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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Gleichheitswidrigkeit einer Regelung des Gebührengesetzes betreffend die nach dem Höchstbetrag zu entrichtende Gebühr für Urkunden mit Höchstbetragsvereinbarungen (Pro-fisco-Klausel)Spruch
Die Wortfolgen "eine Leistung nicht mit einem bestimmten Betrage, wohl aber deren höchstes Ausmaß ausgedrückt oder ist" und "im ersteren Falle nach dem Höchstbetrag, im letzteren Falle" in §22 Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B774/04 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (im Folgenden: UFS), Außenstelle Wien, vom 6. Mai 2004 anhängig, mit dem dem Beschwerdeführer Gebühren für einen außergerichtlichen Vergleich gem. §22 iVm §33 TP20 Abs1 litb Gebührengesetz 1957 iHv S 400.000,-- vorgeschrieben wurden. Da der Vergleich einen Höchstbetrag für die Zuwendungen an den Beschwerdeführer iHv S 20.000.000,-- vorsah, wurde die Gebühr anhand dieses Höchstbetrages bemessen, obwohl der Beschwerdeführer tatsächlich (lediglich) S 600.000,-- erhielt.
2. Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolgen "eine Leistung nicht mit einem bestimmten Betrage, wohl aber deren höchstes Ausmaß ausgedrückt oder ist" und "im ersteren Falle nach dem Höchstbetrag, im letzteren Falle" in §22 Gebührengesetz 1957 (in der Folge: GebG), BGBl. Nr. 267, entstanden.
3. Zur Rechtslage:
Die maßgeblichen Bestimmungen des GebG, BGBl. 267/1957, - davon §17 idF BGBl. 668/1976 und §33 TP20 GebG idF BGBl. 144/2001 - lauten (die in Prüfung gezogenen Wortfolgen sind unterstrichen):
"§17. (1) Für die Festsetzung der Gebühren ist der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.
(2) Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird bis zum Gegenbeweise der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.
(3) Der Umstand, daß die Urkunde nicht in der zu ihrer Beweiskraft erforderlichen Förmlichkeit errichtet wurde, ist für die Gebührenpflicht ohne Belang.
(4) Auf die Entstehung der Gebührenschuld ist es ohne Einfluß, ob die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes von einer Bedingung oder von der Genehmigung eines der Beteiligten abhängt.
(5) Die Vernichtung der Urkunde, die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben seiner Ausführung heben die entstandene Gebührenschuld nicht auf.
...
§22. Ist eine Leistung nicht mit einem bestimmten Betrage, wohl aber deren höchstes Ausmaß ausgedrückt oder ist zwischen zwei oder mehreren Rechten oder Verbindlichkeiten eine Wahl bedungen, so ist die Gebühr im ersteren Falle nach dem Höchstbetrag, im letzteren Falle nach dem größeren Geldwerte der zur Wahl gestellten Leistungen zu entrichten.
...
§33. Tarif der Gebühren für Rechtsgeschäfte
Tarifpost
1 - 19 ...
20 Vergleiche (außergerichtliche)
(1) Vergleiche (außergerichtliche),
a) wenn der Vergleich über anhängige
Rechtsstreitigkeiten getroffen wird ............... 1 vH,
b) sonst ................................. 2 vH
vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen.
(2) Gebührenfrei sind
1. Vergleiche über Unterhaltsansprüche Minderjähriger;
2. Vergleiche mit Versicherungsunternehmungen über Ansprüche aus Kranken- oder Schadensversicherungsverträgen;
3. Vergleiche, die mit einem Sozialhilfeträger über Ersatzansprüche abgeschlossen werden;
4. Vergleiche mit dem Bundesminister für Finanzen namens des Bundes über Ansprüche aus Haftungen nach dem Ausfuhrförderungsgesetz 1981."
