TE Vfgh Beschluss 1983/11/29 B539/82

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Veröffentlicht am 29.11.1983
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Index

20 Privatrecht allgemein
20/08 Urheberrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
UrheberrechtsG-Nov 1980, BGBl 321 ArtIII §1 Abs1
UrheberrechtsG-Nov 1980, BGBl 321 ArtIII §1 Abs3
UrheberrechtsG-Nov 1980, BGBl 321 ArtIII §3
UrheberrechtsG §42 Abs5, Abs6, Abs7
UrheberrechtsG §59a

Leitsatz

Art144 B-VG; Unzulässigkeit der Beschwerde gegen eine als Verordnung anzusehende "Satzung" nach ArtIII §1 Abs3 Urheberrechtsgesetz-Nov. 1980; genereller Adressatenkreis als Merkmal für die Abgrenzung einer Verordnung vom individuellen Verwaltungsakt

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Im Amtsblatt zur "Wr. Zeitung" vom 14. Oktober 1982 machte der Bundesminister für Justiz gemäß ArtIII §3 Abs1 Urheberrechtsgesetz-Nov. 1980 die "Verordnung" der gemäß ArtIII §1 Abs1 dieses Gesetzes beim Bundesministerium für Justiz eingerichteten Schiedsstelle vom 6. August 1982, Z 3/14-Schied/82, kund, die - in der Fassung der Druckfehlerberichtigung im Amtsblatt zur "Wr.

Zeitung" vom 2. Dezember 1982 - folgenden Wortlaut hat:

"Satzung

Persönlicher Geltungsbereich

§1

(1) Diese Satzung gilt für folgende Verwertungsgesellschaften:

a) Verwertungsgesellschaft Rundfunk, 1136 Wien, Würzburggasse 30;

b) Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM) reg. Gen. mbH, 1030 Wien, Baumannstraße 8 - 10;

c) Staatlich genehmigte literarische Verwertungsgesellschaft (LVG) reg. Gen. mbH, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18;

d) Literar-Mechana Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte GesmbH, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18;

e) Verwertungsgesellschaft bildender Künstler (VBK), 1090 Wien, Maria-Theresien-Straße 11;

f) Verband österreichischer Film- und Fernsehfilmproduzenten, Österreichhaus, 1010 Wien, Josefsplatz 1;

g) LSG - Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten Gesellschaft mbH, 1190 Wien, Hofmoklgasse 1 - 3;

h) OESTIG - Österreichische Interpretengesellschaft, 1090 Wien, Maria-Theresien-Straße Nr. 11.

(2) Diese Satzung gilt für folgende Zahlungspflichtige: Mitglieder der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Allgemeiner Fachverband des Verkehrs, 1010 Wien, Bauernmarkt 13.

Gegenstand

§2

(1) Gegenstand dieser Satzung ist die Regelung der Höhe und Abrechnung jener Vergütung, die Personen, welche ausländische Rundfunksendungen (Fernsehen und/oder Hörfunk) an Teilnehmer im Sinn der §§17 und 59a UrhG und in Verbindung damit gemäß §67 Abs2, §74 Abs7, §76 Abs6 und §76a Abs5 UrhG gegenwärtig oder zukünftig übertragen (in der Folge "Kabelbetreiber" genannt), an die gemäß §59a UrhG und in Verbindung damit gemäß §67 Abs2, §74 Abs7, §76 Abs6 und §76a Abs5 UrhG Berechtigten (in der Folge "Vergütungsberechtigte" genannt) zu entrichten haben.

(2) Die Persönlichkeitsrechte (§§19 bis 21 UrhG) werden durch diese Satzung nicht berührt.

Vergütungshöhe

§3

(1) Die Vergütung für sämtliche Ansprüche aller Vergütungsberechtigten beträgt pro angeschlossenem Teilnehmer und Monat drei Schilling zuzüglich Umsatzsteuer in jeweils gesetzlicher Höhe.

