TE Vfgh Erkenntnis 1983/11/30 V23/80

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Veröffentlicht am 30.11.1983
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8500 Straßen

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Krnt StraßenG 1978 idF vor LGBl 25/1981 §2
Krnt StraßenG 1978 idF vor LGBl 25/1981 §3
Krnt StraßenG 1978 idF vor LGBl 25/1981 §22
Verordnung des Gemeinderates der Stadt Klagenfurt vom 22.05.80, mit der zur Aufschließung eines Siedlungsgebietes eine öffentliche Straße (Verbindungsweg) festgelegt wird

Beachte

vgl. Kundmachung LGBl. Nr. 22/1984 am 27. März 1984

Leitsatz

Art139 B-VG; Individualantrag - Antragslegitimation Verordnung des Gemeindesrates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 22. Mai 1980, mit der zur Aufschließung eines Siedlungsgebietes eine öffentliche Straße (Verbindungsweg) festgelegt wird; mangels Vorliegens der Voraussetzungen zur Erlassung gesetzwidrig

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 22. Mai 1980, Z 9802/79, mit der zur Aufschließung des Siedlungsgebietes zwischen dem privaten "Weingartenweg" und dem Schrottbauerweg, sowie der Heimanlage "Maria Josefinum" eine öffentliche Straße (Verbindungsweg) festgelegt wird, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Ktn. Landesregierung ist verpflichtet, diese Aufhebung unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Wegparzelle 770/2 (sogenannter "Weingartenweg") und der Parzellen 725/1, 732/1 und 738/2 Wiese sowie 725/2, 729 und 731/2 Acker je KG Goritschitzen.

Am 22. Mai 1980 beschloß der Gemeinderat der Landeshauptstadt Klagenfurt gemäß den §§2, 3 und 22 des Ktn. StraßenG 1978 eine Verordnung,

"mit der zur Aufschließung des Siedlungsgebietes zwischen dem privaten 'Weingartenweg' und dem Schrottbauerweg sowie der Heimanlage 'Maria Josefinum' eine öffentliche Straße (Verbindungsweg) festgelegt wird".

Sie wurde am 2. Juli 1980 unter Z 9802/79 durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht und hat folgenden Wortlaut:

"Die im beiliegenden Plan des Tiefbauamtes vom 16. Oktober 1979 mit grüner Farbe dargestellte Grundfläche wird zum Verbindungsweg erklärt und die Bezeichnung Weingartenweg festgelegt.

Der angeführte Plan bildet einen Bestandteil dieser Verordnung."

Der Beschlußfassung des Gemeinderates war ein Antrag der Magistratsabteilung 2, Stadtbauamt, Abteilung Tiefbau, vorausgegangen, die zum Ausbau der geplanten Straße erforderlichen Grundstücke (die Wegparzelle 77/2 und rund 407 Quadratmeter aus den Grundstücken 725/1, 725/2, 729, 731/2, 732/1, 738/2 und 738/4 im Enteignungsweg zu erwerben. Darin ist ua. ausgeführt:

"... Der Weingartenweg erschließt nicht nur die Heimanlage, sondern auch das Siedlungsgebiet an der Landesstraße und das zwischen Schrottbauer- und Weingartenweg liegende Wohngebiet. Der Weingartenweg ist als Privatweg im Besitz der Frau G B. Im beiliegenden Lageplan 1:1000 ist der Ausbau des Weingartenweges im Detail dargestellt. Außer dem Weggrundstück 770/2 KG Goritschitzen mit 1043 Quadratmeter werden für die Verbreitung noch 407 Quadratmeter aus benachbarten Grundstücken der Frau G B benötigt.

Gleichzeitig mit dem Ausbau soll auch die Linienführung des

Weingartenweges im Bereich der Grundstücke 774/1 und 748/1 KG

Goritschitzen korrigiert werden. Die Besitzerin dieser

Grundstücke ... hat ihre Zustimmung in Aussicht gestellt.

Mit Frau G B ... konnte keine Einigung über die Abtretung des

Weingartenweges erzielt werden, ...".

Am 30. Juni 1980 erließ der Bürgermeister von Klagenfurt aufgrund der §§36 bis 38 LandesstraßenG einen Bescheid über die Enteignung nach Maßgabe des eingereichten Projektes.

2. Der am 2. Juli 1980 eingebrachte Antrag begehrt die Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates vom 22. Mai 1980. Die Öffentlicherklärung des bisher privaten Weges sei für die Antragstellerin unmittelbar wirksam geworden, weil der Wegteil nun von jedermann benützt werden dürfe, hätte aber im Hinblick auf die Erk. des VfGH Slg. 7884/1976 und 8282/1978 nur hinsichtlich noch nicht bestehender Straßen ergehen dürfen und sei insgesamt auch gar nicht erforderlich.

