. Die von den Antragstellern als "Beschwerde" bezeichnete Eingabe ist ein Individualantrag nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG. Nach dieser Bestimmung erkennt der VfGH "über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die V ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist."

2. Wie der VfGH in ständiger Judikatur - beginnend mit seinen Beschlüssen VfSlg. 8009/1977 zu Art140 B-VG und VfSlg. 8059/1977 zu Art139 B-VG - ausgeführt hat, ist grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die V in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift, diese im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit verletzt und daß dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeit nicht zur Verfügung steht.

3. Gemäß §9 der Hochschülerschaftswahlordnung 1983 kann jedes Mitglied der Hochschülerschaft an der betreffenden Hochschule bei der zuständigen Wahlkommission schriftlich Einspruch gegen die aufgelegten Wählerverzeichnisse erheben. Nach §9 Abs2 hat die Wahlkommission über Einsprüche gegen die Verzeichnisse der Wahlberechtigten bis längstens zwei Wochen vor dem ersten Wahltag zu entscheiden. Darin liegt auch eine Entscheidung über das Wahlrecht. Die Entscheidung der Wahlkommission ist endgültig und unterliegt keinem weiteren Rechtszug. Das Gesetz sieht somit ausdrücklich ein bestimmtes Verfahren vor, wenn sich ein Mitglied der Hochschülerschaft dadurch beschwert erachtet, daß es sein aktives oder passives Wahlrecht nicht ausüben kann. Die Antragsteller können gegen ihre Nichteintragung in das Wählerverzeichnis an der Hochschule, an der sie zwar nicht immatrikuliert sind, aber ein Doppelstudium betreiben, Einspruch erheben. Es brächte für die Antragsteller jedenfalls keine nennenswerten Nachteile mit sich, wenn sie sich dieses Rechtsbehelfes bedienten. Gegen die Entscheidung der Wahlkommission stünde ihnen die Möglichkeit zur Erhebung einer Beschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes zur Verfügung, in der sie die Gesetzwidrigkeit der ihrer Auffassung nach gesetzwidrigen Bestimmungen der Hochschülerschaftswahlordnung 1983 geltend machen könnten. Würden die von den Antragstellern vorgebrachten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angeführten Verordnungsbestimmungen geteilt, so hätte der VwGH beim VfGH den Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmung zu stellen bzw. der VfGH von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung ihrer Gesetzmäßigkeit nach Art139 Abs1 B-VG einzuleiten.

Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, daß den Antragstellern ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr der durch die behauptete Gesetzwidrigkeit der Bestimmungen des §7 Abs2 und 3 der Hochschülerschaftswahlordnung 1983 angeblich bewirkten Rechtsverletzungen nicht zur Verfügung stünde (vgl. VfSlg. 8187/1977).

Der Antrag war daher mangels Legitimation der Antragsteller zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Hochschülerschaft, Wahlen, Wahlrecht aktives, Auslegung eines Antrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:V41.1983

Dokumentnummer

JFT_10168876_83V00041_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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