TE Vfgh Erkenntnis 1983/12/6 B472/79

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Veröffentlicht am 06.12.1983
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6930 Wasserversorgung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Allg
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
F-VG 1948 §7 Abs5
FAG 1979 §15 Abs3 Z4
Tir GemeindeO 1966 §53 Abs1
WasserleitungsO der Gemeinde Thurn für das gesamte Gemeindegebiet vom 14.10.77 WasserleitungsgebührenO der Gemeinde Thurn für den Ortsteil Zettersfeld vom 14.10.77

Leitsatz

WasserleitungsgebührenO der Gemeinde Thurn für den Ortsteil Zettersfeld vom 14. Oktober 1977; keine Bedenken gegen die Kundmachung; keine Bedenken im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip und das Sachlichkeitsgebot; keine Verletzung wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Bf. ist Eigentümerin des Alpengasthofes "Zum golden Pflug" auf dem Z, Gemeinde Thurn (Osttirol).

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Thurn vom 14. August 1979 wurde der Bf. gemäß §213 der Tir. Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 7/1963, für ihren an die Gemeindewasserversorgungsanlage im Ortsteil Z angeschlossenen Gasthof für den Zeitraum vom Dezember 1977 bis 11. Oktober 1978 eine Wasserbenützungsgebühr und eine Zählergebühr vorgeschrieben. Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung hat die Tir. Landesregierung mit Bescheid vom 8. Oktober 1979 als unbegründet abgewiesen (die Landesregierung hat in diesem Bescheid auch über eine von der Bf. gegen einen weiteren Bescheid des Gemeindevorstandes eingebrachte Vorstellung entschieden und diesen Bescheid aufgehoben; insoweit wird aber der Bescheid der Landesregierung vom 8. Oktober 1979 von der Bf. nicht bekämpft).

2. Gegen den abweisenden Vorstellungsbescheid der Landesregierung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Bf. durch Anwendung von gesetzwidrigen Verordnungen in ihren Rechten verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Nach Auffassung der Bf. beruht die Vorschreibung der Wasserbenützungs- und der Zählergebühr einerseits auf der vom Gemeinderat am 14. Oktober 1977 beschlossenen Wasserleitungsordnung der Gemeinde Thurn für das gesamte Gemeindegebiet, welche nach ihrer Präambel aufgrund des §28 Abs1 der Tir. Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 4/1966, erlassen wurde. In §9 dieser Verordnung ist ua. für den laufenden Wasserbezug sowie für die Beistellung des Wasserzählers eine Gebühr (allgemein) vorgesehen, deren Art, Fälligkeit und Höhe in der Wasserleitungsgebührenordnung geregelt werden.

Die bekämpfte Gebührenvorschreibung stützt sich nach Auffassung der Bf. weiters auf die vom Gemeinderat ebenfalls am 14. Oktober 1977 beschlossene, aufgrund des §14 Abs3 litd FAG 1973 und des §30 Abs1 des Gemeindeabgabengesetzes 1935, LGBl. 43/1935, erlassene Wasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Thurn für den Ortsteil Z, und zwar idF des Beschlusses des Gemeinderates vom 24. Feber 1978. Die Kundmachung dieser Beschlüsse des Gemeinderates erfolgte an der Amtstafel der Gemeinde Thurn in der Zeit vom 17. Oktober bis 5. November 1977 bzw. vom 3. bis 18. März 1978. Nach den Bestimmungen dieser Verordnung erhebt die Gemeinde Thurn zur Deckung des Aufwandes der Gemeindewasserversorgungsanlage im Ortsteil Z ua. eine Gebühr für den laufenden Wasserbezug sowie eine Zählergebühr (§§1 und 3). Die Gebühr beträgt pro verbrauchtem Kubikmeter Wasser 5 S, mindestens jedoch 200 S jährlich zuzüglich der Umsatzsteuer, für die Benützung des Wasserzählers 100 S jährlich zuzüglich der Umsatzsteuer (§5). Die Gebühren sind unter Anwendung der Tir. Landesabgabenordnung bescheidmäßig vorzuschreiben (§6). Gebührenschuldner ist grundsätzlich der Eigentümer der angeschlossenen Liegenschaft (§7).