(2) Diese Vergütung wird wie folgt auf die Verwertungsgesellschaften aufgeteilt:

Verwertungsgesellschaft Rundfunk 40,9 vH, Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM) reg. Gen. mbH 24,7 vH, Staatlich genehmigte literarische Verwertungsgesellschaft (LVG) reg. Gen. mbH und Literar-Mechana Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte Gesellschaft mbH zusammen 16,1 vH, Verwertungsgesellschaft bildender Künstler 0,8 vH, Verband österreichischer Film- und Fernsehfilmproduzenten 11,7 vH, LSG - Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten Gesellschaft mbH 4,2 vH, OESTIG - Österreichische Interpretengesellschaft 1,6 vH.

Abrechnung und Zahlung

§4

(1) Der sich aus der Teilnehmerzahl an den im Abs2 bezeichneten Stichtagen und der Vergütungshöhe ergebende Vergütungsbetrag ist pro Kalenderquartal bis zum zehnten Tag des betreffenden Kalenderquartals an die Vergütungsberechtigten abzurechnen und abzuführen. Beginnt oder endet die Zahlungspflicht innerhalb eines Quartals, so ist die Vergütung aliquot spätestens binnen 30 Tagen zu bezahlen.

(2) Stichtag für die Berechnung der Teilnehmerzahl ist der dem jeweiligen Kalenderquartal unmittelbar vorangegangene 1. März bzw. 1. September. Die Kabelbetreiber haben den Vergütungsberechtigten die Anzahl ihrer an diesen Stichtagen angeschlossenen Teilnehmer spätestens mit der auf den Stichtag nächstfolgenden Abrechnung mitzuteilen. Veränderungen der Teilnehmerzahlen zwischen den Stichtagen bleiben unberücksichtigt.

(3) Können an mehr als sieben Tagen pro Kalendermonat die Programme ohne Verschulden des Kabelbetreibers nicht vollständig übertragen werden, entfällt die Zahlungspflicht für die Zeit der Nichtübertragung.

(4) Im Fall des Zahlungsverzuges sind die Vergütungsberechtigten berechtigt, Verzugszinsen in Höhe von 5 vH pa. kontokorrentmäßig über der jeweiligen Bankrate der Oesterreichischen Nationalbank zu verlangen.

Kontrolle

§5

Der Vergütungsberechtigte darf selbst oder durch beiderseits akzeptierte Sachverständige die Richtigkeit und Vollständigkeit der von den einzelnen Kabelbetreibern erstatteten Meldungen überprüfen. Die Vergütungsberechtigten sowie die mit der Kontrolle betrauten Personen haben das Daten-, Geschäfts- und Betriebsgeheimnis der Kabelbetreiber zu wahren und dürfen die zu ihrer Kenntnis gelangten Tatsachen weder selbst für andere als die gegenständlichen Zwecke verwerten noch Dritten zugänglich machen.

Geltungsbeginn

§6

Diese Satzung gilt ab 5. April 1982."

1.2.1. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 Satz 1 B-VG gestützte - gemeinsam ausgeführte - Beschwerde der Staatlich genehmigten Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM) reg. Gen. mbH, der Verwertungsgesellschaft Rundfunk, der Staatlich genehmigten literarischen Verwertungsgesellschaft (LVG) reg. Gen. mbH, der Literar-Mechana Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte GesmbH, der Verwertungsgesellschaft bildender Künstler (VBK), des Verbandes österreichischer Film- und Fernsehfilmproduzenten (VAM Staatlich genehmigte Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien), der LSG - Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten GesmbH und der OESTIG - Österreichische Interpretengesellschaft, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie des Rechts nach Art6 MRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes begehrt wird.

1.2.2. Die Schiedsstelle beim Bundesministerium für Justiz als bel. Beh. und die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Allgemeiner Fachverband des Verkehrs, als Beteiligte des Beschwerdeverfahrens erstatteten Gegenschriften und beantragten darin - teils der Sache nach, teils ausdrücklich - die Zurückweisung der Beschwerde.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1. Gemäß der von den bf. Parteien bezogenen Norm des Art144 Abs1 Satz 1 B-VG erkennt der VfGH über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden, "soweit der Bf. durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet".

