TE Vfgh Erkenntnis 1983/12/16 B7/80

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Veröffentlicht am 16.12.1983
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
MRK Art10
BVG-Rundfunk ArtI
FernmeldeG §3
RundfunkG

Leitsatz

MRK; Rundfunkfreiheit Bestandteil des Anspruches auf freie Meinungsäußerung nach Art10 BVG-Rundfunk; Betrieb von Rundfunk nur aufgrund bundesgesetzlicher Ermächtigung - Konzessionssystem für Hörfunk und Fernsehen; Kabelrundfunk ist "Rundfunk" iS des ArtI FernmeldeG 1949; Versagung einer Bewilligung zum Betrieb von Kabelfernsehen für eine Wohnhausanlage ausschließlich unter rundfunkrechtlichen Aspekten; kein Entzug des gesetzlichen Richters, keine Verletzung des durch Art10 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes der Freiheit zur Errichtung und zum Betrieb von Rundfunk- und Fernsehanlagen

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. a) Der bf. "Informationsverein L" (künftig: Beschwerdeführer - Bf.) beabsichtigt die Errichtung und den Betrieb einer Fernsehrundfunksendeanlage zum Zweck der Einspeisung und Verarbeitung eines eigenen Programms in ein vorhandenes Kabelnetz. Die Anlage soll der Versorgung einer - aus 458 Wohnungen und 30 Geschäftslokalen bestehenden - Wohnhausanlage mit Kabelfernsehen dienen.

Der Bf. hat mit dem an die Post- und Telegraphendirektion für OÖ gerichteten Schriftsatz vom 9. Juni 1978 beantragt, ihm die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb dieser Anlage gemäß §3 Abs1 Fernmeldegesetz zu erteilen.

b) Mit dem im Devolutionsweg ergangenen Bescheid des Bundesministers für Verkehr vom 23. November 1979, Z 205-33/1979, wurde dieser Antrag abgewiesen. Dabei stützte der Bundesminister die Abweisung auf §3 Abs1 des Fernmeldegesetzes, BGBl. Nr. 170/1949, (FernmeldeG) iVm. ArtI Abs2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. Nr. 396/1974 (BVG-Rundfunk).

Gemäß ArtI Abs2 BVG-Rundfunk sei sichergestellt, daß Rundfunk nur nach Erlassung eines eigenen Bundesgesetzes betrieben werden dürfe. Ein derartiges Bundesgesetz sei bisher nur für den vom Österreichischen Rundfunk (ORF) besorgten Rundfunk ergangen (BGBl. Nr. 397/1974). Daraus ergebe sich, daß nach der österreichischen Rechtslage derzeit niemand anderer als der ORF "Rundfunk" betreiben dürfe. Der Antragsteller beabsichtige, sogenanntes aktives Kabelfernsehen zu betreiben, das nach der Begriffsbestimmung des ArtI des BVG-Rundfunk als Rundfunk zu qualifizieren sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Rundfunkfreiheit (Recht der freien Meinungsäußerung gemäß Art10 Abs1 MRK) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die Beschwerde wird wie folgt begründet:

"1. Gemäß Art10 Abs1 MRK, der in Verfassungsrang steht, hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung, wobei dieses Recht nach ausdrücklichem Wortlaut der Konvention auch die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen im Wege des Betriebs einer Fernsehanlage umfaßt. Allerdings können gemäß Art10 Abs1 letzter Satz MRK die Staaten Fernsehanlagen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen. Dies ist in Österreich der Fall. Gemäß §6 Abs2 Fernmeldegesetz sind 'Funk- und Fernsehanlagen immer bewilligungspflichtig'. Gemäß §3 Abs1 Fernmeldegesetz kann 'die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb einzelner Fernmeldeanlagen von den Fernmeldebehörden physischen oder juristischen Personen erteilt werden'. Diese vom Gesetzgeber ursprünglich als Ermessensentscheidung konzipierte Bestimmung wurde mit Inkrafttreten des Art10 Abs1 MRK zur Rechtsentscheidung dahin gehend umgestaltet, daß eine Bewilligung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erteilt werden muß. Da das Fernmeldegesetz die gesetzlichen Voraussetzungen nicht näher festlegt, hat die Fernmeldebehörde iS des Art10 Abs2 MRK eine Fernsehanlage immer zu genehmigen, soweit nicht eine Untersagung 'in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes und der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtssprechung zu gewährleisten'. Da diese Untersagungsgründe in unserem Fall nicht vorliegen, hätte uns die bel. Beh. eine Bewilligung erteilen müssen.