Die Bf. behauptet, beide Verordnungen seien gesetzwidrig.

2. Zur Wasserleitungsordnung für das gesamte Gemeindegebiet:

Der VfGH hat auf die von der Bf. gegen diese Verordnung vorgebrachten Bedenken nicht einzugehen, weil die Behörde anläßlich der Vorschreibung der Gebühr im vorliegenden Fall die Wasserleitungsordnung der Gemeinde Thurn für das gesamte Gemeindegebiet gar nicht anzuwenden brauchte und - worauf die bel. Beh. in der Gegenschrift zu Recht hinweist - auch nicht angewendet hat.

Wie sich nämlich aus dem oben unter Punkt 1. wiedergegebenen Inhalt der - speziellen - Wasserleitungsgebührenordnung für den Ortsteil Z entnehmen läßt, enthalten deren Vorschriften alle für eine Gebührenvorschreibung wie die hier bekämpfte erforderlichen Voraussetzungen, zumal darin nicht nur Art, Fälligkeit und Höhe der Gebühren geregelt sind, sondern auch die Gebührenpflicht als solche, der Gebührenschuldner und die Einhebungsmodalitäten festgelegt sind. Bestimmungen der Wasserleitungsordnung für das gesamte Gemeindegebiet brauchten nicht herangezogen zu werden, weil die hier angefochtene Gebührenvorschreibung nicht auf Vorschriften beruht, die nur in dieser Wasserleitungsordnung enthalten sind.

3. Zur Wasserleitungsgebührenordnung für den Ortsteil Z:

a) Die Bf. hält diese Verordnung für gesetzwidrig zustande gekommen, weil ihre Kundmachung in einer mit §53 der Tir. Gemeindeordnung nicht in Einklang stehenden Weise durchgeführt worden sei.

Nach dem zweiten Satz des §53 Abs1 der Tir. Gemeindeordnung ist dann, wenn eine Gemeinde aus mehreren Ortschaften besteht, in jeder Ortschaft kundzumachen. Die Bf. folgert aus der Tatsache, daß die Wasserleitungsgebührenordnung nur für den Ortsteil Z erlassen worden sei, die Erforderlichkeit einer gesonderten Kundmachung am Z. Das Z sei als Ortschaft iS des §53 der Tir. Gemeindeordnung anzusehen. Die Bf. wohne am Z und habe dort auch ihren Betrieb, sodaß sie praktisch keine Möglichkeit habe, von den im Gemeindeamt im Tal kundgemachten Beschlüssen und Verfügungen Kenntnis zu erlangen. Den Ausführungen der bel. Beh. im angefochtenen Vorstellungsbescheid, wonach die Ansiedlung am Z nur als "Rotte" anzusehen sei, müsse entgegengehalten werden, daß die Tir. Gemeindeordnung den Begriff "Rotte" nicht kenne, sondern nur den Begriff der "Ortschaft". Da der Gemeinderat für das Z eine eigene Gebührenordnung erlassen habe, könne dies vernünftigerweise nur so ausgelegt werden, daß eben das Z als eigene Ortschaft zu behandeln sei.

Hiezu ist zunächst festzuhalten, daß nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der bel. Beh. der "Ortsteil" Z aus verstreut liegenden Häusern, und zwar aus zwei Alpengasthöfen (den der Bf. eingerechnet), einer Schihütte, Sommerhäusern und Almhütten besteht.