4. Im Prüfungsbeschluss legte der Gerichtshof seine Bedenken gegen die in Prüfung gezogenen Wortfolgen in §22 GebG folgendermaßen dar:
"Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass der UFS, Außenstelle Wien, bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die genannte Bestimmung - zumindest denkmöglich - angewendet hat und dass daher auch der Gerichtshof diese Gesetzesstelle bei der Behandlung der vorliegenden Beschwerde anzuwenden hätte. Da auch sonst alle Prozessvoraussetzungen vorzuliegen scheinen, dürfte das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig sein.
2. §22 GebG befasst sich in seinem ersten Tatbestand mit Urkunden, in denen eine Leistung nicht mit einem bestimmten Betrag, wohl aber deren höchstes Ausmaß ausgedrückt ist. Für diesen Fall wird zwingend normiert, dass die Gebühr nach dem Höchstbetrag zu entrichten ist. Die Kommentarliteratur spricht (auch) in diesem Fall von einer Pro-fisco-Klausel (Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I10, 2002, §22 Rz. 1) bzw. einem Ausfluss des Pro-fisco-Prinzips (Gaier, Handkommentar zum GebG3, 1996 §1 Rz. 34, §22 Rz. 1; ähnlich Arnold, Rechtsgebühren7, 2002, §22 Rz. 14). Dieses 'Prinzip' findet seinen Ausdruck primär in §17 GebG, der zunächst (in Abs1) anordnet, dass für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend ist, und in Abs2 für den Fall eines undeutlichen Urkundeninhaltes die Vermutung aufstellt, dass bis zum Beweis des Gegenteiles (den offenbar der Gebührenpflichtige zu erbringen hat) der Tatbestand verwirklicht ist, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat. Im Ergebnis handelt es sich bei solchen Vorschriften um Sonderverfahrensrecht, das die allgemeinen Vorschriften der BAO über die amtswegige Ermittlungspflicht der Behörde überlagert (Gaier, a. a.O., §17 Rz. 31) und eigene Beweisregeln aufstellt.
Der Gerichtshof kann es aus Anlass des zu beurteilenden Falles dahin gestellt sein lassen, ob es für dieses Sonderverfahrensrecht eine Rechtfertigung gibt (nach dem vorliegenden Erkenntnismaterial dürfte die Begründung für die Pro-fisco-Klauseln im Gebührenrecht im Streben nach möglichster Einfachheit und Beschleunigung des Verfahrens gelegen sein: Roschnik, Handbuch des österreichischen Gebührenrechtes2, 1928, 149; in diesem Sinne argumentiert auch die belangte Behörde). Die Regelung des §17 Abs2 GebG führt nämlich nur zu Verschiebungen der Beweislast und nicht zu einer endgültigen Gebührenbelastung: Dem Gebührenschuldner steht es frei, den Gegenbeweis zu erbringen oder dies zu unterlassen.
Gleiches ist in §22 GebG nicht vorgesehen. Ist in der Urkunde eine Leistung nicht mit einem bestimmten oder bestimmbaren (vgl. VwGH vom 16. März 1987, Zl. 85/15/0246, vom 5. Oktober 1987, Zl. 86/15/0102, vom 30. Mai 1988, Zl. 87/15/0104; Arnold, a.a.O., §22 Rz. 2 f.; Gaier, a.a.O., §22 Rz. 5; Fellner, a.a.O., §22 Rz. 1 f.) Betrag ausgedrückt, wohl aber ein Höchstausmaß angegeben, so ist danach für die Gebührenbemessung zwingend das Höchstausmaß anzusetzen. Der Gegenbeweis, dass und wie weit die tatsächliche Leistung unter dem Höchstausmaß liegt, wird nicht zugelassen. Die Vorschrift differenziert anscheinend innerhalb der Fälle, in denen eine Leistung in der Urkunde nicht mit einem bestimmten oder bestimmbaren Betrag ausgedrückt ist, danach, ob zusätzlich noch ein Höchstausmaß vereinbart ist oder nicht. Während bei der ersten Fallgruppe jedenfalls und ohne Zulässigkeit eines Gegenbeweises das Höchstausmaß heranzuziehen ist, dürften bei der zweiten Fallgruppe die allgemeinen Regeln über die Ermittlung undeutlicher Bemessungsgrundlagen zur Anwendung kommen. Bei dieser Fallgruppe wird die Bemessungsgrundlage somit anscheinend entweder nach der Regelung des §17 Abs3 BewG ermittelt, wonach bei ungewissen Nutzungen oder Leistungen der voraussichtlich erzielbare Betrag maßgebend ist, oder auf Grund eines Ermittlungsverfahrens nach der BAO, das letztlich auf den tatsächlichen Betrag der Leistung abstellt (in diesem Sinne auch die Gegenschrift der belangten Behörde, Seite 10).