2. Die dem von der bel. Beh. im angefochtenen Bescheid entgegengesetzte Rechtsauffassung, das Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. Nr. 396/1974, habe Rundfunk generell verboten und einem vom Gesetzgeber im Wege der Verfassungsausführung vorzunehmenden 'Genehmigungsverfahren' vorbehalten, weshalb eine Bewilligung durch die Fernmeldebehörde auf der Grundlage des §3 Abs1 Fernmeldegesetz nicht erteilt werden konnte, erscheint uns nicht haltbar. Für den vorliegenden Fall sind nämlich zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

a. Gemäß ArtI Abs1 BVG-Rundfunk ist Rundfunk 'die für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Berücksichtigung elektrischer Schwingungen ...'. Aufgrund dieser Definition umfaßt Rundfunk iS des BVG-Rundfunk keineswegs alle, dem Fernmeldegesetz unterstehende Funk- und Fernsehanlagen. Sofern nämlich Funk- und Fernsehanlagen Darbietungen bringen, die nicht 'für die Allgemeinheit bestimmt' sind, kann von Rundfunk keine Rede sein. Eine Darbietung ist unter zweierlei Gesichtspunkten nicht an die Allgemeinheit gerichtet:

Erstens, wenn die Teilnehmer des Programms von vornherein bestimmt sind. In diesem Sinn kann ein Telefon, auch wenn es mit einer 'Konferenzschaltung' gekoppelt ist, also mehrere Teilnehmer mithören können, nicht als Rundfunk angesprochen werden. Gleiches gilt für eine Haussprechanlage oder für eine Hausfernsehanlage, wie sie etwa für Überwachungen häufig Verwendung finden. Zweitens ist ein Programm nicht für die Allgemeinheit bestimmt, wenn zwar der Kreis der Zuhörer nicht individualisierbar ist, jedoch mangels besonderer Reichweite der Funk- oder Fernsehanlage der Kreis der möglichen Empfänger immer relativ klein bleibt. In diesem Sinn bleiben etwa die leistungsschwachen Handfunkgeräte (CBS-Funk) vom Rundfunkgesetz mangels Reichweite unberührt. Auch der Einsatz von Lautsprecheranlagen bei Großveranstaltungen im Freien wurde noch nie als Rundfunk iS des BVG-Rundfunk qualifiziert und gilt allgemein als zulässig. 'Allgemeinheit' iS des BVG-Rundfunk liegt daher nur vor, wenn tatsächlich alle oder ein Großteil der Staatsbürger mit überregionalen Reichweiten von den Sendungen erfaßt werden. Im vorliegenden Fall ist der Teilnehmerkreis unserer Fernsehanlage mit den Wohnungsinhabern von vornherein individuell bestimmt; da es sich bei der geplanten Anlage um eine 'Kabel'anlage handeln soll, kann von einer überregionalen Reichweite der Sendungen nicht die Rede sein. Unsere geplante Fernsehanlage fällt daher nicht unter das BVG-Rundfunk.

b. Wollte man - entgegen der von uns vertretenen Auffassung - die von uns geplante Anlage in den Rundfunkbegriff des BVG-Rundfunk einbeziehen, hätte das Fernmeldegesetz unseres Erachtens dennoch - wie dies die bel. Beh. vermeint - Anwendung zu finden. Denn ArtI Abs2 BVG-Rundfunk spricht von näheren bundesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen zur Grundsatzbestimmung des ArtI Abs1. Das Fernmeldegesetz wäre dabei durchaus geeignet, als Rundfunk-Ausführungsgesetz zu gelten. Hat doch der VfGH schon früher festgestellt (Slg. 2721), daß 'Rundfunk' zur Gänze im begrifflich weiter gesteckten Terminus des 'Fernmeldewesens' enthalten ist. Auch unter diesem Gesichtspunkt hätte die bel. Beh. das Fernmeldegesetz anwenden und unserem Bewilligungsantrag in Übereinstimmung mit der durch Art10 Abs1 MRK geschaffenen Verfassungslage stattgeben müssen.

3. Diese Gesichtspunkte zeigen, daß die bel. Beh. gesetz- und somit verfassungswidrig gehandelt hat. Hinzuzufügen ist noch, daß die von uns vertretene Rechtsauffassung im besonderen durch eine völker- und grundsatzkonforme Interpretation der sonstigen Rechtsvorschriften geboten erscheint."

