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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art118 Abs2Leitsatz
Ktn. Bauordnung; keine Bedenken gegen §46 Abs2; kein Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde durch Aufhebung eines gemeindebehördlichen Baubewilligungsbescheides durch die AufsichtsbehördeSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Eingabe vom 22. Juli 1977 beantragte F J die Baubewilligung zur Errichtung eines "Sommerhäuschens" auf dem Grundstück KG F. Der mit diesem Bauvorhaben befaßte Bauanwalt der Bezirkshauptmannschaft Villach machte mit Schreiben vom 24. August 1977 den Versagungsgrund nach §9 Abs2 litd der Ktn. Bauordnung, LGBl. 48/1969 idF LGBl. 56/1972 (künftig: BO), geltend, da durch den Bau eine Störung des optisch wahrnehmbaren Erscheinungsbildes des Ortsbereiches insoferne eintreten würde, als auf engstem Raum mehrere Objekte vorhanden seien, die jeweils verschiedene Grundrißgrößen bzw. Grundrißformen aufwiesen und außerdem noch mit den verschiedensten Dachformen versehen sein würden. Mit Bescheid vom 10. April 1978 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde F als Baubehörde I. Instanz, ohne auf die Stellungnahme des Bauanwaltes einzugehen, die beantragte Baubewilligung.
1.2. Nach Durchführung eines aufsichtsbehördlichen Verfahrens hob die Bezirkshauptmannschaft Villach mit Bescheid vom 7. September 1978 den Baubewilligungsbescheid vom 10. April 1978 gemäß §19 litc Z1 iVm. §9 Abs2 litd sowie §46 Abs2 BO wegen Nichtigkeit auf.
Begründend wurde ausgeführt, daß der Bauwerber auf der Parzelle KG F an der Nordwestecke eines in Form eines Flugdaches bestehenden Unterstandes ein Gartenhäuschen mit einem Flachdach errichtet habe. Die Höhe des Flachdaches sei so gewählt worden, daß dieses über dem Flugdach, welches als Pultdach ausgeführt sei, zu liegen komme. Weiters sei bei diesem Objekt ein Kamin eingebaut, der zirka 2,50 m über das waagrechte Flugdach rage. Durch diese Ausführung trete eine Störung des optisch wahrnehmbaren Erscheinungsbildes des Ortsbereiches ein, da auf engstem Raum mehrere Objekte mit jeweils verschiedenen Grundrißgrößen bzw. -formen vorhanden seien, welche außerdem noch die verschiedensten Dachformen aufwiesen. Durch diese Art der Verbauung werde ein störender Einfluß auf das gesamte Bild der Ortschaft ausgeübt. Gemäß §19 litc Z1 BO seien Baubewilligungsbescheide mit Nichtigkeit bedroht, wenn durch eine Verletzung des §9 Abs2 lita bis g die Bestimmungen des §15 der BO nicht eingehalten werden. In §15 leg. cit. seien iZm. §13 die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baubewilligung festgelegt, zu welchen ua. auch die Erhaltung des Landschaftsbildes und der Schutz des Ortsbildes gehören. Da trotz Vorliegens des Versagungsgrundes nach §9 Abs2 litd BO die Baubewilligung erteilt wurde, sei spruchgemäß zu entscheiden und der mit Nichtigkeit bedrohte Baubewilligungsbescheid aufzuheben gewesen.
1.3. Die von der bf. Gemeinde und vom Bauwerber erhobenen Berufungen wurden von der Ktn. Landesregierung nach Durchführung einer technischen Begutachtung mit Bescheid vom 1. Feber 1979 als unbegründet abgewiesen.
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der Gemeinde F, in der die bf. Gemeinde die Verletzung des ihr verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes, "ihre Agenden im eigenen Wirkungsbereich auszuüben", geltend gemacht, die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der Ktn. BO angeregt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt hat.
