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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art1Beachte
vgl. Kundmachung Vbg. LGBl. 12/1984 am 7. März 1984Leitsatz
Vbg. Gemeindewahlgesetz; Aufhebung des 8. Abschn. wegen Unvereinbarkeit mit dem verfassungsgesetzlich gebotenen System der Verhältniswahl; insbesondere Aufhebung des §47 Abs2 wegen Verstoßes gegen Art148 und Art10 Abs1 Z1 B-VG; Unzulässigkeit einer bindenden Regelung der Anfechtungsberechtigung für Wahlen vor dem VfGH durch den Landesgesetzgeber VerfGG 1953; verfassungskonforme Interpretation des §67 Abs2 3. Satz im Hinblick auf Art141 B-VGSpruch
I. Die Gesetzesprüfungsverfahren G23, 24/81 werden eingestellt.
II. 1. Der 8. Abschn. des Gemeindewahlgesetzes - GWG (Anlage zur Neukundmachungsverordnung der Vbg. Landesregierung, LGBl. 31/1979) wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Der Landeshauptmann von Vorarlberg ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
2. Der dritte Satz des §67 Abs2 des VerfGG 1953, BGBl. 85 idF BGBl. 18/1958, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit V vom 28. Jänner 1980, LGBl. 1/1980, schrieb die Vbg. Landesregierung die Wahl in die Gemeindevertretungen für den 20. April 1980 aus. Für die Wahl in die Gemeindevertretung der Gemeinde Doren wurden Wahlvorschläge iS des §12 des Gemeindewahlgesetzes - GWG (Anlage zur Neukundmachungsverordnung der Vbg. Landesregierung, LGBl. 31/1979) nicht erstattet.
Mit einem Rundschreiben, welches "an die Bürgerinnen und Bürger von Doren" gerichtet war, gab der Bürgermeister der Gemeinde Doren - und zwar noch vor Ablauf der Frist zur Einbringung von Wahlvorschlägen - bekannt, daß beabsichtigt sei, "für die am 20. April 1980 stattfindende Gemeindewahl eine Einheitsliste aufzustellen". Zu diesem Zwecke werde am 9. März 1980 eine "Vorwahl" durchgeführt werden. Der nachfolgende Text des Rundschreibens enthielt Daten über Zeit und Ort der "Vorwahl" sowie detaillierte Teilnahmebedingungen.
Nach Durchführung dieser "Vorwahl" teilte der Bürgermeister in einer "An einen Haushalt!" gerichteten "Information" das Ergebnis der "Vorwahl" mit. Die Information enthielt den abschließenden Satz:
"Diese Vorwahl beruht auf keiner gesetzlichen Grundlage".
Vor dem für 20. April 1980 anberaumten Termin der Wahlen in die Gemeindevertretung versandte der Bürgermeister ein weiteres Rundschreiben, welchem eine "Empfehlungsliste" und ein Stimmzettel angeschlossen waren. In dem Rundschreiben führte der Bürgermeister aus: "Anbei erhalten Sie einen Wahlvorschlag, der aufgrund des Vorwahlergebnisses erstellt wurde, sowie einen leeren Stimmzettel. Bei der Wahl selbst können Sie den Wahlvorschlag oder den leeren Stimmzettel mit den angegebenen Namen abgeben". In der "Empfehlungsliste", welche im Rundschreiben als Wahlvorschlag bezeichnet wurde, wurden für die Wahl als Gemeindevertreter und Ersatzmänner je 12 Personen nominiert.
Am 20. April 1980 wurde die Gemeindevertretungswahl durchgeführt und das Ergebnis von der Gemeindewahlbehörde am 21. April 1980 kundgemacht. In der Kundmachung wurden die in der "Empfehlungsliste" zur Wahl als Gemeindevertreter und Ersatzmänner vorgeschlagenen Personen, wenn auch in anderer Reihenfolge, als gewählt erklärt.
1.2. Diese Wahl wird vom Anfechtungswerber als Wahlberechtigtem, gestützt auf §47 Abs2 GWG, wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens beim VfGH zu WI-12/80 angefochten.
Im wesentlichen wird geltend gemacht, daß die Durchführung einer "Vorwahl" ungesetzlich gewesen sei und gegen das persönliche Wahlrecht verstoßen habe, daß die von der Gemeinde und auf Briefpapier der Gemeinde Doren ausgesandten Rundschreiben und insbesondere die Verteilung einer aufgrund der Ergebnisse der "Vorwahlen" erstellten "Empfehlungsliste" im GWG keine Deckung finden, daß hiedurch ein Verstoß gegen den Grundsatz des freien Wahlrechtes vorliege, daß eine Stimmabgabe unter Verwendung der "Empfehlungslisten" als Stimmzettel ungültig sei und zu einer möglichen Beeinflussung des Wahlergebnisses geführt habe.
Der Anfechtungswerber beantragt, die Wahlen in die Gemeindevertretung der Gemeinde Doren vom 20. April 1980 zur Gänze für ungültig zu erklären.
1.3.1. Gestützt auf §47 Abs1 iVm. §41 GWG erhob der Anfechtungswerber des weiteren gegen die Ermittlung des Wahlergebnisses durch die Gemeindewahlbehörde Einspruch an die Landeswahlbehörde.
Geltend gemacht wurde, daß die sogenannte "Vorwahl" vom 9. März 1980 ungesetzlich erfolgt sei, daß "das Gemeindeamt weder eine gesetzliche noch eine abstimmungsmäßige Ermächtigung" gehabt habe, eine "Umwandlung der Mehrheitsliste aus der Vorwahl in eine einheitliche Liste von Wahlkandidaten" durchzuführen; daß die Empfehlungsliste weder "eine Parteiliste im engeren Sinn, noch eine Wahlgruppenliste iS einer Namensliste nach §12 GWG" gebildet habe; daß die Gemeinde keine Befugnis gehabt habe, einen Wahlvorschlag zu erstatten; daß darin eine "massive und ungehörige Wahlbeeinflussung durch das Gemeindeamt" gelegen sei, und daß zufolge §33 Abs1 litb GWG als Stimmzettel verwendete "Empfehlungslisten" ungültig seien und also bei der Ermittlung des Wahlergebnisses nicht berücksichtigt hätten werden dürfen. Da es jedoch unbillig wäre, "allein die Minderheitsfälle der individuell ausgefüllten Stimmzettel ... zum Zuge kommen zu lassen", begehre der Einspruchswerber eine Wiederholung der Wahl.
1.3.2. Mit Bescheid der Landeswahlbehörde vom 12. Mai 1980, Z I b 119-7/80, wurde der Einspruch
"a) soweit in ihm die unrichtige Ermittlung des Wahlergebnisses geltend gemacht wird, abgewiesen und
b) soweit in ihm darüber hinausgehende gesetzwidrige Vorgänge im Wahlverfahren geltend gemacht werden, zurückgewiesen".
Begründend wurde ausgeführt, daß im Hinblick auf die Beschränkung der Prüfungsbefugnis der Einspruchsbehörde auf die Ermittlung des Wahlergebnisses der Einspruch insoweit zurückzuweisen gewesen sei, als sonstige Gesetzwidrigkeiten geltend gemacht worden seien. Was die Frage der Gültigkeit der als Stimmzettel verwendeten Empfehlungslisten betreffe, die im Einspruch bestritten werde, habe deren Format §31 GWG entsprochen; da die angebrachten Worte "Gemeinde Doren" und "Empfehlungsliste" ebenfalls für die Gültigkeit eines Stimmzettels gemäß §48 iVm. §33 Abs4 litd GWG ohne Bedeutung seien, habe die Einspruchsbehörde keine Veranlassung zu einer Richtigstellung gehabt, weshalb der Einspruch, soweit er sich gegen die Ermittlung des Wahlergebnisses gerichtet habe, abzuweisen gewesen sei.