3. Der Bundesminister für Verkehr hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der Bf. erachtet sich in dem durch Art10 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Rundfunkfreiheit verletzt.

Der im Verfassungsrang stehende (ArtII BVG vom 4. März 1964, BGBl. Nr. 59/1964) Art10 MRK gewährleistet als Bestandteil des Anspruchs auf freie Meinungsäußerung ua. ein Recht auf Freiheit zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen. Im Schutzbereich dieser verfassungsgesetzlichen Gewährleistung liegt auch die Freiheit zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen mit Hilfe von Fernseh-Rundfunkanlagen (sogenannte Rundfunkfreiheit).

Die genannten grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen werden jedoch in zweifacher Weise eingeschränkt: Zum einen ermächtigt Art10 Abs1 letzter Satz MRK den Staat, Rundfunk- und Fernsehunternehmungen einem Genehmigungsverfahren zu unterwerfen, zum anderen kann gemäß Art10 Abs2 MRK die Ausübung der Rundfunkfreiheit bestimmten gesetzlichen Beschränkungen unterworfen werden.

Es steht somit die Freiheit zur Errichtung und zum Betrieb von Rundfunk- und Fernsehanlagen gemäß Art10 MRK unter Gesetzesvorbehalt. Dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht kann daher durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser Bescheid ohne jede gesetzliche Grundlage ergeht, wenn er auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise anwendet. Einer Denkunmöglichkeit ist gleichzuhalten, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen der Bundesverfassung (hier etwa der Verfassungsbestimmung des ArtI BVG-Rundfunk) widersprechenden Inhalt unterstellt (vgl. zB VfSlg. 9004/1981; VfGH 17. Juni 1983 B329/78).

2. a) Das BVG-Rundfunk lautet:

"Artikel I

(1) Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, Ton und Bild unter Benützung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung bzw. längs oder mittels eines Leiters sowie der Betrieb von technischen Einrichtungen, die diesem Zweck dienen.

(2) Die näheren Bestimmungen für den Rundfunk und seine Organisation sind bundesgesetzlich festzulegen. Ein solches Bundesgesetz hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten, die die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe, die mit der Besorgung der im Abs1 genannten Aufgaben betraut sind, gewährleisten.

(3) Rundfunk gemäß Abs1 ist eine öffentliche Aufgabe.

Artikel II

Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesregierung betraut."

b) Schon der Wortlaut dieser bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmung legt die Annahme nahe, daß Rundfunk nur aufgrund einer bundesgesetzlichen Ermächtigung betrieben werden darf; daß also - anders ausgedrückt - ein solches Gesetz nicht Schranke, sondern Bedingung des Rundfunks ist (vgl. Öhlinger, Rechtsprobleme des Kabelfernsehens und des Satellitenrundfunks, Rundfunkrecht 1983, Beilage zur ÖBl., 38) und daß damit ein Konzessionssystem eingeführt wird.

Läßt der Wortlaut des ArtI Abs2 BVG-Rundfunk allenfalls auch eine andere Auslegung zu (nämlich, diese Verfassungsbestimmung enthalte einen bloßen Eingriffsvorbehalt verbunden mit einer Kompetenzzuweisung), so spricht der Zweck des Gesetzes doch eindeutig für die Auslegung der bel. Beh. Diese Bestimmung will nämlich in erster Linie verfassungsrechtlich garantieren, daß Rundfunk - von wem immer er betrieben wird - nach den in der zitierten Vorschrift näher ausgeführten Prinzipien der Objektivität und Meinungsvielfalt betrieben wird. Dieser verfassungsgesetzlich angestrebte Zweck würde gerade dann nicht erreicht, wenn - solange kein Ausführungsgesetz besteht - Rundfunk von jedermann ohne jede rundfunkrechtliche Beschränkung betrieben werden dürfte.

Ein Ausführungsgesetz, wie es ArtI Abs2 BVG-Rundfunk vorsieht, ist bisher nur für den ORF erlassen worden. Das BG vom 10. Juli 1974, BGBl. Nr. 39/1974, über die Aufgaben und die Einrichtung des Österreichischen Rundfunks (RundfunkG 1974), enthält Bestimmungen über die Aufgaben und Einrichtung des ORF, über dessen Organe, über die Stellung der programmgestaltenden Mitarbeiter des ORF, über das Programmentgelt sowie Regelungen über das Entgegnungsrecht und die Formen der Kontrolle. Das Gesetz enthält keine Regelungen über die Erteilung oder Nichterteilung von Genehmigungen an andere Rundfunkunternehmungen.