Der Gerichtshof kann nun vorläufig nicht erkennen, welcher Umstand es rechtfertigen könnte, innerhalb der Urkunden mit unbestimmtem Leistungsinhalt danach zu differenzieren, ob ein Höchstbetrag vereinbart wurde oder nicht. Gerade auf dem Boden des - in diesem Zusammenhang nicht näher auf seine verfassungsrechtliche Dimension zu untersuchenden - gebührenrechtlichen Urkundenprinzips ist davon auszugehen, dass eine Urkunde, in der eine unbestimmte Leistung ohne Höchstbetragsbegrenzung vereinbart ist, einen weiteren Leistungsumfang zulässt als eine Urkunde, die eine solche Begrenzung enthält. Warum dann bei der Urkunde, die den weiteren Leistungsumfang zulässt, letztlich auf die tatsächliche Leistung abgestellt wird, während bei der Urkunde mit dem logischerweise geringeren Leistungsumfang stets der Höchstbetrag maßgebend ist, ist für den Gerichtshof vorderhand nicht erklärlich. Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift wiederholt betont, dass der Höchstbetrag Teil der Urkunde sei, von den Parteien vermutlich nach reiflicher Überlegung in die Urkunde aufgenommen worden sei und daher den tatsächlichen Verhältnissen in der Regel sehr nahe kommen werde, so dürfte das die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Haben die Parteien keinen Höchstbetrag vereinbart, so ist auch dies (negativ) Bestandteil der Urkunde. Es besteht auch kein Anlass zur Annahme, dass die Vereinbarung eines Höchstbetrages generell reiflicher überlegt ist als der Verzicht auf eine solche Vereinbarung. Trotzdem wird nicht ex ante ein möglicher Höchstbetrag vermutet, sondern wegen der Unbestimmtheit des Urkundeninhaltes das tatsächliche Geschehen ermittelt. Wird aber in solchen Fällen zwecks Gebührenbemessung nicht nur auf den Urkundeninhalt, sondern auch auf die tatsächliche Abwicklung des Rechtsgeschäftes abgestellt, dann ist nicht verständlich, warum die tatsächliche Abwicklung im Fall der Vereinbarung eines Höchstbetrages ex lege nicht beachtet werden darf. Gerade der dem Prüfungsbeschluss zu Grunde liegende - keineswegs vollkommen atypische - Beschwerdefall zeigt auch mit hinreichender Deutlichkeit, dass vereinbarte Höchstbeträge keineswegs die wahrscheinlichste Leistung indizieren müssen, sondern auch eine Leistungslimitierung zum Ausdruck bringen können, die vielleicht aus reinen Vorsichtsgründen aufgenommen wird, ohne dass man ihr Schlagendwerden für wahrscheinlich hält.
Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen scheint auch das von der belangten Behörde vorgebrachte Vereinfachungsargument nicht geeignet zu sein, die Regelung zu rechtfertigen: Es mag sein, dass - wie die belangte Behörde ausführt - die Pro-fisco-Klauseln des GebG überhaupt, die des §22 im Besonderen dem Staat die Gebührenbemessung erleichtern. Ein solches Argument reicht aber offensichtlich zur Rechtfertigung einer Regelung nicht aus, wenn die Erleichterung zu einer unsachlichen Differenzierung innerhalb gleich gelagerter Tatbestände führt.
