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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
OÖ. BauO 1976; geltende Bestimmungen eines Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes werden durch Erlassung einer Bausperre nicht unanwendbar; willkürliche Gesetzesanwendung durch Erteilung einer Baubewilligung in Übereinstimmung mit beabsichtigten PlanungsmaßnahmenSpruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die "W" gemeinnützige Bau- und Siedlungs-GesmbH mit dem Sitz in Linz hat beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz "um Baubewilligung für die Errichtung einer Siedlungsanlage bestehend aus 6 Objekten an der M-gasse, auf den Grundstücken Nr. 2723/4,/5,/6,/7, 2724/3,/4,/5,/6 und/7 gegenüber den Häusern M-gasse 20 - 24 angesucht". Nach der Durchführung der Bauverhandlung am 14. Dezember 1977 wurde die begehrte Baubewilligung mit dem Bescheid des Magistrates der Stadt Linz vom 30. Jänner 1978 erteilt.
Dieser Bescheid wurde aufgrund von Berufungen, die von übergangenen Parteien erhoben worden waren, mit dem Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 2. Juni 1978 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Baubehörde I. Instanz verwiesen.
2. a) Die im Bauansuchen angeführten Grundstücke lagen im Bereich des Gebietes, für das der am 9. Feber 1959 wirksam gewordene Bebauungsplan Nr. 419 erlassen worden war.
In diesem Bebauungsplan waren für die Bebauung der im Ansuchen der W (I.1.) angeführten Grundstücke 11 Bauplätze zur Errichtung von 11 Einfamilienhäusern mit 2 Geschoßen vorgesehen.
b) Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht hervor, daß nach der Aufhebung des Bescheides vom 30. Jänner 1978 eine Besprechung zwischen Vertretern des Stadtmagistrates und des Amtes der OÖ. Landesregierung stattgefunden hat, bei der "aufgrund von Anrainereinwendungen im Zuge des Bauverfahrens" vom Amt der OÖ. Landesregierung der Standpunkt eingenommen wurde, "daß für dieses Projekt eine Bebauungsplanänderung erforderlich" sei.
Um die "Wirkung der beabsichtigten Bebauungsplanänderung frühzeitig erreichen zu können", wurde vom Magistrat der Stadt Linz beim Gemeinderat "die Verhängung einer zeitlich befristeten Bausperre gemäß §58 OÖ. BauO beantragt."
Der Gemeinderat der Stadt Linz hat am 16. November 1978 die nachstehende Verordnung betreffend die Bausperre Nr. 271 beschlossen:
"Verordnung:
Gemäß §58 Abs1 der OÖ. BauO, LGBl. Nr. 35/1976, wird für das nachfolgend abgegrenzte Stadtgebiet eine zeitlich befristete Bausperre verhängt.
In diesem Gebiet sind die im angeschlossenen Bebauungsplan-Entwurf Nr. W 112/I dargestellten Bebauungsplanänderung beabsichtigt.
Der Bebauungsplan-Entwurf liegt vom Tage dieser Kundmachung an im Baurechtsamt des Magistrates Linz, ..., während der Amtsstunden zur öffentlichen Einsicht auf.
Der Wirkungsbereich der Bausperre wird wie folgt begrenzt: ... (Es folgt die Umschreibung des Gebietes, zu dem auch das Gebiet gehört, für das der Bebauungsplan Nr. 419 Geltung hatte) ...
Die Verhängung bzw. die Verlängerung der Gültigkeitsdauer dieser Bausperre hat die Wirkung, daß für das angeführte Stadtgebiet keine Bauplatzbewilligungen, Bewilligungen für die Änderung von Bauplätzen und bebauten Liegenschaften und Baubewilligungen - ausgenommen den Abbruch von Gebäuden (§41 Abs1 lite der OÖ. BauO) - erteilt werden oder nur insoweit erteilt werden, als sie nicht die Durchführung des künftigen Bebauungsplanes erschweren oder verhindern."
