TE Vfgh Erkenntnis 1983/11/25 B501/79

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Veröffentlicht am 25.11.1983
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1

Beachte

Anlaßfall zu VfSlg. 9753/1983

Leitsatz

ASVG; Feststellung der Versicherungspflicht eines Werbemittelverteilers nach §4 Abs1 Z1; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die bf. Gesellschaft befaßt sich mit der Verteilung von Zeitschriften und Werbematerial an Haushalte. Nach einer Beitragsprüfung gelangte die Wr. Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte zur Ansicht, daß der vom 21. Feber 1973 bis 31. März 1973 bei ihr als Werbemittelverteiler beschäftigt gewesene K K als Dienstnehmer die Voraussetzungen der Pflichtversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) und dem Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) erfüllt habe und stellte daher mit Bescheid vom 24. Jänner 1974 für den genannten Zeitraum die Versicherungspflicht nach §4 Abs1 Z1 ASVG und §1 Abs1 lita AlVG fest. Den Einspruch der bf. Gesellschaft wies der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 1. Dezember 1977 ab. Der Bundesminister für soziale Verwaltung gab mit Bescheid vom 14. September 1979 der Berufung keine Folge.

Gegen den Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gerügt wird.

II. Ua. auch aus Anlaß dieser Beschwerde hat der VfGH das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Wortteils "Kranken-" in §4 Abs1 ASVG eingeleitet. Mit Erk. vom 1. Juli 1983, VfSlg. 9753/1983, hat er die in Prüfung gezogene Bestimmung jedoch nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

III. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wird die Sozialversicherungspflicht festgestellt; ein derartiger Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein (vgl. VfSlg. 6740/1972) und wäre daher nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) verfassungswidrig, wenn er ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Die gegen §4 Abs1 ASVG bestandenen verfassungsrechtlichen Bedenken hat das (unter II.) genannte Verfahren zerstreut. Die Beschwerde hat keine Bedenken vorgebracht, und auch im Verfahren sind sonstige Bedenken gegen die angewendeten generellen Normen nicht entstanden.

Eine Verletzung des Eigentumsrechtes könnte unter diesen Umständen nur vorliegen, wenn die Behörde denkunmöglich vorgegangen wäre. Davon kann indessen keine Rede sein. Die nur im Einzelfall zu beantwortende Frage, ob Werbemittelverteiler in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen, reicht nicht in die Verfassungssphäre. Wenn die Behörde unter Bezugnahme auf die in der Rechtsprechung des VwGH entwickelten Kriterien der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit zum Ergebnis gekommen ist, daß die Arbeit des Verteilers überwiegend fremdbestimmt, der Kontrolle unterworfen und in wirtschaftlicher Abhängigkeit erbracht sei, so kann ihr der VfGH nicht entgegentreten. Zu beurteilen, ob sie den Sachverhalt richtig gewürdigt hat, ist der VwGH berufen.

2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung der VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9186/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Wenn die Beschwerde aber eine Verletzung des Gleichheitssatzes darin sieht, daß ihr Vertragspartner sozialversicherungsrechtlich als unselbständig behandelt wird, während er im Steuerrecht aufgrund rechtskräftiger Entscheidungen als selbständig anzusehen sei, tut das ebensowenig eine gleichheitswidrige Auslegung oder eine Willkür der Behörde dar wie der allfällige Umstand, daß dann Zeitungskolporteure sozialversicherungsrechtlich selbständig, gleichfalls periodische Druckschriften verteilende Werbemittelvertreter aber unselbständig sind. Denn die Behörde ist hier offenkundig an die steuerrechtliche Beurteilung nicht gebunden und hat auch nicht die Sozialversicherungspflicht bestimmter Berufstypen unterstellt, sondern die Sozialversicherungspflicht einer bestimmten Person beurteilt.

Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte liegt also nicht vor.

Da auch die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht hervorgekommen ist, ist die Beschwerde abzuweisen (§19 Abs4 Z1 VerfGG).

Schlagworte

Sozialversicherung, VfGH / Anlaßfall, Bindung (der Verwaltungsbehörden an behördliche Entscheidungen)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B501.1979

Dokumentnummer

JFT_10168875_79B00501_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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