Werden in §22 GebG die in Prüfung gezogenen Wortfolgen beseitigt, so enthält das GebG für Urkunden mit Höchstbetragsvereinbarungen keine Sonderregelung mehr. Der Gerichtshof geht davon aus, dass in diesem Fall die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach jenen Regeln zu erfolgen hat, die für Urkunden mit unbestimmtem Leistungsinhalt angewendet werden, wenn diese kein Höchstausmaß enthalten (Ermittlung der tatsächlichen Leistung)."
5. Die Bundesregierung erstattete im Gesetzesprüfungsverfahren eine Äußerung, in der sie das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen nicht bestreitet, jedoch den Bedenken des Gerichtshofes entgegentritt und beantragt, die in Prüfung gezogenen Wortfolgen nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
Die Bundesregierung weist einleitend darauf hin, dass das GebG von einer formalen Betrachtungsweise geprägt sei, d.h. an spezifisch zivilrechtliche Gestaltungen anknüpfe. Die Bestimmung des §22 GebG sei dabei in Zusammenhang mit den §§16 und 17 leg.cit. zu sehen. Aus diesen Bestimmungen gehe hervor, dass das GebG bei der Erhebung der Gebühren auf einen bestimmten Zeitpunkt (Stichtag) abstelle. Die Bundesregierung führt dazu wörtlich aus:
"Alle nach diesem Zeitpunkt eintretenden Umstände haben auf die Gebührenpflicht keinen Einfluss. Dass es auf die tatsächliche Abwicklung des Rechtsgeschäfts nicht ankommt, wird durch die Regelung des §17 Abs5 GebG noch ausdrücklich betont: Nach dieser Bestimmung heben die Vernichtung der Urkunde, die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben seiner Ausführung die bereits entstandene Gebührenschuld nicht auf."
Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf das hg. Erk. Slg. 9522/1982, in dem auch der Gerichtshof die Auffassung vertreten habe, dass bei der Gebührenbemessung auf den Zeitpunkt der Vertragserrichtung und den Inhalt der Urkunde abzustellen sei und demnach die Höhe der Gebühr von vornherein feststehen müsse.
§22 GebG biete dem Finanzamt die Handhabe für die umgehende Berechnung der Gebühr und biete den Gebührenschuldnern die Gewissheit über die sich aus der abgeschlossenen und beurkundeten Vereinbarung ergebende Höhe der Gebühr.
Im Übrigen vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Vereinbarung von Höchstgrenzen der Absicherung und Risikobegrenzung der Vertagsteile im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses diene und rechtlich betrachtet keineswegs irrelevant sei. Wörtlich bringt die Bundesregierung hiezu Folgendes vor:
"Dass sich zu einem späteren Zeitpunkt - nach dem Entstehen der Gebührenschuld - herausstellen kann, dass die Höchstgrenze nicht erreicht wird, ändert nichts daran, dass die Parteien ihre Vereinbarung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses offensichtlich in dieser Art und Weise für erforderlich bzw. zweckmäßig erachtet haben. Zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld sind Vereinbarungen mit bzw. ohne Höchstgrenze somit nicht als gleich gelagerte Tatbestände zu betrachten. Die Vergleichbarkeit kann sich - allerdings nur wirtschaftlich betrachtet - erst zu einem späteren Zeitpunkt ergeben."
Zusammenfassend ist die Bundesregierung der Meinung, dass eine unsachliche Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte nicht vorliege.
6. Der Beschwerdeführer im Anlassfall replizierte auf diese Stellungnahme.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, die gegen die vorläufige Annahme des Gerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerde und die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen sprechen würden.
