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L9 Sozial- und GesundheitsrechtNorm
B-VG Art116 Abs2Beachte
vgl. Kundmachung LGBl. Nr. 13/1984 am 7. März 1984Leitsatz
Art116 Abs2, Art118 Abs2 B-VG; Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechtes der Gemeinden auch für den Bereich privatwirtschaftlicher Betätigung Vbg. Spitalgesetz; §43 Abs6 idF LGBl. Nr. 21/1981 mit dem Wesen des Selbstverwaltungsrechtes der Gemeinden unvereinbar; Einengung der freien Entscheidung der Gemeinde durch die Landesregierung bei Besetzung von Leitungsfunktionen im SpitalbereichSpruch
Die Worte "an die erste bis dritte Stelle" in §43 Abs6 des Gesetzes über Heil- und Pflegeanstalten (Spitalgesetz - SpG), Anlage der Verordnung über die Neukundmachung des Spitalgesetzes, Vorarlberger Landesgesetzblatt Nr. 1/1979, idF des Landesgesetzes Nr. 21/1981, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Der Landeshauptmann von Vbg. ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. 1. Die Bundesregierung beantragt aufgrund ihres Beschlusses vom 19. Mai 1981 gemäß Art140 B-VG die Worte "an die erste bis dritte Stelle" in §43 Abs6 des Vbg. Spitalgesetzes, LGBl. Nr. 1/1979, idF des Landesgesetzes Nr. 20/1981 (offensichtlich gemeint: Nr. 21/1981) als verfassungswidrig aufzuheben.
1.2. Der Antrag ist wie folgt begründet:
"A. §43 Abs6 des Vbg. Spitalgesetzes hatte in seiner Stammfassung (Neukundmachung LGBl. Nr. 1/1979) folgenden Wortlaut:
'(6) Die Landesregierung hat dem Träger der Krankenanstalt eine begründete Reihung der Bewerber samt den vorgelegten Unterlagen zu übermitteln, der nach Maßgabe der §§16 und 22 die Wahl unter den gereihten Bewerbern hat.'
Durch Z12 des Gesetzes über eine Änderung des Spitalgesetzes, LGBl. Nr. 20/1981, wurde in der zitierten Bestimmung das Wort 'gereihten' durch die Worte 'an die erste bis dritte Stelle gereihten' ersetzt.
Gemäß §43 des Vbg. Spitalgesetzes ist vor der Besetzung von verschiedenen Leitungsfunktionen im Spitalbereich eine öffentliche Stellenausschreibung durchzuführen (§43 Abs2). Gemäß Abs5 dieser Bestimmung werden die Gesuche aller Bewerber vom Rechtsträger der Krankenanstalt der Landesregierung vorgelegt, die - in der Regel nach Einholung eines Gutachtens des Landessanitätsrates (§43 Abs5) - eine begründete Reihung der Bewerber vornimmt (§43 Abs6). Danach hatte der Träger der Krankenanstalt nach dem im Vbg. Spitalgesetz in seiner Stammfassung vorgesehenen Verfahren nach Maßgabe der §§16 und 22 des gegenständlichen Landesgesetzes die Wahl unter den gereihten Bewerbern.
Durch die in der Nov. vorgesehenen Abänderung des §43 Abs6 wird nun eine Änderung des Bestellungsmodus dergestalt vorgesehen, daß der Träger der Krankenanstalt nicht mehr 'die Wahl unter den gereihten Bewerbern', sondern nur mehr die Wahl zwischen den 'an die erste bis dritte Stelle gereihten' Bewerbern hat. Diese Änderung bewirkt, daß die Landesregierung nunmehr in den Stand gesetzt wird, durch ihre Entscheidung einzelne Bewerber von den genannten Leitungsfunktionen im Spitalbereich auszuschließen.
B. Da von der gegenständlichen Vorschrift in erster Linie die Gemeinden als Träger von Krankenanstalten betroffen sind, bewirkt diese Änderung des Bestellungsverfahrens nach Auffassung der Bundesregierung einen verfassungswidrigen Eingriff in den durch Art118 Abs2 und 3 B-VG garantierten eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.