1.3.3. Unter Hinweis darauf, daß mit dieser Entscheidung der Instanzenzug erschöpft sei, wird vom Anfechtungswerber als Wahlberechtigten, gestützt auf §47 Abs2 GWG, die Wahl beim VfGH zu WI-14/80 wegen unrichtiger Ermittlung des Wahlergebnisses gemäß Art141 B-VG iVm. den §§67 ff. VerfGG 1953 angefochten. Er macht geltend, daß Wähler, die ihr Stimmrecht unter Verwendung der "Empfehlungslisten" ausgeübt haben, ungültig gewählt hätten. Die gegenteilige Ansicht der Landeswahlbehörde sei gesetzwidrig. Bei Wahlen nach dem 8. Abschn. des GWG dürften nur leere Stimmzettel ausgegeben werden, die von den Wählern selbst mit den Namen ihrer Kandidaten ausgefüllt werden müßten.
Der Anfechtungswerber beantragt das "Ermittlungsverfahren zur Wahl der Gemeindevertretung der Gemeinde Doren am 20. April 1980 wegen Rechtswidrigkeit für nichtig" zu erklären.
2.1.1. Aus Anlaß der Wahlanfechtung WI-12/80 hat der VfGH unter G21, 22/81 und aus Anlaß der Wahlanfechtung WI-14/80 unter G23, 24/81 von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des 8. Abschn. (§§43 bis 48, betreffend Wahlverfahren in Ermangelung von Wahlvorschlägen) des Gemeindewahlgesetzes - GWG (Anlage zur Neukundmachungsverordnung der Vbg. Landesregierung, LGBl. 31/1979), sowie des dritten Satzes des §67 Abs2 des VerfGG 1953, BGBl. 85 idF BGBl. 18/1958, eingeleitet.
2.1.2. Diese Bestimmungen lauten:
§67 Abs2 VerfGG 1953, BGBl. 85 idF BGBl. 18/1958 (künftig: VerfGG), dritter Satz:
"Sieht die Wahlordnung keine derartige Anmeldung von Wahlvorschlägen vor, so richtet sich die Berechtigung zur Anfechtung von Wahlen vor dem VfGH nach den besonderen Bestimmungen solcher Wahlordnungen."
8. Abschn. des GWG:
"§43
Abstimmungs- und Ermittlungsverfahren ohne Wahlvorschläge
Wird in einer Gemeinde nicht spätestens drei Wochen vor dem Wahltag eine Anmeldung der Wahlwerbung nach §12 Abs1 oder trotz Erstattung dieser Anmeldung nicht spätestens zwei Wochen vor dem Wahltag ein Wahlvorschlag nach §12 Abs2 eingebracht, so finden in dieser Gemeinde für das Abstimmungs- und Ermittlungsverfahren folgende Bestimmungen Anwendung.
§44
Ausfüllen von Stimmzetteln, Beurteilung ihrer Gültigkeit
(1) Jeder Wähler kann seine Stimme für jede in die Gemeindevertretung der betreffenden Gemeinde wählbare Person abgeben.
(2) Die auf dem Stimmzettel angeführten Personen müssen so klar bezeichnet sein, daß sie mit keiner anderen wählbaren Person verwechselt werden können.
(3) Jeder Stimmzettel darf nur doppelt so viele Namen enthalten, als Gemeindevertreter zu wählen sind. Der Wähler kann die Gemeindevertreter und die Ersatzmänner ausdrücklich bezeichnen.
(4) Ein Stimmzettel, auf dem nicht wenigstens eine wählbare Person klar bezeichnet ist, ist ungültig.
(5) Enthält ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel, so sind diese als ein gültiger Stimmzettel zu betrachten, wenn wenigstens ein Stimmzettel gültig ist und aus allen gültigen Stimmzetteln zusammen der Wählerwille unzweifelhaft erkenntlich ist.
§45
Auswertung der Stimmzettel
(1) Nach Prüfung der Gültigkeit der Stimmzettel (§34 Abs2) hat die Wahlbehörde aus jedem gültigen Stimmzettel höchstens so viele gültig angeführte Namen als in der betreffenden Gemeinde Gemeindevertreter zu wählen sind, nach ihrer Reihenfolge auf dem Stimmzettel (von oben nach unten, von links nach rechts) in die Stimmliste für Gemeindevertreter derart einzutragen, daß bei der ersten Stimme, die jemand erhält, die Zahl 1, bei der zweiten die Zahl 2 usw. beigesetzt wird.
(2) In gleicher Weise sind die über die Zahl der Gemeindevertreter hinausgehenden gültig angeführten Namen nach ihrer Reihenfolge auf dem Stimmzettel (Abs1) in die Stimmliste für Ersatzmänner einzutragen.
(3) Enthält ein Stimmzettel Namen nicht wählbarer Personen oder Namen, durch die mangels weiterer Unterscheidungsmerkmale (§32 Abs4) eine Person nicht unzweifelhaft bezeichnet wird, so sind diese bei der Feststellung der Stimmen nicht zu berücksichtigen. Enthält ein Stimmzettel mehr Namen als nach §44 Abs3 zulässig sind, so sind die über die Zahl hinausgehenden Namen nicht zu berücksichtigen.
(4) Ist auf einem Stimmzettel der Name einer und derselben Person mehrmals genannt, so ist nur die erste Nennung dieses Namens zu berücksichtigen, die übrigen gelten als nicht beigesetzt.
(5) Hat der Wähler auf dem Stimmzettel die Gemeindevertreter und die Ersatzmänner ausdrücklich bezeichnet, so ist dies bei der Eintragung in die Stimmlisten zu berücksichtigen.
(6) Die Eintragungen in der Stimmliste sind gleichzeitig und in gleicher Weise von einem anderen Mitglied der Wahlbehörde in einer Gegenliste zu verzeichnen.
(7) Wenn die Gemeinde nur einen Wahlsprengel bildet, hat die Gemeindewahlbehörde die Wählbarkeit der in den Stimmlisten eingetragenen Personen zu überprüfen und die Namen der in der Stimmliste für Gemeindevertreter verzeichneten wählbaren Personen, die nicht als Gemeindevertreter gewählt gelten (§46 Abs1), samt der von ihnen erreichten Stimmenanzahl in die Stimmliste für Ersatzmänner zu übertragen. Falls solche Personen in der Stimmliste für Ersatzmänner bereits aufscheinen, ist die von ihnen in der Stimmliste für Gemeindevertreter erreichte Stimmenanzahl der von ihnen in der Stimmliste für Ersatzmänner erreichten Stimmenanzahl hinzuzuzählen.
(8) Ist die Gemeinde in mehrere Wahlsprengel geteilt, haben die Sprengelwahlbehörden unter sinngemäßer Anwendung des §35 den Wahlvorgang zu beurkunden und die Wahlakten der Gemeindewahlbehörde vorzulegen. Die Gemeindewahlbehörde hat die Sprengelstimmlisten für Gemeindevertreter in eine Gemeindestimmliste für Gemeindevertreter und die Sprengelstimmlisten für Ersatzmänner in eine Gemeindestimmliste für Ersatzmänner zusammenzufassen und sodann gemäß Abs7 zu verfahren.
§46
Verteilung der Mandate
(1) Von den in der Stimmliste für Gemeindevertreter eingetragenen Personen gelten diejenigen, die die meisten Stimmen erhalten haben, in der Reihenfolge der von ihnen erreichten Stimmen und in er im §29 des Gemeindegesetzes festgesetzten Anzahl als Gemeindevertreter gewählt.
(2) Als Ersatzmänner gelten diejenigen Personen gewählt, die in der Stimmliste für Ersatzmänner die meisten Stimmen erhalten haben, und zwar in der Reihenfolge der von ihnen erreichten Stimmen und in derselben Anzahl, wie Gemeindevertreter zu wählen sind.
(3) Bei gleicher Stimmenanzahl wird die Reihenfolge durch das Los bestimmt.
