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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
ASVG; keine Gleichheitswidrigkeit der Wendung "2 und" in §98a Abs2 idF BGBl. 530/1979 im Hinblick auf die unterschiedliche Regelung der Pfändbarkeit von Versehrtenrenten und InvaliditätspensionenSpruch
Der Antrag wird insoweit abgewiesen, als die Aufhebung der Verweisung "2 und" im Eingang des §98a Abs2 ASVG idF der 34. Nov., BGBl. 530/1979, begehrt wird.
Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim LG für ZRS Wien ist ein Rekurs gegen einen Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien anhängig, der die Bewilligung der Exekution durch Pfändung und überweisung der dem Verpflichteten als "Invaliditätspensionisten" gegen die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt zustehenden Bezüge versagt (46 R 832/81). Das Rekursgericht nimmt im Hinblick auf das Alter des Verpflichteten an, daß es sich dabei um einen Rentenanspruch aus der Unfallversicherung oder um übergangsgeld handelt und daher die Anwendung der Exekutionsbeschränkung des §98a Abs2 ASVG in Betracht kommt.
Diese Gesetzesstelle erhielt ihre gegenwärtige Fassung nach Aufhebung der Fassung der 17. Nov. mit Erk. des VfGH VfSlg. 8446/1978 durch die 34. Nov. BGBl. 530/1979. Sie nimmt auf Abs1 dieses Paragraphen Bezug, der bestimmt, daß (unbeschadet der Abs2 bis 4) nur bestimmte Geldleistungen, und zwar mit der Maßgabe gepfändet werden können, daß die Bestimmungen der §§5 bis 9 LohnpfändungsG, BGBl. 51/1955, entsprechend anzuwenden sind. Es handelt sich dabei um folgende Bezüge:
"1. Wochengeld aus der Krankenversicherung;
2. Renten aus der Unfallversicherung sowie das Übergangsgeld (§199);
3. Pensionen aus der Pensionsversicherung einschließlich der Ausgleichszulagen;
4. Übergangsgeld aus der Pensionsversicherung (§306)".
Abs2 schränkt sodann die Pfändbarkeit noch weiter ein wie folgt:
"Die im Abs1 Z2 und 4 angeführten Bezüge können nur dann gepfändet werden, wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art der vollstreckbaren Forderung und der Höhe der zu pfändenden Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspricht. §4 Abs3 des Lohnpfändungsgesetzes, BGBl. 51/1955, gilt entsprechend."
2. Die zuletzt genannte Bestimmung hält das antragstellende Gericht für verfassungswidrig, weil sie die Rente aus der Unfallversicherung (Abs1 Z2) anders behandelt als eine Invaliditätspension (§255 ASVG) aus der Pensionsversicherung der Arbeiter (Abs1 Z3). Der Antrag führt dazu folgendes aus:
"Die Frage, gegen welchen Sozialversicherungsträger sich der Anspruch richtet, ist nun sicher kein hinreichender Grund für eine differente Behandlung der Ansprüche. Der Versicherungsfall aber ist bei beiden Ansprüchen die eingetretene Minderung der Arbeitsfähigkeit. Hier gibt es also auch keinen tauglichen Grund für eine Differenzierung. Es bleibt also bloß der Unterschied, daß die geminderte Arbeitsfähigkeit bei Ansprüchen gegen die AUVA durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit, bei Ansprüchen gegen einen anderen Versicherungsträger aber durch eine Gesundheitsstörung anderer Genese verursacht wurde. Es ergibt sich also die Frage, ob es dem einfachen Gesetzgeber gestattet ist, Ersatzansprüche unterschiedlichen Ausmaßes und/oder unterschiedlichen (exekutionsrechtlichen) Schutzes einzuräumen, je nach dem, ob das schädigende Ereignis durch unerlaubte Tätigkeit, etwa bei einem Verbrechen (versari in re illicita), durch indifferente Tätigkeit (Sport, Spiel, Freizeit), oder durch erwünschte, sozial wertvolle Tätigkeit (Arbeit, Landesverteidigung) eintrat. Diese Frage meint das Rekursgericht an sich bejahen zu müssen. Doch eine solche Differenzierung sieht das geltende Gesetz nicht konsequent vor: Auch die Tätigkeit, die zu einer Invaliditätspension gegen die PVA der Arbeiter geführt hat, kann eine sozial wertvolle gewesen sein (Lebensrettung bei einem Brand usw.).