Nach Art118 Abs3 Z2 B-VG gehört die 'Bestellung der Gemeindebediensteten' zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Eine Differenzierung zwischen öffentlich-rechtlichen, durch Bescheid begründeten und privatrechtlichen, durch Vertrag begründeten Dienstverhältnissen enthält die zitierte Verfassungsbestimmung nicht. Es trifft zu, daß die Bestellung von Gemeindebediensteten im privatrechtlichen Weg von der Sache her zu den privatrechtlichen Handlungen der Gemeinde gehört. Eine Subsumtion unter die die Gemeinde als 'selbständigen Wirtschaftskörper' betreffende Kompetenzbestimmung des Art116 Abs2 B-VG kommt jedoch deshalb nicht in Betracht, weil Art118 Abs3 Z2 B-VG eben einen bestimmt umschriebenen Bereich des privatrechtlichen Handelns der Gemeinde, nämlich die zum verfassungsrechtlichen Begriff des Dienstrechts gehörenden privatrechtlichen Dienstverhältnisse (vgl. Art21 Abs1, iVm. Abs2, erster Satz B-VG) dem Regime einer besonderen Kompetenznorm unterstellt. Dagegen spricht nur scheinbar der Gebrauch des Wortes 'behördlich' in Art118 Abs3, erster Satz B-VG: Worauf der Verfassungsgesetzgeber hier abstellt, ist der Unterschied zwischen der Gemeinde als selbstständiger Wirtschaftskörper (Art116 Abs2 B-VG) und den sonstigen Aufgaben der Gemeinde. Geht man ferner vom einheitlichen Begriff der 'Diensthoheit' aus (Art118 Abs3 Z2 und Art21 Abs3 B-VG, vgl. auch Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechts 1972, 201), so müssen unter den Begriff der 'Gemeindebediensteten' auch privatrechtliche Angestellte fallen. Das Art118 Abs3 Z2 von jeher so verstanden wurde, zeigt - auf dem Boden der Kompetenzverteilung vor 1974 - auch die Zuordnung von landesgesetzlichen Regelungen für Vertragsbedienstete, soweit sie behördliche Aufgaben zu besorgen hatten, zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde (vgl. Hundegger, Die Gemeinde und ihre Wirkungsbereiche, 1971, 78 und Neuhofer, aaO 200).
Wenn in der Regierungsvorlage der Vbg. Spitalgesetz-Nov. (4. Beilage im Jahre 1981 zu den Sitzungsberichten des XIII. Vbg. Landtages) aufgeführt wird, daß die Besetzung von Leitungsfunktionen im Spitalbereich ein vom Dienstrecht 'wohl zu unterscheidender Akt' wäre, daß 'das Vorliegen eines Dienstverhältnisses keineswegs eine notwendige Voraussetzung für die Ausübung einer derartigen Funktion' wäre und daß auch bei Bestehen eines Dienstverhältnisses 'die Betrauung mit einer Leitungsfunktion unter Umständen ohne Veränderung in der dienstrechtlichen Stellung des Betrauten vor sich gehen' könne, hat die Bundesregierung dieser Überlegung folgendes entgegenzuhalten:
Es kann nicht bestritten werden, daß die im Spitalgesetz beschriebenen Funktionäre im Spitalbereich, sofern die Gemeinde Träger der Krankenanstalt ist, Zuständigkeiten der Gemeinde wahrnehmen und somit Organe der Gemeinde sind. Da diese Zuständigkeiten nur durch Menschen wahrgenommen werden können, sind individuelle Rechtsakte der Gemeinde erforderlich. Ob diese Rechtsakte als Akte der Organisation der Gemeinde oder als Akte, die die subjektive Sphäre des Bediensteten betreffen, und damit als dienstrechtliche Akte gedeutet werden, ist für den gegebenen Zusammenhang gleichgültig, da Art118 Abs3 Z1 B-VG auch die 'Bestellung der Gemeindeorgane' dem eigenen Wirkungsbereich vorbehält.