2.2.1. Es war daher zunächst zu prüfen, ob dem bekämpften Verwaltungsakt Bescheidcharakter zukommt, wie die Bf. in weitwendigen Ausführungen darzutun suchen.

2.2.2.1. Die - gemäß ArtIII §1 Abs1 des Bundesgesetzes vom 2. Juli 1980 (Urheberrechtsgesetz-Nov. 1980 - UrhGNov. 1980), BGBl. Nr. 321/1980 - beim Bundesministerium für Justiz eingerichtete Schiedsstelle entscheidet Streitigkeiten über die in ArtII Abs. 1. c) genannten - das sind die im ArtI Z5 und 6 l. c) umschriebenen, ua. aus den §§42 Abs5 bis 7 sowie 59a UrhG erfließenden - Ansprüche (ArtIII §1 Abs. 1. c).

Sie hat weiters kraft der Verfassungsbestimmung des ArtIII §1 Abs. 1. c) "auf Antrag der Verwertungsgesellschaft oder der Organisation der Zahlungspflichtigen eine Satzung über die Abgeltung der in ArtII Abs1 genannten Ansprüche zu erlassen. Diese hat die Wirkung, die einem Gesamtvertrag zukommt."

Ferner hat die Schiedsstelle zufolge der Verfassungsbestimmung des ArtIII §2 l. c) "eine Satzung nach §1 Abs3 aufzuheben, wenn die Verwertungsgesellschaft und die Organisation der Zahlungspflichtigen über den durch die Satzung geregelten Gegenstand einen Gesamtvertrag abgeschlossen haben, der in dem in §3 Abs2 genannten Zeitpunkt in Kraft treten soll."

2.2.2.2. Dazu wird im Bericht des Justizausschusses des Nationalrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das UrhG geändert wird, 422 BlgNR XV. GP, ua. ausgeführt:

"Mit den im ArtI Z5 und 6 vorgesehenen Ansprüchen auf angemessene Vergütung wird ein - auch international gesehen - völlig neuer Weg gewählt, die urheberrechtlichen Fragen des Kabelfernsehens und der Überspielung zum eigenen Gebrauch zu lösen. Der Justizausschuß verkennt nicht, daß durch die gefundenen Lösungen die mit der Vollziehung dieser Regelungen Befaßten vor allem bei der Bemessung der Höhe der angemessenen Vergütungen mit großer Sachkenntnis werden vorgehen müssen, weil bei der Geltendmachung der Ansprüche auf angemessene Vergütung durch eine Verwertungsgesellschaft auch auf diejenigen Ansprüche auf angemessene Vergütung Rücksicht genommen werden muß, die von anderen Verwertungsgesellschaften noch geltend gemacht werden könnten. Hiefür scheint dem Justizausschuß ein Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde am besten geeignet. Diese kann als Behörde iS des Art20 Abs2 und 133 Z4 B-VG der zu berücksichtigenden vielschichtigen Interessenlage am besten gerecht werden. Die Behörde soll - und zwar mit Beschränkung auf die erwähnten Ansprüche - an die Stelle der Schiedskommission nach den §§14 ff. Verwertungsgesellschaftengesetz treten und statt nicht zustande gekommenen Gesamtverträgen Satzungen erlassen können. Solche Satzungen sind als Verordnungen anzusehen."

2.2.2.3.1. Bei dem hier mit (Bescheid-)Beschwerde angefochtenen Verwaltungsakt der Schiedsstelle handelt es sich um eine nach ArtIII §1 Abs3 UrhGNov. 1980 erlassene "Satzung" (s. Punkt 2.2.2.1.), der in der Tat nicht Bescheidcharakter, sondern Verordnungsqualität zukommt.