Die Anfechtung der Bestimmungen des ASVG über die Pfändbarkeit von Leistungsansprüchen nach dem ASVG ist geradezu eine Lebensaufgabe. Immer wieder wurden die jeweils in Kraft befindlichen einfach gesetzlichen Regelungen angefochten. Immer wieder wurden sie vom VfGH aufgehoben.
Die Ursache dieser laufenden Beseitigung der jeweiligen Regelung ist darin zu suchen, daß der Gesetzgeber des ASVG jeweils die Bestimmung des §4 des Lohnpfändungsgesetzes zum Vorbild nahm. Da diese Bestimmung selbst verfassungswidrig ist, ist es nicht verwunderlich, daß auch die Regelungen des ASVG immer wieder verfassungswidrig ausfallen mußten.
§4 (1) Z1 des Lohnpfändungsgesetzes ordnet an, daß Renten, die wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind, grundsätzlich unpfändbar sind. Der einfache Gesetzgeber übersieht bei dieser Regelung, daß der Rechtsgrund dieser Renten regelmäßig Schadenersatz ist. An die Stelle des Arbeitseinkommens, das der Verletzte ohne Körperverletzung erzielt hätte, tritt die Rente wegen Verdienstentganges. Durch diesen Schadenersatz soll 'alles in den vorigen Stand zurückversetzt oder wenn dies nicht tunlich ist, der Schätzwert vergütet werden' (§1323 ABGB). Der Schadersatz soll also eine dem 'vorigen Stand' wirtschaftlich möglichst gleiche Ersatzlage herbeiführen. In den Erk. Nr. 1 zu §1323 ABGB sagt die Judikatur, daß 'Wiederherstellung' nicht buchstäblich die Herstellung des vorherigen Zustandes, sondern einer wirtschaftlich gleichen Lage ('Ersatzlage') ist, also etwa bei Beschädigung einer Sache deren Reparatur und den Ausgleich der Wertminderung bezweckt. Nach den Zielen des Gesetzes soll also die Rente wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit wirtschftlich die gleiche Lage schaffen, wie sie ohne Verletzung durch das Arbeitseinkommen gegeben gewesen wäre. Die 'Ersatzlage' soll sich dem 'vorigen Stand' möglichst anschmiegen. Wer kann es unter diesen Umständen verstehen, daß der einfache Gesetzgeber das Arbeitseinkommen - vom Freibetrag nach den §§5 oder 6 des Lohnpfändungsgesetzes abgesehen - für pfändbar erklärt, die Pfändbarkeit der Rente wegen Körperverletzung aber im §4 Abs1 Z1 des Lohnpfändungsgesetzes grundsätzlich verneint?
Diese Differenzierung ist also verfassungswidrig.
In diesem Zusammenhang sei hervorgehoben, daß sich die vorstehenden Erwägungen nicht auf Exekutionsbeschränkungen etwa zugunsten des Hilflosenzuschusses (§98a Abs3 ASVG) oder des Schmerzengeldes (§291 EO) beziehen. Der Hilflosenzuschuß gebührt demjenigen, der ständig fremde Hilfe und Wartung braucht, um nicht dem Verkommen preisgegeben zu sein. Die Finanzierung dieses Mehraufwandes soll ihm solcherart erleichtert werden. Beim Schmerzengeld aber geht es auch nicht um entgangenes Arbeitseinkommen, sondern um einen einmaligen Pauschalausgleich für die mit der Verletzung verbundenen Schmerzen und sonstigen Unlustgefühle. Der Verletzte soll als Ausgleich für entgangene Lebensfreude in die Lage versetzt werden, sich gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen. Um die Ansprüche aus solchen Rechtsgründen ging es also bei den vorstehenden Erwägungen wie gesagt - nicht, sondern um die sachlich nicht zu rechtfertigende Differenzierung zwischen dem Arbeitseinkommen und der sie vertretenden Invaliditätspension etwa gegen die PVA der Arbeiter einerseits und den Renten aus der Unfallversicherung sowie dem Übergangsgeld iS des §98a Abs1 Z2 ASVG andererseits."