Wenn man den weiteren Überlegungen nun die Auffassung zugrunde legt, daß es sich bei der Besetzung von Leitungsfunktionen im Spitalbereich um die 'Bestellung der Gemeindebediensteten' iS des Art118 Abs3 Z2 (oder allenfalls um die Bestellung von Gemeindeorganen iS des Art118 Abs3 Z1 B-VG) handelt und berücksichtigt, daß Art118 Abs4 B-VG der Gemeinde garantiert, 'die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen ... zu besorgen', so wird durch die neue Fassung der in Frage stehenden Vorschrift der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde durch einen im Einzelfall wirksamen Vollzugsakt der Landesregierung beschränkt (vgl. Neuhofer, aaO 201). Als Aufsichtsmaßnahme kann dieser Akt nicht qualifiziert werden, weil die Gemeinde noch keinen zu 'beaufsichtigenden' Akt gesetzt hat. Es handelt sich daher um eine versteckte Weisung in der Richtung, die nicht an erster bis dritter Stelle gereihten Bewerber nicht zu berücksichtigen.
Es mag zutreffen, daß der solcherart hergestellte materielle Weisungszusammenhang zwischen Landesregierung und Gemeinde im Hinblick auf die gesetzliche Normierung den Weisungscharakter verliert. Aber darin sieht die Bundesregierung einen Formenmißbrauch des Landesgesetzgebers und die Verletzung des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde. Denn wenn der Landesgesetzgeber in der Lage wäre, den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde, dh. die weisungsfreie Vollziehung bestimmter Angelegenheiten, durch die bloße Wahl der Rechtsform 'Landesgesetz' zu durchbrechen, würde das verfassungsrechtliche Institut des eigenen Wirkungsbereiches seinen Sinn schlechthin verlieren.
C. Den obenstehenden Überlegungen steht im übrigen auch der in Art118 Abs3 Z2 enthaltene Vorbehalt zugunsten 'überörtlicher Qualifikationskommissionen' nicht entgegen. Der Verfassungsgesetzgeber des Jahres 1962 ist hier nämlich zweifelsfrei von jenem Begriffsinhalt der 'Qualifikationskommission' ausgegangen, wie er in den §§14 ff. der Dienstpragmatik normativ festgelegt war. Demnach hatten die Qualifikationskommissionen den Verwendungserfolg von Beamten zu beurteilen. Keinesfalls ist ihnen aber eine Selektionsfunktion gegenüber neueintretenden Bediensteten zugekommen.
D. Selbst wenn man mit den Erläuterungen die in Frage stehende Vorschrift nicht als eine solche über die Bestellung der Gemeindebediensteten auffaßt, sondern als ein 'allgemeines' Landesgesetz, in dessen Rahmen die Gemeinde iS des Art116 Abs2 B-VG als selbständiger Wirtschaftskörper tätig wird, wäre die in Frage stehende Vorschrift noch immer verfassungswidrig. Da der Landesgesetzgeber mit der Sachlage auf dem Gebiet des Spitalwesens hinsichtlich aller Normadressaten im Detail vertraut ist, hat die in Rede stehende Vorschrift als Regelung von Rechtsverhältnissen bestimmter Einzelpersonen den Charakter eines Individualgesetzes (vgl. Adamovich - Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1980, 185). Damit kann aber - was die Gemeinde betrifft - von einem 'allgemeinen' Gesetz iS des Art116 Abs2 B-VG schon begrifflich keine Rede sein. Somit liegt auch unter diesem Aspekt ein Formenmißbrauch des Landesgesetzgebers vor, durch den die Gemeinde in ihrer auch im Bereich des Art116 Abs2 B-VG garantierten weisungsfreien Besorgung beengt wird."
2. Die Vbg. Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die angefochtene Bestimmung als verfassungskonform verteidigt. Hiezu wird von ihr vorgebracht:
"Gemäß Art116 Abs2 B.-VG. ist die Gemeinde ein selbständiger Wirkungskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben.
