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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Grunderwerbsteuergesetz 1955; Bundesabgabenordnung; keine Bedenken gegen die Regelung eines Gesamtschuldverhältnisses in §17 Z4 GrEStG iVm. §6 BAO; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Vorschreibung von Grunderwerbsteuer an einen von mehreren Gesamtschuldnern iS des §6 BAO; kein Entzug des gesetzlichen Richters durch Verweigerung der Bescheidzustellung an die anderen Gesamtschuldner (potentielle Abgabenschuldner)Spruch
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Die Bf. sind Erben nach dem am 26. April 1978 verstorbenen Dr A K.
Dr. A K hatte am 30. Dezember 1976 mit der "Gesfö" Gemeinnützige Bau- und SiedlungsgesmbH einen Kaufvertrag über Miteigentumanteile an einem von der Verkäuferin errichteten Wohnhaus in Wien 3, R-Gasse, geschlossen. Nach §10 des Kaufvertrages hat der Käufer alle mit diesem Rechtsgeschäft zusammenhängenden Abgaben (Gebühren, Beiträge, Steuern) zu tragen.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern Wien (künftig kurz: FA) beließ den Erwerbsvorgang vorerst antragsgemäß nach §4 Abs1 Z3 litb des Grunderwerbsteuergesetzes 1955, BGBl. 140 (GrEStG), steuerfrei.
In der Folge kam es zu einem Vertrag über die Berichtigung der Miteigentumsanteile aufgrund von Nutzwertfeststellungen und zu einem Wohnungseigentumsvertrag.
Mit Vertrag vom 12. September 1979 verkauften die Bf. (als Vertreter des Nachlasses nach Dr. A K - die Einantwortung des Nachlasses erfolgte erst mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 14. Feber 1980) diese Miteigentumsanteile an die Eheleute E.
Daraufhin erließ das FA den ausschließlich an die Gesfö adressierten Bescheid vom 30. Juli 1980, mit dem es für den am 30. Dezember 1976 zwischen Dr. A K und der Gesfö abgeschlossenen Kaufvertrag Grunderwerbsteuer in der Höhe von 114769 S vorschrieb. Das FA vertrat den Standpunkt, daß durch den Weiterverkauf vom 12. September 1979 an die Eheleute E der begünstigte Zweck aufgegeben worden sei, weshalb gamäß §4 Abs2 GrEStG "die Vorschreibung notwendig geworden" sei.
Dieser Bescheid vom 30. Juli 1980 wurde lediglich der Gesfö zugestellt, und zwar am 1. August 1980. Die Gesfö ließ den Bescheid unbekämpft und bezahlte am 2. April 1981 die ihr vorgeschriebene Grunderwerbsteuer.
b) Am 5. Juni 1981 stellten die zu B399, 400/82 bf. Personen, am 16. Juni 1981 die zu B401, 402/82 bf. Personen beim FA den Antrag, ihnen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 30. Juli 1980 zuzustellen. Gleichzeitig erhoben sie gegen diesen Bescheid Berufung.
Das FA wies mit zwei Bescheiden vom 10. Juli 1981 und mit zwei Bescheiden vom 19. August 1981 sowohl die Anträge auf Bescheidzustellung als auch die Berufungen zurück.
Gegen diese vier Bescheide beriefen die Bf.
Die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. (künftig kurz: FLD) wies die Berufungen mit vier Bescheiden vom 19. Mai 1982 als unbegründet ab.
Sie begründete ihre Entscheidungen in der Angelegenheit "Antrag auf Bescheidzustellung" (GZ GA 11-448/1/82 (angefochten zu B401, 402/82) und GA 11-448/3/82 (angefochten zu B399, 400/82)) wie folgt:
"Wie der VwGH in seinem Erk. vom 19. Juni 1980, Z 1532/78 dargetan hat, besteht keine gesetzliche Vorschrift, die die Abgabenbehörde verpflichten würde, bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses nach Bezahlung der Schuld durch einen der Schuldner einen Abgabenbescheid gegen den Mitschuldner zu erlassen. Nun ist im konkreten Fall die angeforderte Grunderwerbsteuer am 2. April 1981 von der Gesfö zur Gänze bezahlt worden, sodaß kein Steueranspruch mehr besteht, der die Erlassung eines Bescheides an die Bw. rechtfertigen würde.
Zu der von der Bw. zit. Judikatur des VwGH ist zu sagen, daß sie - nicht einmal für den Bereich des AVG - die von den Bw. dargelegte Rechtsmeinung zum Ausdruck bringt.