3. Die Bundesregierung hält die angefochtene Bestimmung nicht zur Gänze für präjudiziell. Das anhängige Exekutionsverfahren betreffe offenbar nur Renten oder ein Übergangsgeld aus der Unfallversicherung. §98a Abs2 ASVG beziehe sich aber auch auf die Z4 des Abs1 betreffend das Übergangsgeld aus der Pensionsversicherung, also auf einen Anspruch, mit dem sich das antragstellende Gericht nicht zu befassen habe.
In der Sache weist die Bundesregierung darauf hin, daß die Versehrtenrente und die Invaliditätspension durch verschiedene Versicherungsfälle ausgelöst würden: die Invaliditätspension durch eine Minderung der Arbeitsfähigkeit (§222 Abs1 Z2 ASVG), die Versehrtenrente durch die aus einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit entstandene körperliche Schädigung des Versicherten (§173 Z1 ASVG), wobei die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht der auslösende Versicherungsfall, sondern das Kriterium für das Ausmaß des Rentenanspruchs sei. Die Leistungen würden auch unter verschiedenen Voraussetzungen gewährt. Für die Invaliditätspension sei das Absinken des Zustandes des Versicherten (gemeint: seiner Arbeitsfähigkeit) auf weniger als die Hälfte im Vergleich mit einem körperlich und geistig Gesunden erforderlich, bei der Versehrtenrente müsse die Gesundheitsschädigung infolge eines geschützten Unfalles (Arbeitsunfalles) oder einer Berufskrankheit für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 20 vH geführt haben.
Sollte das antragstellende Gericht jedoch den Zweck der Versehrtenrente mit dem der Invaliditätspension vergleichen, so sei dazu folgendes zu bemerken:
"Die Versehrtenrente will den durch die unfallbedingte Erwerbsminderung eintretenden Einkommensentfall ausgleichen. Dieser Zweck beruht auf dem ursprünglichen Konzept der Unfallversicherung, den Arbeitgeber von der Haftung für Personenschäden aus Arbeitsunfällen seiner Arbeitnehmer zu entlasten und den für den Arbeitnehmer nur sehr schwer realisierbaren Schadenersatzanspruch gegen den Arbeitgeber durch einen Anspruch gegen die gesetzliche Unfallversicherung abzulösen. Die Versehrtenrente enthält somit wesentliche Elemente der Schadensabgeltung.
Die Hauptaufgabe der Pensionsversicherung - auch bei einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit - besteht darin, durch langfristige Pensionszahlungen, die anstelle des Arbeitseinkommens treten, die Einkommenssicherung und damit die materielle Lebensbasis für den Versicherten bzw. seine Hinterbliebenen zu gewährleisten. Diese Pensionsleistung dient somit in erster Linie der Existenzsicherung.
Auch ihrem Zweck nach sind die Versehrtenrente und die Invaliditätspension somit deutlich voneinander verschieden. Die Behauptung im Aufhebungsantrag, bei Ansprüchen wegen Minderung der Arbeitsfähigkeit gegen die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt und gegen einen anderen Versicherungsträger bestehe bloß der Unterschied, daß sich die geminderte Arbeitsfähigkeit im ersten Fall auf einen Arbeitsunfall (Berufskrankheit), im zweiten Fall auf eine Gesundheitsstörung anderer Genese gründet, ist demnach unzutreffend. Angesichts der angeführten und wesentlichen Unterschiede zwischen der Versehrtenrente und der Invaliditätspension hat nach Auffassung der Bundesregierung der Gesetzgeber durch die verschiedene pfändungsrechtliche Behandlung der beiden Leistungen im Rahmen des §98a ASVG Ungleiches zu Recht ungleich behandelt (vgl. VfSlg. 2930, 2957, 3104, 5356 ua.).
