TE Vfgh Erkenntnis 1984/3/7 B147/79

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Veröffentlicht am 07.03.1984
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Index

L5 Kulturrecht
L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, Naturschutz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Oö NaturschutzG §1 Abs2

Leitsatz

Oö. Naturschutzgesetz; keine Bedenken gegen §1 Abs2; Überprüfung eines Ersatzbescheides nach stattgebendem Erk. des VwGH in Bindung an dessen Rechtsansicht; keine Gleichheitsverletzung, keine Eigentumsverletzung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Eingabe vom 21. November 1975 wurde von den Bf. der Oö. Landesregierung die beabsichtigte Errichtung eines Wohnhauses auf den Parzellen .../3 und .../4 KG Unterach am Attersee unter Vorlage eines diesbezüglichen Projektes angezeigt und der Sache nach beantragt festzustellen, daß durch die Ausführung dieses Projektes öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes nicht verletzt werden.

1.2. Mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 6. Mai 1976 wurde dieser Antrag gemäß §1 Abs2 des Oö. Naturschutzgesetzes 1964, Anlage zur Kundmachung der Oö. Landesregierung über die Wiederverlautbarung des Oö. Naturschutzgesetzes 1964, LGBl. 58/1964, abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, daß die vorzitierte Gesetzesstelle die Naturschutzbehörde verpflichte, in freier Beweiswürdigung der durchgeführten Ermittlungen festzustellen, ob das geplante Vorhaben eine maßgebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes darstelle oder nicht. Der Amtssachverständige für Naturschutz habe in seinem Gutachten schlüssig ausgeführt, daß die von den Antragstellern geplanten baulichen Maßnahmen einen maßgeblichen Eingriff in das Landschaftsbild darstellten. Weiters wird im Bescheid ausgeführt:

"Der Umstand, daß, wie die Antragsteller behaupten, eine Bauplatzerklärung erteilt wurde, vermag die naturschutzbehördliche Ausnahmegenehmigung nicht zu ersetzen. ... Da somit feststeht, daß eine Verwirklichung des geplanten Vorhabens zu einem maßgeblichen störenden Eingriff führen wird, waren die widerstreitenden Interessen an der Erhaltung der Seeuferlandschft und der Errichtung des Wohnhauses gegenüberzustellen und eine Abwägung vorzunehmen. ... Wenngleich der Wunsch von Großstadtbewohnern nach der Schaffung eines Wohnsitzes in landschaftlich reizvoller Umgebung verständlich erscheint, ist dies keine ausreichende Begründung, die öffentliche Interessen überwiegen könnte."

1.3. Aufgrund der von J und W D erhobenen Beschwerde wurde dieser Bescheid vom VwGH mit Erk. vom 22. Juni 1977, Z 1418/76, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der VwGH verwies zunächst auf die Begründung des bei ihm in Beschwerde gezogenen Bescheides, der auf die Rechtsansicht gestützt war, daß die Naturschutzbehörde in freier Beweiswürdigung der durchgeführten Ermittlungen festzustellen habe, ob das geplante Bauvorhaben eine maßgebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes darstelle oder nicht. Hiezu führte er aus, daß diese Auffassung seiner Rechtsanschauung entspreche und mit dem Erk. des verstärkten Senates vom 28. Juni 1976, Z 246/76, im Einklang stehe. Die Naturschutzbehörde habe daher nach der Vorschrift des §1 Abs2 Oö. Naturschutzgesetz zu prüfen, ob der beabsichtigte Eingriff als maßgebende Beeinträchtigung des Landschaftsbildes beurteilt werden könne. Voraussetzung für die Feststellung, daß eine maßgebende Beeinträchtigung vorliege und die öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes die Interessen an der Verwirklichung eines bestimmten Vorhabens überwiegen, sei jedoch eine so ausreichende Beschreibung des im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorhandenen Landschaftsbildes und der Wirkung des Vorhabens auf dieses Landschaftsbild, daß eine Beurteilung der zu lösenden Rechtsfrage möglich sei. Das vorliegende Gutachten reiche hiezu jedoch nicht aus.

Wenn von den Bf. die Auffassung vertreten werde, daß schon im Hinblick auf die durch Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Unterach erteilte Bauplatzbewilligung ihnen ein Recht erwachsen sei, das geplante Einfamilienhaus zu errichten, und die Naturschutzbehörde an diesen Bescheid gebunden sei, so werde die Rechtslage von den Bf. verkannt. Wie die Oö. Landesregierung zutreffend ausgeführt habe, müsse in der gemäß §1 Abs2 Oö. Naturschutzgesetz besonders geschützten Seeuferzone neben der Bewilligung der Baubehörde auch eine begünstigende Feststellung der Naturschutzbehörde vorliegen, bevor mit einer Bauführung tatsächlich begonnen werden dürfe.

