TE Vfgh Erkenntnis 1983/11/24 B458/79, B543/79, B520/80

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Veröffentlicht am 24.11.1983
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Tir BauO §25 lita
Tir BauO §43 Abs1
Tir BauO §53

Leitsatz

Tir. BauO 1978; denkmögliche Annahme einer Verwaltungsübertretung nach §53 Abs1 lith

Spruch

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Mit Straferk. des Stadtmagistrats Innsbruck vom 8. Juni 1979, Z I-5.444/1979, wurde über den nunmehrigen Bf. eine Geldstrafe in Höhe von 6000 S (7 Tage Ersatzarrest) verhängt, da er es als zur Vertretung der Firma W B B & Co. KG nach außen berufenes Organ zu verantworten habe, daß durch die genannte Firma in deren Betrieb in Innsbruck, E-Straße, eine bauliche Anlage bzw. ein Teil eines Gebäudes, nämlich der überdachte Hofraum (die Überdachung wurde mit Bescheid vom 9. März 1978, Z VI-593/29-1977, genehmigt), in den Monaten Feber, März und April 1979 (bis 18. April 1979) ohne Vorliegen einer baurechtlichen Benützungsbewilligung benützt wurde (es wurde im genannten ursprünglichen Hofraum eine Rollen-Offsetmaschine aufgestellt, die seit März dieses Jahres betrieben wird). Die Behörde erblickte darin eine Verwaltungsübertretung nach §53 Abs1 lith der Tir. Bauordnung (TBO), Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 5. September 1978 über die Wiederverlautbarung der Tir. Bauordnung, LGBl. Nr. 43.

Die gegen das Straferk. vom Bf. erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesregierung vom 1. Oktober 1979 als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die beim VfGH zum B458/79 protokollierte Beschwerde, in welcher der Bf. die Verletzung des verfassunsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Erwerbsfreiheit geltend macht und die Aufhebung des angefochtene Bescheides beantragt.

b) Mit dem im Instanzenzug ergangen Bescheid der Tir. Landesregierung vom 6. Dezember 1979 wurde über den Bf. aus denselben Gründen, wie sie oben unter Punkt a) dargestellt wurden, diesmal bezogen auf den Tatzeitraum Juli, August, September bis zum 17. Oktober 1979 eine Geldstrafe in der Höhe von 20000 S (14 Tage Ersatzarrest) verhängt.

Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die beim VfGH zu B543/79 protokollierte Beschwerde, in welcher der Bf. - gleichlautend wie in der Beschwerde zu B458/79 - die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Erwerbsfreiheit geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

c) Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tir. Landesregierung vom 22. September 1980 wurde über den Bf. aus denselben Gründen, wie sie oben unter Punkt a) dargestellt wurden, diesmal bezogen auf den Tatzeitraum 14. November 1979 bis 8. Jänner 1980 eine Geldstrafe in der Höhe von 25000 S (42 Tage Ersatzarrest) verhängt.

Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die beim VfGH zu B520/80 protokollierte Beschwerde, in welcher der Bf. - gleichlautend wie in den Beschwerden zu B458/79 und B543/79 - die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Erwerbsfreiheit geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

2. Die bel. Beh. hat im Verfahren zu B458/79 in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt und in den beiden anderen Fällen auf diese Gegenschrift verwiesen.

II. Der VfGH hat über die - zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen - Beschwerden erwogen:

1. Nach §25 lita TBO bedarf der Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden einer Bewilligung der Behörde.

Gemäß §43 Abs1 TBO hat der Bauwerber die Vollendung einer bewilligungspflichtigen baulichen Anlage der Behörde anzuzeigen und gleichzeitig um die Bewilligung zur Benützung der baulichen Anlage anzusuchen.

Nach §53 Abs1 lith TBO begeht ua. eine Verwaltungsübertretung, wer eine bauliche Anlage vor Erteilung der Benützungsbewilligung benützt.