Sollte das Schwergewicht des Aufhebungsantrages auf seinem letzten Satz liegen, so ist dazu zu sagen, daß die darin aufgestellte Behauptung in keiner Weise zu überzeugen vermag. Schon allein deswegen, weil der Unterschied zwischen der Invaliditätspension allein und den gesamten 'Renten aus der Unfallversicherung sowie dem Übergngsgeld iS des §98a Abs1 Z2 ASVG' ohne nähere Ausführungen offenkundig ist. Etwa wenn man den Zweck der Übergangsrente (§211 ASVG) bzw. der Witwen- oder Waisenrente (§§215 und 218 ASVG) oder des übergangsgeldes (§199 ASVG) mit dem der Invaliditätspension vergleicht."
II. Der Antrag ist insoweit zulässig, als er die Verweisung "2 und" im Eingang des §98a Abs2 ASVG betrifft. Im übrigen ist er als unzulässig zurückzuweisen.
Das antragstellende Gericht geht davon aus, daß es sich bei den zu pfändenden Bezügen um einen Rentenanspruch aus der Unfallversicherung oder um Übergangsgeld handelt. Dieser Annahme kann der VfGH im Hinblick auf den Beurteilungsspielraum des zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufenen Gerichts nicht entgegentreten. Leistungen aus der Unfallversicherung erfaßt §98a Abs1 in seiner Z2. Daß es sich um ein Übergangsgeld aus der Pensionsversicherung (Abs1 Z4) handeln könnte, ist dem Antrag aber nicht zu entnehmen und nach Lage der Sache offenbar ausgeschlossen. Da die angegriffene Bestimmung in der Formulierung "Die im Abs1 Z2 und 4 angeführten Bezüge ..." beide Fälle getrennt regelt und eine bloße Aufhebung der Wendung "2 und" den zweiten Fall unberührt läßt - während die Belassung des keinesfalls anwendbaren Hinweises auf Z4 für sich allein sinnlos wäre -, kann das Verfahren unter dem Blickwinkel der vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken im Ergebnis nur bezüglich der Wendung "2 und" zulässig sein.
III. Im zulässigen Umfang ist der Antrag jedoch nicht begründet.
1. Die Bestimmung über die Pfändbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Geldleistungsansprüche hat den VfGH bereits wiederholt beschäftigt:
Im Erk. VfSlg. 4279/1962 hat der Gerichtshof jenen Teil des §98 Abs1 Z2 ASVG in der Stammfassung aufgehoben, der bestimmte, daß Geldansprüche nach diesem Gesetz auch zur Deckung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen nur soweit gepfändet werden dürfen, daß dem Unterhaltspflichtigen die Hälfte der Bezüge freibleibt. Der Gerichtshof ist damals davon ausgegangen, daß der Pfändungsschutz des Unterhaltsverpflichteten ohne Rücksicht auf das Pfändungsobjekt gleiches Ausmaß haben soll, hielt allerdings eine unterschiedliche Behandlung aus Unterschieden in der Qualität der Pfändungsobjekte ableitbar und damit sachlich begründbar und führte aus:
"Der VfGH ist zB der Meinung, daß der Anspruch auf Stillgeld (§163 ASVG) und der Anspruch auf Entbindungsbeihilfe (§164 ASVG) sich im Hinblick auf den besonderen Zweck dieser Sozialversicherungsleistungen von anderen Pfändungsobjekten derart unterscheiden, daß daraus eine gewisse Differenzierung im Pfändungsschutz ableitbar ist. Ähnliches vermag auch noch für andere Ansprüche auf Geldleistungen nach dem ASVG zutreffen. Der VfGH kann aber, zumindest soweit §98 Abs1 Z2 ASVG Ansprüche auf Geldleistungen aus der Pensionsversicherung betrifft, nicht finden, daß sich diese Ansprüche von sonstigen Einkommensarten einschließlich jener, die unter das Lohnpfändungsgesetz fallen, dermaßen unterscheiden, daß daraus die in der in Prüfung stehenden Gesetzesstelle liegende unterschiedliche Behandlung ableitbar wäre. An dieser Feststellung vermag auch der Hinweis der Bundesregierung, daß die Renten dem Unterhalt der Anspruchsberechtigten dienen, nichts zu ändern. Dies vor allem deshalb nicht, weil es im gegebenen Zusammenhang nicht auf den Unterhalt schlechthin, sondern darauf ankommt, daß die in Prüfung stehende Regelung den Pfändungsschutz nicht auf den 'notwendigen Unterhalt' beschränkt".