2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1. Die bf. Gemeinde behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrecht verletzt worden zu sein. Art118 Abs3 Z9 B-VG garantiere der Gemeinde die Besorgung der behördlichen Aufgaben auf dem Gebiete der örtlichen Baupolizei im eigenen Wirkungsbereich, und zwar nach Abs4 leg. cit. frei von Weisungen und - vorbehaltlich der Bestimmungen des Art119a Abs5 - unter Ausschluß eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde. Durch Art119a Abs5 B-VG werde lediglich Personen, die durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in ihren Rechten verletzt werden, das Recht eingeräumt, eine Vorstellung an die Aufsichtsbehörde zu erheben; die Aufsichtsbehörde sei jedoch von sich aus nicht berechtigt, Bescheide der Gemeinde zu beheben. Da sich der angefochtene Bescheid auf §19 BO stütze, scheine es notwendig zu prüfen, ob diese Bestimmung mit Art118 B-VG vereinbar sei. Nach §10 BO habe der Bauanwalt im Vorprüfungsverfahren einem Bauvorhaben entgegenstehende Versagungsgründe nach §9 Abs2 geltend zu machen. Diese Stellungnahme eines außerhalb des Gemeindebereiches stehenden Organs sei unanfechtbar. Damit entscheide eine außerhalb der Gemeinde bestehende Behörde über eine Angelegenheit, deren Besorgung der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zustehe. Dies werde noch dadurch verschärft, daß §19 BO Baubewilligungsbescheide mit Nichtigkeit bedrohe, wenn eine Verletzung der in §9 Abs2 lita bis g BO vorgesehenen Regelungen vorliege. Schließlich sehe §46 Abs2 die Aufhebung der mit Nichtigkeit bedrohten Bescheide durch die Bezirkshauptmannschaft vor. "Durch diese Konstruktion der Ktn. BO" sei der Gemeinde "praktisch" das Recht genommen, gegen die subjektive Meinung des Bauanwaltes, ob ein Bau in das Landschaftsbild passe oder nicht, einen Bau zu genehmigen, da weder die Möglichkeit der Erlassung eines positiven Bescheides entgegen der Stellungnahme des Bauanwaltes bestehe. "Der VfGH wolle überprüfen, inwieweit die zitierten Bestimmungen der Ktn. BO verfassungsgemäß sind".
3.2. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmungen der BO, die der staatlichen Gemeindeaufsichtsbehörde das Recht einräumen, von Amts wegen rechtskräftige gemeindebehördliche Baubewilligungsbescheide aufzuheben, genügt es, auf das Erk. VfSlg. 7978/1977 zu verweisen. Wie dort ausgeführt, haben der Bund und das Land gemäß Art119a Abs1 B-VG das Aufsichtsrecht über die Gemeinden auszuüben. Wenn auch im B-VG die Aufsichtsmittel nicht taxativ aufgezählt werden, ergibt sich schon aus dem Wesen dieses Rechtes die Befugnis der staatlichen Aufsichtsbehörde, in Wahrnehmung des Aufsichtsrechtes auch von Amts wegen rechtskräftige Gemeindebescheide zur Wahrung des objektiven Rechts aufzuheben (vgl. auch VfSlg. 4986/1965, 5850/1968 und 5858/1968). Der VfGH sieht daher keine Veranlassung, gegen §46 Abs2 BO von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.
Der VfGH hat aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die sonstigen bei Erlassung des bekämpften Bescheides angewendeten Bestimmungen (§9 Abs2 litd, §19 litc Z1 und §15 der BO).
Soweit von der Bf. Bedenken gegen §10 BO vorgebracht werden, ist darauf hinzuweisen, daß entgegen ihrer Ansicht die Stellungnahme des Bauanwaltes keineswegs eine bindende Wirkung der Gemeinde gegenüber entfaltet.
3.3. Auch eine Verletzung der bf. Gemeinde in dem ihr verfassungsgesetzlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrecht ist nicht gegeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 7459/1974, 7568/1975, 7972/1976, 8150/1977 und 9156/1981) liegt eine Verletzung nur dann und insoweit vor, als eine staatliche Behörde eine Maßnahme trifft, mit der das Recht der Gemeinde auf Besorgung einer bestimmten Angelegenheit im eigenen Wirkungsbereich schlechthin verneint wird.
Das ist hier aber offenkundig nicht der Fall. Der gemeindebehördliche Bescheid wurde nicht mit der Begründung aufgehoben, daß es sich um eine Angelegenheit handle, die gar nicht in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde falle. Die bel. Beh. hat sich mit dem angefochtenen Bescheid auch nicht angemaßt, nach Art einer Berufungsentscheidung in der Verwaltungssache selbst zu erkennen. Auch sonst besteht kein Grund für einen gleichgewichtigen Vorwurf gegen die bel. Beh. Es kann also keine Rede davon sein, daß die bel. Beh. das Selbstverwaltungsrecht der bf. Gemeinde - und sei es auch nur im Ergebnis - verneint hätte. Zu prüfen, ob die bel. Beh. zu Recht die Gesetzwidrigkeit des gemeindebehördlichen Baubewilligungsbescheides angenommen hat, ist der VfGH nicht berufen.
3.4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Baurecht, Baubewilligung, Aufsichtsrecht (Gemeinde), Selbstverwaltungsrecht, Verwaltungsverfahren, Amtspartei, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B126.1979Dokumentnummer
JFT_10159771_79B00126_00