Den Abgabenvorschriften ist zudem der Begriff der 'übergangenen Partei' vom System her fremd, da ein Abgabenbescheid grundsätzlich nur Rechtsbeziehungen zwischen der Behörde und der zur Leistung herangezogenen Partei herstellt. Es besteht sohin kein Rechtsschutzinteresse eines nicht in Anspruch genommenen potentiellen Abgabenschuldners, das ein Recht auf Bescheidzustellung nach sich ziehen könnte."
Die Bescheide in der Angelegenheit "Zurückweisung einer Berufung" (GZ GA 11-448/82 (angefochten zu B401, 402/82) und GA 11-448/2/82 (angefochten zu B399, 400/82) wurden wie folgt begründet:
"Gem. §246 (1) BAO ist zur Einbringung einer Berufung jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist. Demnach war zur Einbringung einer Berufung gegen den Grestbescheid vom 30. Juli 1980, BAP 80/54741, nur die Gesfö berechtigt, da - unbestrittenermaßen - nur ihr gegenüber der Grestanspruch aus dem obzit. Kaufvertrag geltend gemacht wurde, der Bescheid sohin nur ein konkretes Schuldverhältnis zwischen Abgabenbehörde und Gesfö begründet hat. Auch aus §248 BAO kann kein Berufungsrecht der Bw. abgeleitet werden. Denn auch §248 BAO, der zudem nur die Rechtsmittelmöglichkeiten eines Haftungspflichtigen regelt - die Bw. sind jedoch potenzielle Steuerschuldner und nicht Haftungspflichtige - geht davon aus, daß der Haftungspflichtige bereits mit Bescheid zur Haftung herangezogen wurde. Daß eine andere Lesart der Bestimmungen dem Gesetzgeber nicht vorgeschwebt hat, ergibt sich zudem aus dem Umkehrschluß aus §246 (2) BAO, der lediglich gegen Feststellungsbescheide und Grundsteuermeßbescheide jedem, gegen den diese Bescheide wirken, ein Berufungsrecht einräumt. Beim gegenständlichen Grestbescheid handelt es sich jedoch um einen Abgabenbescheid und sohin jedenfalls um keinen unter §246 (2) BAO subsumierbaren Bescheid.
Wenn die Bw. eine verfassungswidrige Auslegung der Bestimmungen darin erblicken, 'da das Finanzamt davon ausgeht, daß ein Bescheid jemandem gegenüber rechtswirksam und vollstreckbar sein soll, dem er überhaupt nicht zugetellt worden ist', so muß diesem Vorbringen entgegengehalten werden, daß die Bw. hiemit die Rechtslage verkennen. Denn ohne eine Erlasung eines Bescheides an die Bw., sohin ohne konkrete Begründung eines abgabenrechtlichen Schuldverhältnisses zu den Bw., ist das Finanzamt nach den Abgabenvorschriften nicht berechtigt, von den Bw. die lediglich von der Gesfö angeforderte GrESt zu fordern oder gar zu vollstrecken, woraus erhellt, daß die behauptete Ungleichbehandlung auf einer rechtlich unrichtigen Prämisse aufbaut. Darüber hinaus ist zu sagen, daß den Abgabenvorschriften der Begriff der 'übergangenen Partei' vom System her fremd ist, da wie oben gesagt, einem lediglich potentiellen Abgabenschuldner gegenüber keine Rechte geltend gemacht sind, sohin kein konkretes Schuldverhältnis und daher auch kein Rechtsschutzinteresse besteht. Die Bw. führen in ihrer Berufung selbst aus, daß der Bescheid ihnen gegenüber nicht wirksam sei. Andere Rechtsbeziehungen als zwischen Abgabenbehörde und Bescheidadressat begründet ein Abgabenbescheid nicht. Ob die Gesfö als Verkäuferin aufgrund der Bestimmungen des Kaufvertrages gegenüber den Bw. einen zivilrechtlichen Ersatzanspruch hinsichtlich der GrESt hat, wenn sie es unterlassen hat, von ihrem Berufungsrecht Gebrauch zu machen, ist nicht Gegenstand des Abgabenverfahrens, sondern in einem zivilgerichtlichen Verfahren zu klären."
2. Gegen diese vier Berufungsbescheide vom 19. Mai 1982 wenden sich die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.
