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86 VeterinärrechtNorm
B-VG Art20 Abs1Leitsatz
Tierseuchengesetz; keine Bedenken gegen §42; keine Bedenken gegen die Magistratskundmachung vom 30. Jänner 1947 betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung der Wutkrankheit der Hunde; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine EigentumsverletzungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Jänner 1979, Z MA 58-U 2/76/Str., wurde das von der Bf. bekämpfte Straferk. des Magistratischen Bezirksamtes für den 19. Bezirk vom 12. Juli 1976 mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch dahin zu lauten hat, daß die Beschuldigte ihre beiden Hunde in den Nächten zum 24. und zum 29. Mai 1976 in Wien 19, E-Gasse-S-Weg, weder an der Leine geführt noch mit sicheren Maulkörben versehen und dadurch je eine Verwaltungsübertretung gemäß §1 der Kundmachung des Wr. Magistrates betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung der Wutkrankheit der Hunde vom 30. Jänner 1947, Abl. der Stadt Wien Nr. 7/1947, begangen habe, wofür gemäß §63 Abs1 litc und Abs2 des Tierseuchengesetzes, RGBl. 177/1909 idF BGBl. 141/1974, über die Bechuldigte Geldstrafen von je 500 S, im Falle der Uneinbriglichkeit Ersatzarreststrafen von je 36 Stunden verhängt wurden.
Begründend wurde ausgeführt, daß aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens feststehe, daß die beiden Hunde der Bf. zur genannten Tatzeit deren Garten verlassen hätten und auf ein Nachbargrundstück eingedrungen seien, wo sie einen Hasen gerissen hätten. Weiters stehe fest, daß sich die Hunde regelmäßig ab 23.00 Uhr im Garten, der bis zirka 24.00 Uhr als Gasthausgarten für die Gäste des Heurigenlokales zur Verfügung stehe, aufhielten. Da dieser im Monat Mai 1976 von Gästen auch tatsächlich aufgesucht wurde, sei er als öffentlicher Ort iS des §1 Abs2 der zitierten Kundmachung anzusehen. Daß die Hunde von Gästen auf die Straße gelassen werden könnten, sei für die Bf. jedenfalls vorhersehbar gewesen. Was die Verfassungs- bzw. Gesetzmäßigkeit der gegenständlichen Verwaltungsvorschrift anlange, wurde bemerkt, daß sich die in Rede stehende Magistratskundmachung auf die §§2, 41 und 42 des Tierseuchengesetzes stütze und insbesondere §42 leg. cit. für die Anordnung des Maulkorb- und Leinenzwanges eine eindeutige gesetzliche Grundlage bilde.
1.2. Im Verwaltungsakt findet sich eine im Zuge des Berufungsverfahrens eingeholte gutachtliche Stellungnahme der für Veterinärangelegenheiten zuständigen Magistratsabteilung 60, aus der hervorgeht, daß vom Zeitpunkt der Erlassung der Kundmachung des Wr. Magistrates vom 30. Jänner 1947 bis "zum heutigen Tage" (das ist der 19. Dezember 1977) für das gesamte Gebiet der Stadt Wien die Gefahr des Ausbruches oder der Verbreitung der Wutkrankheit bestehe.
2.1. Gegen den vorgenannten Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde gebehrt.
3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1. Zunächst ist auf die von der Bf. erhobenen Bedenken gegen die Magistratskundmachung vom 30. Jänner 1947 zu antworten. Die Bf. vermeint, der Wr. Magistrat sei zur Erlassung dieser V nicht zuständig gewesen, da die Vollzugsklausel des Tierseuchengesetzes ausdrücklich bestimme, daß mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes die oberste Bundesbehörde betraut sei. Die Magistratskundmachung scheine auch deshalb gesetzwidrig, weil die erforderliche Genehmigung durch das zuständige Bundesministerium nicht vorliege und der Magistrat nicht Verwaltungsbehörde iS des §2 Tierseuchengesetz sei. Die Verwaltungsbehörden erster Instanz könnten eine solche V nur dann erlassen, wenn dies vom zuständigen Bundesminister veranlaßt werde, da ausdrücklich eine Anleitungs- und Überwachungskompetenz des Bundesministers vorgesehen sei. Darüber hinaus wären die Voraussetzungen nach §§41 und 42 Tierseuchengesetz für eine derartige befristete Maßnahme nicht gegeben gewesen, da eine Feststellung durch die zuständige Behörde, daß in Wien eine Gefahr der Wutkrankheit im Mai 1976 bestanden habe, nicht vorliege. Die Bf. regt daher die amtswegige Einleitung eines Verordnungsprüfungsverfahrens an.