(4) Wenn eine der gewählten Personen nicht wählbar ist oder auf die Ausübung ihres Mandates verzichtet, rücken die in der Reihenfolge der Abs1 und 2 hinter ihr stehenden Personen vor.
§47
Einsprüche von Wahlberichtigten, Wahlanfechtung vor dem VfGH
(1) Einsprüche gegen die Ermittlung der Wahlergebnisse (§41) können von jedem in der betreffenden Gemeinde Wahlberechtigten erhoben werden.
(2) Jeder in der betreffenden Gemeinde Wahlberechtigte kann die Wahlen wegen jeder behaupteten Rechtswidrigkeit vor dem VfGH anfechten.
§48
Sinngemäße Anwendung anderer Bestimmungen
Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des 6. und 7. Abschnittes sinngemäß anzuwenden."
2.2. In seinen die Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschlüssen vom 30. Jänner 1981 ging der VfGH aufgrund folgender - vorläufiger - Erwägungen davon aus, daß die Wahlanfechtungen zulässig und auch die übrigen Voraussetzungen der Gesetzesprüfung gegeben sind:
"2. §47 Abs2 GWG und §67 Abs2 dritter Satz VerfGG 1953 begründen die Legitimation des Anfechtungswerbers. Diesen Bestimmungen begegnen zwar verfassungsrechtliche Bedenken, aber allein die Tatsache, daß sie die Legitimation des Anfechtungswerbers begründen, macht sie präjudiziell. Der VfGH ist dabei davon ausgegangen, daß der Anfechtungswerber die Voraussetzung des §47 Abs2 GWG, wonach nur Wahlberechtigte zu einer Wahlanfechtung legitimiert sind, erfüllt und daß seine Anfechtungsberechtigung nicht dadurch untergegangen ist, daß er während des vor dem VfGH anhängigen Verfahrens aus der Gemeinde Doren verzogen ist.
...
3. Die Bestimmungen des 8. Abschn. des GWG regeln Wahlverfahren in Ermangelung von Wahlvorschlägen, sind also bei Fällung der Entscheidung über die Wahlanfechtung anzuwenden und damit ebenfalls präjudiziell. Der VfGH hatte sich jedoch die Frage zu stellen, ob eine Aufhebung des §47 Abs2 GWG und des dritten Satzes des §67 Abs2 VerfGG 1953 nach sich ziehen würde, daß die Wahlanfechtung, gemessen an der bereinigten Rechtslage, zurückzuweisen und dann der 8. Abschn. nicht mehr präjudiziell wäre. Dies ist nach Ansicht des VfGH jedoch aus folgenden Gründen nicht der Fall:
Mit dem VerfGG 1953 werden die Organisation und das Verfahren des VfGH aufgrund der den Bundesgesetzgeber hiezu ermächtigenden Norm des Art148 B-VG näher geregelt. Soweit sich im Verfassungsgerichtshofgesetz keine Regelungen in Belangen finden, die für die Zulässigkeit eines Antrages, einer Anfechtung oder einer Beschwerde von Relevanz sind, bedeutet dies jedoch nicht, daß das Schweigen des Gesetzgebers zur Unzulässigkeit einer Antragstellung führt. Wenn im VerfGG 1953 keine Bestimmungen darüber enthalten wären, wer zur Anfechtung einer Wahl berechtigt ist, würde dies nicht bedeuten, daß eine Wahlanfechtung unzulässig wäre. Der VfGH hat vielmehr Wahlanfechtungen, die vor dem Inkrafttreten des ersten Organisations- und Verfahrensgesetzes, nämlich des BG vom 13. Juli 1921 über die Organisation und über das Verfahren des VfGH, BGBl. 364 (künftig: VerfGG 1921), erhoben wurden, als zulässig erachtet und bei Fehlen gesetzlicher Grundlagen Art141 B-VG unmittelbar angewendet (VfSlg. 18/1921, 39/1921, vgl. aber auch 51/1921).
Im Falle einer Aufhebung des §47 Abs2 GWG und des dritten Satzes des §67 Abs2 VerfGG verbliebe der zweite Satz des §67 Abs2 VerfGG 1953. Dieser hat jedoch nur die Anfechtung von Wahlen zum Gegenstand, für die Wählergruppen (Parteien) Wahlvorschläge vorgelegt haben. Für Wahlen, zu denen Wahlvorschläge nicht eingebracht sind, findet sich die Regelung in dem in Prüfung gezogenen dritten Satz des §67 des VerfGG 1953. Wird dieser aufgehoben, führt dies nicht dazu, daß der zweite Satz des §67 Abs2 VerfGG 1953 auch Maßstab für die Zulässigkeit von Wahlanfechtungen von Wahlen wird, zu denen Wählergruppen Wahlvorschläge nicht erstattet haben. Hinsichtlich solcher Wahlen würde eine Aufhebung des dritten Satzes des §67 Abs2 VerfGG 1953 vielmehr, bezogen auf das VerfGG 1953, zu einer Gesetzeslücke und dies zu einer unmittelbaren Anwendung des Art141 B-VG führen."
Seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen umschrieb der VfGH wie folgt:
"1. Gegen §47 Abs2 GWG und den dritten Satz des §67 Abs2 VerfGG 1953:
Nach Art141 B-VG erkennt der VfGH ua. über die Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern. Gemäß Art148 B-VG werden die näheren Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren des VfGH durch ein besonderes Bundesgesetz, und aufgrund dieses durch eine vom VfGH zu beschließende Geschäftsordnung geregelt. Ein solches Gesetz ist in Form des VerfGG ergangen.
Nach dem zweiten Satz des §67 Abs2 VerfGG 1953 sind zur Anfechtung 'der übrigen in Abs1 genannten Wahlen' - hierunter fallen die Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern - 'Wählergruppen (Parteien) berechtigt, die bei einer durch die Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlbehörde Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorgelegt haben, und zwar durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter'. Nach dem bereits im Wortlaut wiedergegebenen dritten Satz des §67 Abs2 leg. cit. richtet sich die Anfechtung von Wahlen vor dem VfGH dann, wenn die Wahlordnung keine Anmeldung von Wahlvorschlägen vorsieht, nach den besonderen Bestimmungen solcher Wahlordnungen. Die Bestimmungen des 8. Abschn. des GWG regeln Wahlverfahren in Ermangelung von Wahlvorschlägen. Die Berechtigung zur Anfechtung von Wahlen in Gemeindevertretungen im Land Vbg., für welche Wahlvorschläge nicht erstattet wurden, richtet sich - unmittelbar - nach §47 Abs2 GWG.
Art148 B-VG ordnet in Übereinstimmung mit Art10 Abs1 Z1 B-VG an, daß die Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren des VfGH durch ein Bundesgesetz zu regeln sind. Der dritte Satz des §67 Abs2 VerfGG 1953 verfügt jedoch, daß sich die Berechtigung zur Anfechtung von Wahlen vor dem VfGH, wenn keine Wahlvorschläge angemeldet wurden, nach den besonderen Bestimmungen der Wahlordnungen richtet. Damit dürfte der Bundesgesetzgeber den Landesgesetzgeber ermächtigen, Vorschriften über die Legitimation zur Anfechtung solcher Wahlen zu erlassen. Dies scheint verfassungswidrig zu sein, weil der Bundesgesetzgeber seine Kompetenzen nicht delegieren darf. So gesehen, vermag der dritte Satz des §67 Abs2 VerfGG 1953 die Regelung des §47 Abs2 GWG auch nicht zu decken. Dieselben Bedenken richten sich auch unmittelbar gegen §47 Abs2 GWG, denn wenn die Gesetzgebung Bundessache ist, ist es dem Landesgesetzgeber verwehrt, Regelungen zu treffen, die vom Bundesgesetzgeber zu erlassen wären.