1.4. Nach Einholung eines neuerlichen Gutachtens seitens des Landesbeauftragten für Naturschutz wies die Oö. Landesregierung mit Bescheid vom 20. Feber 1979, Z Agrar 450003-6643-I/Re-1979, den Antrag auf Feststellung, daß durch die Ausführung des von J und W D beabsichtigten Vorhabens öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden, gemäß §1 Abs2 des Oö. Naturschutzgesetzes 1964 neuerlich ab.

In der Bescheidbegründung folgte die Oö. Landesregierung dem eingeholten Gutachten und kam zu der Überzeugung, daß das beabsichtigte Wohnhaus in dem abgegrenzten, von moderner Bebauung freien Landschaftsraum maßgeblich störend wirken würde. Bei der Abwägung der öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes und der Interessen der Antragsteller, das Bauprojekt für ihre Erholung und aus geschäftlichen Gründen zu verwirklichen, kam die Oö. Landesregierung zu folgendem Ergebnis:

"Dieser (von den Antragstellern vorgetragene) Umstand vermag allerdings eine naturschutzbehördliche Ausnahmegenehmigung nicht zu ersetzen und wird zur weiteren Begründung auf die diesbezüglichen Ausführungen im Erk. des VwGH vom 22. Juni 1977 verwiesen und lediglich festgestellt, daß ein rechtswirksamer Raumordungsplan der Gemeinde, der eine Bebauung des in Rede stehenden Gebietes zulassen würde, nicht vorliegt. ... Bis zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung wurden die in Rede stehenden Grundstücke von einem rechtswirksamen Raumordnungsplan nicht erfaßt. Die bloße Absicht einer Gemeinde, eine bestimmte Fläche in einem Flächenwidmungsplan als Bauland aufzunehmen ersetzt einen rechtswirksamen Raumordnungsplan nicht. Darüber hinaus ist aber auch festzuhalten, daß selbst dann, wenn öffentliche Interessen (zum Ausdruck gebracht durch einen rechtswirksamen Flächenwidmungsplan) für eine entsprechende Bebauung der gegenständlichen Liegenschaft sprechen würden, die öffentlichen Interessen an der ungestörten Erhaltung des in Rede stehenden Landschaftsbereiches als überwiegend zu werten wären. Auf den gegenständlichen Bereich bezogen hat zudem die Landesplanungsstelle mit Schreiben vom 6. Dezember 1968 ... bekanntgegeben, daß aus Raumordnungsgründen schwere Bedenken gegen die Schaffung dieses Bauplatzes stünden."

Da somit öffentliche Interessen an einer geordneten Siedlung zumindest nicht für das gegenständliche Bauvorhaben sprächen, sei zu prüfen gewesen, inwieweit sonstige Interessen vorhanden seien, die die öffentlichen Interessen des Seeuferschutzes überwiegen könnten. Hiezu sei zu bemerken, daß die Absicht der Antragsteller, eine bessere Unterkunftsmöglichkeit zu schaffen, verständlich sei, daß aber keinesfalls gefunden werden könne, daß zu diesem Zwecke gerade ein aufgrund gesetzlicher Bestimmungen besonders geschützter und schützenswerter Landschaftsbereich herangezogen werden müßte. Der bloße Wunsch, sich am Seeufer einen Wohnsitz zu schaffen, könne nicht ausreichend sein, die widerstreitenden öffentlichen Interessen zu überwiegen.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte, vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staasbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1. Da der angefochtene Bescheid nach einem stattgebenden Erk. des VwGH iS des §63 Abs1 VwGG als Ersatzbescheid erging, hatte die bel. Beh. dem Gesetz den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Inhalt beizumessen. Bei Prüfung eines Ersatzbescheides erachtet sich der VfGH seiner ständigen Judikatur folgend (vgl. zuletzt VfSlg. 9110/1981) an die im Erk. des VwGH zum Ausdruck kommende Interpretation des von der Verwaltungsbehörde anzuwendenden Gesetzes gebunden, es sei denn, daß er Bedenken gegen das Gesetz hegt oder daß dem Gesetz ausschließlich aus Gründen verfassungskonformer Interpretation ein anderer als der ihm vom VwGH zugemessene Inhalt zukäme.