Im Erk. VfSlg. 4860/1964 hat der VfGH §98 Abs1 ASVG idF der 11. Nov., BGBl. 184/1963, neuerlich geprüft und das Wort "gepfändet" aufgehoben, weil es die Pfändung (wie auch die Übertragung oder Verpfändung) von Geldleistungsansprüchen nur zur Deckung von Vorschüssen oder zur Deckung von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen nach Maßgabe des §6 LohnpfändungsG zuließ, während Ruhe- und Versorgungsgenüsse der Beamten und sonstige Ruhegelder nur dem allgemeinen Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen (§§5 bis 9 LohnpfändungsG) - also nur Beschränkungen der Höhe nach - unterlagen. Der VfGH anerkannte weiterhin, daß unterschiedliche Regelungen im Hinblick auf die Natur des Pfändungsobjektes zulässig seien, und brachte dies folgendermaßen zum Ausdruck:
"Keine unsachliche Regelung läge vor, wenn zwischen den Pensionen nach dem ASVG und den Ruhe- und Versorgungsgenüssen der Beamten (und den übrigen Ruhegeldern) ein Unterschied bestünde, aus dem die verschiedene Behandlung dieser Bezügegruppen als Exekutionsobjekt ableitbar wäre."
Mit der 17. Nov., BGBl. 309/1965, wurde die Regelung der Pfändung aus dem Zusammenhang mit der Regelung der Übertragung und Verpfändung von sozialversicherungsrechtlichen Geldleistungsansprüchen gelöst und in einem neuen §98a getroffen. Dessen (später durch die 32. Nov., BGBl. 704/1976, geänderter) Abs1 entsprach im wesentlichen Inhalt der jetzt geltenden Fassung (nur das Übergangsgeld aus der Pensionsversicherung war noch mit den in Z3 geregelten Pensionen zusammengefaßt). Abs2 dieser Neuregelung hob der VfGH mit dem Erk. VfSlg. 8446/1978 abermals auf, weil er alle in Abs1 angeführten Bezüge mit Ausnahme der Pensionen aus den Versicherungsfällen des Alters nur bedingt - also nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen nach dem Muster des §4 LohnpfändungsG - der Pfändung unterwarf. Der Gerichtshof verglich die Invaliditätspension im weiteren Sinn mit dem Ruhegenuß des dienstunfähig gewordenen und deshalb in den zeitlichen oder dauernden Ruhestand versetzten Beamten und konnte keine Unterschiede erkennen, die diese unterschiedliche pfändungsrechtliche Behandlung rechtfertigen könnten. Auch in dieser Entscheidung blieb der VfGH - wie der folgende Teil der Entscheidungsgründe erkennen läßt - bei seinem Standpunkt, daß Unterschiede in der Qualität von Pfändungsobjekten eine unterschiedliche Regelung in bezug auf den Pfändungsschutz sachlich begründen können:
"Trifft aber der Vorwurf der Gleichheitsverletzung schon im Verhältnis zu den Ruhegenüssen aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen zu, so kommt es nicht mehr darauf an, ob auch die innerhalb des Kreises der Bezieher von Pensionen nach den Sozialversicherungsgesetzen getroffene Unterscheidung in Alterspensionen und sonstige Leistungen unsachlich ist.
IV. Mit der aufgzeigten Verfassungswidrigkeit sind die in Prüfung stehenden Vorschriften zur Gänze behaftet. Selbst wenn sich unter den in den jeweiligen ersten Absätzen genannten, der Pfändung unterworfenen Leistungen auch solche befänden, für die eine Pfändungsbeschränkung nach Art der zweiten Absätze ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz verfügt werden könnte, ließe doch der Wortlaut der Gesetzesstellen eine Trennung in einen verfassungsmäßigen und einen verfassungswidrigen Teil nicht zu".