In dem Bebauungsplan-Entwurf Nr. W 112/I, auf den in der angeführten Verordnung verwiesen wurde, war insbesondere die Schaffung von 6 größeren Bauplätzen zur Errichtung von 6 Wohnblöcken vorgesehen.
Die Verordnung betreffend die Bausperre Nr. 271 ist im Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz Nr. 23/1978 vom 11. Dezember 1978 kundgemacht worden.
3. a) Am 11. Jänner 1979 wurde über das Bauansuchen der "W" neuerlich eine mündliche Bauverhandlung durchgeführt. Nach der über die Verhandlung aufgenommenen Verhandlungsschrift wurde zunächst "in bebauungsgrundlagenmäßiger Hinsicht ... festgestellt, daß für dieses Gebiet die Bausperre Nr. 271 mit dem Bebauungsplan-Entwurf W 112/I rechtswirksam ist."
In der Verhandlungsschrift sind sodann die vom Bf. Hofrat Dipl.-Ing. B und Frau F S vorgebrachten Einwendungen gegen das Bauvorhaben festgehalten. Insbesondere wurde vorgebracht, daß die Verordnung Nr. 271 rechtswidrig sei. Es seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Abänderung des Bebauungsplanes 419 nicht gegeben.
Die Einwendungen wurden mit der Verletzung verschiedener gesetzlich geschützter Nachbarrechte begründet. Diesem Vorbringen schlossen sich andere Anrainer unter diversen Ergänzungen an.
b) Mit dem Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 20. Feber 1979 wurde die Baubewilligung für das Bauvorhaben der "W" auf dem im Antrag angeführten Grundstück erteilt. Im Spruch des Bescheides ist unter der Bezeichnung "Bebauungsgrundlagen" angeführt:
"Bausperre Nr. 271 (W 112/I)".
Ferner ist die Bewilligung an folgende Bedingung geknüpft:
"Gemäß §58 Abs3 der OÖ. BauO, LGBl. Nr. 35/1976, wird die Baubewilligung gegen jederzeitigen Widerruf erteilt, der jedoch nur dann geltend gemacht wird, wenn die Durchführung des künftigen Flächenwidmungs- bzw. Bebauungsplanes die Entfernung der Baulichkeiten notwendig macht.
Im Falle des Widerrufes sind die 6 zweigeschossigen Wohnhäuser mit Garagen und der Trafostation vom jeweiligen Eigentümer ohne Anspruch auf Entschädigung zu beseitigen."
Unter den angeführten Auflagen (Z1 bis Z38) lautet die Z2:
"Die geplanten Neubauten sind innerhalb der einzelnen Bauplätze entsprechend dem Lageplan Nr. 77108 so zu situieren, daß kein Bauteil die im Bebauungsplan-Entwurf Nr. W 112/I ausgewiesenen straßenseitigen, rückwärtigen und seitlichen Baufluchtlinien überschneidet und daß auch jeweils ein Bauwich von mindestens 3 m (ausgenommen sind Garagen) gegenüber den Nachbargrundstücken erhalten bleibt."
In Punkt III. des Spruches werden die Einwendungen der Nachbarn "teils als unzulässig zurückgewiesen, teils als unbegründet abgewiesen".
Die Erteilung der Bewilligung ist im Bescheid wie folgt begründet:
"Für das Gebiet, in dem die gegenständlichen Baumaßnahmen durchgeführt werden, besteht derzeit kein rechtswirksamer Bebauungsplan. Wegen Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungsplanes bzw. Bebauungsplanes wurde eine zeitlich begrenzte Bausperre verhängt. Diese Bausperre besagt, daß gemäß der oben angeführten Gesetzesstelle bewilligungspflichtige Bauten gemäß §41 der OÖ. BauO nur insoweit bewilligt werden, als sie nicht die Durchführung der beabsichtigten Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungs- bzw. Bebauungsplanes verhindern.
