TE Vfgh Erkenntnis 1984/3/5 B546/80

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Veröffentlicht am 05.03.1984
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Doppelbesteuerungsabkommen Österreich-BRD, BGBl 221/1955 Art15
KStG 1966 §22

Leitsatz

Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Republik Österreich und der BRD; Vorschreibung der Körperschaftsteuer nach erfolgter offener Gewinnausschüttung nach dem Satz, der dem Gesamteinkommen, unter Einbeziehung auch des im Inland nicht zu besteuernden Teiles des Einkommens, entspricht; keine verfassungswidrige Auslegung des §15 des Doppelbesteuerungsabkommens und des §22 Abs1 und 2 KStG 1966

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die bf. Aktiengesellschaft ist in Österreich unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Mit ihrer Zweigniederlassung in München trifft sie eine beschränkte Steuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland. Von 1973 bis 1975 schüttete sie einen erheblichen, zuletzt fast die Höhe des in Österreich erzielten Einkommens erreichenden Betrag aufgrund eines den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses an die Aktionäre offen aus.

Das Finanzamt zog die bf. Gesellschaft für diese Jahre derart zur Körperschaftsteuer heran, daß es die auf Österreich und die auf die Betriebsstätte in der Bundesrepublik Deutschland entfallenden Einkünfte addierte und auf diese Weise den Körperschaftsteuersatz für das Gesamteinkommen ermittelte, der die prozentuelle Körperschaftsteuerbelastung des Gesamteinkommens bei Anwendung des begünstigten Steuersatzes nach §22 Abs2 KörperschaftsteuerG auf die an die Aktionäre offen ausgeschütteten Einkommensteile anzeigt, und sodann das gesamte in Österreich zu versteuernde Einkommen diesem Durchschnittssteuersatz unterwarf (ohne auf die begünstigten Einkommensteile neuerlich §22 Abs2 KStG anzuwenden). Die Berufung der bf. Gesellschaft, die sich gegen die Anwendung dieses sogenannten Mischsatzes wendete, blieb erfolglos.

Gegen den Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gerügt wird.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiellrechtlicher Hinsicht auf die Bestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes und des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmungen trägt die Beschwerde nicht vor und sind auch beim VfGH aus Anlaß dieses Beschwerdefalles nicht entstanden. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH könnte die bf. Gesellschaft daher in den geltend gemachten Grundrechten nur verletzt sein, wenn die Behörde das Gesetz - oder den im Gesetzesrang stehenden Staatsvertrag - denkunmöglich oder willkürlich angewendet oder ihm fälschlich einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt hätte. Dies kann der VfGH nicht finden:

1. Nach §22 Abs1 KStG 1966 idF BGBl. 441/1972 beträgt die Körperschaftsteuer bei einem Einkommen bis 200000 S 30 vH des Einkommens und steigt sodann gestaffelt bis zu einem Einkommen von über 1142800 S auf 55 vH des Einkommens.

§22 Abs2 - idF BGBl. 645/1977 - bestimmt sodann:

"Die Körperschaftsteuer ermäßigt sich auf die Hälfte des sich nach Abs1 ergebenden Betrages, soweit unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften offene Ausschüttungen aufgrund eines den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vornehmen. Dabei sind Ausschüttungen dem Wirtschaftsjahr zuzurechnen, für das sie gewährt worden sind. Nachträgliche Ausschüttungen für bereits abgelaufene Wirtschaftsjahre sind dem Wirtschaftsjahr zuzurechnen, das der Beschlußfassung unmittelbar vorausgeht."

Art15 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern, BGBl. 221/1955, lautet:

"(1) Der Wohnsitzstaat hat kein Besteuerungsrecht, wenn es in den vorhergehenden Artikeln dem anderen Vertragstaate zugewiesen worden ist.

(2) Wenn der Wohnsitzstaat nach den vorhergehenden Artikeln das Besteuerungsrecht hat, so darf der andere Vertragstaat kein Besteuerungsrecht ausüben. Artikel. 11 Abs2 und Artikel 12 Abs1 Satz 2 bleiben unberührt.

(3) Absatz 1 schließt nicht aus, daß der Wohnsitzstaat die Steuern von den ihm zur Besteuerung überlassenen Einkünften und Vermögensteilen nach dem Satz erheben kann, der dem Gesamteinkommen oder dem Gesamtvermögen der steuerpflichtigen Person entspricht."

