Index
L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Grazer Flächennutzungsplan 1975; keine Bedenken; keine Gleichheitsverletzung durch Abweisung eines Bauansuchens aufgrund des nach dessen Einbringung, jedoch infolge Untätigkeit der Behörde vor Bescheiderlassung rechtswirksam gewordenen FlächenwidmungsplanesSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Die Bf. ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. ..., EZ ... KG
Gösting.
Dieses Grundstück und die Grundstücke Nr. ... und ..., EZ ... KG
Gösting, wurden mit Bescheid vom 20. März 1972 als Bauplatz gewidmet.
2.1. Am 30. Oktober 1975 suchte die Bf. um die Baubewilligung für den Neubau eines Einfamilienhauses und einer PKW-Kleingarage an.
Aufgrund der Bestimmungen des §51 Abs4 des Stmk.
Raumordnungsgesetzes, LGBl. 127/1974, iVm. §1 und §6 des Gesetzes vom 4. Juli 1964, LGBl. 329/1964, hatte der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz mit Beschluß vom 30. April 1975 den Flächennutzungsplan 1975 der Landeshauptstadt Graz erlassen, der am 19. Feber 1976 rechtswirksam wurde. Nach diesem Flächenwidmungsplan liegt das Grundstück ... im Freiland mit Bauverbot.
Aufgrund dessen wurde das Bauansuchen der Bf. mit Bescheid des Stadtsenates der Gemeinde Graz vom 31. August 1976 abgewiesen.
2.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. Berufung.
Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, daß die Behandlung des vom Baurechtsamt dem Allg. Berufungsausschuß - einem vorbereitenden Ausschuß des Gemeinderates - vorgelegten Entwurfes einer Berufungsentscheidung von der Tagesordnung der für 31. Mai 1977 vorgesehenen Sitzung abgesetzt wurde und in einer weiteren Sitzung am 12. September 1977 eine Meinungsbildung dahin erfolgte, daß die Möglichkeit einer Bewilligung des Bauansuchens der Bf. im Hinblick auf das im Verbau befindliche Nachbargrundstück zu prüfen sei; soferne sich bei der Prüfung ergeben sollte, daß für das Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück gleichzeitig oder sogar später angesucht wurde, sei eine Baubewilligung zu erteilen. Erhebungen ergaben sodann, daß der Nachbar der Bf. am 25. November 1975 sein Bauansuchen gestellt hatte und die Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses am 2. Feber 1976, also vor Rechtswirksamkeit des Flächennutzungsplanes für Graz, erteilt worden war. Vom Baurechtsamt wurde hierauf am 19. Oktober 1978 eine mündliche Augenscheinsverhandlung durchgeführt.
In einer nachfolgenden Sitzung des Allg. Berufungsausschusses vom 26. Feber 1979 wurde das Erk. des VfGH vom 27. Jänner 1979, VfSlg. 8481/1979, zur Kenntnis genommen. Diese Entscheidung brachte zum Ausdruck, daß die Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde, die in einer zeitweiligen Untätigkeit besteht, ausschließlich mit den von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten besonderen Rechtsbehelfen gegen die Säumigkeit von Verwaltungsbehörden bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 7597/1975, 8481/1979). Aufgrund dessen wurde beschlossen, daß ein Bescheidentwurf, mit dem die Baubewilligung versagt wird, vorzulegen sei.
Mit Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 22. März 1979, Z A 17-K-16.882/14-1979, wurde sodann die Berufung der Bf. abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Begründend wurde ausgeführt, daß sich das Grundstück der Bf. nach dem Flächennutzungsplan 1975 der Landeshauptstadt Graz im Freiland mit Bauverbot befinde. Ausgenommen von einem solchen Bauverbot seien aufgrund der Bestimmung des §3 Abs2 Punkt 2 des Gesetzes über die Flächennutzungspläne und Bebauungspläne 1964, LGBl. 329/1964, welches die gesetzliche Grundlage für den Flächennutzungsplan darstelle, Erweiterungen von bestehenden Bauten, Betrieben und Anlagen, sowie je Familienmitglied einmalige Einzelbauten, die im Interesse der Erhaltung des Familienverbandes errichtet werden. Nachdem sich das gegenständliche Grundstück nach dem Flächennutzungsplan der Stadt Graz im Freiland mit Bauverbot befinde und die Ausnahmebestimmungen nicht zuträfen, habe der Berufung keine Folge gegeben werden können.
3.1. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Bf. die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
3.2. Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift jedoch nicht erstattet.
4. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
4.1. Nach §100 Abs2 des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967, LGBl. 130, idF des Landesgesetzes LGBl. 15/1976, findet gegen Bescheide des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz eine Vorstellung an die Aufsichtsbehörde nicht statt.
Der Instanzenzug ist somit erschöpft.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
4.2.1. Die Bf. erachtet sich im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz deshalb verletzt, weil der Antrag ihres Grundnachbarn, obwohl dieser erst nach ihr ein Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung gestellt habe "entsprechend den für sämtliche Bauansuchen ergangenen Weisungen des zuständigen Referenten ... im Jänner 1976 aufrecht erledigt wurde", wogegen, wie die Bf. vermeint, die Erledigung ihres Bauansuchens willkürlich über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Flächennutzungsplanes hinaus verzögert worden sei. Ein Beamter der bel. Beh. habe den Akt absichtlich nicht bearbeitet, um eine positive Erledigung ihres Bauansuchens zu vereiteln; wegen dieser Säumigkeit sei gegen den betreffenden Beamten auch ein Disziplinarverfahren durchgeführt worden.
