Index
L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
WAO; Annahme der Eigenschaft als Geschäftsführer einer Gesellschaft; keine gleichheitswidrige Anwendung der §§19 und 21; keine WillkürSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. 1. Mit Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 23. März 1977, MA 4/4 M-49/77, wurde R W gemäß §7 und §54 der Wr. Abgabenordnung - WAO -, LGBl. Nr. 21/1962, für den Rückstand an Dienstgeberabgabe der R M GesmbH mit dem Sitz in Wien, in der Höhe von 3318,70 S für den Zeitraum April bis September 1973 haftbar gemacht und aufgefordert, diesen Betrag gemäß §171 WAO binnen einem Monat ab Zustellung des Bescheides zu entrichten, widrigenfalls die zwangsweise Eintreibung veranlaßt werde.
In der Begründung des Bescheides wurde ua. ausgeführt, R W sei nur bis 27. April 1973 gemeinsam mit R M Geschäftsführer der genannten Gesellschaft gewesen. Letzterer sei anschließend bis zum 12. Oktober 1973 als alleiniger Geschäftsführer registriert gewesen. In dem mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. November 1975, 6d E Vr 8394/73, eingestellten Strafverfahren gegen R M sei jedoch festgestellt worden, daß diesem nie ein tatsächlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft zugekommen sei. Die Geschäftsführung sei auch in der Zeit vom April bis September 1973 tatsächlich von R W - gemeinsam mit H P L - besorgt worden. Nach den Grundsätzen des §19 Abs1 WAO sei er daher auch nach dem 27. April 1973 als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft anzusehen. Als solcher habe er weder die Zahlung der Abgabenschuldigkeit veranlaßt noch Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen.
1.2. Die gegen diesen Bescheid von R W erhobene Berufung wies die Abgabenberufungskommission aufgrund ihres Beschlusses vom 6. April 1978 mit Bescheid vom selben Tage, MDR - W 12/77, gemäß §224 Abs2 WAO als unbegründet ab.
In der Begründung des Bescheides wurde ua. ausgeführt, aus dem Akt des Landesgerichts für Strafsachen Wien ... Vr 8394/73 sei folgendes zu ersehen: Nach dem Bericht der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Oktober 1973 hätten die im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien durchgeführten Vorerhebungen ergeben, daß die tatsächlichen Geschäftsführer der R M GesmbH H P L und R W gewesen seien. R M sei zwar nominell Geschäftsführer, tatsächlich jedoch immer Strohmann gewesen, der in vielen Fällen über Geschäftsvorgänge nicht oder nicht vollständig informiert gewesen sei. Als ihm im Zuge der Erhebungen klar geworden sei, daß gegen ihn zivilrechtliche Ansprüche erhoben werden und er strafrechtlich verfolgt werden könnte, habe er versucht, die Geschäftsführung effektiv an sich zu bringen, doch sei ihm am 3. Oktober 1973 durch einen Gesellschafterbeschluß von L und W die Geschäftsführung entzogen worden. R M habe in der gegen ihn wegen §§197, 200, 201 litd, 203, 205a, 486 Z1 und 2 StG und §114 ASVG eingeleiteten Voruntersuchung als Beschuldigter ausgesagt, er habe keine kaufmännischen Entscheidungen gefällt, sondern nur das ausgeführt, was L und W bestimmt hätten. In der Voruntersuchung hätten mehrere Zeugen übereinstimmend ausgesagt, daß R M nur Hilfsdienste verrichtet habe. Diese im Zuge des Strafverfahrens gewonnenen Feststellungen könnten auch im Abgabenverfahren verwendet werden. Nach der im §19 WAO normierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform maßgebend. Im übrigen seien nach §21 Abs1 WAO Scheingeschäfte ua. Scheinhandlungen für die Verwaltung der Abgaben ohne Bedeutung. Aus dem angeführten gerichtlichen Strafakt ergebe sich, daß der nominell bestellte Geschäftsführer R M ein "Strohmann" gewesen sei. Die Gesellschafter einer GesmbH könnten jede Geschäftsführungsangelegenheit initiativ aufgreifen und mit Beschluß dem Geschäftsführer Weisungen erteilen. Jene Personen, welche die nach dem Gesetz dem Geschäftsführer obliegende Tätigkeit an sich gezogen hätten, sich somit wirtschaftlich betrachtet als tatsächliche Geschäftsführer betätigten, müßten als die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen iS der §§54 ff. WAO angesehen werden. Unter Bedachtnahme auf die Feststellungen im Strafakt sei R W wirtschaftlich betrachtet als Geschäftsführer der Gesellschaft tätig geworden. Die dafür maßgebenden Motive seien ohne rechtliche Relevanz. Daß ihn triftige Gründe an der Entrichtung der Abgaben gehindert hätten, habe er nicht dargetan.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die von R W an den VfGH gemäß Art144 B-VG erhobene Beschwerde, in der er die Verletzung der gemäß Art7 B-VG und Art6 Abs3 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte geltend macht, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
1.4. Die Abgabenberufungskommission erstattete als bel. Beh. eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde - irrtümlich als Berufung bezeichnet - abzuweisen.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Eine Verletzung des von der Beschwerde geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9186/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere iVm. einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung, 9187/1981).
1.2. Daß die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften im Widerspruch zum Gleichheitsgebot stünden, wurde vom Bf. nicht behauptet. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine derartigen Bedenken.
1.3. Der VfGH hat weiters zu prüfen, ob die bel. Beh. dadurch, daß sie den Bf., der im fraglichen Zeitraum nicht zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt war, sondern die Geschäftsführung nach Ansicht der bel. Beh. tatsächlich ausübte, in Anwendung der §§19 und 21 WAO (wirtschaftliche Betrachtungsweise, Scheingeschäfte) für die Abgaben haftbar machte, dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder bei der Anwendung des Gesetzes Willkür übte.
Weder dafür, daß die bel. Beh. dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, noch dafür, daß sie bei der Anwendung des Gesetzes Willkür übte, ist im Verfahren des VfGH ein Anhaltspunkt hervorgekommen. Der VfGH muß es dahingestellt sein lassen, ob die bel. Beh. das Gesetz richtig angewendet hat oder ob ihr bei Anwendung des Gesetzes wesentliche Verfahrensmängel unterlaufen sind. Eine solche Beurteilung vorzunehmen, ist der VfGH nicht berufen. Jedenfalls liegt im Beschwerdefall nicht ein gehäuftes Verkennen der Rechtslage, die Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder die Unterlassung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt vor, da die bel. Beh. sich immerhin auf die Ergebnisse der Ermittlungstätigkeit anderer Behörden gestützt hat. Allenfalls vorliegende wesentliche Verfahrensmängel reichen jedenfalls nicht in die Verfassungssphäre. Die vom Bf. behauptete Verletzung des Rechtes auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nicht vor.
1.4. Der Bf. behauptet weiters, in seinen Rechten gemäß Art6 Abs3 MRK verletzt zu sein. Wie dem Art6 MRK zu entnehmen ist, stehen die nach Abs3 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte nur in einem Strafverfahren zu. Da im der Beschwerde zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren ausschließlich die Haftung für Abgaben geltend gemacht wurde, ist der Bf. in den gemäß Art6 Abs3 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten offensichtlich nicht verletzt worden.
2.1. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam im Verfahren vor dem VfGH nicht hervor.
2.2. Im Hinblick auf die aus der Sicht dieses Beschwerdefalles gegebene verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften wurde der Bf. auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
Schlagworte
Finanzverfahren HaftungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B294.1978Dokumentnummer
JFT_10168798_78B00294_00