TE Vfgh Beschluss 1983/12/14 G55/82

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Veröffentlicht am 14.12.1983
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Index

L5 Kulturrecht
L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, Naturschutz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Vlbg LandschaftsschutzG §20 Abs1 und Abs2
Vlbg AbgabenverfahrensG §74

Leitsatz

Art140 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung des §20 Abs1 und 2 Vbg. LandschaftsschutzG; keine Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Die antragstellende Gesellschaft mit Sitz in N in Vbg., betreibt den Antragsausführungen zufolge ein Unternehmen zum Gewinn und zum Vertrieb von Sand, Kies und Schuttmaterial aller Art. Sie betreibt als Eigentümerin eine bewilligungspflichtige Bodenabbauanlage und ist dementsprechend gemäß §20 Abs1 und 2 Vbg. LandschaftsschutzG (LGBl. Nr. 1/1982) abgabepflichtig.

Die Antragstellerin begehrt - gestützt auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG - §20 Abs1 und 2 Vbg. LandschaftsschutzG (LGBl. Nr. 1/1982) als verfassungswidrig aufzuheben und legt ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen im einzelnen dar.

Diese Bestimmungen lauten:

"(1) Zur Entrichtung der Landschaftsschutzabgabe ist verpflichtet, wer Steine, Sand, Kies oder Schuttmaterial aller Art in einer bewilligungspflichtigen Bodenabbauanlage (§13) abbaut.

(2) Die Landschaftsschutzabgabe beträgt

a) bei Steinen 1,30 S pro t,

b) bei Sand, Kies und Schuttmaterial aller Art 4 S pro t

des abgebauten Materials."

Weiters behauptet die Antragstellerin, unmittelbar durch die angefochtenen Gesetzesbestimmungen - im Hinblick auf deren Verfassungswidrigkeit - in ihren Rechten verletzt worden zu sein und tut dar, inwieweit diese Vorschriften ihrer Auffassung nach ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden seien:

Die Antragstellerin habe die in einem Kalendermonat entstandene Abgabenschuld gemäß §21 Abs2 leg. cit. jeweils bis zum 10. des übernächsten Kalendermonats beim Landesabgabenamt anzumelden und die Abgabe zum selben Termin an die vom Landesabgabenamt bestimmte Zahlstelle zu entrichten. Zu einer bescheidmäßigen Vorschreibung und Einhebung der Abgabe komme es gemäß §21 Abs3 Vbg. LandschaftsschutzG (iVm. §74 Abs2 Vbg. AbgabenverfahrensG), wenn der Abgabepflichtige die Abgabe nicht richtig oder rechtzeitig anmeldet und abführt.

2. Der VfGH hat erwogen:

Gemäß Art140 B-VG erkennt der VfGH über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der VfGH in ständiger Judikatur - beginnend mit seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 - ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß der Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar durch das angefochtene Gesetz selbst - tatsächlich - erfolgt ist. Ein derartiger "unmittelbarer" Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist und wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt.

Seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 hat der VfGH sowohl in Gesetzesals auch in Verordnungsprüfungssachen, denen ein Individualantrag zurgrunde lag, den (in erster Linie auf der Entstehungsgeschichte der BVG-Nov. BGBl. Nr. 302/1975 beruhenden) Standpunkt eingenommen, daß dieser Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (vgl. zB VfSlg. 8890/1980). Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist hier ein solcher Weg gegeben.

Wie sich nämlich aus den Ausführungen des VfGH in seinem Beschluß vom 30. November 1982 in dem diesem insoweit vergleichbaren, ebenfalls eine Selbstbemessungsabgabe betreffenden Verfahren G62/81 ua. (dem ein Individualantrag auf Aufhebung des §26 Abs3 des Wr. Vergnügungssteuergesetzes zugrunde lag) ergibt, hätte die Antragstellerin die Möglichkeit, einen Antrag auf Rückerstattung der von ihr im Wege der Selbstbemessung gemäß §74 Abs1 Vbg. AbgabenverfahrensG in Entsprechung des §20 Abs1 und 2 Vbg. LandschaftsschutzG entrichteten Abgaben mit der Begründung zu stellen, die Abgabenentrichtung hätte sich im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der im vorliegenden Verfahren bekämpften Abs1 und 2 des §20 des Vbg. LandschaftsschutzG als unrichtig erwiesen (s. §74 Abs2 Vbg. AbgabenverfahrensG).

Bei Beschreitung dieses Weges befände sich die Antragstellerin, was ihre Verpflichtung zur Entrichtung inzwischen fällig gewordener Abgaben nach §20 Vbg. LandschaftsschutzG betrifft, in keiner anderen Situation als jene Abgabepflichtigen, welche im Bereich der Vollziehung liegende Rechtswidrigkeiten von Steuerbescheiden rügen wollten. Da dieser Weg zur Erwirkung eines Bescheides den Antragstellern somit durchaus zumutbar wäre, mangelt es an einer der Voraussetzungen für die Legitimation zur Antragstellung nach Art140 Abs1 B-VG.

Der Antrag ist daher zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Selbstbemessung (Finanzverfahren)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:G55.1982

Dokumentnummer

JFT_10168786_82G00055_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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