TE Vfgh Erkenntnis 1984/1/21 B244/80

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Veröffentlicht am 21.01.1984
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art5
Vlbg GVG §1 Abs1 lita
Vlbg GVG §3 Abs1 lita
Vlbg GVG §5 Abs1
Vlbg GVG §6

Leitsatz

Vbg. GVG 1977; keine Ermächtigung der Grundverkehrsbehörde, im Einzelfall festzustellen, welcher Erwerber den Grundverkehrsinteressen am besten entspricht; denkunmögliche Anwendung des §5 Abs1

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. A F - ein Landwirt - hat mit Vertrag vom 13. September 1978 die Gp. 715 und 716, KG H, im Ausmaß von zusammen 7067 Quadratmeter um den Preis von 205000 S gekauft.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Vbg. Grundverkehrssenates vom 17. März 1980 wurde diesem Rechtsgeschäft gemäß §5 Abs1 des (Vbg.) Grundverkehrsgesetzes, Vbg. LGBl. 18/1977, (im folgenden kurz: Vbg. GVG) die grundverkehrsbehördliche Zustimmung versagt.

2. a) Gegen diesen Bescheid hat A F am 13. Mai 1980 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde erhoben, in der die Verletzung näher bezeichneterverfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

b) A F ist am 12. November 1981 verstorben.

Die Verlassenschaft wurde mit rk. Beschluß des BG Bezau vom 26. März 1982, Z A 205/81, seinen beiden Söhnen J und E F je zur Hälfte eingeantwortet.

3. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die Beschwerde ist, da alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.

Das Verfahren war nach dem Tode des A F mit seinen Erben (seinen beiden Söhnen J und E F) fortzuführen, die in das Verfahren eingetreten sind. Sie sind nunmehr als die bf. Parteien anzusehen.

Die Erben des A F setzen hier seine Rechtspersönlichkeit in Ansehung jener Rechte fort, deren Verletzung in der Beschwerde geltend gemacht worden ist, und in die der angefochtene Bescheid eingreift (vgl. zB VfSlg. 9602/1983 und die dort zitierte weitere Judikatur).

2. Der Erwerb von Eigentum an einem land- und forstwirtschaftlichen Grundstück durch einen Inländer ist nach §1 Abs1 lita iVm. §3 Abs1 lita Vbg. GVG nur mit Genehmigung der Grundverkehrsbehörde zulässig.

Nach diesen Bestimmungen haben die Grundverkehrsbehörden erster und zweiter Instanz ihre Zuständigkeit im vorliegenden Fall in Anspruch genommen. Dies zu Recht: Aufgrund der vorgelegten Verwaltungsakten hat der VfGH keinen Zweifel daran, daß es sich bei dem Kaufobjekt um ein Waldgrundstück (ein forstwirtschaftliches Grundstück) handelt (vgl. VfSlg. 9009/1981). Auch die bf. Parteien stellen dies nicht in Abrede.

3. a) Die bel. Beh. hat den angefochtenen Bescheid auf den Untersagungsgrund des §5 Abs1 Vbg. GVG gestützt.

§5 Abs1 Vbg. GVG legt den generellen Versagungstatbestand beim Rechtserwerb land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke durch Inländer fest. Diese Bestimmung lautet:

"Ein Rechtserwerb gemäß §1 Abs1 lita" (Inländererwerb) "ist nur zu genehmigen, wenn er dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht, der Rechtswerwerb an ausschließlich forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken überdies nur dann, wenn er dem allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse oder dem Interesse der Forstwirtschaft im besonderen nicht widerspricht."

§6 Vbg. GVG enthält Anwendungsbeispiele zum generellen Versagungstatbestand (vgl. zB das zum Nö. GVG ergangene Erk. VfSlg. 6877/1972).

b) Die bel. Beh. ist davon ausgegangen, daß A F ein Landwirt war, der auch Forstwirtschaft betrieb, sowie davon, daß er die in Rede stehenden Waldgrundstücke selbst nutzen wollte und dazu auch in der Lage gewesen wäre, obgleich sie etwa 35 km von seinem Wohnsitz entfernt liegen.

Dennoch hat die Behörde die Genehmigung zum Eigentumserwerb versagt. Sie hat dies - nach einer Wiedergabe des Inhaltes des §5 Abs1 Vbg.

GVG - wie folgt begründet:

"Erhebungen beim Gemeindeamt H haben ergeben, daß sich mehrere ortsansässige hauptberufliche Landwirte konkret für den Erwerb der Waldgrundstücke Gp. 715 und 716, KG H, interessieren und auch zur Bezahlung eines angemessenen Kaufpreises bereit wären. Einer dieser Kaufinteressenten grenzt mit seinem bisherigen Waldbesitz unmittelbar an die Kaufgrundstücke an. Es muß als im land- und forstwirtschaftlichen Interesse gelegen angesehen werden, wenn relativ kleine Waldgrundstücke von angrenzenden Eigentümern zur Arrondierung ihres Waldbesitzes und damit zur besseren forstwirtschaftlichen Nutzung erworben werden, womit auch eine sinnvolle Aufstockung dieser landwirtschaftlichen Betriebe erreicht werden kann. Besteht die Möglichkeit für ortsansässige hauptberufliche Landwirtschaftsbetriebe durch den Erwerb von Waldflächen in unmittelbarer Nähe ihres Betriebes den land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz aufzustocken bzw. durch den Erwerb eines unmittelbar angrenzenden Grundstückes zu arrondieren, so sollte im allgemeinen landwirtschaftlichen aber auch im besonderen forstwirtschaftlichen Interesse iS des §5 Abs1 GVG diese Möglichkeit nicht durch die Erteilung der Genehmigung für den Rechtserwerb durch einen doch schon erheblich entfernt wohnhaften Käufer genommen werden. Aufgrund des dem vorliegenden Rechtserwerb zugrunde liegenden Sachverhaltes (Arrondierungsmöglichkeit durch ortsansässige hauptberufliche Landwirte, Entfernung des landwirtschaftlichen Betriebes des Berufungswerbers zum Kaufgrundstück; bisheriger Waldbesitz des Berufungswerbers und die in den vergangenen Jahren genehmigten Erwerbe von Waldfläche im Ausmaß von 1,3 ha in der KG E und KG Sch) ist der Grundverkehrssenat in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Entscheidung zur Ansicht gelangt, daß der beabsichtigte Rechtserwerb nicht als iS der zitierten Bestimmung des §5 Abs1 GVG gelegen angesehen werden kann und dahr der Berufung keine Folge zu geben und wie im Spruch zu entscheiden war."