3.2. Daß gegen §1 Abs2 Oö. Naturschutzgesetz 1964, auf den sich der angefochtene Bescheid in materiellrechtlicher Hinsicht stützt, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, hat der VfGH in einer Vielzahl von Entscheidungen zum Ausdruck gebracht (vgl. insbesondere VfSlg. 5552/1967, 6834/1972, 7443/1974, 7656/1975, 7657/1975, 8221/1977, 8266/1978 und 8267/1978).

3.3. Die Bf. vermeinen jedoch, daß der angefochtene Bescheid gegen das Gleichheitsgebot verstoße. Der Sache nach wird insbesondere eine gleichheitswidrige Auslegung des §1 Abs2 Oö. Naturschutzgesetz geltend gemacht, da von der Gemeinde eine Bauplatzbewilligung erteilt worden sei, sodaß die Unterbindung jeder Bebauungsmöglichkeit durch die Naturschutzbehörde "aus verfassungsrechtlichen Gründen außerordentlich bedenklich" sei; das Gesetz gebiete bei richtiger Auslegung, daß die Naturschutzbehörde lediglich über die Art und Weise einer beabsichtigten Bebauung zwecks Wahrung eines harmonischen Landschaftscharakters zu befassen sei.

Der VfGH sieht sich jedoch nicht veranlaßt, aus Gründen einer verfassungskonformen Interpretation der von der bel. Beh. in Bindung an das Erk. des VwGH vom 22. Juni 1977 vertretenen Rechtsansicht entgegenzutreten, daß die Schaffung eines Bauplatzes eine naturschutzbehördliche Ausnahmegenehmigung für eine Bauführung an sich nicht zu ersetzen vermag. Insbesondere gebietet eine verfassungskonforme Interpretation keineswegs, daß die Naturschutzbehörde, sobald eine baurechtliche Entscheidung von den Gemeindeinstanzen getroffen wurde, nur mehr darüber zu befinden habe, wie gebaut werden dürfe.

Die Bf. behaupten zusätzlich eine willkürliche Gesetzesanwendung, weil sich in der näheren und weiteren Umgebung ihrer Grundstücke alte und neue Gebäude befänden, sodaß von einer unberührten Naturlandschaft keinesfalls mehr die Rede sein könne. Das eingeholte Gutachten vermöge einer sachlichen Prüfung nicht standhalten, der beauftragte Sachverständige sei "geradezu willkürlich" der Ansicht, von einem Gutachten aus dem Jahre 1964 aus grundsätzlichen Erwägungen nicht abgehen zu können.

Hiezu sind die Bf. vorerst darauf zu verweisen, daß, wie der VfGH wiederholt ausgesagt hat (vgl. zB 7656/1975, 8267/1978), die Behörde bei Handhabung des §1 Abs2 des Oö. Naturschutzgesetzes wegen der unterschiedlichen landschaftlichen Verhältnisse jeden Eingriff in das Landschaftsbild für sich zu beurteilen hat, sodaß aus dem Vorhandensein anderer Baulichkeiten in der näheren und weiteren Umgebung nicht der Schluß gezogen werden kann, daß die Versagung der Baubewilligung für ein weiteres Bauwerk ein Willkürakt wäre. Das Verwaltungsgeschehen bietet auch sonst keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die bel. Beh. sich bei Erlassung des angefochtenen Bescheides von Willkür leiten hätte lassen. Insbesondere erlaubt auch das eingeholte Gutachten im Hinblick auf die eingehenden und schlüssigen Darlegungen des Sachverständigen keinen derartigen Schluß. Kann aber im Verhalten der Behörde gegenüber den Bf. für sich betrachtet eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht gesehen werden, so könnte, selbst wenn vergleichbare Fälle gegeben wären und die Behörde dabei nicht durchwegs gesetzmäßig vorgegangen wäre, für die Bf. nichts gewonnen werden (vgl. VfSlg. 7656/1975, 8266/1978).

3.4. Die Bf. behaupten schließlich eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums. Wohl hat die Feststellung des angefochtenen Bescheides die Wirkung einer Eigentumsbeschränkung (vgl. VfSlg. 8266/1978, 8267/1978). Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte dieser das verfassungsgesetzliche gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums jedoch nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 7409/1974 mit Verweis auf VfSlg. 6670/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur). Derartige Behauptungen werden von den Bf. jedoch gar nicht aufgestellt. Auch der VfGH sieht keine Veranlassung zu einem solchen Vorwurf.

3.5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Naturschutz, Landschaftsschutz, Auslegung verfassungskonforme, Baurecht, Bindung (der Verwaltungsbehörden an VwGH)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B147.1979

Dokumentnummer

JFT_10159693_79B00147_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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