TE Vfgh Erkenntnis 2006/6/21 B947/05

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Veröffentlicht am 21.06.2006
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/03 Personenstandsrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 2.340 € bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der angefochtene Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 30. Juni 2005 bestätigt einen Bescheid des Magistrates Graz vom 12. April 2005, womit ein Antrag auf Änderung der Eintragung des Geschlechts von "männlich" auf "weiblich" im Geburtenbuch abgewiesen wird.

Der Berufungswerber sei in aufrechter Ehe verheiratet und habe nicht die Absicht, die Ehe durch Scheidung aufzulösen. Der begehrte Vermerk im Geburtenbuch solle nur die durch die geschlechtsanpassende Operation unrichtig gewordene Eintragung des Geschlechts korrigieren. Der "Transsexuellen-Erlass" des Bundesministers für Inneres (1996) sehe - abgesehen von verfahrensrechtlichen Anforderungen - vor, dass ein Randvermerk über die Änderung des Geschlechts im Geburtenbuch nur dann eingetragen werden dürfe, wenn der Antragsteller oder die Antragstellerin nicht verheiratet ist. Er trage damit dem Umstand Rechnung, dass die gleichgeschlechtliche Ehe nicht vorgesehen ist und als den Grundwerten der Rechtsordnung zuwiderlaufend angesehen werde.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der unter anderem die Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) gerügt wird.

II. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof die Gesetzmäßigkeit des die Eintragung der Änderung des Geschlechts in das Geburtenbuch betreffenden, als Rechtsverordnung qualifizierten Punktes 2 des Erlasses des Bundesministers für Inneres vom 27. November 1996, Z36.250/66-IV/4/96, über die personenstandsrechtliche Stellung Transsexueller ("Transsexuellen-Erlass") geprüft. Mit Erkenntnis vom 8. Juni 2006, V4/06, hat er u.a. den in Prüfung gezogenen Punkt 2 aufgehoben (und ausgesprochen, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind).

III. Die Beschwerde ist begründet.

Nach Art139 Abs6 B-VG ist die aufgehobene Verordnung auf den Anlassfall nicht mehr anzuwenden.

Die belangte Behörde hat eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass dies für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war. Sie wurde wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.303/1984, 10.515/1985).

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

Dies kann gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 360 € sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von 180 € enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B947.2005

Dokumentnummer

JFT_09939379_05B00947_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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