Die angefochtene Bestimmung des Spitalgesetzes findet unbestritten auf alle Träger öffentlicher Krankenanstalten in gleicher Weise Anwendung, das Spitalgesetz ist somit ein allgemeines Landesgesetz iS des Art116 Abs2 B-VG. Selbst wenn die Behauptung der Bundesregierung zutreffen würde, daß sich die angefochtene Gesetzesstelle in erster Linie an die Gemeinden als Träger von Krankenanstalten richte, wäre damit für die Bundesregierung nichts gewonnen, da bei der Auslegung eines Gesetzes grundsätzlich vom formellen Geltungsbereich auszugehen ist (s. VfGH Erk. Slg. Nr. 8218/1977). Die Äußerungen der Bundesregierung sind jedoch nicht nur in rechtlicher Hinsicht unzutreffend, sondern gehen auch an den tatsächlichen Gegebenheiten vorbei: Von den in Vorarlberg bestehenden öffentlichen Krankenanstalten werden nur die Hälfte von Gemeinden betrieben. Zudem ist zu erwarten, daß künftig noch weiteren, bereits jetzt bestehenden Krankenanstalten mit privater Trägerschaft das Öffentlichkeitsrecht verliehen wird und auch diese Krankenanstalten dann unter die Bestimmung des §43 Abs6 des Spitalgesetzes fallen werden. Bei Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse kann wohl nicht von einem Formenmißbrauch des Landesgesetzgebers in diesem Zusammenhang gesprochen werden. Es kann ferner der Argumentation der Bundesregierung nicht zugestimmt werden, wonach die Vertrautheit des Gesetzgebers mit der Sachlage auf einem bestimmten Gebiet gegen die Erlassung eines allgemeinen (und damit nach Ansicht der Bundesregierung verfassungskonformen) Gesetzes spreche. Unüberschaubarkeit und Unkenntnis der Verhältnisse können wohl nicht notwendige Kriterien der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes sein.
Die Führung eines Spitals durch eine Gemeinde ist als Betrieb einer wirtschaftlichen Unternehmung iS des Art116 Abs2 B-VG anzusehen (s. Petz, Gemeindeverfassung 1962, 85). Hiebei unterliegt die Gemeinde 'selbstverständlich' (vgl. Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechts, 302) auch den Beschränkungen nach den einschlägigen Gesetzen. Daß solche Gesetze auch Rückwirkungen auf Akte der Gemeinde auf dem Gebiete der Personalverwaltung haben können, liegt auf der Hand. Die angefochtene Bestimmung des Spitalgesetzes unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von zahlreichen bundesgesetzlichen Bestimmungen: So kann beispielsweise auf den §39 Abs5 der Gewerbeordnung 1973 verwiesen werden, nach dem die Bestellung eines Geschäftsführers für die Ausübung eines konzessionierten Gewerbes der Genehmigung der Gewerbebehörde bedarf. Auch der Widerruf der Genehmigung der Bestellung des Geschäftsführers durch die Gewerbebehörde ist vorgesehen. In der Praxis sind es gerade die konzessionierten Gewerbe, die oft von einer Gemeinde als Trägerin von Privatrechten ausgeübt werden, man denke etwa an die Gewerbe der Gas- und Wasserleitungsinstallation, an den Betrieb von Schleppliften, an das Gastgewerbe, das Fremdenführergewerbe, das Gewerbe der Bestatter, Kanalräumer ua. mehr. In zahlreichen anderen Gesetzen sind ähnliche Bestimmungen vorgesehen, die in der Praxis durchaus auch für die Gemeinden von Bedeutung sind. Man denke etwa an die Bestimmung des §21 Abs1 des Eisenbahngesetzes 1957, die normiert, daß die Bestellung des verantwortlichen Betriebsleiters etwa eines Straßenbahnbetriebes oder die Bestellung seines Stellvertreters der Genehmigung der Eisenbahnbehörde bedarf. Nach Abs3 der zitierten Bestimmung bedürfen die allgemeinen Anordnungen des Eisenbahnunternehmens, die das Verhalten der Bediensteten regeln, ebenfalls der Genehmigung der Behörde. Ähnliche Bestimmungen enthalten etwa der §10 Abs2 des Kraftfahrliniengesetzes 1952 oder der §20 Abs5 der ersten Durchführungsverordnung zum Kraftfahrliniengesetz 1952. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen.
