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98 WohnbauLeitsatz
B-VG Art140 Abs1; Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung von §19 Abs2 lite Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz, BGBl. 130/1948 idF BGBl. 54/1967, mangels LegitimationSpruch
Der Antrag auf Aufhebung des §19 Abs2 lite des Wohnhaus-Wiederaufbaugesetzes BGBl. 130/1948 idF BGBl. 54/1967 wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. 1. Nach dem Schreiben des Bundesministers für Bauten und Technik vom 5. Jänner 1983, W 6585/156-V-9/a/83, das dieser als Verwalter des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds (Fonds) an die Antragstellerin richtete, hat der Fonds mit Bewilligungsbescheid vom 19. Jänner 1965, W 6585/28-I-4/64, für die Wiederherstellung des Hauses Wien, H-Straße, ein Darlehen ursprünglich in der Höhe von 4636000 S zugesichert, welches mit Endbescheid vom 18. Dezember 1967,
W 6585/77-IV-25/67, endgültig mit einem Betrag von 5072520 S festgesetzt wurde. Der Text der genannten Bescheide ist zugleich Vertragstext der Darlehensverträge. Der Darlehensvertrag ist durch Pfandrechte ob der Liegenschaft EZ 5127, KG L, sichergestellt. Die Antragstellerin ist zu 1050/28700 Anteilen Miteigentümerin dieser Liegenschaft. Mit diesen Anteilen ist das Wohnungseigentum an einer Wohnung untrennbar verbunden.
1.2. Mit dem oben angeführten Schreiben kündigte der Fonds der Antragstellerin gemäß §19 Abs2 lite Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz BGBl. 130/1948 idF BGBl. 54/1967 (WWG) von dem oben genannten Gesamtbetrag den auf ihre Liegenschaftsanteile entfallenden Darlehensbetrag in der Höhe von 185580 S, der nach Abzug der bis 31. Dezember 1982 geleisteten anteiligen Tilgungsraten von 39178 S noch mit einem Teilbetrag von 146402 S unberichtigt aushafte. Unter Einhaltung der gesetzlichen vierteljährlichen Kündigungsfrist sei der letztgenannte Betrag spätestens innerhalb drei Monaten an den Fonds einzuzahlen.
In der Begründung wurde ausgeführt, die Antragstellerin habe beim Fonds einen Antrag auf vorzeitige und begünstigte Darlehensrückzahlung gestellt. Hiebei sei festgestellt worden, daß die "Bau- und Wohnadresse" nicht ident seien. Die Antragstellerin habe auf Aufforderung des Fonds nicht nachgewiesen, daß die Eigentumswohnung dem Gesetz entsprechend bewohnt werde. Sie habe dem Fonds mitgeteilt, daß sie den Betrag von 73194,71 S zu 6 Nc 66/82 des BG Innere Stadt Wien bei Gericht zugunsten des Fonds hinterlegt habe. Der Betrag dürfe dem Fonds nur ausgefolgt werden, wenn dieser die Erklärung abgebe, daß damit ihre Schuld gegenüber dem Fonds zur Gänze getilgt sei. Da der Fonds das Angebot zur vorzeitigen und begünstigten Darlehensrückzahlung insbesondere aufgrund der Nichterfüllung der vertraglichen Bedingungen nicht angenommen habe, wäre dieser Betrag allenfalls im Zuge eines Verfahrens als Teil des gekündigten Betrages anzusehen und vom Gericht anzufordern. Da offensichtlich keine dem Gesetz entsprechende Wohnungsbenützung vorliege, müsse der Fonds die ihm auferlegte Kündigungspflicht wahrnehmen und die Darlehenskündigung ausprechen.
1.3. Die Antragstellerin begehrt, §19 Abs2 lite WWG idF des ArtI Z6 WWG-Nov. BGBl. 54/1967 gemäß Art140 Abs1 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben.