2. Gegen die Bestimmungen des 8. Abschn. des GWG besteht das Bedenken, daß sie mit dem Gebot des Art117 Abs2 B-VG, wonach die Wahlen in den Gemeinderat aufgrund des Verhältniswahlrechtes stattzufinden haben und ebenso mit Art7 Abs3 des Gesetzes über die Verfassung des Landes Vbg. gemäß der Neukundmachungsverordnung, LGBl. 1/1970, in unvereinbarem Widerspruch stehen. Wesensnotwendig ist für das Verhältniswahlsystem die Existenz mehrerer wahlwerbender Parteien und daß die Mandate in den zu wählenden Vertretungskörper nach Maßgabe des bei der Wahl erzielten Erfolges verhältnismäßig verteilt werden.
Das im 8. Abschn. des GWG geregelte Wahlverfahren kennt keine wahlwerbenden Parteien. Die Verteilung der Mandate erfolgt nicht nach einem Proportionalsystem. Von den in der Stimmliste für Gemeindevertreter eingetragenen Personen gelten diejenigen Personen als gewählt, die die meisten Stimmen erhalten und zwar in der Reihenfolge der von ihnen erreichten Stimmen. Dem VfGH scheint, daß ein derartiges Wahlsystem in Widerspruch zu dem nach Art117 Abs2 B-VG und ebenso nach Art7 Abs3 des Gesetzes über die Verfassung des Landes Vbg. gemäß der Neukundmachungsverordnung, LGBl. 1/1970, für Wahlen in den Gemeinderat verfassungsgesetzlich angeordneten Verhältniswahlrecht steht.
Der VfGH verkennt nicht, daß Situationen eintreten können, in denen mangels wahlwerbender Parteien den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes nicht entsprochen werden kann. Es wird im Gesetzesprüfungsverfahren auch die Frage zu erörtern sein, ob das demokratische Prinzip als Baugesetz des B-VG die in Prüfung gezogene Einschränkung des Anwendungsbereiches des Verhältniswahlrechtes in solchen Fällen erlaubt.
Im Hinblick auf den inneren Zusammenhang aller im 8. Abschn. enthaltenen Regelungen geht der VfGH schließlich davon aus, daß die Bestimmungen untrennbaren Inhaltes sind, sodaß sich die Bedenken gegen den ganzen in Prüfung gezogenen Abschn. des GWG richten."
3. Sowohl die Bundesregierung als auch die Vbg. Landesregierung haben Äußerungen erstattet, in denen sie die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen - der für sie maßgeblichen Gesetzgebungsbereiche - verteidigen.
3.1. Die Bundesregierung führt zu den Bedenken gegen den dritten Satz des §67 Abs2 VerfGG aus:
"1. Aus der Sachverhaltsdarstellung in der Begründung des Unterbrechungsbeschlusses vom 30. Jänner 1981 geht hervor, daß für die Gemeinderatswahl in der Vbg. Gemeinde Doren, die am 20. April 1980 stattfand, Wahlvorschläge iS des Vbg. Gemeindewahlgesetzes nicht erstattet worden sind. Aus diesem Grund kam der 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes, der ein besonderes Verfahren für einen solchen Fall vorsieht, zur Anwendung.
Der §67 Abs2 VerfGG sieht nun hinsichtlich der Anfechtung von Wahlen zum Gemeinderat in seinem zweiten Satz vor, daß zur Anfechtung Wählergruppen berechtigt sind, die bei einer durch die Wahlordnung vorgeschriebenen Wahlbehörde Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl rechtzeitig vorgelegt haben. Der in Prüfung gezogene dritte Satz des §67 Abs2 VerfGG ordnet für den Fall, daß derartige Anmeldungen von Wahlvorschlägen in der Wahlordnung nicht vorgesehen sind, an, daß sich die Berechtigung zur Anfechtung von Wahlen vor dem VfGH nach den besonderen Bestimmungen solcher Wahlordnungen richte.
Die vom VfGH in Prüfung gezogene Bestimmung des VerfGG regelt daher für einen ganz besonderen Fall, nämlich den, daß in einer Wahlordnung die Anmeldung von Wahlvorschlägen überhaupt nicht vorgesehen ist, die Frage, wer anfechtungsberechtigt ist, bzw. nach welchen Rechtsvorschriften die Anfechtungslegitimation zur beurteilen ist. Das Vbg. Gemeindewahlgesetz sieht nun in seinem §12 vor, daß sich Wählergruppen, die sich an der Wahlwerbung beteiligen wollen, dies spätestens am 21. Tag vor dem Wahltag dem Leiter der Gemeindewahlbehörde anzumelden haben, wobei die Einbringung eines Wahlvorschlages innerhalb dieser Frist auch als Anmeldung gilt. Daraus folgt, daß das Vbg. Gemeindewahlgesetz keineswegs eine Wahlordnung ist, die 'derartige Anmeldungen von Wahlvorschlägen' nicht vorsieht. Vielmehr geht das Vbg. Gemeindewahlgesetz davon aus, daß in der Regel Anmeldungen von Wahlvorschlägen erfolgen, enthält aber in ihrem 8. Abschnitt Sonderbestimmungen für den Fall, daß solche Anmeldungen von Wahlvorschlägen tatsächlich nicht erfolgt sind. Der Umstand aber, ob eine Wahlordnung die Anmeldung von Wahlvorschlägen überhaupt nicht vorsieht oder bloß Regelungen trifft für den Fall, daß Wahlvorschläge tatsächlich nicht eingebracht worden sind, ist deshalb ein rechtlich erheblicher Unterschied, weil die in Prüfung gezogene Regelung des dritten Satzes des §67 Abs2 des VerfGG nur auf den ersten Fall Bezug nimmt, nicht jedoch auf den zweiten Fall.
Nach Auffassung der Bundesregierung folgt daraus, daß die in Prüfung gezogene Stelle im §67 Abs2 des VerfGG im vorliegenden Fall vom VfGH nicht anzuwenden und daher das von Amts wegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren mangels Präjudizielität der Gesetzesstelle einzustellen wäre.
2. Sollte der VfGH den in Prüfung gezogenen dritten Satz des §67 Abs2 des VerfGG aber dennoch für präjudiziell erachten, so ist auf folgendes hinzuweisen:
Es trifft zu, daß der Art148 B-VG in Übereinstimmung mit Art10 Abs1 Z1 B-VG anordnet, daß die Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren des VfGH durch Bundesgesetz zu regeln sind. Diese beiden Bestimmungen des B-VG sind aber als bloße Kompetenznorm anzusehen, dh. sie sagen aus, daß der Bundesgesetzgeber die entsprechenden Regelungen zu erlassen habe. Sie treffen hingegen keine Aussage über den Inhalt der vom Bundesgesetzgeber zu treffenden Regelung.
Wenn nun der in Prüfung gezogene dritte Satz des §67 Abs2 des VerfGG bestimmt, daß sich für den Fall, daß eine Wahlordnung eine Anmeldung von Wahlvorschlägen nicht vorsieht, die Berechtigung zur Anfechtung von Wahlen vor dem VfGH nach den besonderen Bestimmungen solcher Wahlordnungen richtet, so hat der Bundesgesetzgeber sehr wohl eine Regelung über die Anfechtungsberechtigung getroffen. Es kann keineswegs gesagt werden, daß der Bundesgesetzgeber durch eine derartige Regelung seine Kompetenz delegiert habe. Der Inhalt dieser Regelung besteht nämlich in einer Verweisung auf die betreffenden Wahlordnungen, ohne daß gesagt würde, wer im einzelnen zu einer Wahlanfechtung berechtigt ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist aber eine Regelung, die in einer Verweisung auf eine andere Rechtsordnung besteht, nicht verfassungswidrig, wenn es sich um eine sogenannte statische Verweisung handelt. Dies trifft für den vorliegenden Fall zu. Im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation ist nämlich davon auszugehen, daß die in Prüfung gezogene Regelung des VerfGG als statische Verweisung aufzufassen ist. (Zur Reichweite der verfassungskonformen Interpretation vgl. zuletzt Erk. des VfGH WII-1/81 vom 4. März 1981). Da somit der Bundesgesetzgeber sehr wohl eine Regelung getroffen hat, wenn auch diese Regelung in einer verfassungsrechtlich zulässigen Verweisung besteht, und somit von einer Delegierung der Kompetenz des Bundesgesetzgebers nicht gesprochen werden kann, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung nicht verfassungswidrig ist.