Die willkürliche Vorgangsweise ergebe sich objektiv auch daraus, daß die bel. Beh. ihren Akt innerhalb der Frist von sechs Monaten nicht bearbeitet habe; während die Verfahrensdurchführung über das Ansuchen ihres Grundnachbarn binnen vier Monaten erfolgt sei, habe die Erledigung in ihrem Fall fünfzehn Monate gedauert.
Obwohl am 16. Feber 1976 der Flächennutzungsplan in Kraft getreten sei, habe die Baubehörde von ihr im Mai 1976 abermals neue Pläne verlangt und die Baureifmachung des Grundes gefordert, da die Baubewilligung mit Sicherheit erteilt werde. Hiefür habe die Bf. 135000 S aufwenden müssen. Dennoch sei ihr Bauansuchen in erster Instanz mit Bescheid vom 31. August 1976 abgewiesen worden.
Über ihre am 20. September 1976 eingebrachte Berufung sei erst am 22. März 1979 entschieden worden. Im Herbst 1977 sei eine "Berufungssitzung" durchgeführt worden, innerhalb der auf "politischer Ebene" der Beschluß gefaßt worden sei, daß der Berufung Folge gegeben werden solle, da das Grundstück der Bf. als einziges unverbautes zwischen verbauten Flächen liege. Über Aufforderung des Baupolizeiamtes vom 26. Mai 1978 habe sie sodann "abermals neue Pläne eingereicht" und einen Brunnen errichten lassen, wofür ihr Ausgaben in Höhe von 108960 S und für zusätzliche Baureifmachungsarbeiten weitere Ausgaben in Höhe von 42960 S entstanden seien.
Durch die Aufträge und Erklärungen der bel. Beh. sei ein Gesamtschaden von 243960 S erwachsen.
4.2.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9186/1981 nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen, insbesondere den Flächennutzungsplan 1975 - dieser ist eine Rechtsverordnung (vgl. VfSlg. 8140/1977) - wurden von der Bf. nicht geltend gemacht. Auch im VfGH bestehen derartige Bedenken nicht (vgl. VfSlg. 8481/1979).
Bei einer Baubewilligung handelt es sich um einen rechtsgestaltenden Bescheid; dies gilt auch für die Entscheidung der Berufungsbehörde, weil deren Bescheid nach der Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zur Gänze an die Stelle des unterinstanzlichen Bescheides tritt (vgl. VfSlg. 7742/1976 und die dort zitierte Vorjudikatur). Für die Erlassung eines rechtsgestaltenden Bescheides ist nach der ständigen Rechtsprechung beider Gerichtshöfe, soweit durch das Gesetz nichts anderes bestimmt ist, die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich (vgl. VfSlg. 7916/1976 und 8113/1977). Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (aber auch schon des Bescheides erster Instanz) stand der Flächennutzungsplan 1975 bereits in Kraft. Unbestrittenermaßen befindet sich das Grundstück der Bf. nach diesem Flächennutzungsplan im Freiland mit Bauverbot. Unbestritten ist auch, daß sich die Bf. auf einen Ausnahmetatbestand nicht stützten kann. Nach §3 der V vom 30. April 1975, womit der Gemeinderat den Flächennutzungsplan 1975 erlassen hat, hat der Flächennutzungsplan die Wirkung, daß Bewilligungen nach der jeweils geltenden Fassung der Stmk. Bauordnung 1968, insbesondere Baubewilligungen, nur zulässig sind, wenn sie diesem Plan nicht widersprechen. Die bel. Beh. handelt daher keineswegs willkürlich, wenn sie sich im angefochtenen Bescheid auf den Flächennutzungsplan und damit auf §8 des - gemäß §51 Abs4 des Raumordnungsgesetzes 1974 auf den Flächennutzungsplan 1975 nach wie vor anzuwendenden - Stmk. Landesgesetzes über die Flächennutzungspläne und die Bebauungspläne, LGBl. 329/1964, stützt, wonach ua. Baubewilligungen nur zulässig sind, wenn sie dem Flächennutzungsplan nicht widersprechen (vgl. VfSlg. 8481/1979).
Wenn die Bf. geltend macht, die Behörde habe die Möglichkeit gehabt, ihr die Baubewilligung bereits vor dem Inkrafttreten des Flächennutzungsplanes 1975 zu erteilen, so läßt sich hieraus für ihren Standpunkt selbst dann nichts gewinnen, wenn die Behörde tatsächlich die Bescheiderlassung in der Absicht verzögert hätte, das Inkrafttreten des Flächennutzungsplanes abzuwarten. Denn in diesem Fall läge die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Behörde in ihrer zeitweiligen Untätigkeit, die ausschließlich mit den von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten besonderen Rechtsbehelfen gegen die Säumigkeit von Verwaltungsbehörden bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 7597/1975, 8481/1979).
Was die behaupteten Vermögensschäden betrifft, die der Bf. durch zweckverfehlende Aufträge der Behörde entstanden seien, ist das Vorbringen schon der Sache nach für die Beurteilung der vorliegenden Rechtssache ohne Belang.
Der VfGH findet aus den vorgelegten Verwaltungsakten und dem Ablauf des Verwaltungsgeschehens auch sonst keinen Anhaltspunkt, aus dem auf ein eine Gleichheitswidrigkeit des angefochtenen Bescheides begründendes Verhalten der bel. Beh. geschlossen werden könnte.
Ob die Behörde richtig entschieden hat, wird der VwGH zu prüfen haben, der zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufen ist.
4.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
RechtsV, Baurecht, Baubewilligung, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Bescheid rechtsgestaltender, Verwaltungsverfahren, Berufung, Säumnis, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B183.1979Dokumentnummer
JFT_10159693_79B00183_00