Da diesen am Z verstreut liegenden, wenigen Häusern - auch nach dem Verständnis des Verordnungsgebers, der sie als Ortsteil, nicht aber als Ortschaft bezeichnet - nach den tatsächlichen Gegebenheiten nicht der Charakter einer Ortschaft zukommt, war eine gesonderte Kundmachung der Verordnung am Z nicht erforderlich. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Verordnung nur für die Eigentümer der am Z gelegenen Häuser von Bedeutung ist.

b) Inhaltlich bringt die Bf. gegen die Verordnung vor, daß abgesehen von den in §28 der Tir. Gemeindeordnung behandelten ortspolizeilichen Verordnungen Gemeindeorgane Willensbildungen nur in Form von Beschlüssen und Verfügungen iS des §53 des genannten Gesetzes äußern könnten. Hätten solche Beschlüsse und Verfügungen Pflichten oder Rechte Einzelner zum Gegenstand, seien sie mit Bescheid mitzuteilen. Die Gemeinde Thurn verstoße gegen diese Grundsätze dadurch, daß sie ohne jede Rechtsgrundlage die Wasserleitungsgebührenordnung als generell für alle Betroffenen verbindliche Norm, somit als Verordnung behandle. In den Abgabenbescheiden werde in der Folge nur mehr auf die "rechtskräftige und aufsichtsbehördlich genehmigte Verordnung" verwiesen, weitere Begründungen für die Gebührenhöhe würden nicht gegeben. Damit werde dem Abgabepflichtigen unzulässigerweise die Möglichkeit entzogen, die Gebührenhöhe durch ein gegen den Abgabenbescheid gerichtetes Rechtsmittel mit Aussicht auf Erfolg zu bekämpfen. Die Abgabenbehörde begnüge sich mit dem Hinweis auf den in der Waserleitungsgebührenordnung vom Gemeinderat festgesetzten Wasserzins, dessen Angemessenheit für den Einzelnen unüberprüfbar bleibe. Auf diese Weise werde die Bestimmung des §53 Abs3 der Tir. Gemeindeordnung umgangen. Der Tir. Gemeindeordnung sei eine Gebührenfestsetzung für ein erwerbswirtschaftliches Gemeindeunternehmen im Wege generell verbindlicher Normen völlig fremd.

Die Bf. übersieht bei ihrer Argumentation, daß es sich bei einer Gemeindewasserleitung um eine Gemeindeeinrichtung handelt, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben wird (s. VfSlg. 3550/1959, S 161), für deren Benützung die Gemeinden zur Erhebung von Gebühren im Verordnungsweg aufgrund des §7 Abs5 F-VG 1948 und (derzeit) des §15 Abs3 Z4 FAG 1979 ermächtigt sind.

Der VfGH hat in dem bereits angeführten Erk. VfSlg. 3550/1959 und in seiner weiteren Rechtsprechung (s. zB VfSlg. 7136/1973, 8943/1980) dazu ausgesprochen, daß sich hinsichtlich des Ausmaßes der Gebühr schon aus dem Wesen einer solchen ergibt, daß sie dem Äquivalenzprinzip entsprechen muß und daß die Höhe der Gebühr in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung stehen muß. Würden Anhaltspunkte dafür gegeben sein, daß die Gebühr diesen Erfordernissen nicht entspricht, hätte der VfGH gemäß Art139 Abs1 B-VG ein amtswegiges Verordnungsprüfungsverfahren einzuleiten.

Im vorliegenden Fall hat die bel. Beh. dargetan, daß die Gebühr nicht unverhältnismäßig hoch ist. So würde im Jahre 1979 allein der Schuldendienst in der Höhe von 47000 S, die mit 45000 S veranschlagten Gebühren (Wasserzins und Zählergebühr) für die Benützung der Gemeindewasserversorgungsanlage Z bereits übersteigen.