Alle diese Vorschriften richten sich ebenso wie die angefochtene Bestimmung des Spitalgesetzes an alle Rechtsunterworfenen, auch an die Gemeinden. Der Bereich der Hoheitsverwaltung der Gemeinde und somit die Besorgung der im Art118 Abs3 aufgezählten Angelegenheiten wird durch alle diese Bestimmungen nicht berührt. Es handelt sich hier nicht um Vorschriften über die Bestellung der Gemeindebediensteten, sondern um allgemeine Gesetze, in deren Rahmen die Gemeinde iS des Art116 Abs2 B-VG als selbständiger Wirtschaftskörper tätig werden kann.
Nach Ansicht der Vbg. Landesregierung gehen daher die Ausführungen der Bundesregierung nicht nur an den tatsächlichen Gegebenheiten vorbei, sondern sind auch in rechtlicher Hinsicht nicht zutreffend. Der §43 Abs6 des Spitalgesetzes, LGBl. Nr. 1/1979, idF LGBl. Nr. 21/1981, kann nicht als verfassungswidrig angesehen werden."
3. Der VfGH hat erwogen:
3.1. §43 Abs6 des Vbg. Spitalgesetzes, LGBl. Nr. 1/1979 (künftig: SpG) wurde als landesgesetzliche Ausführungsregelung zu §7 des Krankenanstaltengesetzes - KAG vom 18. Dezember 1956, BGBl. Nr. 1/1957, idF der 2. Nov. vom 3. Mai 1974, BGBl. Nr. 281, wonach für jede Krankenanstalt ein geeigneter Arzt als verantwortlicher Leiter des ärztlichen Dienstes und für die mit der ärztlichen Behandlung der Pfleglinge zusammenhängenden Aufgaben zu bestellen ist, erlassen. Die angefochtene Wortfolge des §43 Abs6 beruht auf der Nov. zum SpG, LGBl. Nr. 21/1981.
Der Anwendungsbereich der in Frage stehenden landesgesetzlichen Regelung erstreckt sich auf alle öffentlichen Krankenanstalten. Die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes ist nicht daran gebunden, daß der Rechtsträger der Krankenanstalt eine Gebietskörperschaft ist; ist dies nicht der Fall, kann einer Krankenanstalt dennoch das Öffentlichkeitsrecht bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen verliehen werden, wenn der Rechtsträger nachweist, daß er über die für einen gesicherten Betrieb der Krankenanstalt nötigen Mittel verfügt (§42 Abs1 SpG). Gemeinden können demnach Rechtsträger öffentlicher Krankenanstalten sein, Rechtsträger von öffentlichen Krankenanstalten müssen aber keineswegs immer Gemeinden sein.