2.2.2.3.2. Die Abgrenzung einer Verordnung vom individuellen Verwaltungsakt ist nicht in einem inhaltlichen Merkmal zu finden, sondern ausschließlich im Adressatenkreis; ist dieser Kreis generell, dh. nach Gruppenmerkmalen bestimmt, so bedient sich die Verwaltungsbehörde - wie die Schiedsstelle als Kollegialbehörde - rechtens der hier nach Auffassung des Justizausschusses des Nationalrats gewählten Verordnungsform (s. VfSlg. 6490/1971, VfGH 27. September 1982 B61/77). Von individuell bestimmten Normadressaten kann aber vorliegend vor allem aus folgenden Erwägungen nicht die Rede sein:

Obschon "Satzungen" im Urheberrecht nicht auf Außenseiter wirken, beeinflussen sie doch bestehende Verträge zwischen den Mitgliedern der Veranstalterorganisationen und den Verwertungsgesellschaften bzw. das Rechtsverhältnis zwischen den Mitgliedern der Organisationen der Zahlungspflichtigen und den Verwertungsgesellschaften. Diese Mitglieder sind - wie die bel. Beh. in ihrer Gegenschrift zutreffend hervorkehrt - wohl im nachhinein für jeden beliebigen Zeitpunkt feststellbar, aber es läßt sich im vorhinein nicht sagen, welche Rechtssubjekte in weiterer Folge Mitglieder der Veranstalterorganisationen oder der Organisationen der Zahlungspflichtigen werden. Solche "Satzungen" regeln also Rechtsverhältnisse zwischen bestimmten Rechtssubjekten, nämlich den Verwertungsgesellschaften, und einer individuell nicht bestimmbaren Vielzahl von Rechtssubjekten, das sind die - stetig wechselnden - Mitglieder der Organisationen der Zahlungspflichtigen. Ebensowenig kann auf Seite der Verwertungsgesellschaften - bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise - davon gesprochen werden, daß die Betroffenen auch nur bestimmbar sind. Sowohl nach §42 Abs5 bis 7 UrhG als auch nach §59a UrhG handelt es sich um Ansprüche, die dem einzelnen Urheber - oder über Verweisungsbestimmungen - dem einzelnen Leistungsschutzberechtigten zustehen. Aufgabe der Verwertungsgesellschaften ist es nur, diese Ansprüche treuhändig - also im eigenen Namen, jedoch auf Rechnung der Berechtigten - geltend zu machen. Auch die Verwertungsgesellschaften wissen ersichtlich nicht, wer in Zukunft bezugsberechtigt sein wird.

Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, daß der Kreis der von der "Satzung" betroffenen Rechtssubjekte im Zeitpunkt der Normerlassung nicht feststellbar ist.

2.2.2.3.3. Daß der Bundesverfassungsgesetzgeber mit dem in ArtIII §1 Abs3 UrhGNov. 1980 gebrauchten Begriff der "Satzung" tatsächlich die Rechtssatzform der Verordnung umschreibt und zugleich eine Verordnungskompetenz der Schiedsstelle begründet (s. Novak JBl. 1981, S 518 FN 20), kann unter diesen Umständen nicht zweifelhaft sein, zumal auch der schon wiedergegebene Ausschußbericht (s. Punkt 2.2.2.2.) Satzungen dieser Art ausdrücklich als "Verordnungen" kennzeichnet. Zudem nennt auch die - wiewohl im Gegensatz zu ArtIII §1 Abs3 UrhGNov. 1980 nicht Verfassungsrang genießende - Bestimmung des ArtIII §3 Abs. 1. c), die in Rede stehenden Verwaltungsakte der Schiedsstelle ausdrücklich Verordnungen, die gemäß der - diese Einstufung wiederholenden - Vorschrift des ArtIII §3 Abs. 1. c) (im allgemeinen) mit dem auf die Kundmachung im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" folgenden Tag in Kraft treten.

2.3. Aus all dem folgt, daß die Anfechtung einer "Satzung" iS des ArtIII §1 Abs3 UrhGNov. 1980 mit (Bescheid-)Beschwerde nach Art144 Abs1 B-VG unstatthaft ist.

2.4. Die Beschwerde mußte demgemäß - als unzulässig - zurückgewiesen werden.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Verordnungsbegriff, Urheberrecht, Kollegialbehörde, Satzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B539.1982

Dokumentnummer

JFT_10168871_82B00539_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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