Die Bundesregierung stellt daher den Antrag,
1. der VfGH möge das von Amts wegen eingeleitete Verfahren zur Prüfung des dritten Satzes des §67 Abs2 VerfGG 1953 mangels Präjudizialität einstellen;
2. sollte der VfGH die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung für präjudiziell halten, möge der VfGH aussprechen, daß der dritte Satz des §67 Abs2 VerfGG nicht verfassungswidrig ist;
3. für den Fall, daß der VfGH erkennt, daß die in Prüfung gezogene Bestimmung verfassungswidrig ist, möge der VfGH von einem Ausspruch iS des Art140 Abs7 B-VG Abstand nehmen."
3.2. Die Vbg. Landesregierung führt zu den Bedenken des VfGH gegen die Verfassungsmäßigkeit des 8. Abschn. des GWG aus:
"Die juristische Literatur enthält Hinweise darauf, daß auch Formen der Verhältniswahl ohne Parteilisten denkbar sind. Die bei Boyer (Wahlrecht in Österreich, Wien 1961, 104 ff.) geschilderte geschichtliche Entwicklung des Verhältniswahlrechtes zeigt, daß es sich jedenfalls bei den ursprünglichen Formen der Verhältniswahl durchwegs um Personensysteme und nicht um eine Listenwahl handelte. Adamovich (Grundriß des Österreichischen Verfassungsrechtes, Wien 1947, 211) sieht denn auch in den Bestimmungen des 8. Abschnittes des Gemeindewahlgesetzes kein Abgehen vom (damaligen) Art119 Abs2 B-VG 'weil unter den bezeichneten Voraussetzungen darin auch eine Art des Verhältniswahlverfahrens zu erblicken ist'.
Auch das Bundeskanzleramt vertrat in seiner Stellungnahme vom 12. Jänner 1950, Z 300.964-2a/1949, zum Entwurf einer Vbg. Gemeindewahlordnung die Ansicht, daß das (dem nunmehr in Prüfung gezogenen 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes vergleichbare) Wahlverfahren als Verhältniswahlrecht anzusprechen sei, weil die Mandate nach dem Grundsatz der relativen Stimmenmehrheit verteilt werden.
Der für das Mehrheitswahlrecht charakteristische Satz 'alles oder nichts' (Karl Renner, zitiert in 'Wahlen und Parteien in Österreich', Wien 1966, A 407) gilt für das Wahlverfahren nach dem 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes sicherlich nicht. In diesem Wahlverfahren finden auch Minderheiten Berücksichtigung. Es kann daher nicht als eine Form der Mehrheitswahl angesprochen werden.
Daß das Verhältniswahlsystem nicht untrennbar mit dem Listenwahlrecht verbunden ist, ist auch dem Erk. des VfGH Slg. Nr. 1932/1950 zu entnehmen. Der VfGH führt hier aus: 'Das Verhältniswahlverfahren kann theoretisch zwar nach verschiedenen Systemen durchgeführt werden, heute kommt aber fast nur das sogenannte Listensystem zur Anwendung, das insbesondere auch den Wahlordnungen für den Nationalrat und für die Landtage zugrunde gelegt ist'.
Ob die in Prüfung gezogenen Regelungen dem verfassungsmäßigen Gebot der Verhältniswahl widersprechen, muß daher zumindestens als fraglich erscheinen. Die Beantwortung dieser Frage wird letztlich davon abhängen, ob das Listenwahlrecht als Wesensmerkmal des Verhältniswahlsystems betrachtet wird oder nicht.
...
Sollte der VfGH bei der im Prüfungsbeschluß vertretenen Anschauung, daß für das Verhältniswahlsystem die Existenz mehrerer wahlwerbender Parteien wesensnotwendig ist, daß also das Listenwahlrecht untrennbar mit dem Verhältniswahlsystem verbunden ist, bleiben, so sprechen folgende Überlegungen für die Verfassungsmäßigkeit des 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes:
Ob in einer Gemeinde tatsächlich mehrere Parteien einen Wahlvorschlag einbringen oder nicht, ist vom Gesetzgeber nicht zu beeinflussen. Das verfassungsmäßige Gebot der Verhältniswahl kann daher nur dann Geltung erlangen, wenn wahlwerbende Parteien tatsächlich auftreten und damit überhaupt erst die Voraussetzungen für die Durchführung einer Wahl nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechtes gegeben sind. Eine Geltung des Gebotes der Verhältniswahl auch in Fällen, in denen keine Wahlvorschläge eingebracht werden, wäre sinnlos, da dies letztendlich nur bedeuten könnte, daß unter diesen Voraussetzungen verfassungsmäßige Wahlen überhaupt nicht abgehalten werden könnten.
Die Vbg. Landesregierung geht davon aus, daß die Bestimmungen der Bundes- und Landesverfassung über die Organe der Gemeinden eine Verpflichtung des zuständigen (Landes-)Gesetzgebers in sich bergen, durch gesetzgeberische Maßnahmen vorzusorgen, daß sich die verfassungsmäßig vorgesehenen Gemeindeorgane auch tatsächlich bilden können. Der Landesgesetzgeber hat daher insbesondere für jene Fälle vorzusorgen, in denen Wahlvorschläge nicht erstattet werden. Das demokratische Bauprinzip der Bundesverfassung verlangt eine Lösung, die sicherstellt, daß die Mitglieder der Gemeindevertretung auf demokratische Art, dh. aufgrund einer Wahl durch die Gemeindebürger, bestellt werden.
Dem Landesgesetzgeber werden im wesentlichen überhaupt nur folgende drei Möglichkeiten offenstehen, um die Funktion der Gemeindeverwaltung auch dann zu sichern, wenn keine Wahlvorschläge eingebracht werden:
1. die Einsetzung eines Amtsverwalters,
2. die Verlängerung der Funktionsperiode der bestehenden Organe und
3. die Durchführung von Wahlen nach dem Personensystem.
Die Einsetzung eines Amtsverwalters widerspricht sowohl der Gemeindeautonomie als auch dem demokratischen Prinzip. Die Lösung, die Funktionsperiode der bestehenden Organe zu verlängern, setzt jedenfalls voraus, daß sich bereits einmal mehrere Wahlparteien einer Wahl gestellt haben und daß in absehbarer Zeit wieder Wahlvorschläge eingebracht werden. Sollte dies nicht der Fall sein, würde über kurz oder lang die Beschlußunfähigkeit der Gemeindevertretung eintreten, da erledigte Mandate nicht wieder besetzt werden könnten. Zudem kann der Verzicht auf Neuwahlen nach Ablauf der Funktionsperiode auch vom Gesichtspunkt der Demokratie her nicht befriedigen.
Die vom Vbg. Landesgesetzgeber im 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes getroffene Lösung, die auf einer alten demokratischen Tradition beruht, entspricht, wie die jahrzehntelange Erfahrung zeigt, sowohl vom Gesichtspunkt der Demokratie als auch von praktischen Gesichtspunkten aus.
Die Vbg. Landesregierung vertritt daher die Ansicht, daß für den Fall, daß das Verhältniswahlrecht untrennbar mit dem Listenwahlrecht verbunden ist, der verfassungsmäßige Grundsatz, Wahlen in die Gemeindevertretung nach dem Verhältniswahlrecht durchzuführen, nur in jenen Fällen Geltung haben kann, in denen Wahlparteien sich der Wahl stellen. Stellen sich keine Wahlparteien der Wahl, so hat der Landesgesetzgeber auf andere Weise vorzusorgen, daß sich die verfassungsmäßig vorgesehenen Organe der Gemeinde bilden können. Er ist hiebei an die übrigen Grundsätze der Bundesverfassung, insbesondere an das demokratische Prinzip und an die Bestimmungen über die Gemeindeautonomie gebunden. Von den sich dem Landesgesetzgeber bietenden Möglichkeiten, die Funktion der Gemeindeverwaltung auch dann zu sichern, wenn keine Wahlvorschläge eingebracht werden, entspricht die im 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes getroffene Lösung den Grundsätzen der Verfassung am besten. Die Vbg. Landesregierung erachtet daher die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Gemeindewahlgesetzes als im Einklang mit den Bestimmungen der Bundes- und der Landesverfassung stehend."
