TE Vfgh Erkenntnis 1983/12/1 B283/80

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Veröffentlicht am 01.12.1983
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Index

L3 Finanzrecht
L3400 Abgabenordnung

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art119a Abs5
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Tir GemeindeO 1966 §112
Tir LAO 1963 §150 Abs1
Tir LAO 1963 §153 Abs2
Tir LAO 1963 §153 Abs3

Beachte

Anlaßfall zu VfSlg. 9755/1983

Leitsatz

Tir. Landesabgabenordnung 1963; Rechtsverletzung im Anlaßfall nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §153 Abs2 und 3

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Bf. führt in St. J i. T einen Spar-Markt. Nach einer ersten Getränke- und Speiseeissteuernachschau über den Zeitraum vom 1. Jänner 1970 bis zum 31. Dezember 1975 schrieb der Bürgermeister dem Bf. mit Abgabenbescheid vom 28. Jänner 1976 an Getränke- und Speiseeissteuernachforderung samt Säumniszuschlägen einen Betrag von 361596 S zur Zahlung vor. Dagegen erhob der Bf. Berufung; im Zuge des Berufungsverfahrens begehrte er eine Gutschrift von 303903,29 S. Den abweislichen Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes vom 9. Dezember 1976 hob die Tir. Landesregierung als Aufsichtsbehörde mit Bescheid vom 17. Jänner 1977 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand zurück.

Nach einer zweiten Getränke- und Speiseeissteuernachschau über den Zeitraum vom 1. Jänner 1970 bis zum 31. Dezember 1975 beantragte der Bf. nunmehr die Festsetzung einer Gutschrift in Höhe von 443413 S. Der nach einem Devolutionsantrag zuständig gewordene Gemeinderat der Marktgemeinde St. J i. T setzte sodann mit Berufungsbescheid vom 29. Jänner 1980 eine Getränke- und Speiseeissteuernachforderung samt Säumniszuschlägen von 287130 S fest.

1.2. Der gegen diesen Bescheid vom Bf. erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der Tir. Landesregierung vom 16. Mai 1980 Folge gegeben, der angefochtene Bescheid des Gemeinderates aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand verwiesen.

Begründend wurde ua. ausgeführt, daß im fortgesetzten Verfahren der Gemeindevorstand den Bescheid der ersten Gemeindeinstanz (Bürgermeister) ersatzlos aufzuheben haben werde. Unter Berufung auf §153 Abs1 bis 3 der Tir. LAO sprach die Aufsichtsbehörde weiters aus, daß - anders als die Gemeindebehörden angenommen hätten - die Voraussetzungen für eine Bescheiderlassung der gemeindlichen Abgabenbehörden insofern nicht gegeben seien, als die Erteilung einer vom Vorstellungswerber angestrebten Gutschrift nicht erfolgen könne, da die Tir. LAO dies zufolge der Bindung an die Selbstbemessung nicht erlaube.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht, sowie die Anwendung rechtswidriger genereller Normen gerügt wird.

2. Aus Anlaß (auch) dieser Beschwerde hat der VfGH die Verfassungsmäßigkeit der Abs2 und 3 des §153 der Tir. Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 7/1963, (Tir. LAO) in der Stammfassung geprüft. Mit Erk. G28, 44/83 vom 1. Juli 1983 hat er festgestellt, daß die geprüften Gesetzesstellen wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig waren und ausgesprochen, daß sie nicht mehr anzuwenden sind.

3. Der VfGH hat über die - bereits im Gesetzesprüfungsverfahren für zulässig erkannte - Beschwerde erwogen:

3.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wird von der Tir. Landesregierung als Aufsichtsbehörde ein gemeindebehördlicher Bescheid wegen Verletzung von Rechten des Bf. aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das zuständige Gemeindeorgan verwiesen. Dieses ist bei der neuerlichen Entscheidung, wie der VfGH zuletzt mit Erk. vom 14. Juni 1983, B188/78, ausgesagt hat, an die den Spruch des aufhebenden Vorstellungsbescheides tragende Rechtsmeinung gebunden.

Mit dem Steuerbescheid, der Gegenstand des Aufsichtsverfahrens war, wurde dem Bf. eine Steuernachzahlung auferlegt. Im gemeindebehördlichen Abgabenverfahren wurde demgegenüber vom Bf. eine Steuergutschrift begehrt. Mit den gemeindebehördlichen Abgabenbescheiden wurde - wie sich aus der bereits wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt - unter Berufung auf die vor dem Erk. G28, 44/83 maßgebliche Rechtslage (auch) über das Nichtbestehen eines Anspruches auf die begehrte Gutschrift abgesprochen und entschieden, daß die Tir. LAO zufolge der Bindung an die Selbstbemessung die Festsetzung einer Gutschrift nicht erlaube.

Diese den Spruch des angefochtenen Bescheides mit tragende Rechtsansicht stützt sich auf die als verfassungswidrig erkannten Gesetzesstellen. Wie bereits aus dem Erk. des VfGH vom 1. Juli 1983, B379/78, hervorgeht, ist die mit Erk. G28, 44/83 getroffene Feststellung, daß Abs2 und 3 des §153 Tir. LAO verfassungswidrig waren, auf den verbleibenden Gesetzestext bei dessen sinnvoller Auslegung ohne Einfluß. Andernfalls käme man nämlich zu dem unerträglichen Ergebnis, daß die Abgabe endgültig mit dem Betrag festgesetzt bliebe, mit der sie der Abgabenpflichtige selbst bemessen hat. Daraus folgt, daß der Bf. durch die auf die verfassungswidrige Rechtslage gestützte, für das fortgesetzte Verfahren bindende Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

Im Gefolge des nunmehr zu erlassenden Vorstellungsbescheides wird die Gemeinde die Abgabe neuerlich festzusetzen und dabei auch über das Gutschriftbegehren abzusprechen haben. Dabei wird zu beachten sein, daß der Ersatzbescheid von dem im Devolutionsweg zuständig gewordenen Gemeinderat zu erlassen ist.

Zu dem übrigen Beschwerdevorbringen wird auf die auch für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Ausführungen des (beiliegenden) Erk. vom 1. Juli 1983, B379/78, verwiesen.

Schlagworte

Finanzverfahren, Selbstbemessung (Finanzverfahren), Bindung (der Verwaltungsbehörden an behördliche Entscheidungen), Gemeinderecht, Vorstellung, VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B283.1980

Dokumentnummer

JFT_10168799_80B00283_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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