Gemäß §43 Abs2 SpG dürfen die Stelle des ärztlichen Leiters, des Leiters einer Abteilung, einer Prosektur, eines Ambulatoriums oder einer Anstaltsapotheke, ferner die Stelle des ständigen Konsiliararztes sowie des Verwalters in öffentlichen Krankenanstalten nur aufgrund einer öffentlichen Stellenausschreibung besetzt werden, sofern nicht einschlägige Hochschulvorschriften Platz greifen (Abs3 leg. cit.). Die Gesuche aller Bewerber sind vom Rechtsträger der Krankenanstalt mit allen Unterlagen einschließlich eingeholter Dienstbeschreibungen der Landesregierung vorzulegen, die, sofern es sich nicht um die Stelle eines Verwalters handelt, ein Gutachten des Landessanitätsrates einzuholen hat (§43 Abs5). Wie sich aus §43 Abs6 ergibt, hat die Landesregierung dem Träger der Krankenanstalt eine begründete Reihung der Bewerber samt den vorgelegten Unterlagen sodann zu übermitteln. Der Rechtsträger hatte nach §43 Abs6 in der Stammfassung das Wahlrecht unter den gereihten Bewerbern, seit Inkrafttreten der Nov. LGBl. Nr. 21/1981 unter den von der Landesregierung an die erste bis dritte Stelle gereihten Bewerbern, und zwar - ursprünglich und auch jetzt - nach Maßgabe der §§16 und 22 SpG. §16 ordnet insbesondere an, daß der ärztliche Dienst in Krankenanstalten nur von Personen versehen werden darf, die nach den bundesrechtlichen Vorschriften über den ärztlichen Beruf außerhalb von Krankenanstalten zur Ausübung der in Betracht kommenden Tätigkeit berechtigt sind (Abs1), und daß für jede Krankenanstalt ein fachlich geeigneter Arzt als verantwortlicher Leiter des ärztlichen Dienstes und für die mit der ärztlichen Behandlung der Patienten zusammenhängenden Aufgaben (ärztlicher Leiter) zu bestellen ist (Abs2). Mit der Führung von Abteilungen müssen Fachärzte des einschlägigen medizinischen Sonderfaches und, wenn ein solches nicht besteht, fachlich geeignete Ärzte betraut werden (Abs3). Die Bestellung des ärztlichen Leiters einer Abteilung, einer Prosektur oder einer in Abs5 erwähnten Einrichtung hat schriftlich mit privatrechtlichem Vertrag zu erfolgen, der zu seiner Rechtsgültigkeit der Genehmigung der Landesregierung bedarf (Abs6). Nach §22 ist für jede Krankenanstalt ein verantwortlicher Leiter der wirtschaftlichen, administrativen und technischen Angelegenheiten (Verwalter) zu bestellen. Zum Verwalter dürfen nur Personen bestellt werden, die die erforderliche Eignung besitzen und denen nicht die Leitung des ärztlichen Dienstes in der Krankenanstalt übertragen ist (Abs1).
Die angefochtene Regelung bewirkt, daß das den Trägern der Krankenanstalten zustehende Wahlrecht, wer von den Bewerbern mit einer der in §43 Abs2 genannten Stellen betraut werden soll, nur unter den erst bis drittgereihten Bewerbern ausgeübt werden darf.
3.2. Keinen Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Frage, ob die angefochtene Wortfolge allenfalls dem Grundsatzgesetz widerspricht, da die Prüfungsbefugnis des VfGH bei Normenkontrollen durch die im Normenprüfungsantrag oder im Einleitungsbeschluß aufgeworfenen Bedenken beschränkt ist.
3.3. In Beurteilung der geltend gemachten Bedenken ist davon auszugehen, daß die Führung eines öffentlichen Spitals im Rahmen des Art116 Abs2 B-VG erfolgt, wonach Gemeinden das Recht zusteht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, sowie wirtschaftliche Unternehmen zu betreiben.
Das die Gemeinden bei privatwirtschaftlichen Betätigungen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches besorgen, kann schon nach dem Wortlaut des Art118 Abs2 B-VG nicht zweifelhaft sein. Das bedeutet aber, daß den Gemeinden durch die zitierte Verfassungsbestimmung auch insofern das Recht auf Selbstverwaltung verfassungsgesetzlich gewährleistet ist.