Die Antragstellerin brachte auch gegen den Enteignungsbescheid Berufung ein, der die Ktn. Landesregierung mit Bescheid vom 5. Feber 1981 mit der Begründung Folge gab, die Einwendungen der Berufungswerberin würden durch das Gutachten des straßenbautechnisch Sachverständigen im wesentlichen bestätigt, sodaß "die Notwendigkeit und somit auch der Gegenstand und Umfang der Enteignung im beantragten Ausmaß nicht gegeben" sei.

3. Der Gemeinderat von Klagenfurt weist in seiner Äußerung zum Verordnungsprüfungsantrag darauf hin, daß sich das Ktn. StraßenG von den für die Entscheidungen des VfGH maßgeblich gewesenen Straßengesetzen OÖ und der Stmk. in bezug auf die Wirkung für den öffentlichen Verkehr unterscheidet; er legt dar, warum er die Herstellung der öffentlichen Verkehrsverbindung für erforderlich hält und begehrt die Abweisung des Antrages.

Die Ktn. Landesregierung tritt dem Rechtsstandpunkt der Antragstellerin im wesentlichen bei.

II. Der Verordnungsprüfungsantrag ist zulässig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 9375/1982 und die dort genannte Vorjudikatur) greift eine Verordnung, die einen in der Natur bereits vorhandenen und daher benützbaren Weg zur öffentlichen Verkehrsfläche erklärt, in die Rechtssphäre des betreffenden Grundeigentümers aktuell und nicht bloß potentiell ein; zur Konkretisierung dieser Wirkung der Verordnung bedarf es keines weiteren behördlichen Aktes. Der VfGH hält zwar - gleichfalls in ständiger Rechtsprechung (vgl. VfGH 11. Juni 1979 V20/77, B222/77, VfSlg. 7994/1977, 8652/1979 und 13. Dezember 1982 B193/77, G85/77 sowie 25. November 1983 B409/83, V35/83 und vom gleichen Tag B436/83, V59/83) - fest, daß die Anfechtung einer generellen Norm dann nicht zulässig ist, wenn die (bekämpften) Wirkungen einer Norm in einem Verfahren eingetreten sind, das gleichzeitig Anlaß einer Beschwerde nach Art144 B-VG ist, weil das zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes führen würde, die mit dem Grundprinzip der Subsidiarität des Individualantrages nicht im Einklang stünde. Im vorliegenden Fall hat aber das Verwaltungsgeschehen schon im Hinblick auf den Erfolg der Antragstellerin im Berufungsverfahren (betreffs der Enteignung) keine gleichwertige Gelegenheit geboten, die Frage der Gesetzmäßigkeit der Verordnung unter dem Gesichtspunkt ihrer unmittelbaren Auswirkung auf die Antragstellerin vor den VfGH zu bringen.

Die Textierung der Verordnung läßt auch iVm. der bezogenen Plandarstellung eine Trennung des die Antragstellerin betreffenden Teils von anderen Teilen nicht zu.

Die Prozeßvoraussetzungen sind gegeben.

III. Der Antrag ist auch begründet.

Wie der VfGH mittlerweile bereits in den zwei Erk. VfSlg. 9375/1982 und 9377/1982 dargelegt hat, wird auch nach dem Ktn. Straßengesetz (in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt vor der Nov. LGBl. Nr. 25/1981) durch die Öffentlicherklärung eines in der Natur schon bestehenden privaten Weges in gesetzwidriger Weise Gemeingebrauch begründet, solange die Gemeinde nicht das Eigentum an den in Betracht kommenden Straßengrundstücken - oder allenfalls ein Verfügungsrecht kraft eines anderen Privatrechtstitels (was der VfGH bisher noch nicht zu prüfen hatte) - erworben hat.

Da im vorliegenden Fall feststeht, daß weder ein Eigentumserwerb noch der Erwerb eines sonstigen Verfügungsrechtes stattgefunden hat, genügt es, auf die angeführten Erk. und die von der Antragstellerin genannte Vorjudikatur zu verweisen.

Die bekämpfte Verordnung ist gesetzwidrig und daher aufzuheben.

Der Ausspruch über die Kundmachungspflicht stützt sich auf Art139 Abs5 erster Satz B-VG.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, Straßenverwaltung, Widmung (einer Straße)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:V23.1980

Dokumentnummer

JFT_10168870_80V00023_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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