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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Art139 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung des Beschlusses des Gemeinderates der Stadt Wien vom 26. Juni 1978, PrZ 2353/78, über die Aufhebung und Neufestsetzung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes für das Gebiet zwischen Porzellangasse, Nordbergstraße, Bezirksgrenze und Berggasse im 9. Bezirk, KG Alsergrund, sowie über die Festsetzung einer Schutzzone für Teile dieses Gebietes; keine LegitimationSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter ist Eigentümer der Liegenschaften EZ 144 (Haus B-Gasse Nr. 37) und EZ 145 (Haus B-Gasse Nr. 39), KG A, die durch den Beschluß des Gemeinderates der Stadt Wien vom 26. Juni 1978, PrZ 2353/78, über die Aufhebung und Neufestsetzung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes für das Gebiet zwischen Porzellangasse, Nordbergstraße, Bezirksgrenze und Berggasse im 9. Bezirk, KG A, sowie über die Festsetzung einer Schutzzone für Teile dieses Gebietes (Plandokument Nr. 5522) in die Schutzzone einbezogen sowie als Grundfläche für öffentliche Zwecke ("Bundesdienststelle") ausgezeichnet wurden. Sie stellt - gestützt auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG - den Antrag, den genannten Beschluß des Gemeinderates, den sie als Verordnung qualifiziert, insoweit als gesetzwidrig aufzuheben, als durch ihn die im Eigentum der Antragstellerin stehenden Liegenschaften in die Schutzzone einbezogen und für öffentliche Zwecke (Bundesdienststelle) ausgezeichnet wurde und legt ihre Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung im einzelnen dar.
Zur Begründung ihrer Antragslegitimation verweist die Antragstellerin darauf, daß sie ihrer Auffassung nach durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in ihren Rechten verletzt worden sei und tut dar, inwieweit die angefochtene Norm nach ihrer Ansicht ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden sei:
Die Einbeziehung der beiden Häuser in die Schutzzone bewirkte sofort und unmittelbar weitgehende Beschränkungen bzw. Belastungen ihres Eigentumsrechtes. So dürfen gemäß §6 Abs17 WBO als Wohnungen verwendete Aufenthaltsräume in Schutzzonen nicht als Büroräume verwendet werden. Darüber hinaus seien überaus weitgehende Verpflichtungen hinsichtlich der Erhaltung dieser Häuser, wie sie im Denkmalschutz vorgesehen seien, mit der Einbeziehung in die Schutzzone automatisch verbunden (vgl. §§60 Abs1e; 85 Abs5 WBO). Alle diese Belastungen wirkten unmittelbar aus der Verordnung selbst, ohne daß es eines Bescheides bedürfe, der im übrigen bei der gegenwärtigen Rechtslage zumindest in diesem Bereich gar nicht beantragt werden könnte. Das gleiche gelte für die Auszeichnung der Grundflächen für eine Bundesdienststelle. Die freie Verwendbarkeit der Häuser sei durch diese Bestimmung des angefochtenen Beschlusses praktisch aufgehoben. Für beide Grundstücke sei im Hinblick auf ihre aufgehobene Verwendbarkeit eine beträchtliche Wertverminderung die unmittelbare Folge, wodurch die Antragstellerin in ihrem Vermögen und somit in ihrem Eigentumsrecht schwer geschädigt sei.
Zusammenfassend führt die Antragstellerin aus, daß der angefochtene Beschluß somit in ihre Rechtsphäre unmittelbar eingreife, weshalb sie sich - unter Verweis auf VfSlg. 8156/1977 - für antragslegitimiert erachte.
Der Gemeinderat der Stadt Wien hat in einer Äußerung die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrags begehrt.
2. Der VfGH hat erwogen:
a) Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der VfGH in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung sowohl in Gesetzes- als auch in Verordnungsprüfungssachen, denen ein Individualantrag zugrunde lag, ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß der Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar durch die Verordnung selbst - tatsächlich - erfolgt ist. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise rechtswidrigen - Eingriffs zur Verfügung steht (VfSlg. 9084/1981).