2. In den Beschwerden wird vorgebracht, wenn man §53 TBO wie im angefochtenen Bescheid so auslege, daß diese Bestimmung auch auf Umbauten (und nicht nur auf Neubauten) Anwendung finde, so werde dadurch die Freiheit der Erwerbsausübung wesentlich beeinträchtigt. Bis zum Zeitpunkt der Erteilung der Benützungsbewilligung aufgrund der TBO wäre derart die Nutzung eines bereits bestehenden Gebäudes für die erlaubte gewerbliche Tätigkeit verboten. Im vorliegenden Fall könne ohne Benützung des Hofraumes der Geschäftsbetrieb der W. Buchdruckerei nicht ausgeübt werden. Es müßte verheerende Folgen haben und zur Einstellung des gesamten Betriebes führen, wenn derart wegen des im Zuge befindlichen, aber nicht abgeschlossenen Umbaues die Benützung jener Räume, auf die sich der Umbau bezieht, unzulässig wäre.

Wenn die Anwendung der §§34, 53 Abs1 lita und Abs2 (dieser enthält den Strafsatz) TBO zu einer wesentlichen gewerblichen Beeinträchtigung des Betriebes oder sogar zu einem zeitlich beschränkten vollkommenen Betriebsverbot führe, dann stellten sie Normen dar, welche dem Kompetenztatbestand Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie zuzurechnen seien und somit vom Landesgesetzgeber nicht erlassen werden dürften.

Die Behörde habe das Gesetz auch denkunmöglich angewendet, weil nach §43 TBO erst nach Vollendung einer bewilligungspflichtigen baulichen Anlage um eine Benützungsbewilligung anzusuchen sei. Das bedeute für den vorliegenden Fall, daß nach wie vor die alte Benützungsbewilligung in Kraft sei und erst nach Vollendung des gesamten Umbauvorhabens um eine Benützungsbewilligung angesucht werden könne und müsse. Wohl könne nach dem zweiten Satz des §43 Abs1 TBO um die Erteilung einer Benützungsbewilligung für einen in sich abgeschlossenen Teil eines Gebäudes angesucht werden, doch handle es sich hiebei um eine "Kann-Bestimmung", aus der dem Bauherrn keine Verpflichtung erwachse. Auch sei der überdachte Hof kein abgeschlossener Teil des Bauwerkes, sondern in dieses voll integriert. Es sei der angefochtene Bescheid daher schon durch den Wortlaut des §43 TBO nicht gedeckt.

Der Hof werde bereits seit dem Jahre 1888, also lange vor Erlassung der derzeit geltenden Bauordnung gewerblich genützt. Gehe man davon aus, daß es im Jahre 1888 keinen Bewilligungsbescheid im heutigen Sinn gegeben habe und daher auch nicht zwischen Hof und Gebäude unterschieden worden, sondern bestenfalls der gesamte Gebäudekomplex kommissioniert und genehmigt worden sei, liege also eine (zumindest konkludente) Baubewilligung des nicht überdachten Hofes vor. Es bleibe vollständig unklar, warum gerade das Aufstellen einer Rollen-Offsetmaschine Anlaß für die Strafverfolgung sei. Auch vor der Überdachung seien im Hofraum - allerdings wetterfeste - Maschinen gestanden. Es habe sich also die tatsächliche Situation durch die Überdachung des Hofraumes in keiner Weise geändert, die schon vorher erteilte Erlaubnis zur Benützung der gesamten Liegenschaft habe durch die Baubewilligung nicht eingeschränkt werden können.

3. In der Begründung des angefochtenen Bescheides geht die bel. Beh. davon aus, daß der Hofraum des Gebäudekomplexes E-Straße erst durch die baubehördlich bewilligte Überdachung zu einem Gebäude iS des §3 Abs2 TBO geworden sei. Die Berufungsbehörde verkenne keineswegs, daß es zweifelsohne notwendig sei, Materialien durch den überdachten Hofraum in hinter diesem Raum gelegene Betriebsräumlichkeiten zu schaffen, damit der Betrieb der Druckerei aufrechterhalten werden kann. Der Beschuldigte übersehe in diesem Zusammenhang aber die Tatsache, daß das Straferkenntnis lediglich deswegen erlassen worden sei, weil in dem überdachten Raum eine Rollen-Offsetmaschine aufgestellt und in Betrieb genommen worden sei, ohne daß eine Benützungsbewilligung vorlag. Sicherlich müsse der normale Betrieb der Druckerei auch während der Bauarbeiten weitergehen, dies gebe jedoch keine Berechtigung, den neuen Gebäudeteil durch Aufstellung einer Rollen-Offsetmaschine ohne vorher erteilte Bewilligung zu benützen.