4. Der VfGH hat des weiteren den übrigen Landesregierungen sowie dem Verfassungsdienst beim Bundeskanzleramt die Möglichkeit eröffnet, schriftliche Äußerungen zum Gegenstand zu erstatten. Hievon wurde wie folgt Gebrauch gemacht:
4.1. Die Oö. Landesregierung hat ausgeführt:
"1. Die Verfassungsmäßigkeit des 8. Abschnittes des Vbg.
Gemeindewahlgesetzes:
...
Außer Zweifel steht, daß die Bestimmungen des 8. Abschnittes des Vbg. Gemeindewahlgesetzes, LGBl. 31/1979 (GWG), diesem in der Judikatur des VfGH festgeschriebenen sowie auch aus Art117 Abs5 B-VG hervorleuchtenden Bild des 'Verhältniswahlrechts' offenbar nicht entsprechen, da nach diesem Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes eine Aufteilung der Gemeinderatsmandate mittels einer Wahlzahl auf wahlwerbende Partei nicht stattfindet. Auf diesen Befund gründen sich auch die vom VfGH im Beschluß vom 30. Jänner 1981, WI-14/80-18, gegen das im 8. Abschnitt des Gemeindewahlgesetzes geregelten Wahlverfahrens geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken.
Es ergibt sich allerdings in diesem Zusammenhang die auch vom VfGH selbst bereits zur Erwägung gestellte Frage, ob den Bestimmungen des Art117 Abs2 und Abs5 B-VG die Bedeutung beigemessen werden kann, daß eine nicht nach den dargelegten Prinzipien des Verhältniswahlrechts stattfindende Gemeinderatswahl unter allen Umständen als verfassungswidrig qualifiziert werden müßte. Die Bestimmungen des 8. Abschnittes Gemeindewahlgesetz beschränken sich nämlich von vornherein auf den Fall, daß im Wahlverfahren keine wahlwerbenden Parteien und sohin keine Parteilisten vorhanden sind, daß demnach auch eine Aufteilung der Gemeinderatsmandate auf Parteien nicht möglich ist. Dem Grundsatz nach reduziert sich daher die vom VfGH in seinem Beschluß aufgeworfene Frage nach der Verfassungskonformität des 8. Abschnittes des Gemeindewahlgesetzes auf die Alternative: Wahl eines Gemeinderates nach Verhältniswahlsystem oder Unterbleiben der Gemeinderatswahl, weil eben eine Wahl nach Verhältniswahlsystem nicht möglich ist und weil weiters eine vom Gesetzgeber zwangsweise angeordnete Bildung von Wahlparteien wohl gegen den Grundsatz eines demokratischen, freien Wahlrechtes ebenfalls als Betrachtungsmöglichkeit ausscheidet (vgl. den im Verfassungsrang stehenden Art8 des Staatsvertrages von Wien; VfSlg. 2037/1950).
Besteht das Wesen der Verhältniswahl, wie der VfGH in ständiger Judikatur dargelegt hat, darin, daß allen am Wahl- bzw. Ermittlungsverfahren beteiligten Wahlparteien eine 'verhältnismäßige Vertretung gewährt wird', so setzt die Anwendbarkeit eines Verhältniswahlrechtes, soll dieses nicht zur bloßen Form herabsinken, die Teilnahme von mindestens zwei Wahlparteien voraus. Ist nämlich am Wahl- bzw. Ermittlungsverfahren von vornherein nur eine Partei beteiligt, so steht auch von vornherein fest, daß alle Mandate auf diese Wahlpartei, sofern sie zumindest eine gültige Stimme erhalten hat, entfallen. Die Aufteilung der Mandate auf diese einzige Wahlpartei nach dem in der Wahlordnung vorgeschriebenen System der Verhältniswahl mittels einer Wahlzahl bedeutet in diesem Fall in Wahrheit nur mehr einen reinen Formalvorgang, der die diesem Verfahren prinzipiell zugedachte Funktion nicht mehr real erfüllt. Daß allerdings der Fall der Teilnahme nur einer einzigen Wahlpartei am Wahlverfahren in der Praxis bei Gemeinderatswahlen relativ häufig vorkommen kann, ist bekannt.
Mangels eines verfassungsgesetzlich zulässigen gesetzlichen Zwanges dahingehend, daß am Wahl- bzw. Ermittlungsverfahren in jedem Fall zumindest zwei Wahlparteien teilzunehmen haben, und angesichts der Tatsache, daß das Fehlen von wahlwerbenden Parteien bzw. einer zweiten wahlwerbenden Partei insbesondere bei Gemeinderatswahlen seit jeher auch als praktischer Fall durchaus denkbar war, muß davon ausgegangen werden, daß die eben genannten Umstände auch dem Bundesverfassungsgesetzgeber - auch wenn er die Mitwirkung der Parteien an der Berufung der Repräsentanten des Volkes vorausgesetzt hat (VfSlg. 3426/1958, 3560/1959) - jedenfalls bekannt gewesen sind. Es ist nun aber dem Bundesverfassungsgesetzgeber nicht zusinnbar, einerseits für die Gemeinde im Art117 Abs1 lita B-VG die Existenz eines von den Wahlberechtigten der Gemeinde zu wählenden allgemeinen Vertretungskörpers im Gemeinderat zwingend vorzusehen und es andererseits durch die im Art117 Abs2 B-VG getroffene Anordnung des Verhältniswahlrechtes selbst für die in der Praxis offenbar nicht selten vorkommenden und daher auch voraussehbaren Fälle notwendigerweise in Kauf genommen zu haben, daß die allgemeinen Vertretungskörper in diesen Fällen nicht gewählt werden könnten und daß in diesen Fällen letztlich die Aufgaben der Gemeindeselbstverwaltung durch andere, nicht in demokratischer Volkswahl bestellte Organe geführt werden müßten. Da das Verhältniswahlsystem im Grunde nur eine Ausprägung des zu den obersten Verfassungsprinzipien zählenden demokratischen Baugesetzes der Bundesverfassung darstellt, ist im Fall eines Konfliktes zwischen zwei Verfassungsbestimmungen diesem Baugesetz insgesamt ein höherer Stellenwert beizumessen als einer seiner Ausformungen. Der im Art117 Abs2 B-VG normierte Grundsatz der Verhältniswahl muß sohin dort seine Grenzen finden, wo er aus der Natur der Sache heraus nicht zu verwirklichen ist. In diesem Fall muß dem demokratischen Baugesetz der Bundesverfassung insgesamt der Vorrang zukommen. Eine gesetzliche Regelung, in der für Fälle, in denen das Verhältniswahlrecht nach der Natur der Sache nicht verwirklichbar ist, durch ein anderes demokratisches Wahlverfahren zur Kreation eines Organs vorgesort wird, das selbst - und viel grundsätzlicher - eine Ausformung des demokratischen Baugesetzes darstellt, kann aus diesem Grund daher nicht mit Verfassungswidrigkeit behaftet sein.
Das Amt der oö. Landesregierung ist daher der Auffassung, daß der 8. Abschnitt des Vbg. GWG der Verfassung entspricht.