In der Sachverhaltsdarstellung zu diesem Antrag wird ua. ausgeführt, beim LG für ZRS Wien sei zu 25 Cg 264/83 ein vom Fonds gegen die Antragstellerin wegen Bezahlung von 146402 S sA, das sei der aufgekündigte Teil der Fondsdarlehen, eingeleiteter Rechtsstreit anhängig. Diesem Rechtsstreit komme jedoch im Verfahren betreffend den beim VfGH anhängigen Antrag keine Bedeutung zu, da die Klage damit begründet werde, daß der Antragstellerin vom Fonds die beiden Darlehen aufgrund des §19 Abs2 lite WWG rechtswirksam gekündigt worden seien. Sie habe die Unterbrechung dieses zivilgerichtlichen Verfahrens bis zur Entscheidung des VfGH in dieser Angelegenheit beantragt, da die Entscheidung des VfGH für den Ausgang des Zivilrechtsstreites präjudiziell sei.
II. Der auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützte Antrag auf Aufhebung des §19 Abs2 lite WWG ist aus folgenden Erwägungen unzulässig:
1.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG idF BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Der VfGH hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen, und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht.
Die Antragstellerin begründet ihren Antrag damit, daß sie durch §19 Abs2 lite WWG im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG verletzt sei. Durch §19 Abs2 lite WWG werde in ein eigentumsähnliches Recht des Darlehensnehmers zu dessen Ungunsten eingegriffen, über seine Eigentumswohnung frei und ohne Sanktion einer vorzeitigen Aufkündigung des Fondsdarlehens verfügen zu können. Es gebe auch keine sachlichen Gründe für die Einführung des §19 Abs2 lite WWG.
Gemäß §19 Abs2 lite WWG hat der Fonds das Darlehen unter Beachtung einer vierteljährlichen Kündigungsfrist zur Rückzahlung zu kündigen, wenn an einer Wohnung Wohnungseigentum begründet wurde und die Wohnung nicht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Wohnungseigentümers, seines nahen Angehörigen iS des §19 Abs2 Z10 des Mietengesetzes oder seines Dienstnehmers regelmäßig verwendet wird, es sei denn, daß der Wohnungseigentümer wegen nachgewiesener Krankheit, zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus zwingenden beruflichen Gründen abwesend ist.
Das Interesse der Antragstellerin ist dahin gerichtet, daß das ihr zugezählte Darlehen nicht gekündigt wird. Unter Bedachtnahme auf die Sachlage ist der Antragstellerin zumutbar, die vom Fonds durch seinen Vertreter (§4 Abs2 WWG) ausgesprochene Kündigung des Darlehens bzw. die daraus resultierende Rückzahlungsverpflichtung zivilgerichtlich zu bekämpfen und in diesem Vefahren - vor dem Gericht der zweiten Rechtsstufe - verfassungsrechtliche Bedenken gegen die nach ihrer Ansicht präjudiziellen Bestimmungen des WWG mit der Anregung auf Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages an den VfGH zu äußern (vgl. VfSlg. 9685/1983). Diese Möglichkeit ist im vorliegenden Fall evident, da der Vertreter des Fonds einen solchen Rechtsstreit nach der eigenen Angabe der Antragstellerin beim Landesgericht für ZRS Wien bereits anhängig gemacht hat.
An diesem Ergebnis vermögen auch die Ausführungen der Antragstellerin in ihrem ergänzenden Schriftsatz vom 14. Feber 1984 nichts zu ändern, daß sich das Gericht aufgrund der vom OGH in seiner Entscheidung vom 3. Dezember 1974, 8 Ob 214/1974, geäußerten Rechtsansicht nicht veranlaßt sehen werde, einen Gesetzesprüfungsantrag beim VfGH zu stellen. Der VfGH hat nämlich in seinem Beschluß vom 13. Juni 1979, VfSlg. 8552, ausgesprochen, es sei nicht ausschlaggebend, ob und inwieweit das Gericht der zweiten Rechtsstufe auf die Kritik der Partei an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesbestimmungen eingehe. Der VfGH sieht sich im Hinblick auf den vorliegenden Antrag nicht veranlaßt, von dieser Rechtsansicht abzugehen (VfSlg. 9394/1982).
Der Antrag ist daher mangels Legitimation der Antragstellerin zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, WohnbauförderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:G86.1983Dokumentnummer
JFT_10159775_83G00086_00