4. a) Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung wurden die bf. Parteien in der Ausübung eines Privatrechtes beschränkt. Im Sinne der ständigen Judikatur des VfGH greift der angefochtene Bescheid daher in das Eigentum der bf. Parteien ein (vgl. zB VfSlg. 8143/1977). Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8143/1977) nur dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage erlassen worden oder wenn er gesetzlos ergangen wäre, wobei die denkunmögliche Anwendung eines Gesetzes ebenfalls als Gesetzlosigkeit angesehen wird.

b) Der VfGH hat - ausgehend von seinem in einem Kompetenzfeststellungsverfahren ergangenen Erk. VfSlg. 2658/1954 - in ständiger Judikatur (zB VfSlg. 5374/1966, 6342/1970) betont, daß zum Grundverkehrsrecht nur Maßnahmen gehören, die im Einzelfall verhindern, daß der Verkehr mit land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes und - soweit dies nicht in Frage kommt - an der Erhaltung und Schaffung eines mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht; die gesetzliche Vorsorge, daß ein Grundstück nicht in unerwünschte Hände gerät, kann demnach soweit nicht dem Grundverkehrsrecht zugezählt werden, als sie den Erwerb von Grundstücken auch in Fällen verhindert, die weder dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes, noch dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes widersprechen.

Die B-VG-Novelle 1974, BGBl. 444, hat daran nichts geändert (vgl. VfSlg. 7838/1976, 9004/1981).

Grundverkehrsrechtlich darf die Untersagung des Eigentumserwerbes also nur dann vorgesehen werden, wenn der Erwerb an sich den erwähnten öffentlichen Interessen widerspricht. Das Gesetz darf die Grundverkehrsbehörde nicht dazu ermächtigen, im Einzelfall festzustellen, welcher Erwerber den Grundverkehrsinteressen am besten entspricht und damit (zumindest indirekt) vorzuschreiben, daß nur bestimmte Personen das Grundstück erwerben dürfen (vgl. zB VfSlg. 9004/1981).

c) Der bekämpfte Bescheid wird auf den generellen Untersagungstatbestand des §5 Abs1 Vbg. GVG gestützt.

aa) Der VfGH hat in dem einen nö. Grundverkehrsfall betreffenden Erk. VfSlg. 9004/1981 folgende Meinung vertreten:

"Wie aus den grundsätzlichen Ausführungen in der vorstehenden sub. litbb" (diese entsprechen den Darlegungen unter II.4.b. dieses Erk.) "hervorgeht, bietet bei verfassungskonformer Auslegung weder §8 Abs1" (der dem §5 Abs1 Vbg. GVG entspricht) "noch §8 Abs2 litd Nö. GVG eine gesetzliche Grundlage dafür, einem Eigentumserwerb die Zustimmung auch dann zu versagen, wenn dieser Erwerb zwar Grundverkehrsinteressen an sich nicht widerstreitet, wohl aber der Erwerb durch andere Personen diesen Interessen besser dient. Es ist - von extremen Ausnahmesituationen abgesehen (die hier nach dem Ergebnis der von der Behörde angestellten Ermittlungen aber offenkundig nicht vorliegen) - ausgeschlossen, daß es den Grundverkehrsinteressen widerspricht, wenn ein Bauer als Erwerber auftritt und das gekaufte Grundstück im Rahmen seines bäuerlichen Betriebes genutzt werden soll."

Der VfGH sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Judikatur abzurücken.

bb) Die bel. Beh. betont in ihrer Gegenschrift zu Recht, sie habe den angefochtenen Bescheid nicht damit begründet, "daß der Bf. aufgrund der Entfernung seines Wohnortes vom Kaufgrundstück (E - H 35 km) zur ordentlichen Bewirtschaftung des Kaufgrundstückes nicht in der Lage sei".

Der tragende Gesichtspunkt für die Versagung des Eigentumserwerbes durch den bekämpften Bescheid war auch nicht etwa, daß der Versagungstatbestand des letzten Halbsatzes des §5 Abs1 Vbg. GVG (der sich mit den ausschließlich forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken beschäftigt) vorliege, sondern die Meinung, daß den land- und forstwirtschaftlichen Interessen besser gedient wäre, wenn nicht A F die Liegenschaft erwerben, sondern wenn sie dazu verwendet würde, die angrenzenden, relativ kleinen Waldgrundstücke zu arrondieren.

Daraus ergibt sich aber, daß die Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt und damit das Gesetz denkunmöglich angewendet hat (vgl. zB VfSlg. 9720/1983).

d) Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes als verfassungswidrig aufzuheben.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B244.1980

Dokumentnummer

JFT_10159879_80B00244_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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