2. Zur Verfassungskonformität des §47 Abs2 GWG und des §67 Abs2 dritter Satz VerfGG 1953:
a) Die zu §67 Abs2 dritter Satz VerfGG 1953 vom VfGH in seinem Beschluß formulierten Bedenken besitzen ein erhebliches Gewicht. Daß sich diese Bedenken unmittelbar und zwingend auch gegen §47 Abs2 GWG richten müssen, scheint aber nicht so eindeutig zu sein. Es scheint vielmehr, daß §47 Abs2 GWG lediglich deklarativ wiederholt, was sich ohne dieser einfachgesetzlichen Regelung unmittelbar bereits aus Art141 B-VG ergibt. Auch der Bundesgesetzgeber könnte im Rahmen seiner Kompetenz zur Regelung der Organisation und des Verfahrens des VfGH gemäß Art148 B-VG - so scheint es - keine andere Regelung über die Anfechtung von Wahlen in diesen Sonderfällen vorsehen. Deklarative Aussagen sind aber in jedem Fall verfassungsrechtlich zulässig.
b) Es ist aber grundsätzlich festzustellen, daß die im Art148 B-VG grundgelegte Kompetenz des Bundes zur Regelung der Organisation und des Verfahrens des VfGH nicht in einer derart eindeutigen Weise, wie dies im Beschluß des VfGH zum Ausdruck kommt, auch die Kompetenz zur Regelung der Wahlanfechtungsvoraussetzungen umfaßt. Immerhin enthält Art141 Abs3 B-VG ausdrücklich eine entsprechende Ermächtigung zur Regelung der Voraussetzungen für die Anfechtung des Ergebnisses von Volksbegehren oder Volksabstimmungen, die in dieser Form für die Anfechtung von Wahlen in der Bundesverfassung nicht auffindbar ist. Die Möglichkeit, daß von Verfassungs wegen die jeweils zur Erlassung von Wahlgesetzen berufenen Gesetzgeber auch Regelungen über die Berechtigung zur Anfechtung einer Wahl vor dem VfGH in Ausführung des Art141 B-VG besitzen, scheint daher und vor allem dann nicht so von vorherein ausgeschlossen, wenn man weiters bedenkt, daß faktisch auch der Nationalrat als einfacher Gesetzgeber sowohl zur Erlassung der Nationalratswahlordnung als auch zur Erlassung jener Regelungen (- nach Auffassung des VfGH nach Art148 B-VG -) berufen ist, die die Voraussetzungen für eine Wahlanfechtung beinhalten. Warum sollte nun nicht auch den Landesgesetzgebern - gleich dem Bund im Bereich der Nationalratswahlen - die Möglichkeit offen stehen, entsprechende Regelungen gemäß Art141 B-VG hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Wahlanfechtung zu erlassen. Allfällige Einschränkungen der Wahlanfechtungsberechtigung, die dem Art141 B-VG widersprechen, hätte der VfGH im Wege eines Gesetzesprüfungsverfahrens in gleicher Weise wie iZm. einer bundesgesetzlichen Regelung wahrzunehmen. §47 Abs2 GWG könnte daher auch einen konstitutiven, verfassungsrechtlich zulässigen Inhalt besitzen. Umgekehrt hätte dann §67 Abs2 VerfGG 1953 lediglich einen deklarativen Charakter und wäre ebenfalls nicht verfassungswidrig.
Das Amt der oö. Landesregierung ist daher der Auffassung, daß jedenfalls §47 Abs2 GWG der Verfassung entspricht. Gleiches hat dann für §67 Abs2 VerfGG 1953 zu gelten, wenn ihm lediglich ein verfassungskonformer, deklarativer Charakter zukommt."
4.2. Die Sbg. Landesregierung hat ausgeführt:
"1) Zu den Bedenken gegen §47 Abs2 GWG und §67 Abs2 dritter Satz VerfGG 1953 (Pkt. IV Z1 des dg. Beschlusses WI-14/80-18):
Wenn, wie in den Ausführungen zu Pkt. III Z3 des oa. Beschlusses und in den Erk. VfSlg. 18/1921, 39/1921 dargetan, auch ohne gesetzliche Regelung eine Anfechtungsbefugnis der Wahlen in allgemeine Vertretungskörper besteht, so kann sich diese Legitimation zur Wahlanfechtung nur aus der jeweils angewendeten Wahlvorschrift ableiten lassen. Dies entspricht der Rechtslage, die etwa bei der Ermittlung der Parteistellung nach den Verwaltungsvorschriften gemäß §8 AVG 1950 mangels ausdrücklicher gesetzlicher Aussagen hierüber in der Regelung des Materiengesetzgebers gegeben ist. Es erscheint möglich, die Aussage des §47 Abs2 GWG sodann als veranschaulichenden Hinweis deklaratorischer Natur anzusehen. Veranschaulicht wird hiebei die bereits vorgegebene Rechtslage. Neues ist diesfalls in der Rechtsvorschrift nicht ausgesagt.
2) Zu den Bedenken gegen den 8. Abschnitt GWG (Pkt. IV Z2 des dg. Beschlusses WI-14/80-18):
Der VfGH hat sich mit dem Begriff des Verhältniswahlrechtes bereits mehrfach auseinandergesetzt. Insbesondere in den Erk. Slg. Nr. 1381 und 1382/1931 sind die entscheidenden Merkmale für das Verhältniswahlrecht herausgearbeitet. Demnach sind zwei Umstände als charakteristisch anzusehen:
a) daß Träger des Rechts auf verhältnismäßige Vertretung nicht das Individium, sondern die politische Partei ist und
b) daß die Idee der Proportionalität darauf gerichtet ist, zwar womöglich allen politischen Parteien eine verhältnismäßige Vertretung zu gewähren, jedoch mit Ausschluß jener kleinen Gruppen, welche die Mindestzahl von Stimmen, die sogenannte Wahlzahl, nicht erreichen, über die eine Partei verfügen muß, um wenigstens einen Abgeordneten zu erhalten.
In seinem Erk. Slg. 3653/1959 hat der VfGH ausdrücklich ausgesprochen, daß er an dieser Auffassung weiterhin festhält. Darüber hinaus hat er dargetan, daß eine Verhältniswahl ohne Wahlzahl nicht möglich ist, denn eine Aufteilung der Mandate auf die Parteien auf Grundlage der Stimmensumme kann nur mit Hilfe eines Quotienten (= Wahlzahl) erfolgen. Die Wahlzahl bewirkt, daß nur jene Parteien, die sie erreichen, die also von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung sind, zum Zuge kommen, während jene Parteien, die sie nicht erreichen, kein Abgeordnetenmandat zugewiesen erhalten.
Durch Art117 Abs2 B-VG ist die Einrichtung eines Gemeinderates für alle Gemeinden zwingend vorgeschrieben worden. Es wurde daher die Möglichkeit genommen, in Zwerggemeinden auf die Wahl eines allgemeinen Vertretungskörpers zu verzichten und die Gesamtheit der wahlberechtigten Gemeindemitglieder mit den sonst dem Gemeinderat zustehenden Beschlußrechten auszustatten. Dies war bis dorthin insbesondere im Land NÖ möglich. Von der Bundesverfassung ist daher zwingend die Wahl eines Gemeinderates als allgemeiner Vertretungskörper der Gemeinde vorgeschrieben. Hiebei werden die Mitglieder des Gemeinderates auf Zeit (Wahlperiode) gewählt.
Durch den 8. Abschnitt des Vbg. GWG werden nunmehr Vorschriften für den Fall vorgesehen, daß sich keine Parteien um die Wahl bewerben. Für diesen Fall ist vorgesehen, daß jeder Wähler seine Stimme für jede in die Gemeindevertretung der betreffenden Gemeinde wählbare Person abgeben kann.