Dies hat schon der Verfassungsausschuß des Nationalrates bei der Behandlung der B-VG-Nov. 1962 implizit zum Ausdruck gebracht, indem er in bezug auf Art116 Abs2 B-VG ausgeführt hat (769 BlgNR IX. GP), daß sich die staatliche Aufsicht auf den gesamten Wirkungsbereich einer Gemeinde erstreckt, gleichgültig, ob es sich hiebei um Angelegenheiten der Hoheits- oder der Privatwirtschaftsverwaltung handelt. Der Verfassungsausschuß war auch der Meinung, daß die Ausführungsgesetzgebung der Gemeindeordnungen in Bindung an die Grundsätze des Bundesverfassungsrechtes nähere Bestimmungen über den Betrieb wirtschaftlicher Unternehmungen durch Gemeinden vom Standpunkt der Gemeindeaufsicht gesehen, aufstellen kann. Das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden ist, wie auch daraus zu ersehen ist, ein inhaltlich umfassendes, das durch Art118 Abs2 B-VG somit nicht nur für den hoheitlichen, sondern auch für den privatwirtschaftlichen Bereich verfassungsrechtlich garantiert ist. Ein derart inhaltliches Verständnis der Gemeindeselbstverwaltung erschöpft sich nicht darin, daß der Gemeinde gemäß Art119a Abs9 B-VG im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung zukommt und daß sie berechtigt ist, gegen rechtswidrige Aufsichtsmaßnahmen Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu führen. Es bedeutet vielmehr an sich, daß die Gemeinden von ihrem verfassungsgesetzlich garantierten Selbstverwaltungsrecht im Wege freier Entscheidung Gebrauch machen können, und zwar auch dann, wenn sie im Rahmen privatwirtschaftlicher Bereiche tätig werden.
Daß die Gemeinden zu privatwirtschaftlichen Betätigungen berechtigt sind, fußt damit nicht nur in der aus Art116 Abs2 B-VG erfließenden Ermächtigung, privatautonom zu handeln, sondern erfließt zusätzlich aus der Garantie des Art118 Abs2 B-VG, wonach das Recht auf Selbstverwaltung auch für den Bereich privatwirtschaftlicher Betätigungen gewährleistet und damit in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden eingeschlossen wird. Jeder Eingriff in dieses Recht, der die verfassungsgesetzlich vorgesehene Aufsicht überschreitet, ist mit dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden somit unvereinbar.
Die Vbg. Landesregierung vermeint jedoch, die Beschränkung des Wahlrechts der Träger öffentlicher Krankenanstalten auf die erst- bis drittgereihten Bewerber sei gar kein Eingriff in ein Recht der Gemeinde, sondern beruhe auf einer verfassungsgesetzlich unbedenklichen landesgesetzlichen Schranke iS des Art116 Abs2 B-VG. Der VfGH vermag diese Meinung jedoch nicht zu teilen.
Das bekämpfte Gesetz zieht nämlich keine Schranke, innerhalb welcher die Gemeinde noch frei entscheiden kann; die Einschränkung des Auswahlrechtes der Gemeinde erfolgt auch nicht dadurch, daß die Bestellung einer nachfolgenden Genehmigung bedarf. Die Einschränkung des Auswahlrechtes der Gemeinde besteht vielmehr darin, daß der Landesregierung durch die strittige Regelung übertragen ist, die Zahl der Bewerber, unter denen von der Gemeinde in einem genehmigungspflichtigen Akt gewählt werden kann, auf drei Personen einzuengen, und zwar selbst dann, wenn mehr geeignete Bewerber auftreten. Eine solche Regelung, die weder als Schranke durch das Gesetz noch als Aufsichtsakt qualifiziert werden kann, bildet eine gesetzliche Vorgangsweise, die mit dem Wesen des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden unvereinbar ist. Die geltend gemachten Bedenken der Bundesregierung treffen somit insofern zu.
3.3. Die angefochtenen Worte in §43 Abs6 SpG idF LGBl. Nr. 21/1981 waren daher als verfassungswidrig aufzuheben. Damit steht §43 Abs6 SpG mit dem Wortlaut der Stammfassung, LGBl. Nr. 1/1979, wieder in Wirksamkeit.
Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.
Schlagworte
Weisung, Selbstverwaltungsrecht, Gemeinderecht, KrankenanstaltenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:G40.1981Dokumentnummer
JFT_10168797_81G00040_00