TE Vfgh Erkenntnis 1983/11/25 B250/77

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Veröffentlicht am 25.11.1983
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6650 Landwirtschaftliches Siedlungswesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art6 Abs1
Nö FlVfLG 1975 §97
Nö JagdG §39 Abs3
Nö JagdG §40 Abs3
Nö JagdG §131

Leitsatz

Nö. FLG 1975; keine allgemeine Anwendung des Jagdrechtes durch die Agrarbehörde in Ansehung des Zusammenlegungsgebietes gemäß §97 Abs3; Voraussetzung für die Zuständigkeit der Agrarbehörde ist unbedingte Erforderlichkeit der Einbeziehung der Angelegenheit zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung; kein Entzug des gesetzlichen Richters; Nö. JagdG; keine denkunmögliche Anwendung des §40; keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Bf. ist Eigentümer einer Liegenschaft im Genossenschaftsjagdgebiet T. Mit Bescheid vom 2. Juni 1977 wies die Nö. Landesregierung seine Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 3. August 1976 ab, mit dem die Verlängerung des mit der Jagdgesellschaft T bestehenden Jagdpachtverhältnisses für die Jagdperiode 1978 bis 1983 genehmigt worden war.

Der Berufungsbescheid ist Gegenstand der vorliegenden Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher der Bf. die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Der Bf. erhebt gegen die bel. Landesregierung unter zwei verschiedenen Blickpunkten den Vorwurf einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, der aber insgesamt nicht gerechtfertigt ist.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wäre eine Verletzung des geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes insbesondere dann gegeben, wenn die im Instanzenzug eingeschrittenen Behörden ihre Zuständigkeit zur getroffenen Sachentscheidung zu Unrecht in Anspruch genommen hätten (zB VfSlg. 9105/1981). Offenbar auf diese Judikatur bezugnehmend, ist der Bf. der Ansicht, daß statt der Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung die Agrarbehörden hätten entscheiden müssen. Der Bf. verweist darauf, daß hinsichtlich der einen Teil des Genossenschaftsjagdgebietes bildenden Katastralgemeinde St. G mit V der nö. Agrarbezirksbehörde das Zusammenlegungsverfahren eingeleitet wurde, und stützt seine Ansicht auf Abs3 im §97 des (Nö.) Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975, LGBl. Nr. 6650-1, den er dahin versteht, daß während eines Zusammenlegungsverfahrens in den Belangen der Jagd die Zuständigkeit auf die Agrarbehörde übergeht. Diese Ansicht über einen solchen allgemeinen Zuständigkeitsübergang ist jedoch verfehlt.

Abs3 im §97 FLG sieht vor, daß, soweit nicht anderes bestimmt ist, von den Agrarbehörden die Vorschriften anzuwenden sind, die sonst für "diese Angelegenheiten" gelten (wie die des bürgerlichen Rechtes, des Wasser-, Jagd-, Fischerei- und Forstrechtes). Damit ist keineswegs eine allgemeine Anwendung des hier ausdrücklich angeführten Jagdrechtes durch die Agrarbehörde in Ansehung des Zusammenlegungsgebietes gemeint, sondern bloß eine Anwendung der von den sonst zuständigen Behörden zu handhabenden Vorschriften unter der in den vorhergehenden Bestimmungen des Abs1 und des (im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden) Abs2 im §97 umschriebenen Voraussetzung des Zuständigkeitsübergangs auf die Agrarbehörden. Der erste Satz im Abs1 des §97 besagt nun (in seinen aus dem Blickpunkt dieser Sache relevanten Teilen), daß sich die Zuständigkeit der Agrarbehörden vom Zeitpunkt der Einleitung eines Zusammenlegungsverfahrens bis zum Zeitpunkt des Abschlusses eines solchen Verfahrens auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse erstreckt, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Zur inhaltsgleichen Regelung im Bgld. Flurverfassungs-Landesgesetz hat der VfGH in seiner bisherigen Rechtsprechung (s. VfSlg. 5733/1968, vgl. auch VfSlg. 9179/1981) den auch hier maßgebenden Standpunkt eingenommen, daß die Zuständigkeit der Agrarbehörden in Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit anderer Behörden fallen, nur dann gegeben ist, wenn die Einbeziehung zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung unbedingt erforderlich ist. Dafür fehlt im vorliegenden Fall aber jeder aus der konkreten Situation des Zusammenlegungsverfahrens hergeleiteter Anhaltspunkt.

b) Nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen hat der Jagdausschuß bereits in seiner Sitzung vom 15. April 1976 einen auf die Verlängerung des bestehenden Jagdpachtverhältnisses lautenden Beschluß gefaßt, zu dem im Protokoll über die Jagdausschußsitzung vom 26. Mai 1976 (in welcher der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Beschluß auf Verpachtung gefaßt wurde) folgendes festgehalten ist:

"Der Obmann fragt, ob es gegen die Tagesordnung einen Einwand gibt. Kein Einwand. Tagesordnung ist angenommen. Der Obmann fragt die Ausschußmitglieder, ob eines mit einem der vorher genannten Jagdpächter so verwandt ist, daß ein Ausschließungsgrund besteht, oder ein Mitglied privatrechtliche Interessen vertritt. §22 Abs2 des Nö. Jagdgesetzes (Erläuterung). Da dies nicht der Fall ist, können alle anwesenden Ausschußmitglieder an der Beratung und Beschlußfassung teilnehmen.