Für die weitere Argumentation erscheint es angebracht, festzustellen, daß bei nur einer einzigen wahlwerbenden Partei dem Verhältniswahlrecht Genüge geleistet sein kann, dies obgleich bei einer solchen Sachlage die Zuteilung sämtlicher Mandate an diese eine Partei erfolgt. Ein Stärkeverhältnis und damit Mandatsverhältnis zu einer bestimmten anderen Partei, ist in dem Fall mangels einer solchen nicht feststellbar. Dem Grundsatz des Verhältniswahlrechtes kann demnach bei auch nur einer einzigen wahlwerbenden Partei entsprochen werden. Nun ist es nach ha. Auffassung nicht ausgeschlossen, die in Prüfung gezogene, den Fall betreffende Regelung des Sachverhaltes, daß in einer Gemeinde sich überhaupt keine wahlwerbende Gruppe findet, so zu verstehen, daß damit die gesamte Wählerschaft der Gemeinde geschlossen als wahlwerbende Gruppe qualifiziert wird, jeder passiv Wahlberechtigte potentiell als Bewerber um ein Mandat. Daß die Mandate sodann nur dieser einzigen, fingierten wahlwerbenden Partei zukommen können, ist ebenso klar und dem Grundsatz der Verhältniswahl gerecht werdend, wie bei der nicht durch das Gesetz sondern in der üblichen Weise gebildeten einzigen wahlwerbenden Partei. Der Zuteilung der Mandate an die einzelnen Bewerber nach der Zahl der erlangten Stimmen entspricht bei der nicht durch das Gesetz gebildeten Wahlpartei die Zuteilung laut deren Liste oder laut Wahlpunkten oder dergleichen. Daß der Gesetzgeber die Gesamtheit der Wahlberechtigten nicht ausdrücklich als wahlwerbende Partei bezeichnet hat, die Gesamtheit der passiv Wahlberechtigten nicht als Bewerber um ein Mandat und die sovieltgrößte Stimmenzahl unter den in der Wahl mit Stimmen Bedachten wie Mandate zu vergeben sind, nicht als Wahlzahl, ist von lediglich terminologischer Bedeutung. Funktionell (in ihrer Wirksamkeit im Wahlverfahren) werden die genannten Erfordernisse des Wahlverfahrens von der gesamten Wählerschaft (als wahlwerbender Partei), bzw. jedem passiv Wahlberechtigten (als Bewerber auf dem Wahlvorschlag) der wahlwerbenden Partei bzw. dieser bestimmten Stimmenzahl (als Wahlzahl) erfüllt.
Bei diesem Verständnis erscheint die in Prüfung gezogene Regelung dem Grundsatz der Verhältniswahl doch zu entsprechen."
4.3. Die Stmk. Landesregierung hat ausgeführt:
"1. Zum 8. Abschnitt des Vbg. Gemeindewahlgesetzes:
1. ...
Sowohl das Verhältniswahlrecht als auch das Mehrheitswahlrecht haben begrifflich das Vorliegen mehrerer in aktiver Konkurrenz stehender Bewerber um Mandate zur Voraussetzung. Beide Systeme stellen unterschiedliche Verfahren der Zuteilung von Mandaten an solche Bewerber dar. (Daß in der Realität der Fall eintreten kann, daß sich nur ein Kandidat bzw. eine Liste um die Wahl bewirbt und daher der spezifische Zuteilungsmodus des einen bzw. des anderen Wahlsystems nicht zum Tragen kommen kann, tut diesem Grundsatz keinen Abbruch.)
Beide Wahlsysteme beziehen sich begrifflich aber nicht auf den Fall einer durch Abstimmung vorzunehmenden Nominierung einer bestimmten Anzahl von Mandataren aus einem Kreis von Personen, die zueinander nicht im Verhältnis aktiver Konkurrenz um Mandate stehen.
2. Der 8. Abschnitt des Vbg. Gemeindewahlgesetzes enthält Bestimmungen über die Durchführung von Wahlen für den Fall, daß nicht mehrere Bewerber in aktive Konkurrenz um Mandate getreten sind. Dieses Wahlverfahren kann daher weder dem Begriff des Mehrheitswahlrechtes noch jenem des Verhältniswahlrechtes zugeordnet werden.
Nach Auffassung der Stmk. Landesregierung steht die Vorschrift des Art117 Abs2 B-VG der Verfassungsmäßigkeit eines derartigen Wahlverfahrens nicht entgegen, sofern dieses Wahlverfahren nur subsidiär, für den Fall vorgesehen ist, daß mangels des Vorliegens der entscheidenden Voraussetzungen eine Wahl nach dem Verhältniswahlrecht nicht durchgeführt werden kann. Art117 Abs2 B-VG enthält nämlich nach ho. Auffassung zwar das Gebot, die Zuteilung von Mandaten zwischen mehreren in aktiver Konkurrenz stehenden Listen nach dem System des Verhältniswahlrechtes durchzuführen. Diese Bestimmung kann aber nicht so verstanden werden, daß es unzulässig wäre, in Wahlordnungen Regeln für den Fall vorzusehen, in dem es mangels einer Einbringung von Wahlvorschlägen an den für eine Wahl nach dem Verhältniswahlrecht begrifflich unerläßlichen Voraussetzungen fehlt.
Es muß vielmehr - im Sinne der Ausführungen des VfGH im Beschluß WI-14/80 - angenommen werden, daß aus dem demokratischen Prinzip der Bundesverfassung eine Legitimation zur Schaffung von Vorschriften, wie sie im 8. Abschnitt des Vbg. Gemeindewahlgesetzes enthalten sind, abgeleitet werden kann.
II. Zum dritten Satz des §67 Abs2 des VerfGG 1953:
Auf eine Äußerung zu den diesbezüglichen Bedenken des VfGH wird verzichtet."
4.4. Die Tir. Landesregierung hat ausgeführt:
"1. Der VfGH geht bei der Begründung seiner Bedenken gegen die Bestimmung des dritten Satzes des §67 Abs2 VerfGG 1953 davon aus, daß Art140 B-VG in Übereinstimmung mit Art10 Abs1 B-VG die Regelung über die Organisation und das Verfahren des VfGH dem Bundesgesetzgeber vorbehalte. Der dritte Satz des §67 Abs2 VerfGG 1953 enthalte jedoch eine Vorschrift, mit der der Bundesgesetzgeber den Landesgesetzgeber ermächtige, Regelungen über die Legitimation zur Anfechtung von Wahlen zu erlassen. Eine derartige Vorschrift sei verfassungswidrig, weil der Bundesgesetzgeber seine Kompetenz nicht delegieren dürfe. Die Tir. Landesregierung teilt diese Bedenken des VfGH.
2. Die Bedenken des VfGH gegen den 8. Abschnitt des Vbg. Gemeindewahlgesetzes bestehen darin, daß die in diesem Abschnitt enthaltenen Regelungen in unvereinbarem Widerspruch mit dem Verhältniswahlrecht stünden.
Der VfGH hat in mehreren Erk. das Wesen des Verhältniswahlrechts dargelegt (vgl. zB die Erk. Slg. 1381/1931, 1382/1931, 3653/1959 und 6087/1969). Danach ist der Grundgedanke des Verhältniswahlrechts, allen politischen Parteien eine Vertretung im betreffenden allgemeinen Vertretungskörper nach Maßgabe ihrer Stärke zu sichern. Ein Verhältniswahlverfahren verlangt zwingend die Listenwahl. Träger des Rechts auf verhältnismäßige Vertretung ist nicht die einzelne sich um das Mandat bewerbende Person, sondern die wahlwerbende Partei. Jedes Verhältniswahlrecht ist weiters wesensnotwendig mit der Berechnung einer Wahlzahl verbunden. Wendet man diese Grundsätze auf die Regelungen des 8. Abschnittes des Vbg. Gemeindewahlgesetzes an, so ergibt sich, daß diese Regelungen - wie im Anfechtungsbeschluß näher ausgeführt - den genannten Erfordernissen eines Verhältniswahlsystems nicht entsprechen.
Der VfGH setzt bei seiner Charakterisierung des Verhältniswahlsystems das Vorhandensein von Institutionen voraus, die in einer Demokratie bei Wahlen üblicherweise als wahlwerbend auftreten (wah