2. Im Hinblick auf die Aufhebung des §98a Abs2 ASVG erhielt diese Bestimmung die der Prüfung zugrunde liegende Fassung. Die Änderung beschränkte sich darauf, das Wochengeld (Z1) und die Pensionen aus der Pensionsversicherung einschließlich der Ausgleichszulagen aus den besonderen Pfändungsbeschränkungen herauszunehmen und diese besonderen Pfändungsbeschränkungen insoweit zu lockern, als die dem §4 LohnpfändungsG entsprechende weitere Voraussetzung einer erfolglosen Exekution in das sonstige bewegliche Vermögen des Verpflichteten entfallen ist. Die Materialien (RV 92 BlgNR 15. GP, 16) führen dazu aus:
"Der VfGH hat mit seinem Erk. vom 4. Dezember 1978, G27/78-12, §98a Abs2 des ASVG mit Ablauf des 30. November 1979 als verfassungswidrig aufgehoben (Kundmachung vom 22. Dezember 1978, BGBl. 663). Wenn auch dadurch die Pfändungsbeschränkung nur der im Abs1 des §98a ASVG bezeichneten Leistungen (Wochengeld aus der Krankenversicherung, Renten aus der Unfallversicherung, Übergangsgeld aus der Unfall- und Pensionsversicherung sowie Pensionen aus der Pensionsversicherung einschließlich der Ausgleichszulagen) weggefallen ist, so bewirkt die Aufhebung, daß im Zuge der Neufassung des §98a ASVG die Pfändungsbeschränkung auch der anderen Sozialversicherungsleistungen neu überdacht und klargestellt werden muß.
Nach Auffassung des VfGH ist in der im §98a Abs2 ASVG enthaltenen Bestimmung ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot in erster Linie darin zu erblicken, daß die in der zitierten Gesetzesstelle genannten Pensionen nur nach Art des §4 des Lohnpfändungsgesetzes bedingt - also nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen - pfändbar sind, während die Pfändung von Ruhegenüssen aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen nur den Beschränkungen der §§5 bis 9 Lohnpfändungsgesetz - also solchen der Höhe nach - unterliegt. Im Hinblick auf diese Rechtsmeinung des VfGH erscheint es rechtlich unzulässig, für die Pensionsleistungen die Begünstigung der bedingten Pfändbarkeit wieder einzuführen.
Jede besondere Behandlung der Pensionsleistung bei Exekution würde ja - infolge der unbedingten Pfändbarkeit von Ruhegenüssen der Beamten - gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen.
Darüber hinaus sollte auch für das Wochengeld die bedingte Pfändbarkeit nicht wieder eingeführt werden. Beim Wochengeld handelt es sich nämlich ebenfalls um eine Leistung, die vorwiegend das entfallende Arbeitsentgelt ersetzen soll.
Nur für die Renten in der Unfallversicherung und das Übergangsgeld in der Unfall- und Pensionsversicherung erscheint die Wiedereinführung einer bedingten Pfändbarkeit gerechtfertigt. Der VfGH hat ja die bedingte Pfändbarkeit im Bereich der Sozialversicherung nicht schlechthin verworfen, sondern im Abschn. IV des Erk. ausdrücklich erklärt, daß der Wortlaut der aufgehobenen Gesetzesstelle eine Trennung in einen verfassungswidrigen und einen verfassungsmäßigen Teil von der Diktion her nicht zulasse, weshalb die gesamte Gesetzesstelle aufzuheben wäre.
Bei der Versehrtenrente handelt es sich um eine Leistung, die aus einem anderen Motiv als eine Pension aus der Pensionsversicherung (ein Ruhegenuß) gewährt wird. Denn die Versehrtenrente hat zumindest nicht ausschließlich den Zweck, wirtschftlichen Ersatz für fehlendes oder ausgefallenes Arbeitseinkommen zu bieten. Die Versehrtenrente gebührt bei entsprechendem Ausmaß der Versehrtheit nämlich auch dann, wenn vor und nach dem Unfall ein gleich hoher Lohn erzielt wird oder erzielt werden kann; somit ist die Rente jedenfalls auch dazu bestimmt, den unfallbedingten Mehraufwand an Mühe und erhöhtem Kraftverbrauch abzugelten (OLG Wien 19R 59/71). Somit weist sie die größte Ähnlichkeit mit den in §4 Abs1 Z1 Lohnpfändungsgesetz genannten 'Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind' auf.