Daraus folgt, daß Rundfunk iS des ArtI Abs1 BVG-Rundfunk derzeit nur vom ORF (sonst von niemandem) betrieben werden darf.

Der VfGH findet sich bei dieser Meinung im Einklang mit der herrschenden Lehre (vgl. zB Korinek, Die rechtliche Problematik des Rundfunkmonopols, Stb. 1977, H 11, 1 ff.; Knitel, Zum Rundfunkmonopol in Österreich, Stb. 1977, H 19, 20, 21, jeweils 2 f.; Funk, Öffentlich-rechtliche Fragen des Kabelfernsehens in Österreich - Überlegungen zur geltenden und künftig zu gestaltenden Rechtslage, in: Popper - Wolny, Beiträge zum Medienrecht, 1978, 27; Korinek, Der Österreichische Rundfunk in organisationsrechtlicher und staatlicher Sicht, in: Die Organisation von Rundfunk und Fernsehen in rechtsvergleichender Sicht, Schriftenreihe des Instituts für Rundfunkrecht an der Universität Köln, Bd. 22, 1977, insbesondere 20;

Korinek, Die Gewährleistung von Kommunikationsfreiheit im Österreichischen Rundfunk, Rundfunkrecht 1980, Beilage zur ÖBl., 1 ff.; Wittmann, Rundfunkfreiheit, 1981, insbesondere 20 f.;

Öhlinger, Rundfunkrecht 1983, 37 ff.) und auch mit dem Obersten Gerichtshof (OGH 20. Feber 1980, 6 Ob 21/79).

ArtI des BVG-Rundfunk sieht ein - von Art10 MRK erlaubtes - Konzessionssystem für Hörfunk und Fernsehen vor. In dieser Hinsicht kann daher die erste Norm nicht in Widerspruch zur zweiten stehen.

c) Zu klären ist daher, was - im gegebenen Zusammenhang - unter "Rundfunk" iS des ArtI Abs1 BVG-Rundfunk zu verstehen ist.

Es ist in der Lehre unbestritten, daß jedenfalls echter (aktiver) Kabelrundfunk - wie er hier betrieben werden soll - als "Rundfunk" iS des BVG-Rundfunk zu qualifizieren ist (vgl. etwa Twaroch, Rundfunkrecht in Österreich, 2. Auflage, 1977, 22; Korinek, Rundfunkrecht 1980, 2 f.; Wittmann, Rundfunkfreiheit, 2 ff.), daß derartiger Kabelrundfunk (darunter aktives Kabelfernsehen) daher dem rundfunkrechtlichem Regime des BVG-Rundfunk und seiner Ausführungsgesetze unterliegt.

Nun bringt der Bf. jedoch vor, daß es sich im konkreten Fall deshalb nicht um Rundfunk handle, weil die Teilnehmer am Programm von vornherein bestimmt seien und weil der Kreis der Zuhörer zwar nicht individualisierbar sei, jedoch immer relativ klein bleibe.

Diese Ansicht ist verfehlt. Denn im vorliegenden Fall soll die Fernsehrundfunkanlage, für die die Genehmigung versagt wurde, dazu dienen, Darbietungen verschiedener Art an einen Adressatenkreis zu verbreiten, der nicht individuell bestimmt und fest abgegrenzt ist, sondern - nach dem Aufenthalt in den einzelnen in der Anlage befindlichen mehreren hundert Wohnungen und Geschäftslokalen - generell bestimmt und durchaus variabel ist. Unter derartigen Umständen ist davon auszugehen, daß die Anlage einer für die Allgemeinheit bestimmten Verbreitung von Darbietungen dient, anders etwa als (im Regelfall) der Betrieb einer technisch ähnlichen Anlage in einem Hotel, in einem Krankenhaus oder in einem Altenwohnheim.