Es möge zutreffen, daß der Hofraum auch früher für gewerbliche Tätigkeiten befugterweise benützt worden sei; der frühere Hofraum sei jedoch nunmehr als Gebäude iS des §3 Abs2 TBO anzusehen. Damit hätten sich aber die rechtlichen Voraussetzungen für die Benützung dieses Hofraumes zweifelsohne in erheblichem Umfang geändert. Es bestehe kein Zweifel, daß es sich bei der Überdachung des Hofraumes um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben nach der TBO handle.

4. a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird mit Rücksicht auf den in Art6 StGG enthaltenen Gesetzesvorbehalt nur verletzt, wenn einem Staatsbürger durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird, ohne daß ein Gesetz die Behörde zu einem solchen, die Erwerbstätigkeit einschränkenden Bescheid ermächtigt, oder wenn die Rechtsvorschrift, auf die sich der Bescheid stützt, verfassungswidrig oder gesetzwidrig ist, oder wenn bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz oder eine gesetzmäßige Verordnung in denkunmöglicher Weise angewendet worden ist (vgl. zB VfSlg. 8492/1979).

Die im vorliegenden Fall angewendeten Bestimmungen der §§43 Abs1 und 53 TBO (s. oben unter Punkt II.1.) haben - entgegen der Auffassung des Bf. - ausschließlich baurechtliche Vorschriften zum Inhalt. Daß diese Vorschriften - wie hier - faktische Auswirkungen bei der Ausübung eines Erwerbszweiges oder in anderen denkbaren Fällen auf Angelegenheiten haben, zu deren Regelung der Landesgesetzgeber nicht zuständig ist, vermag an ihrem baurechtlichen Charakter nichts zu ändern.

b) Gegenstand der vorliegenden Verfahren und der angefochtenen Bescheide war die Verhängung von Verwaltungsstrafen wegen der Aufstellung und des Betriebes einer Rollen-Offsetmaschine in einem Gebäude ohne Vorliegen einer baurechtlichen Benützungsbewilligung. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Bf. als geschäftsführender Gesellschafter der W. Buchdruckerei auch nur mittelbar in seiner Erwerbsbetätigung behindert wurde, weil Art6 StGG gegen Amtshandlungen keinen Schutz gewährt, die nur die faktische Ausübung eines Erwerbszweiges betreffen, ohne das Recht der freien Erwerbsbetätigung als solches zu negieren (vgl. zuletzt VfSlg 9662/1983).

c) Durch die Verhängung von Geldstrafen wurde hingegen in das Eigentumsrecht des Bf. eingegriffen. Der bel. Beh. kann aber auch ein Verstoß gegen dieses Grundrecht (vgl. die ständige Rechtsprechung des VfGH hiezu, zB VfSlg. 9047/1981) nicht angelastet werden.

Der Bf. übersieht, daß nach §25 lita TBO auch Neu- und Zubauten von Gebäuden bewilligungspflichtig sind. Es ist aufgrund dessen die Auffassung des Bf., daß die Bestimmungen über die Benützungsbewilligung sich nicht auf Umbauten beziehen, vom Ansatz her verfehlt. Der Bf. räumt selbst ein, daß der Hof zwar schon seit vielen Jahren zur Lagerung von Papier, zur Aufstellung von kleineren Maschinen (soweit diese nicht regenempfindlich gewesen seien) sowie zur Lagerung von Materialien verschiedenster Art gedient habe, daß aber erst nach der Überdachung in dem nunmehr überdachten Raum eine Rollen-Offsetmaschine installiert worden sei. Es ist keineswegs denkunmöglich, wenn die Behörde diese Form der Benützung - und nur diese - mit der baulichen Veränderung in Zusammenhang bringt.

Der Bf. übersieht weiters, daß die von der Behörde in ihren Bescheiden zum Ausdruck gebrachte Beschränkung des Benützungsverbotes vor Erteilung der Benützungsbewilligung auf jene Art der Verwendung, welche mit der nunmehrigen Baumaßnahme zusammenhängt, gerade jene Konsequenzen vermeidet, welche der Bf. an die Wand malt, nämlich die Einstellung des Betriebes.

Im übrigen stünde es dem Bf. frei, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Benützungsbewilligung zu schaffen, wozu er aber - soweit dies aus den vorliegenden Akten erkennbar ist - keine Anstalten trifft.

Schlagworte

Baurecht, Benützungsbewilligung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B458.1979

Dokumentnummer

JFT_10168876_79B00458_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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