Die Hinterbliebenenrenten haben ebenfalls in vielen Fällen keine echte Einkommensersatzfunktion. Der durch den Tod des 'Ernährers' entstehende Unterhaltsentgang wird meist schon durch die Pensionen aus der Pensionsversicherung ausgeglichen. Die Hinterbliebenenrenten aus der Unfallversicherung weisen vielmehr Parallelen mit der in §4 Abs1 Z2 Lohnpfändungsgesetz angeführten Rente, die wegen Entziehung einer auf gesetzlicher Vorschrift beruhenden Unterhaltsrente zu entrichten ist, auf.
Auch das Übergangsgeld soll keine Kompensation für einen Verdienstausfall bedeuten, sondern wird als eine finanzielle Maßnahme im Rahmen der Rehabilitation gewährt. Die Wiedereinführung der bedingten Pfändbarkeit für diese Leistungen - Z2 und Z4 neu in §98a Abs1 ASVG - ist somit auch hier gerechtfertigt."
3. Der VfGH findet die Bedenken des antragstellenden Gerichts für nicht stichhältig, die sich - wie die folgenden Ausführungen zeigen - nur auf einen Teilaspekt des hier zu betrachtenden Problemkreises beziehen. Er behält die Richtung seiner Judikatur bei, daß eine unterschiedliche Behandlung von Pfändungsobjekten in ihrer Qualität und damit sachlich begründet sein muß. Die demnach erforderliche Beurteilung der Pfändungsobjekte darf sich aber nicht in einer bloßen Gegenüberstellung ihrer charakteristischen Merkmale erschöpfen, sondern muß sich auch auf typische Konstellationen erstrecken, die sich aus dem Zusammentreffen einer Geldleistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit einem Erwerbseinkommen oder etwa aus dem Zusammentreffen beider, einerseits aus der Unfallversicherung und andererseits aus der Pensionsversicherung stammender Sozialversicherungsleistungen ergeben können. Schließlich ist im gegebenen Zusammenhang auch zu berücksichtigen, daß die in Prüfung stehende Gesetzesvorschrift keinen absoluten, sondern bloß einen an Billigkeitsgesichtspunkten orientierten einzelfallbezogenen Pfändungsschutz gewährt.
4. Der vorzunehmende Vergleich hat die hier praktisch bedeutsamsten Leistungsfälle beider Sozialversicherungszweige, nämlich die Versehrtenrente aus der Unfallversicherung und die Invaliditätspension im weiteren Sinn (einschließlich Berufsunfähigkeitspension und Erwerbsunfähigkeitspension) aus der Pensionsversicherung ins Auge zu fassen, die gewiß die grundsätzliche Aufgabe gemeinsam haben, Ersatz für fehlendes oder ausfallendes Arbeitseinkommen zu sein. Der Unterschied zwischen diesen Leistungen sowohl in struktureller Hinsicht als auch in Ansehung des Ausmasses der vorgenommenen Abgeltung ist jedoch nicht unbeträchtlich. Während die gesetzliche Pensionsversicherung im Bereich der Invaliditätspension (abgesehen vom Fall des ungelernten Arbeiters) Berufsschutz gewährt, ist die Unfallversicherung nach herrschender Auffassung und ständiger, gefestigter Rechtsprechung keine Berufsversicherung, sie verweist den Versicherten auf alle Tätigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet werden und die ihm unter billiger Berücksichtigung der von ihm bisher ausgeübten Tätigkeiten und seiner Ausbildung zugemutet werden können (s. dazu Tomandl, Das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung,