3. a) Die bel. Beh. ist davon ausgegangen, daß mit der in Rede stehenden Anlage "Rundfunk" iS des BVG-Rundfunk betrieben werden solle, Rundfunk derzeit nur vom ORF (sonst von niemandem) betrieben werden dürfe und es sich bei der Anlage um eine Fernmelde-(Funk-)Anlage iS des FernmeldeG handle. Sie hat angenommen, daß sie unter diesen Voraussetzungen die beantragte Genehmigung - wenngleich ausschließlich aus rundfunkrechtlichen Gesichtspunkten - zu versagen habe.

b) Die beiden ersten Prämissen wurden bereits in der vorstehenden Z2 als zutreffend erkannt.

Die dritte Ausgangsposition der bel. Beh., es handle sich bei der Anlage des bf. Vereines um eine Fernmeldeanlage iS des §3 des FernmeldeG, des näheren um eine Funkanlage, und zwar um eine Fernsehsendeeinrichtung iS des §4 FernmeldeG, wird auch von der Bf. nicht bestritten. Auch sonst hat das Verfahren nichts ergeben, was gegen diese Annahme spräche.

c) Zu untersuchen ist letztlich, ob der bel. Beh. die Rechtsmacht zukam, ausschließlich unter rundfunkrechtlichen Gesichtspunkten die beantragte fernmeldebehördliche Bewilligung zu versagen.

aa) Die §§2 bis 5 FernmeldeG lauten auszugsweise:

"Abschnitt II: Fernmeldehoheit

Begriff der Fernmeldehoheit.

§2. (1) Das Recht, Fernmeldeanlagen zu errichten und zu betreiben, steht ausschließlich dem Bunde zu.

(2) ...

Bewilligungen.

§3. (1) Die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb einzelner Fernmeldeanlagen kann von den Fernmeldebehörden physischen oder juristischen Personen erteilt werden. Die Bedingungen für die Erteilung der Befugnis werden durch Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr festgelegt.

(2) ...

Funkanlagen.

§4. (1) Funkanlagen iS dieses Gesetzes sind alle elektrischen Einrichtungen zur Übertragung, Aussendung oder zum Empfang von Zeichen, Schriften, Bildern oder Schallwellen auf drahtlosem Wege oder unter Verwendung von Leitungsanlagen bei Anwendung von Frequenzen über 10 kHz (Hertzsche Wellen).

(2) Die Herstellung und der Vertrieb von Funk- und Fernsehsendeeinrichtungen, die gewerbsmäßige Herstellung von Funk- und Fernsehempfangseinrichtungen, soweit sie nicht nur den Empfang des Rundfunks oder Fernsehrundfunks ermöglichen, und die Einfuhr sowie der Besitz oder die Verwahrung von Funk- und Fernsehsende- und -empfangseinrichtungen ist, unbeschadet der nach anderen Gesetzen zu erfüllenden Voraussetzungen, nur mit Bewilligung und unter Aufsicht des Bundes (§2 Abs. (2)) zulässig.

(3) Die näheren Bestimmungen werden durch Verordnung getroffen.

Bewilligungsfreie Fernmeldeanlagen.

§5. (1) Ohne Bewilligung können, soweit sie mit keinen anderen Fernmeldeanlagen verbunden sind, errichtet und betrieben werden:

1. ...

5. Fernmeldeanlagen innerhalb der Grenzen zusammenhängender Liegenschaften desselben Eigentümers, wenn kein Teil der Anlage öffentliches Gut, fremde Liegenschaften, ein öffentliches Gewässer, ein fremdes Privatgewässer oder einen öffentlichen Weg benützt oder kreuzt;

6. ...

Ausnahme von der Bewilligungsfreiheit.

§6. (1) ...

(2) Die Bestimmungen der §5 gelten nicht für Funk- und Fernsehanlagen. Funk- und Fernsehanlagen sind immer bewilligungspflichtig."

Die näheren Regelungen iS der §§3 und 4 FernmeldeG wurden in der Privatfernmeldeanlagenverordnung, BGBl. Nr. 239/1961 (die mit Wirkung ab 1. Juni 1972 durch ArtI Z4 des BG BGBl. Nr. 267/1972 auf Gesetzesstufe gehoben wurde) idF des BG, BGBl. Nr. 344/1977, getroffen. Darin werden die Fernmeldebehörden ermächtigt, die erforderliche Bewilligung aus betrieblichen oder technischen Gründen zu erteilen oder zu versagen (vgl. dazu insbesondere §3, §§6 bis 8/für Privatfernmeldeanlagen/und §§14 bis 17/für Funkeinrichtungen/sowie die §§18 und 19 dieser Rechtsvorschrift).