Hiebei hat der VfGH vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 8974/1980).
b) Die von der Antragstellerin genannten Wirkungen des angefochtenen Beschlusses sind jedoch keine solchen, die ihre Rechtssphäre in einer nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst bestimmten Weise aktuell beeinträchtigen:
Was zunächst die Auffassung der Antragstellerin anlangt, die durch §6 Abs17 WBO verfügte Verwendungsbeschränkung für in Schutzzonen gelegene Wohnungen bewirke eine unmittelbare rechtliche Betroffenheit iS des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG, so ist darauf zu verweisen, daß die genannte Bestimmung nicht isoliert gesehen werden darf. Es ist - worauf auch der Gemeinderat der Stadt Wien zutreffend hingewiesen hat - auch in Betracht zu ziehen, daß §69 litk WBO die Möglichkeit eröffnet, "in Schutzzonen Ausnahmen vom Verbot der Verwendung von als Wohnungen verwendeten Aufenthaltsräumen als Büro- und Geschäftsräume (§6 Abs17)" zu bewilligen. Aufgrund dieser Bestimmung kann in einem Verwaltungsverfahren die mit dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan verbundene generelle Wirkung der Verfügungsbeschränkung für die Antragstellerin wieder aufgehoben werden. Damit steht der Antragstellerin ein Mittel zur Verfügung, die Wirkungen der Verordnung von sich abzuwenden oder aber - wenn dieser Weg aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen erfolglos bleiben sollte - in einer Beschwerde gegen den die Ausnahme versagenden (letztinstanzlichen) Bescheid die Frage der Gesetzmäßigkeit des Verbotes an den VfGH heranzutragen (vgl. VfSlg. 8553/1979). Da dieser Weg für die Antragstellerin weder mit unzumutbaren finanziellen Belastungen (wie etwa in dem mit VfSlg. 8463/1978 entschiedenen Verfahren) noch mit unzumutbaren Folgen für die weitere Rechtsverfolgung (wie etwa in dem mit Erk. V8/82 13. Oktober 1983 entschiedenen Fall) noch aus anderen Gründen unzumutbar erscheint, fehlt der Antragstellerin insoweit die Anfechtungslegitimation.
Die Antragstellerin beruft sich weiters auf die Wirkungen, die sich aus §60 Abs1 lite und §85 Abs5 WBO für sie ergeben. §60 Abs1 lite statuiert für Änderungen an Gebäuden in Schutzzonen, die die äußere Gestaltung, den Charakter oder den Stil des Gebäudes beeinflussen, eine Bewilligungspflicht. Der Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin wird demnach nicht durch die Einbeziehung in die Schutzzone, sondern erst durch einen allfälligen eine Bewilligung versagenden oder bestimmte Auflagen vorschreibenden Bescheid in einer nach Art und Ausmaß eindeutig bestimmten Weise bewirkt. Ähnliches gilt für die von der Antragstellerin angenommene Beeinträchtigung ihrer Rechtsposition, die sie durch §85 Abs5 WBO erleidet. Nach dieser Bestimmung ist bei einer Errichtung eines neuen oder Änderung eines bestehenden Gebäudes in einer Schutzzone das Gebäude stilgerecht auszugestalten oder in Baustil, Bauform usw. an die benachbarten Gebäude anzugleichen. Erst durch einen in einem Verfahren über ein bestimmtes Bauansuchen ergehenden verwaltungsbehördlichen Bescheid wird die Art und das Ausmaß der Beeinträchtigung der Antragstellerin in ihrer Rechtssphäre eindeutig bestimmt. Auch insoweit ist daher - im Gegensatz zu dem mit VfSlg. 8463/1978 entschiedenen Fall - mangels aktueller Betroffenheit die Anfechtungslegitimation der Antragstellerin nicht gegeben.
Im übrigen beschreibt die Antragstellerin - indem sie auf die Wertverminderung ihrer Liegenschaften und die damit verbundene Vermögensbeeinträchtigung verweist - wirtschaftliche Auswirkungen, die sich durch die ihre Liegenschaften betreffende Auszeichnung als Grundfläche für öffentliche Zwecke mit der Beifügung "Bundesdienststelle" ergeben. Sie macht damit aber keine rechtliche Betroffenheit, sondern nur ihre wirtschaftlichen Interessen geltend. An dieser Beurteilung ändert auch ihr Argument nichts, daß damit in ihr Eigentumsrecht eingegriffen werde. Denn auch aus dem Inhalt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums vermag die Antragstellerin einen über ihre bloß wirtschaftliche Betroffenheit hinausreichenden Eingriff in ihre Interessensphäre nicht darzutun (vgl. VfGH 30. November 1982 G12/80).
Wieso die Antragstellerin meint, aus dem Hinweis auf VfSlg. 8156/1977, in dem der Gerichtshof erkannt hatte, daß die Öffentlichkeitserklärung eines bisher privaten Weges, durch die der Gemeingebrauch an diesem Weg begründet wird, die Rechtssphäre der Grundeigentümer aktuell beeinträchtigt, für ihre Position im vorliegenden Verfahren etwas gewinnen zu können glaubt, bleibt unerfindlich.
c) Der Verordnungsprüfungsantrag war somit aus den genannten Gründen wegen Fehlens der Antragsberechtigung als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:V12.1979Dokumentnummer
JFT_10168870_79V00012_00