Als Wohnsitz gilt bei juristischen Personen der Ort ihrer Geschäftsleitung (ihres Sitzes; vgl. Art1 Abs3 des Abkommens).

Es ist unbestritten, daß die Bf. in Österreich unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist, jedoch die auf die in der Bundesrepublik Deutschland gelegene Betriebsstätte entfallenden Einkünfte der österreichischen Besteuerung gemäß Art4 Abs1 iVm. Art15 Abs1 des Doppelbesteuerungsabkommens entzogen sind. Für diese Einkünfte steht nicht dem Wohnsitzstaat, sondern jenem Staat das Besteuerungsrecht zu, in dem die Betriebsstätte gelegen ist. Nach Art15 Abs3 kann jedoch der Wohnsitzstaat - hier also Östereich - die Steuern von den ihm zur Besteuerung überlassenen Einkünften nach dem Satz erheben, der dem Gesamteinkommen der steuerpflichtigen Person entspricht.

Die Beschwerde meint, daß die österreichische Gesetzgebung von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Doch ist diese Bestimmung schon ihrem Wortlaut nach kein bloßer Vorbehalt für die innerstaatliche Gesetzgebung, vom vereinbarten Besteuerungsmodus abweichende Regelungen zu erlassen. Sie läßt vielmehr die inländischen Besteuerungsvorschriften unberührt und sagt nur, daß es nicht vetragswidrig ist, wenn nach inländischem Recht der dem Gesamteinkommen entsprechende Steuersatz auf die im Inland zu versteuernden Einkünfte angewendet wird; eben das ist aber durch das geltende Einkommensteuerrecht vorgeschrieben (vgl. schon VfSlg. 4176/1962).

2. Nach Auffassung der Beschwerde ist die Vorgangsweise der Behörde verfehlt, weil das Gesetz nur einen festen Satz und eine Ermäßigung auf die Hälfte (für die Fälle der offenen Ausschüttung) vorsehe. Die Bildung eines Mischsatzes sei denkunmöglich und führe zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis, weil allein der Umstand, daß ein Teil des Gesamteinkommens der bf. Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland erzielt werde, eine höhere Steuerbelastung zur Folge habe, obwohl dieser Einkommensteil ohnedies im Ausland besteuert werde. Vom Gesetz gedeckt und unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes haltbar sei allein die Anwendung des für das Gesamteinkommen ermittelten Steuersatzes auf den nicht begünstigten Teil des (inländischen) Einkommens und des halben Satzes auf den begünstigten Teil.

Die bel. Beh. hält dieser Auffassung im angefochtenen Bescheid entgegen, daß auch der im Inland nicht zu besteuernde Teil des Einkommens Grundlage der Gewinnausschüttung sei, was dazu führen könnte, daß das inländische Einkommen zur Gänze dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden müßte, und führt die behauptete Schlechterstellung in der Gegenschrift auf die Höhe der ausländischen Steuer zurück. Sie versteht also das Zusammenspiel von Einkommensteuerrecht und Doppelbesteuerungsrecht so, daß auch die Steuerbegünstigung mit dem Gesamteinkommen in bezug gesetzt werden muß, so zwar, daß die Ausschüttung nicht ausschließlich auf das inländische Einkommen bezogen werden dürfe. Der sogenannte Mischsatz ist nur ein rechnerischer Behelf zur praktischen Anwendung dieser Überlegung, die eine willkürliche Zuordnung der Ausschüttung zu jenem Einkommen vermeidet, das eine günstigere Besteuerung ermöglicht.

Ob diese Auslegung und die davon abgeleitete Vorgangsweise der Behörde dem Gesetz entspricht, hat der VfGH nicht zu prüfen. Offenkundig ist sie weder unvertretbar noch unsachlich und widerspricht auch sonst keiner Verfassungsbestimmung.

Da die bf. Gesellschaft nicht wegen Anwendung einer verfassungswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde, die behauptete Verfassungswidrigkeit offenkundig nicht vorliegt und auch die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht hervorgekommen ist, kann die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung abgewiesen werden (§19 Abs4 Z1 VerfGG).

Schlagworte

Doppelbesteuerung, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B546.1980

Dokumentnummer

JFT_10159695_80B00546_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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