bb) Die Fernmeldebehörde war nach dieser Gesetzeslage - ohne daß dies weiterer Erörterungen bedarf - zuständig, über den Antrag auf Bewilligung zum Errichten und zum Betreiben der Fernmelde-(Funk-)Anlage zu entscheiden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Entscheidung nach §3 FernmeldeG (wie im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführt wird) oder nach §4 leg. cit. (wie in der Bescheidbegründung gemeint wird) zu fällen war.

cc) Die bel. Beh. war - wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt (Schreiben des BMV an das BKA-VD vom 11. Juli 1979) - der Ansicht, daß "aus technischer Sicht gegen die Errichtung bzw. den Betrieb der gegenständlichen Fernmeldeanlage keine Einwände" bestehen und daß "Ablehnungsgründe" gemäß §8 der PrivatfernmeldeanlagenV nicht vorliegen.

Die Behörde war aber dennoch dazu berufen, die beantragte Bewilligung zu versagen:

Das BVG-Rundfunk verbietet - wie oben unter II.2.b nachgewiesen wurde - jedermann das Betreiben von Rundfunk, solange nicht ein Bundesgesetz ergangen ist, das inhaltlich bestimmten Anforderungen (ArtI Abs2 dieses BVG) zu genügen hat.

Es besteht kein Zweifel daran, daß der Verfassungsgesetzgeber das im BVG-Rundfunk enthaltene Verbot, Rundfunk zu betreiben, solange nicht ein entsprechendes Bundesgesetz (wie etwa für den ORF das - gleichzeitig beschlossene - RundfunkG 1974) in Kraft steht, keineswegs also bloße Deklaration oder Programm erlassen hat. Allerdings hat der Verfassungsgesetzgeber keine gesonderten Vorkehrungen getroffen, um dieses Verbot zu effektuieren. Das BVG-Rundfunk muß daher so ausgelegt werden, daß alle Behörden, die auf das Betreiben von Rundfunk Einfluß nehmen können, daß BVG-Rundfunk anzuwenden haben.

Daraus folgt, daß derzeit das FernmeldeG und die PrivatfernmeldeanlagenV mit folgender Ergänzung zu verstehen sind:

"Die fernmeldebehördliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb solcher Fernmeldeanlagen, die dazu bestimmt sind, Rundfunk (iS des ArtI Abs1 BVG-Rundfunk) zu betreiben, darf nicht erteilt werden, solange nicht ein entsprechendes Bundesgesetz iS des ArtI Abs2 dieses BVG ergangen ist."

Der Bundesverfassungsgesetzgeber des Jahres 1974 fand nämlich, als er das BVG-Rundfunk erließ, das FernmeldeG 1949 und die PrivatfernmeldeanlagenV 1961 vor. Da Anlagen zum Betreiben von Rundfunk (iS des ArtI dieses BVG) notwendig auch Fernmelde-(Funksende-)Anlagen nach den zitierten fernmelderechtlichen Vorschriften sind, hat - wie sich aus dem Gesagten ergibt - der Verfassungsgesetzgeber das dem ArtI Abs2 BVG-Rundfunk innewohnende (oben näher dargestellte) Verbot unter die Sanktionen der fernmelderechtlichen Vorschriften stellen wollen. An dieser Beurteilung ändert nichts, daß es der Gesetzgeber später (nämlich im Jahre 1977) unterlassen hat, anläßlich der Novellierung der (damals schon auf Gesetzesstufe stehenden) PrivatfernmeldeanlagenV diesen Inhalt ausdrücklich in den Gesetzestext aufzunehmen.

dd) Der bel. Fernmeldebeh. kam somit die Rechtsmacht zu, die beantragte Bewilligung zu versagen, obgleich hiefür ausschließlich rundfunkrechtliche Aspekte maßgebend waren.

d) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Behörde - von richtigen Prämissen ausgehend (s. oben II.3.a und b) - zum Schluß kommen mußte, sie habe die begehrte Bewilligung nicht zu erteilen.

Der Bf. ist also nicht in dem durch Art10 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Rundfunkfreiheit verletzt worden.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in einem anderen verfassungsgesetzlich geschützten Recht - etwa in jenem auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (s. hiezu II.3.c) - verletzt wurde.

Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß der Bf. in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Meinungsäußerungsfreiheit, Rundfunk, Auslegung, Fernmelderecht, Rundfunkfreiheit, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1983:B7.1980

Dokumentnummer

JFT_10168784_80B00007_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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