2. Im Verfahren konnten die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken nicht zerstreut werden.
2.1. Die Bundesregierung tritt diesen Bedenken im Wesentlichen mit dem Argument entgegen, die formale Betrachtungsweise des GebG verlange, auf den Zeitpunkt der Vertragserrichtung und den Inhalt der Urkunde abzustellen; auf später eintretende Umstände sei nicht Bedacht zu nehmen. Nun hat der Gerichtshof im Prüfungsbeschluss gerade das Bedenken geäußert, dass nach den Regelungen des GebG bei Urkunden mit unbestimmtem Leistungsinhalt offenbar danach differenziert werde, ob ein Höchstbetrag vereinbart ist oder nicht. Während bei einer Höchstbetragsvereinbarung nach §22 GebG der Gebührenbemessung zwingend der Höchstbetrag zugrunde zu legen ist, ist - so nahm der Gerichtshof vorläufig an - in anderen Fällen eines unbestimmten Leistungsinhaltes entweder die Regelung des §17 Abs3 BewG heranzuziehen (wonach bei ungewissen Nutzungen oder Leistungen der voraussichtlich erzielbare Betrag maßgebend ist) oder die Bemessungsgrundlage auf Grund eines Ermittlungsverfahrens nach der BAO, das letztlich auf den tatsächlichen Betrag der Leistung abstellt, festzustellen. Sollte das Gebührengesetz - wie die Bundesregierung (anscheinend im Gegensatz zur belangten Behörde des Anlassverfahrens) meint - bei Urkunden mit unbestimmtem Leistungsinhalt eine vorläufige Gebührenfestsetzung (mit späterer Korrektur nach Beseitigung der Ungewissheit) ausschließen und immer eine sofortige, endgültige Ermittlung der Bemessungsgrundlage verlangen, werden die Bedenken des Gerichtshofes damit nicht entkräftet. Auch auf dem Boden dieser Auffassung kommt es nämlich innerhalb der Fälle, in denen eine Leistung in der Urkunde nicht mit einem bestimmten oder bestimmbaren Betrag ausgedrückt ist, zu unsachlichen Differenzierungen je nach dem, ob zusätzlich ein Höchstbetrag vereinbart ist oder nicht: Im ersten Fall ist stets der Höchstbetrag maßgebend, im zweiten Fall kommt es zu einer Bemessung nach Maßgabe der (geschätzten) wahrscheinlichen Leistung. Für diese unterschiedliche Behandlung hat die Bundesregierung keine sachliche Rechtfertigung anführen können; auch der Gerichtshof kann eine solche nicht sehen. Daraus ergibt sich auch, dass aus dem Verweis auf das hg. Erk. Slg. 9522/1982 für die Bundesregierung nichts zu gewinnen ist, wobei dahingestellt sein kann, ob aus der dort getroffenen Aussage überhaupt die von der Bundesregierung gezogenen Folgerungen ableitbar sind.
2.2. Auch mit dem Hinweis, es bestehe zwischen Vereinbarungen über unbestimmte Leistungen mit und ohne Höchstbetragsbegrenzung ein rechtlich relevanter Unterschied, vermag die Bundesregierung die Bedenken des Gerichtshofs nicht zu zerstreuen. Der Gerichtshof bezweifelt die rechtliche Relevanz von Höchstbetragsvereinbarungen in keiner Weise. Er kann aber nicht erkennen, dass diese Besonderheiten es rechtfertigen, die Gebühr in diesem Fall stets vom Höchstbetrag zu bemessen und damit Verträge über unbestimmte Leistungen mit Leistungsbegrenzung vielfach einer höheren Gebühr zu unterwerfen als solche ohne Leistungsbegrenzung, bei denen der mögliche Leistungsumfang ein weiterer ist. (Dass bei Höchstbetragsvereinbarungen der Höchstbetrag in der Regel der wahrscheinlichen bzw. tatsächlichen Leistung entspricht, behauptet auch die Bundesregierung nicht). Welche Bedeutung dem von der Bundesregierung in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Umstand, dass Höchstbetragsvereinbarungen das Risiko des Leistungsverpflichteten begrenzen, zukommen soll, ist dem Gerichtshof nicht erfindlich.
Das Argument der Bemessungsvereinfachung (die mit einer Anknüpfung an einen vereinbarten Höchstbetrag unbestritten verbunden ist) vermag eine Differenzierung dieser Art jedenfalls nicht zu rechtfertigen.
2.3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich daher als zutreffend erwiesen, weshalb die in Prüfung gezogenen Wortfolgen in §22 GebG aufzuheben waren.
3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art140 Abs5 B-VG und §3 Z3 BGBlG.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Gebühr (GebG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:G1.2006Dokumentnummer
JFT_09939380_06G00001_00