Baubewilligungen werden daher nur ausnahmsweise gegen jederzeitigen Widerruf oder mit Zustimmung des Gemeinderates der Stadt Linz erteilt.
Nachdem diese Baumaßnahme die Durchführung der beabsichtigten Erlassung oder Änderung des Flächenwidmungs- bzw. Bebauungsplanes nicht verhindert, konnte die Baubewilligung erteilt werden.
..."
Nach der wörtlichen Wiedergabe der Einwendungen der Nachbarn wird dargelegt, daß diejenigen Einwendungen, die sich spezifisch auf das Zustandekommen und auf den Inhalt der Bausperre 271 beziehen, als unzulässig zurückzuweisen gewesen seien. Es gelte derzeit "für den gg Bauplatz die Bausperre Nr. 271 mit dem Bebauungsplan-Entwurf W 112/I nach §58 der OÖ. BauO."
Durch die Übereinstimmung des Projektes mit dem der Bausperre Nr. 271 angeschlossenen Bebauungsplan-Entwurf W 112/I sei eindeutig entschieden, daß die Voraussetzungen für die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung gegeben gewesen seien.
Eingehend wird sodann dargelegt, aus welchen Gründen die sonstigen Einwendungen zurückzuweisen bzw. abzuweisen gewesen seien.
c) Den von den Bf. und anderen Nachbarn (zum Teil als übergangene Parteien) gegen den Bescheid des Magistrates vom 20. Feber 1979 erhobenen Berufungen hat der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz mit dem Bescheid vom 5. Juli 1979 teilweise Folge gegeben. In diesem Bescheid wurde (unter Anfügung eines Punktes 39) als weitere Auflage die Einhaltung bestimmter Richtlinien zur Verminderung der Beeinträchtigung durch Lärm für die Nachbarschaft angeordnet. Im übrigen wurden die Berufung abgewiesen.
4. Mit dem Bescheid der OÖ. Landesregierung vom 31. Oktober 1979 wurde den von den Bf. und sonstigen Nachbarn gegen den Bescheid des Stadtsenates vom 5. Juli 1979 erhobenen Vorstellungen gemäß §67 des Statutes für die Landeshauptstadt Linz, LGBl. Nr. 46/1965 in der geltenden Fassung, iZm. §67 der OÖ. BauO Folge gegeben, der Bescheid vom 5. Juli 1979 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadt Linz verwiesen.
Der Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß der "Abspruch", wonach die erhobenen Einwendungen "teils als unzulässig zurückgewiesen, teils als unbegründet abgewiesen" worden seien, sowohl im Hinblick auf die allgemeine Vorschrift des §59 Abs1 AVG 1950 über den Inhalt des Spruches von Bescheiden als auch im Hinblick auf die speziellen Bestimmungen des §50 der OÖ. BauO ungenügend und unzulässig sei.
Außerdem sei über die Einwendungen der Berufungswerber, von denen die Berufung als übergangene Parteien erhoben worden sei, nicht gesondert abgesprochen worden. Da die Berufungsbehörde diese Mängel nicht behoben habe, seien die Einschreiter durch den Berufungsbescheid in ihren Rechten verletzt worden. Darüber hinaus folge die Aufsichtsbehörde der Argumentation sämtlicher Vorstellungswerber darin, daß die im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten zur Frage der von den Berufungswerbern behaupteten, durch Errichtung des Bauvorhabens zu erwartenden schädlichen Umwelteinwirkungen - jedenfalls was das Gutachten des ärztlichen Sachverständigen anlange - weder ausreichend begründet noch auch schlüssig seien und solchermaßen keine taugliche Entscheidungsgrundlage bilden könnten. Da sich der bekämpfte Bescheid auf diese Gutachten als Beweismittel stütze und sich auf deren Aussagewert ungeschmälert berufe, seien die Einschreiter hiedurch in ihren Rechten verletzt worden: Die Behörde, die sich eines Gutachtens für die von ihr zu prüfende Entscheidung bedienen wollte, sei zwar grundsätzlich nicht an ein solches Gutachten gebunden, wohl aber verpflichtet, dasselbe nach jeder Richtung hin auf seien Schlüssigkeit zu prüfen. Fehler im Aufbau oder in der Aussage habe die Behörde durch Einholung einer ergänzenden oder neuen gutächtlichen Äußerung zu beseitigen. Eine sachverständige Äußerung, die sich nur in der Abgabe eines Urteils erschöpfe, ohne die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründe, hinreichend erkennen zu lassen, sei mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar.