Punkt 1. der Tagesordnung: Der Obmann verliest das letzte Sitzungsprotokoll und teilt mit, daß der Beschluß der Sitzung vom 15. April 1976 wegen Nichtbeachtung aller gesetzlichen Vorschriften von der Bezirkshauptmannschaft zurückgewiesen wurde. Es wurde daher für heute eine neuerliche Sitzung eingeladen."

Der Bf. leitet nun eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auch daraus ab, daß der Beschluß des Jagdausschusses vom 15. April 1976 (und - wie offenbar gemeint ist - der darauf bezughabende Antrag des Jagdausschusses an die Bezirkshauptmannschaft) "nicht als Grundlage für eine behördliche Entscheidung herangezogen wurde"; die Jagdbehörde wäre in Wahrnehmung ihrer Kompetenz "zur Auffassung gelangt, daß der Beschluß gegen die jagdgesetzlichen Bestimmungen verstößt und (hätte) in der Folge der Vergabe die Zustimmung ... versagen müssen".

Zu diesem Beschwerdevorbringen ist einerseits festzuhalten, daß es Vorgänge betrifft, die im angefochtenen Bescheid, dessen Inhalt allein den Beschwerdegegenstand bildet, keinen Niederschlag gefunden haben. Andererseits kann nicht gesagt werden, daß sie ein Hindernis für die im Instanzenzug vorgenommene Erlassung des eine Sachentscheidung enthaltenden bekämpften Bescheides darstellten. Denn es unterliegt keinem Zweifel, daß der Jagdausschuß - wie aus dem Sitzungsprotokoll vom 26. Mai 1976 hervorgeht - seinen früheren Beschluß über die Verpachtung der Sache nach reassumierte und durch einen neuen Beschluß ersetzte, der dem iS des §39 Abs3 letzter Satz iVm. §40 Abs2 Nö. JagdG an die Bezirkshauptmannschaft gerichteten Ansuchen um Erteilung der Genehmigung zur Verlängerung des Jagdpachtverhältnisses zugrunde liegt. Eine Verletzung des geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes etwa dadurch, daß eine antragsbedürftige Entscheidung ohne das Vorliegen eines Antrages getroffen wurde (s. dazu zB VfSlg. 7044/1973), hat somit keinesfalls stattgefunden.

2. Weiters rügt der Bf. eine Verletzung des Gleichheitsrechtes, und zwar deshalb, weil nach der geltenden Gesetzeslage "bei der Beschlußfassung über die Vergabe der Genossenschaftsjagd im Wege des freien Übereinkommens durch das Fehlen einer entsprechenden Bestimmung zur Einholung von Anboten durch Kundmachung der Vergabe das Interesse des einzelnen Grundeigentümers hinsichtlich der Erzielung einer maximalen Jagdrente vernachlässigt (wird), sodaß die Grundeigentümer in ihrer Möglichkeit der Veräußerung der Sache Jagdrecht geschmälert werden".

Der Beschwerdevorwurf zeigt jedoch nicht auf, weshalb die (einen Sonderfall der Verpachtung im Wege des freien Übereinkommens darstellende) "Verlängerung des bestehenden Jagdpachtverhältnisses" nach §40 Nö. JagdG dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot (zB dadurch, daß dieser eine sachlich nicht begründbare Differenzierung geschaffen habe - s. etwa VfSlg. 8457/1978 S 453) zuwiderläuft; er enthält in Wahrheit bloß eine rechtspolitische Kritik am erwähnten Rechtsinstitut.

Bei der gegebenen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides aus dem Gesichtswinkel des Gleichheitsgebotes könnte gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9015/1981) eine Verletzung des Gleichheitsrechtes nur dann stattgefunden haben, wenn die bel. Beh. Willkür geübt hätte. Dies behauptet der Bf. jedoch selbst nicht, und es liefert auch die Aktenlage des Verwaltungsverfahrens kein Indiz in dieser Richtung.

3. Der Bf. macht schließlich eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend und bringt dazu insbesondere vor, daß er als Grundeigentümer "durch Minderung der bestimmt höher erzielbaren Jagdrente verletzt" sei. Dies und seine weiteren, wenig deutlichen Ausführungen zielen anscheinend auf den Nachweis ab, daß die bel. Beh. die Verlängerung des bestehenden Jagdpachtverhältnisses nicht hätte genehmigen dürfen, weil die Vereinbarung eines zu geringen Pachtschillings der in §40 Abs1 für die Genehmigung festgelegten Voraussetzung nicht entspreche, daß die Verlängerung im Interesse der Land- und Forstwirtschaft gelegen sei.

Da aus der Sicht dieses Beschwerdefalles die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften verfassungsrechtlich nicht bedenklich sind, könnte gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9047/1981) die geltend gemachte Rechtsverletzung nur stattgefunden haben, wenn die bel. Landesregierung das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte.

Diesen Vorwurf erhebt der Bf. aber nicht, dessen eben dargestelltes Vorbringen der Sache nach darauf abzielt, einen Verstoß gegen einfachgesetzliche Bestimmungen zu erweisen, über dessen Vorliegen ausschließlich der VwGH zu befinden hat.

4. Das Beschwerdeverfahren erbrachte auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Bf. durch den bekämpften Bescheid in einem anderen als den geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre oder daß eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm gegeben sei.

Die Beschwerde war sohin abzuweisen.

Schlagworte

Flurverfassung, Agrarbehörden, Jagdrecht, VfGH / Prüfungsmaßstab, Behördenzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B250.1977

Dokumentnummer

JFT_10168875_77B00250_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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