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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
BAO; Annahme des Mißbrauchs iS des §22 hinsichtlich eines zwischen nahen Angehörigen abgeschlossenen Mietvertrages; keine denkunmögliche und keine willkürliche AnwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. In den beiden an den Bf. ergangenen Bescheiden über die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer für das Jahr 1974 wich das Finanzamt Graz-St. von den Erklärungen insofern ab, als es den zwischen dem Bf. als Eigentümer des Hauses Graz, K-Gasse, und seinem Vater Dipl.-Ing. DDr. J G abgeschlossenen Mietvertrag über eine Wohnung in diesem Haus unter Berufung auf §22 BAO nicht anerkannte. Das Finanzamt kürzte dementsprechend die Mieteinnahmen und die Werbungskosten bzw. setzte eine Umsatzsteuer nicht fest, da der verminderte Umsatz 40000 S nicht überstieg und eine Erklärung iS des §21 Abs8 UStG 1972 nicht abgegeben worden war. Bezüglich des Mietvertrages über die Wohnung (die vom Vater des Bf. nie bewohnt und nach Renovierungsarbeiten im Jahr 1975 vom Bf. bezogen worden war) brachte der Bf. im Abgabenverfahren im wesentlichen vor, daß ihm sein Vater beim Ankauf des Hauses den restlichen Kaufschilling vorstreckte, wofür er die mit 70000 S bewertete Wohnung aufgrund eines Mietvertrages zu einem Mietzins auf Friedenskronenbasis überließ. Hiefür sei maßgebend gewesen, daß sein Vater für den erwähnten Betrag eine Sicherheit haben wollte, daß eine Besserstellung anderer Mietparteien vermieden werden sollte, die bei Vermietung an einen Fremden zu einem frei vereinbarten Mietzins infolge der Berücksichtigung des halben Mietzinses im Falle der Instandsetzung des Hauses eingetreten wäre, sowie daß sein Vater ihm durch die Zurverfügungstellung der Wohnung bei der Gründung eines Hausstandes helfen wollte.
2. Die Finanzlandesdirektion für Stmk. wies mit Bescheid vom 14. Oktober 1977 die Berufungen des Bf. gegen die Bescheide des Finanzamtes ab und begründete diese Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen:
Ein Mißbrauch iS des §22 BAO sei dann anzunehmen, wenn ein nach bürgerlichem Recht ungewöhnlicher Weg zur Erreichung eines bestimmten Zieles gewählt werde und wenn damit ein abgabenrechtlicher Erfolg erreicht werden solle, der bei normaler und üblicher Rechtsgestaltung nicht oder anders verwirklicht worden wäre, wenn ein nach bürgerlichem Recht ungewöhnlicher Weg gewählt worden sei, dem für die Gestaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlten oder der bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Steuergesetzgeber offensichtlich mißbilligt werde. Die Absicht des Bf. beim Kauf des Hauses im Jahre 1972 sei, wie die nachfolgende Renovierung und schließlich der Bezug der Wohnung im Jahr 1975 zeigten, von vornherein auf den Erwerb einer akzeptablen Wohnung gerichtet gewesen (bis dahin habe der Bf. im Familienverband seiner Eltern nur ein zirka 9 Quadratmeter großes Zimmer bewohnt). Es erscheine nun geradezu widersinnig und mit den Erfahrungen des täglichen Lebens keinesfalls in Übereinstimmung zu bringen, daß jemand, der den Erwerb einer Wohnung anstrebe und diese schließlich in seinem eigenen Haus besitze, diese an andere Personen vermiete, gleichzeitig aber auch ein unentgeltliches Wohnungsrecht bezüglich eben dieser Wohnung eingeräumt erhalte. Unter diesen Umständen müsse die Vermietung einer eigenen Wohnung mit gleichzeitiger Einräumung des Wohnungsrechtes als ein nach bürgerlichem Recht ungewöhnlicher Weg zur Erreichung eines bestimmten Zieles, nämlich der Erlangung einer Wohnung, angesehen und daher auch als beabsichtigte Umgehung oder Minderung der Abgabenpflicht iS eines Mißbrauchs qualifiziert werden.
Vertragliche Vereinbarungen zwischen nahen Verwandten bedürften für ihre steuerliche Anerkennung einer eindeutigen, nach außen erkennbaren Manifestation, und es seien an sie grundsätzlich strengere Maßstäbe anzulegen. Werde zwischen nahen Angehörigen eine Vereinbarung getroffen, die völlig ungewöhnlich sei, so sei ihr auch die Anerkennung auf dem Gebiet des Abgabenrechtes zu versagen.
Lege man diese Maßstäbe an die Verhältnisse des Falles an, so folge, daß der Bf. mit der an sich nicht strittigen Behauptung, sein Vater habe ihm durch die Überlassung eines Betrages von 70000 S zur Gründung eines Hausstandes geholfen, jedenfalls nicht dargetan habe, daß diese Zahlung als Ausfluß der Unterhaltspflicht über einen familiären Charakter hinausgehe. Die übrigen in dieser Richtung vorgebrachten Argumente könnten nur als allgemein gehaltene Zweckbehauptungen angesehen werden, die keinesfalls geeignet seien, zu einer abweichenden Beurteilung des Sachverhaltes zu führen. Daraus ergebe sich, daß der Mietvertrag steuerlich keine Anerkennung finden könne und die Wohnung dem Bf. als Hauseigentümer zuzurechnen sei.