S 97 f.). Die Invaliditätspension setzt erst ein, wenn die Arbeitsfähigkeit auf weniger als die Hälfte herabgesunken ist, besteht dann aber in einem Anspruch auf eine nicht weiter differenzierte Geldleistung, die gewissermaßen eine vorweggenommene Alterspension darstellt. Die Versehrtenrente in der Unfallversicherung umfaßt dagegen - je nach dem Grad der unfallsbedingten Einschränkung - ein breites Spektrum der Minderung der Erwerbsfähigkeit zwischen 20 vH und ihrem vollständigen Verlust und führt (unter Bedachtnahme auf die Zusatzrente für Schwerversehrte) zu Geldleistungen zwischen (gerundet) 13,3 und 80 vH der Bemessungsgrundlage. Während die Gewährung der Invaliditätspension kraft ihrer Voraussetzungen regelmäßig die Annahme erlaubt, daß der Betroffene aus seiner bisherigen Berufstätigkeit ausgeschieden ist, trifft dies bei Beziehern von Versehrtenrenten, die aufgrund einer niedrigeren Minderung der Erwerbsfähigkeit gewährt werden, vielfach nicht zu; die sogenannte abstrakte Rentenbemessung führt im Falle gleichbleibenden Erwerbseinkommens zum Ausgleich von Erschwernissen, künftigen Berufsunsicherheiten und des Verschleißes an körperlicher Substanz (Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, 2.3.3.2.3.1., S 301). Trifft nun eine niedrige Versehrtenrente mit Erwerbseinkommen zusammen, so kann der Versehrtenrente wirtschftlich die eben geschilderte Funktion zukommen, sie kann aber - was wohl der Ausnahmsfall sein dürfte - tatsächlich auch nach einem vollzogenen Wechsel in einen geringer belastenden Beruf Ausgleich für herabgesetztes Erwerbseinkommen sein. Ein anderes Bild bietet sich im Fall, daß eine niedrigere Versehrtenrente mit einer Invaliditätspension zusammenkommt; hier wird die Summe dieser Geldleistungen regelmäßig wohl hinter dem ursprünglichen Erwerbseinkommen zurückbleiben, doch muß dies bei einer besonderern Lagerung des Einzelfalles nicht zutreffen. Zu berücksichtigen ist auch die besondere Situation beim Bezug einer Versehrtenrente durch einen Schwerversehrten (§205a ASVG), wobei hier als Regelfall ein tatsächlicher Einkommensentfall angenommen wird (Tomandl, Das Leistungsrecht, S 108). Diese und ähnliche, in ihrer Mannigfaltigkeit kaum vollständig überblickbaren Fallgestaltungen mögen allenfalls noch keine sachliche Begründung für eine gänzlich unterschiedliche Regelung der Pfändbarkeit bieten, nämlich einer solchen, nach der (sieht man von den Vorschriften des LohnpfändungsG ab) Invaliditätspensionen voll der Pfändung unterliegen, Renten aus der Unfallversicherung dagegen einen absoluten Pfändungsschutz genießen. Die dargestellten Unterschiede in den konkreten, wohl nicht zur Gänze schematisch erfaßbaren wirtschaftlichen Lebenssachverhalten rechtfertigen jedoch die Annahme einer auf den Gesichtspunkt der Billigkeit abgestellten Schutzbedürftigkeit von Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung gegen den exekutiven Zugriff, denen - wie wiederholend gesagt sei - nach Art, Höhe und überdies im Hinblick auf das wirtschaftliche Resultat beim Zusammentreffen mit einem Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder der gesetzlichen Pensionsversicherung eine wesentlich unterschiedliche Funktion im Vergleich zu einer Invaliditätspension zukommt. Zu diesen Überlegungen tritt noch hinzu, daß der Gesetzgeber sich mit der in Prüfung gezogenen Vorschrift (auch) insoweit im rechtspolitischen Freiraum bewegt, als sie es dem rechtsanwendenden Organ neben der vorrangigen Berücksichtigung der wirtschftlichen Funktion der im konkretn Fall bezogenen Versehrtenrente überdies auferlegt, in Ansehung der exekutiv geltend gemachten Forderung auf die individuelle Lage des auf die Versicherungsleistung greifenden Gläubigers Bedacht zu nehmen und jene in die vorzunehmende Abwägung einzubeziehen.
5. Der Antrag des LG für ZRS Wien war sohin aus diesen Erwägungen abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Exekutionsrecht, Lohnpfändung, Sozialversicherung, Pensionsversicherung, Unfallversicherung, Versehrtenrente, Invaliditätspension, VfGH / Prüfungsmaßstab, Rechtsbegriffe unbestimmteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:G56.1982Dokumentnummer
JFT_10159772_82G00056_00