Der VfGH hegt keine derartigen Bedenken. Die Magistratskundmachung vom 30. Jänner 1947 wurde aufgrund des §42 Tierseuchengesetz erlassen. Daß gegen diese Gesetzesbestimmung keine Bedenken bestehen, hat der VfGH bereits in VfSlg. 8927/1980 ausgesprochen. Gemäß §2 Abs1 Tierseuchengesetz obliegt die Vollziehung dieses Gesetzes, sofern nichts anderes bestimmt ist, in erster Instanz der Bezirksverwaltungbehörde, das ist in Wien der Magistrat. Demnach obliegt dieser Behörde auch die Vollziehung der im §42 leg. cit. vorgesehenen "Maßregeln". Soweit sich die Bf. auf die Vollzugsklausel des Tierseuchengesetzes (offensichtlich gemeint §79 leg. cit.) beruft, ist der bel. Beh. beizupflichten, daß die Bf. die Bedeutung derselben verkennt und daß aus ihr keineswegs abzuleiten ist, daß die Kundmachung vom Magistrat der Stadt Wien unzuständigerweise erlassen worden sei. Ebenso ist den Ausführungen der Gegenschrift beizupflichten, daß sich aus §2 Abs1 des Tierseuchengesetzes auch in seiner Fassung vor der Nov. BGBl. 141/1974 nicht ableiten läßt, daß es zur Verordnungserlassung einer Genehmigung des zuständigen Bundesministers bedurft hätte. Soweit §2 Abs1 in der Stammfassung ausführt, daß die Handhabung des Gesetzes den politischen Behörden, und zwar in erster Instanz den politischen Bezirksbehörden nach Maßgabe ihres gesetzlichen Wirkungskreises, obliege, und vom "Ackerbauministerium, beziehungsweise vom Handelsministerium geleitet und überwacht" werde, wird das Gesetz von der Bf. ebenfalls nicht richtig verstanden, da mi §2 Abs1 leg. cit. in der Stammfassung lediglich zum Ausdruck gebracht wird, daß die Gesetzesvollziehung unter der Leitung des Bundeministers als oberstem Organ zu erfolgen habe, wie dies nunmehr durch Art20 Abs1 B-VG generell angeordnet ist.
Der VfGH hegt aus den in VfSlg. 2801/1955 dargelegten Gründen aber auch keine Bedenken gegen die Kundmachung des Wr. Magistrats vom 30. Jänner 1947. Die bel. Beh. konnte sich daher auf diese Kundmachung als Rechtsgrundlage stützen.
3.2. Die Bf. behauptete außerdem, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein. Sie stützt diesen Vorwurf jedoch ausschließlich auf die gegen die Magistratskundmachung vom 30. Jänner 1947 vorgetragenen Normbedenken und folgert für den Fall der Aufhebung der Kundmachung, daß die Strafbehörden unzuständigerweise eingeschritten wären. Zur Beantwortung dieses Vorbringens genügt es somit, auf die Darlegungen unter 3.1. zu verweisen. Daß die Verwaltungsbehörden zuständigerweise eingeschritten sind, ergibt sich im übrigen aus den Ausführungen des Erk. VfSlg. 4817/1964, dessen Darlegungen auch für den vorliegenden Fall maßgeblich sind; soweit das Gesetz novelliert wurde, ist dies im vorliegenden Zusammenhang ohne maßgebliche Bedeutung.
3.3. Die Bf. behauptet schließlich, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein. Bei der Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen käme eine Verletzung des Eigentumsrechtes nur in Frage, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise abgewendet hätte (vgl. zB VfSlg. 8866/1980, 9047/1981). Das Beschwerdevorbringen betrifft jedoch nur Sachverhaltsannahmen der bel. Beh., die vertretbarerweise getroffen werden konnten. Selbst wenn sie hiebei nicht richtig vorgegangen wäre, läge hierin jedenfalls kein in die Verfassungssphäre reichendes Fehlverhalten. Die Beantwortung der Frage, ob die Behörde den Sachverhalt richtig festgestellt und das Gesetz richtig angewendet hat, obliegt ausschließlich dem VwGH, der zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufen ist.
Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt somit nicht vor.
3.4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Veterinärwesen, Tierseuchen, Hunde, Behördenzuständigkeit, Gesetz, Vollzugsklausel, Verordnungserlassung, Verwaltungsstrafrecht, Zuständigkeit Verwaltungsstrafrecht, Verordnung Kundmachung, Oberste Organe der VollziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B108.1979Dokumentnummer
JFT_10159771_79B00108_00