5. Nachdem im Berufungsverfahren ergänzende Gutachten hinsichtlich der gesundheitlichen und der umwelthygienischen Auswirkungen des Bauvorhabens eingeholt und den Parteien Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme gegeben worden war, hat der Stadtsenat mit dem Bescheid vom 18. März 1980 neuerdings über die Berufungen gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Linz vom 20. Feber 1979 (I.3. litb) entschieden. Den Berufungen wurde zum Teil Folge gegeben und die Ergänzung der Auflagen durch Anfügung des Punktes 39 (wie im Bescheid vom 5. Juli 1979 - I.3. litc) verfügt. Die von den Berufungswerbern, die nicht übergangene Parteien waren, erhobenen Einwendungen gegen die Gesetzmäßigkeit der Bausperre und über die Verletzung subjektiver Rechte wegen einer Änderung der Verkehrsverhältnisse wurden als unzulässig zurück-, die Einwendungen betreffend Bebauungsdichte, Gebäudehöhen, Beeinträchtigung der Belichtung und der Beeinträchtigung durch Immissionen (Abgase, Lärm) als sachlich nicht gerechtfertigt abgewiesen. Mit dem Einwand einer Wertminderung der Nachbargrundstücke wurden die Berufungswerber auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
In gleicher Weise - unter Verwendung des gleichen Wortlautes - wurde über die Einwendungen abgesprochen, die von Berufungswerbern als übergangene Parteien vorgebracht worden waren.
Nach dem Hinweis auf die Möglichkeit einer Beeinträchtigung subjektiver Rechte der Nachbarn nach §46 Abs3 Oö. BauO und nach dem Hinweis auf die Erlassung der Bausperre Nr. 271 wird in der Begründung ausgeführt, daß "ausschließlich anhand des Bebauungsplan-Entwurfes W 112/I zu prüfen" sei, ob das gegenständliche Bauvorhaben zu bewilligen sei. Daraus ergebe sich, "daß im vorliegenden Fall den Nachbarn aus dem mit der Verhängung der Bausperre Nr. 271 unvollziehbar gewordenen Bebauungsplan Nr. 419 keine subjektiv-öffentlichen Rechte erwachsen" könnten, "sodaß die Einwendungen, mit denen ein Widerspruch der Bauplatzbewilligung und des Bauvorhabens zu den Festlegungen dieses Bebauungsplanes geltend gemacht" worden seien, wegen "Unzulässigkeit zurückzuweisen" gewesen seien. Wie die Baubehörde I. Instanz bereits zutreffend festgestellt habe, stünden sowohl die Bauplatzbewilligung als auch das Bauvorhaben mit dem im Bebauungsplan-Entwurf W 112/I zum Ausdruck kommenden maßgeblichen Planungsabsichten voll im Einklang.
Im übrigen wird dargelegt, daß der Behörde eine Überprüfung der Verordnung über die Erlassung der Bausperre Nr. 271 nicht zugekommen sei.
Eingehend wird sodann in den weiteren Ausführungen in der Begründung dargelegt, welche Einwendungen als unzulässig zurückzuweisen und welche als unbegründet abzuweisen gewesen seien.
