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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Sbg. Anliegerleistungsgesetz; kein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot durch die in §1 Abs2 normierte Gesamtschuldnerschaft mehrerer GrundstückseigentümerSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Nach §1 des Sbg. Anliegerleistungsgesetzes, LGBl. 77/1976 (ALG), haben die Anrainer ua. bei Errichtung von Hauptkanälen durch die Gemeinde Beiträge zu leisten (Abs1). Die Beiträge sind Gemeindeabgaben und von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu erheben. Mehrere Eigentümer eines Grundstücks sind für Beiträge nach diesem Gesetz Gesamtschuldner (Abs2).
Aufgrund dieser Bestimmungen wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Sbg. der bf. Gesellschaft anläßlich der Errichtung des Hauptkanals Karlbauernweg für mehrere Bauplätze ein Beitrag in der Höhe von 121667,50 S vorgeschrieben. Die Gesellschaft hatte in ihrer Berufung eingewendet, sie habe als Bauträger zwei Eigentumswohnungsobjekte errichtet und die Eigentumswohnungen zum Großteil schon verkauft, sie sei nach grundbücherlicher Durchführung einer Reihe von solchen Geschäften nur mehr Eigentümerin von ideellen Anteilen und bereit, die "außerbücherlichen Eigentümer" der bücherlich noch nicht übertragenen Wohnungen über Aufforderung zu nennen; die Vorschreibung könne sich daher nicht allein an sie richten. Die Berufungsbehörde verweist dagegen auf §1 Abs2 Satz 3 ALG (Bescheid und Beschwerde nennen offenbar irrtümlich §1 Abs1 Satz 2).
In der gegen den Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz mit der Begründung gerügt, die von der Behörde herangezogene Bestimmung sei verfassungswidrig. Es sei nicht gerechtfertigt, bloße Miteigentümer und insbesondere Eigentümer geringer Liegenschaftsanteile mit dem vollen Beitrag zu belasten und es ihnen zu überlassen, bei den übrigen Miteigentümern Regreß zu nehmen. Neben dem Einbringungsrisiko bringe das gerade bei Objekten im Wohnungseigentum zufolge der großen Anzahl und den oft unterschiedlichen Wohnsitzen der Beteiligten große Mühen mit sich; die Behörde habe es da viel leichter.
II. Die Beschwerde ist zulässig.
Gegen die Entscheidung der Bauberufungskommission steht kein Rechtsmittel offen und in Angelegenheiten der Gemeindeabgaben findet keinesfalls eine Vorstellung statt (§§53 Abs2 und 77 Abs1 Sbg. Stadtrecht; vgl. auch VfSlg. 9053/1981); der Instanzenzug ist daher erschöpft.
III. Sie ist aber nicht begründet.
1. Sie behauptet ausschließlich die Verfassungswidrigkeit des §1 Abs2 Satz 3 ALG unter dem Gesichtspunkt der Unsachlichkeit einer Gesamtschuldnerschaft von Miteigentümern. Der VfGH teilt die vorgetragenen Bedenken aber nicht:
Schon im Erk. VfSlg. 6013/1969 hat der Gerichtshof die Statuierung einer Gesamtschuld beider Vertragsteile im Grunderwerbsteuerrecht für sachlich gehalten. In den Erk. VfSlg. 5851/1968 und 6753/1972 hat er zu §7 Gerichts- und JustizverwaltungsgebührenG 1962 ausgeführt, daß es nicht unsachlich ist, wenn der Gesetzgeber eine Haftung des Bevollmächtigten als Bürge und Zahler für Gebühren normiert, die durch das Einschreiten des Bevollmächtigten mitverursacht werden. Eine solche Haftung solle die Einhebung der Gebühren erleichtern und deren Einbringlichkeit sichern. An dieser Ansicht hat er im Erk. VfSlg. 8789/1980 festgehalten.
Allerdings hat der VfGH zu §26 EinkommensteuerG 1967 (und zu dem daran anknüpfenden §6 Bundesabgabenordnung in der Stammfassung) erkannt, daß zwischen Haushaltsbesteuerung und Gesamthaftung kein innerer Zusammenhang besteht, weshalb es nicht gerechtfertigt sei, einen Ehegatten gegen seinen Willen mit Verpflichtungen zu belasten, die dem Teilbetrag des Einkommens des andern Ehegatten entsprechen (Erk. VfSlg. 5318/1966 und 8101/1977).
Ein solcher innerer Zusammenhang zwischen Miteigentum und Gesamthaftung ist aber im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Anliegerleistungen ganz offenkundig gegeben. An die gemeindliche Einrichtung können nämlich niemals (ideelle) Miteigentumsanteile, sondern nur Liegenschaften als solche angeschlossen werden. Die Angelegenheit betrifft also die gemeinschaftliche Sache selbst, deren Verwaltung - und zwar auch bei Bestehen von Wohnungseigentum - "allen Teilhabern insgesamt" zukommt (§833 ABGB, §14 WohnungseigentumsG). In welchem Maße die einzelnen Miteigentümer die Lasten eines allfälligen Anschlusses oder auch nur von Anliegerleistungen zu tragen haben, ist Sache des Innenverhältnisses zwischen den Miteigentümern und richtet sich nicht notwendig und in allen Fällen nach dem Verhältnis ihrer Anteile. Wenn der Abgabengesetzgeber in solchen Fällen daher ein Gesamtschuldverhältnis vorsieht und die Aufteilung der Last im Rahmen der notwendig gemeinsamen Verwaltung den Miteigentümern der Liegenschaft überläßt, so sind Zweifel an der Sachlichkeit einer solchen Regelung nicht gerechtfertigt.
2. Auch unter anderen Gesichtspunkten hat der VfGH gegen die Verfassungsmäßigkeit des §1 Abs2 Satz 3 ALG keine Bedenken. Der vorliegende Beschwerdefall gibt auch keinen Anlaß zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit anderer in Betracht kommender genereller Normen. Eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Vollziehung ist gleichfalls nicht hervorgekommen. Insbesondere ist der bel. Beh. wegen der Heranziehung der bf. Gesellschaft kein die Verfassungssphäre berührender Ermessensmißbrauch vorzuwerfen (die Gesellschaft war Bauträger und im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides außerdem noch Inhaberin der Mehrheit der Anteile).
Die Beschwerde kann daher ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung abgewiesen werden (§19 Abs4 Z1 VerfGG).
Schlagworte
VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Abgaben Gemeinde-, Kanalisation, Zivilrecht, ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B72.1980Dokumentnummer
JFT_10159695_80B00072_00