Unter Bezugnahme auf §21 Abs8 UStG 1972 legte die Berufungsbehörde schließlich dar, daß ein Antrag iS dieser Gesetzesstelle erstmals in der Berufung vom 1. Juni 1976 gestellt worden sei, die Frist zur Abgabe der Erklärung aber bereits mit 31. Dezember 1974 geendet habe. Da nach dem Ausscheiden der Miete für die Eigentümerwohnung die maßgebliche Umsatzgrenze von 40000 S nicht überstiegen und ein Antrag gemäß §21 Abs8 UStG 1972 nicht rechtzeitig eingebracht worden sei, sei gemäß Abs7 dieses Paragraphen eine Umsatzsteuer nicht festzusetzen gewesen.
3. Der Berufungsbescheid bildet den Gegenstand der vorliegenden Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher der Bf. eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und des Gleichheitsrechtes geltend macht und die Bescheidaufhebung begehrt.
II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
1. Der Bf. behauptet nicht, daß die Rechtsgrundlagen des von ihm angefochtenen Bescheides verfassungsrechtlich bedenklich wären. Derartige Bedenken sind auch beim VfGH aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden.
Es ist daher zunächst festzuhalten, daß weder eine aus der Verfassungswidrigkeit angewendeter Rechtsvorschriften abzuleitende Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes noch eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer verfassungswidrigen generellen Norm stattfand.
2. Bei der gegebenen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den bekämpften Bescheid tragenden Vorschriften könnte gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9014/1981 bzw. 9015/1981) eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur im Falle einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung, eine Verletzung des Gleichheitsrechtes aber dann vorliegen, wenn die bel. Beh. Willkür geübt hätte.
Es trifft jedoch beides nicht zu.
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist ein Mißbrauch iS des §22 BAO anzunehmen, wenn die rechtliche Gestaltung in Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen ist und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung findet; es ist zu prüfen, ob der gewählte Weg noch sinnvoll erscheint, wenn man den abgabensparenden Effekt wegdenkt, oder ob er ohne das Resultat der Steuerminderung einfach unverständlich wäre (VwGH 25. Jänner 1983 Z 82/14/0023).
Betrachtet man den gegebenen Sachverhalt (nämlich die Vermietung einer erweislich zum eigenen Gebrauch durch den Hauseigentümer bestimmten Wohnung an einen nahen Angehörigen, der sie nie benützen sollte und auch tatsächlich nie benützt hat) vor dem Hintergrund dieser Auffassung vom normativen Gehalt des §22 BAO, so findet sich kein Indiz für die Annahme, daß die belangte Finanzlandesdirektion das Gesetz denkunmöglich oder willkürlich gehandhabt hätte. Alle Vorwürfe des Bf. betreffen in Wahrheit nur Fragen der richtigen Rechtsanwendung, über die ausschließlich der VwGH zu erkennen hat, oder gehen überhaupt am maßgeblichen Thema vorbei.
Das Argument des Bf., die Vermietung der Wohnung an den Vater sei zwecks Sicherstellung vorgenommen worden, geht offenkundig von einer völlig atypischen Verhaltensweise bei der Besicherung eines zum Hauskauf gewährten Darlehens aus, und ist schon aus diesem Grund nicht geeignet, die Rechtsauffassung der bel. Beh. als völlig verfehlt erscheinen zu lassen. Das weitere Beschwerdevorbringen, in dem unter mietrechtlichen Gesichtspunkten der Abschluß eines Mietvertrages mit dem Vater gegenüber der Vermietung an einen Dritten als vorteilhaft dargestellt wird, weicht vom hier zu behandelnden Thema ab: Es geht nicht darum, an wen eine Wohnung im erworbenen Haus vermietet wird, sondern weshalb überhaupt ein Mietvertrag abgeschlossen wird, obwohl keine Benützung der Wohnung durch einen Mieter, sondern durch den Hauseigentümer selbst vorgesehen war. Schließlich bedarf es auch keines eingehenden Nachweises, daß das vom Bf. mit seinem Vater abgeschlossene Zivilrechtsgeschäft auch nicht als Folge des durch §140 ABGB (die Beschwerde führt offenbar versehentlich §141 ABGB an) festgelegten Unterhaltsanspruchs gewertet werden kann; die Absicht, eine Wohnung zur Verfügung zu stellen, kann nämlich nur die Zuwendung zum Kauf des betreffenden Hauses erklären, nicht aber die Schaffung von Rechten des Zuwendenden.
3. Das Beschwerdeverfahren liefert auch kein Indiz dafür, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde.
Die Beschwerde war sohin abzuweisen.
Schlagworte
Finanzverfahren, Zivilrecht, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B506.1977Dokumentnummer
JFT_10168875_77B00506_00