6. Die gegen den Berufungsbescheid des Stadtsenates vom 18. März 1980 von den Bf. erhobenen Vorstellungen hat die Oö. Landesregierung mit dem Bescheid vom 10. Juni 1980 als unbegründet abgewiesen. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, daß der nunmehrige Berufungsbescheid der Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörde im Bescheid vom 31. Oktober 1979 Rechnung trage. In der Begründung wird auch auf die Bausperre Nr. 271 verwiesen, die seit ihrer Kundmachung rechtswirksam und Bestandteil der Rechtsordnung sei. Die Baubehörde habe die beantragte Baubewilligung iS des §58 Abs3 der Oö. BauO auf Widerruf erteilen können, da das Bauvorhaben (lückenlos) den künftigen, aus dem Bebauungsplan-Entwurf W 112/I ersichtlichen Planungsabsichten der Stadt Linz für dieses Gebiet entspreche. Insoweit seien die Einschreiter in ihren Rechten nicht verletzt worden. Ein Anspruch auf eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Bausperre Nr. 271 hinsichtlich ihres Zustandekommens bzw. ihres Inhaltes im Zuge des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens stehe ihnen aber nicht zu, zumal weder die Baubehörde noch auch im gegenständlichen Vorstellungsverfahren die Aufsichtsbehörde berechtigt sei, die "Bausperreverordnung" auf ihre Gesetzmäßigkeit bzw. allfällige Gesetzwidrigkeit hin zu untersuchen. Die bezüglichen Einwendungen der Nachbarn seien daher richtigerweise als im Bauverfahren unzulässig zurückgewiesen worden.
7. Gegen den Bescheid der OÖ. Landesregierung vom 10. Juni 1980 richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Die Bf. fechten den Bescheid "zur Gänze wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte" an. Sie seien durch den angefochtenen Bescheid in "ihrem subjektiven Recht auf Erlassung eines Bescheides, der sich weder auf eine gesetz- und verfassungswidrige Verordnung noch auf ein verfassungswidriges Gesetz stützt, verletzt".
In der Beschwerde wird angeregt, das Beschwerdeverfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates, mit welcher die Bausperre Nr. 271 verhängt wurde, und zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §58 der Oö. BauO zu unterbrechen. Sodann wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben, im Falle der Abweisung die Beschwerde dem VwGH abzutreten.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. a) Die Bf. sind der Meinung, daß §58 Oö. BauO verfassungswidrig sei.
Diese mit "Bausperre" überschriebene Bestimmung lautet:
"(1) Der Gemeinderat kann durch Verordnung für ein bestimmtes Gebiet die Bausperre verhängen, wenn ein Flächenwidmungsplan oder ein Bebauungsplan für dieses Gebiet erlassen oder geändert werden soll und die Verhängung der Bausperre im Interesse der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung notwendig ist.
(2) Eine gemäß Abs1 verhängte Bausperretritt entsprechend dem Anlaß, aus dem sie verhängt wurde, mit dem Rechtswirksamwerden des neuen Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes bzw. der Änderung des Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes, spätestens jedoch nach zwei Jahren außer Kraft, wenn sie nicht verlängert wird. Der Gemeinderat kann die Bausperre durch Verordnung höchstens zweimal auf je zwei weitere Jahre verlängern. Auch im Fall einer Verlängerung tritt die Bausperre mit dem Rechtswirksamwerden des neuen Planes bzw. der Änderung des Planes außer Kraft.
(3) Die Bausperre hat die Wirkung, daß Bauplatzbewilligungen (§4), Bewilligungen für die Änderung von Bauplätzen und bebauten Liegenschaften (§7) und Baubewilligungen - ausgenommen Baubewilligungen für Bauvorhaben gemäß §41 Abs1 lite - nur ausnahmsweise mit Zustimmung des Gemeinderates oder auf Widerruf erteilt werden dürfen, wenn anzunehmen ist, daß die beantragte Bewilligung die Durchführung des künftigen Flächenwidmungsplanes bzw. Bebauungsplanes nicht erschwert oder verhindert. An die Stelle der erforderlichen Zustimmung des Gemeinderates tritt bei Vollzugsakten, die bundeseigene Gebäude iS des Art15 Abs5 des Bundes-Verfassungsgesetzes idF von 1929 betreffen, die Anhörung des Gemeinderates.