Es bestehen also auch unter diesen Gesichtspunkten keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Wasserleitungsgebührenordnung für den Ortsteil Z.

c) Die Bf. bringt weiters vor, die für den Ortsteil Z erlassene Wasserleitungsgebührenordnung verstoße gegen den in §4 der Tir. Gemeindeordnung verankerten Grundsatz, wonach alle Bewohner einer Gemeinde an Pflichten und Rechten in gleicher Weise teilhaben sollten. Die Bf. habe ihren ordentlichen und ausschließlichen Wohnsitz am Z. Als Gemeindebürger habe sie Anspruch darauf, von der Gemeinde in gleichem Umfang und unter denselben Bedingungen mit Wasser versorgt zu werden wie alle anderen Gemeindebürger auch. Diesem Erfordernis trage die Wasserleitungsgebührenordnung für den Ortsteil Z nicht Rechnung, zumal sie einen Wasserzins vorschreibe, der um 100 vH höher liege als jener, den die übrigen im Gemeindegebiet wohnenden Gemeindebürger zu bezahlen hätten.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß Gewerbebetriebe zum allgemeinen Gemeindebudget durch verschiedentliche Abgaben einen wesentlich größeren Beitrag leisteten als beispielsweise private Haushalte, könne iZm. der Tatsache, daß die Gemeindewasserversorgungsanlage zum Teil auch aus dem allgemeinen Gemeindebudget finanziert werde, ohne Besserstellung der Gewerbebetriebe nicht mehr von einer gleichmäßigen Behandlung der Gemeindebürger gesprochen werden. Hinzu komme, daß die Inhaber der Gastgewerbebetriebe auf dem Z gegenüber jenen, welche in Tallage Gemeindewasser zu einem wesentlich niedereren Zins beziehen könnten, schwer benachteiligt seien. Diese Differenzierung sei nach Ansicht der Bf. sachlich nicht gerechtfertigt; vielmehr wäre es sachlich geboten, den Wasserzins für alle Gemeindebürger in gleicher Höhe festzusetzen und Gewerbebetriebe als Großabnehmer tarifmäßig günstiger zu stellen.

Verschiedene Wasserversorgungsanlagen innerhalb derselben Gemeinde können aufgrund der konkreten Gegebenheiten - in der Gemeinde Thurn befindet sich eine Anlage am Z und eine in Tallage - verschieden hohe Kosten mit sich bringen. Es ist mit dem dem Gleichheitsgebot entspringenden Sachlichkeitsprinzip, aber auch mit dem Grundsatz einer gegenseitig abgestimmten Leistung und Gegenleistung (s. VfSlg. 5156/1965, S 778) vereinbar, daß die Gegenleistung - die Gebühr - immer nur von jenen zu entrichten ist, für die auch die jeweilige Leistung bestimmt ist. Das bedeutet, daß die unterschiedlichen Kosten verschiedener - wenngleich demselben Zweck der öffentlichen Verwaltung dienender - kommunaler Anlagen auch unterschiedlich hohe Gebühren auslösen können.

Zu dem Argument der Bf., Gewerbebetriebe müßten als "Großabnehmer" bessergestellt werden, genügt der Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des VfGH, wonach die Heranziehung des tatsächlichen Wasserverbrauches eine sachgerechte Möglichkeit für die Berechnung der Gebühr darstellt (vgl. zB VfSlg. 3550/1959, 7136/1973); dies gilt auch für "Großabnehmer".

4. Da der VfGH unter den Gesichtspunkten des vorliegenden Beschwerdefalles insgesamt keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Wasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Thurn für den Ortsteil

Z hat und da die Wasserleitungsordnung für das gesamte Gemeindegebiet im vorliegenden Fall nicht präjudiziell ist (s. oben unter Punkt 2.), trifft die (ausschließliche) Behauptung der Bf., wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in ihren Rechten verletzt zu sein, nicht zu.

Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Schlagworte

Wasserversorgung, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Bedenken, Verordnung Kundmachung, Äquivalenzprinzip, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Finanzausgleich, Abgabenbegriff, Gebühr (Wasserleitung), VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B472.1979

Dokumentnummer

JFT_10168794_79B00472_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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