(4) Wurde eine Bewilligung gemäß Abs3 auf Widerruf erteilt, so kann der Widerruf nur erfolgen, wenn die Durchführung des neuen oder geänderten Flächenwidmungsplanes bzw. Bebauungsplanes den Widerruferfordert. Erfordert die Durchführung des neuen oder geänderten Flächenwidmungsplanes bzw. Bebauungsplanes den Widerruf der Bewilligung nicht, so ist diese von der Baubehörde in eine definitive (nicht widerrufbare) Bewilligung umzuwandeln.
(5) Verpflichtungen, die sich bei Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs3 ergeben hätten, wenn der neue oder geänderte Flächenwidmungsplan bzw. Bebauungsplan schon zur Zeit ihrer Erteilung rechtswirksam gewesen wäre, können nach dem Rechtswirksamwerden des Planes von der Baubehörde nachträglich vorgeschrieben werden, sofern die Bewilligung noch wirksam ist."
b) Zur Begründung ihrer Behauptung wird von den Bf. unter Hinweis auf die vom VfGH entwickelten Grundsätze bei der Beurteilung von Raumordnungs-, Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen (vgl. VfSlg. 8280/1978) ausgeführt, daß die angeführte Gesetzesstelle die Verhängung der Bausperre im Wege einer Verordnung vorsehe, nicht aber das Verfahren, welches der Verordnungserlassung vorauszugehen habe.
Der Gesetzgeber habe es einfach dem Verordnungsgeber überlassen, "wann, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Wirkungen und Inhalten er die Bausperre" verhänge. Damit stelle aber §58 der Oö. BauO "eine verpönte formalgesetzliche Delegation des Verordnungsgebers durch den Landesgesetzgeber dar".
c) Zutreffend bemerkt zu diesem Vorbringen die bel. Beh. in ihrer Gegenschrift, daß die Regelung des §58 Oö. BauO über die Bausperre mit den diesbezüglichen Regelungen in den Bau- und Planungsgesetzen anderer Bundesländer, insbesondere auch mit der Regelung des §8 der Wr. Bauordnung, übereinstimmt. Daß gegen diese Regelung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, hat der VfGH im Erk. VfSlg. 4022/1961 ausdrücklich ausgesprochen. Auch im Erk. VfSlg. 7287/1974 ist er bei der Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung, die die Erlassung einer Bausperre nach der Wr. Bauordnung zum Gegenstand hatte, von der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der gesetzlichen Grundlagen der V ausgegangen.
Der VfGH sieht aufgrund des Vorbringens der Bf. keine Veranlassung, von der Auffassung über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung zur Erlassung von Bausperren nach dem Inhalt des §58 Oö. BauO abzugehen. Die Erlassung einer V zur Verhängung einer Bausperre ist an die Voraussetzungen geknüpft, daß ein Flächenwidmungs- oder Bebauungsplan abgeändert werden soll und daß die Verhängung der Bausperre im Interesse der Sicherung einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung notwendig ist.
Mit diesen Gesetzesbegriffen sind vom Gesetzgeber inhaltlich hinreichend bestimmte Determinanten für die Verhängung einer Bausperre festgelegt worden, deren Vorliegen einer Überprüfung durch den VfGH durchaus zugänglich ist. Die unter den angeführten Voraussetzungen gegebene Ermächtigung umfaßt auch die Befugnis zur Erlassung einer Bausperre für die Zeit, die zur Durchführung einer Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Änderung eines Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes iS des §23 Oö. ROG vorliegen, erforderlich ist.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit des §58 Oö. BauO bestehen unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken.
2. a) Die Bf. sind der Meinung, daß die Bausperre Nr. 271 (I.2. litb) gesetzwidrig sei. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Bausperre seien nicht gegeben gewesen.
b) Die Änderung des Bebauungsplanes Nr. 419 (I.2. litb) ist damit begründet, daß dieser "aufgrund des ROG 1972 und der seit 1. 1. 1977 in Kraft getretenen Oö. BauO" sowie einer teilweise geänderten Auffassung der Stadplanung überholungsbedürftig sei.
Die Bausperre wurde erlassen, um die Durchführung dieser Änderung zu sichern. Im übrigen entspricht die Verhängung der Bausperre den Erfordernissen nach dem Erk. VfSlg. 7287/1974.
Unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles bestehen gegen die Gesetzmäßigkeit der in der Verordnung Nr. 271 ausgesprochenen Verhängung der Bausperre keine Bedenken.
3. Wie aus der Begründung des Bescheides der erstinstanzlichen Behörde (I.3. litb) hervorgeht, ist diese bei der Erteilung der Baubewilligung und bei der Behandlung der von den Nachbarn vorgebrachten Einwendungen davon ausgegangen, daß "für das Gebiet, in dem die gegenständlichen Baumaßnahmen durchgeführt werden, ... derzeit kein rechtswirksamer Bebauungsplan" bestehe.
Nach der Begründung des Berufungsbescheides des Stadtsenates vom 18. März 1980 (I.5.) haben "im vorliegenden Fall den Nachbarn aus dem mit der Verhängung der Bausperre Nr. 271 unvollziehbar gewordenen Bebauungsplan Nr. 419 keine subjektiv-öffentlichen Rechte erwachsen können".
Sowohl die erstinstanzliche als auch die zweitinstanzliche Baubehörde sind von der Unwirksamkeit des Bebauungsplanes Nr. 419 ausgegangen, der aber zufolge der Übergangsbestimmung des §26 Abs2 Oö. ROG ein Bebauungsplan iS des Oö. ROG ist und dessen Festlegungen somit als Inhalt eines Bebauungsplanes nach §20 Oö. ROG zu gelten haben (vgl. zu Übergangsregelungen wie in §26 Abs2 Oö. ROG VfSlg. 8350/1978, 8351/1978).
Nun läßt sich aber aus keiner Bestimmung der Oö. BauO vertretbarerweise eine Begründung dafür ableiten, daß durch die Erlassung einer Bausperre die geltenden Bestimmungen eines Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes unanwendbar würden. Insbesondere besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß vom Gesetzgeber durch die Regelung über die Verhängung der Bausperre die Möglichkeit geschaffen worden wäre, eine Baubewilligung nach §49 Oö. BauO für ein Bauvorhaben, für das normative Festlegungen hinsichtliche der Bauplätze, der Bauweise, der Gebäudehöhe und der Baufluchtlinien nicht vorliegen, bereits dann zu erteilen, wenn es mit den beabsichtigten Planungsmaßnahmen übereinstimme.
Da die Annahme der Baubehörden über die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes Nr. 419 und die daraus abgeleiteten Folgen mit dem Gesetz in krassem Widerspruch stehen, kann ihr Vorgehen nicht mehr als Verletzung einfachgesetzlicher Vorschriften beurteilt werden; es ist vielmehr als willkürliches Verhalten zu qualifizieren.
Von der bel. Beh. ist die im Vorgehen der Baubehörde gelegene Fehlerhaftigkeit nicht wahrgenommen worden. Damit liegt auch der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein als Willkür zu bezeichnendes Verhalten der bel. Beh. zugrunde, durch das die Bf. iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden sind (vgl. VfSlg. 8808/1980, 9187/1981).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
Schlagworte
Baurecht, Bausperre, Baubewilligung, Raumordnung, Bebauungsplan, Geltungsbereich einer Verordnung, Anwendbarkeit Verordnung, Gemeinderecht, VorstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1983:B311.1980Dokumentnummer
JFT_10168784_80B00311_00