Zusammenfassend werden die Beschwerden wie folgt begründet:
"Der Steuergesetzgeber ist in der Lage, Gesamtschuldverhälnisse und hiedurch bürgerlichrechtliche Beziehungen zwischen den einzelnen Gesamtschuldnern iS des ABGB zu schaffen. Er hat es durch die ihm gegebenen Möglichkeiten der Bescheiderlassung in der Hand, auf dieses privatrechtliche Schuldverhältnis einzuwirken, ohne daß er die tatsächlich eintretenden rechtlichen Wirkungen in der Gesamtschuldnergemeinschaft vorhersehen könnte. Das Gesamtschuldverhältnis entsteht iS des §4 BAO bei Verwirklichung des Tatbestandes, also bereits vor Zustellung allfälliger Bescheide, die ihrem Wesen nach nur Feststellungscharakter haben. Bei dieser Rechtslage werden die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der Gesamtschuldner auf Gleichheit aller vor dem Gesetz, Unverletzlichkeit des Eigentums, aber vor allem auf den gesetzlichen Richter nur dann gewährleistet, wenn jeder von ihnen den Anspruch darauf hat, daß auch er einen Bescheid erhält, der an ihn adressiert ist. Die BAO hat durch die zitierten Bestimmungen dieser Lage durchaus Rechnung getragen und Spezialnormen für das Gesamtschuldverhältnis geschaffen, die es dem einzelnen Gesamtschuldner einerseits ermöglichen, sich in dem Verfahren des anderen Gesamtschuldners einzuschalten, wodurch andererseits ein gleiches Ergebnis bei sämtlichen Gesamtschuldnern eintritt. Diese Vorsorge wäre zunichte gemacht, wenn nicht §198 BAO in Zusammenhalt mit §199 BAO so gelesen wird, daß auch ein Recht jedes Gesamtschuldners auf Erlassung eines an ihn gerichteten Bescheides bestünde. Nur eine solche Auslegung dieser gesetzlichen Bestimmungen führt zu einem verfassungskonformen Ergebnis. Ist man anderer Auffassung, sind die zitierten gesetzlichen Bestimmungen der BAO zumindest teilweise verfassungswidrig. Hiezu wird darauf verwiesen, daß der VfGH bereits des öfteren (siehe beispielsweise 'Witwerpension', Slg. 8871, und 'Armenrecht', Slg. 6945) zum Ausdruck gebracht hat, daß es durchaus der Fall sein kann, daß eine einzelne Bestimmung an sich noch nicht verfassungswidrig erscheint, wohl aber im Zusammenhang mit anderen gesetzlichen Bestimmungen."
3. Die FLD als bel. Beh. hat Gegenschriften erstattet, in denen sie die Abweisung der Beschwerden begehrt.
Die Behörde hält der zu B399, 400/82 erhobenen Beschwerde folgendes entgegen:
"1. Bescheid GA 11-448/2/82 (Zurückweisung einer Berufung):
Gemäß §246 Abs1 BAO ist zur Einbringung einer Berufung derjenige befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist. Gesamtschuldner, an die der Bescheid nicht zugestellt wurde und gegen die dieser sohin auch nicht Wirkung hat, haben nur ein Beitrittsrecht gem. §257 BAO. Eine Berufung kraft eigenen Rechts können Gesamtschuldner erst dann einbringen, wenn ein Bescheid an sie ergangen ist. Hieraus folgt, daß ein von einem bloß Beitrittsberechtigten eingebrachtes (eigengeständiges) Rechtsmittel zurückzuweisen ist. Denn gem. §273 Abs1 lita BAO hat das Finanzamt eine Berufung zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist. (vgl. Erk. des VwGH vom 5. Juli 1968, Z 1543/66 und vom 4. Juli 1974, Z 1076, 1077/73). Daß diese aus den zitierten Gesetzesstellen gezogene Schlußfolgerung dem Willen des Gesetzgebers entspricht, zeigt - wie schon im angefochtenen Bescheid dargelegt - auch die Bestimmung des Abs2 des §246 BAO. Aus all dem folgt, daß die bel. Beh. den Bf. sohin nicht zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert hat. Die Bf. sind sohin durch diesen Bescheid nicht in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung durch den gesetzlichen Richter verletzt.
2. Bescheid G A 11-448/3/82 (Abweisung des Antrages auf Bescheidzustellung):
Die Bf. gehen davon aus, daß aufgrund der Bestimmung des §6 BAO in Zusammenhalt mit den §§198 und 199 BAO die Behörde die Verpflichtung habe, bei Vorliegen eines (abgabenrechtlichen) Gesamtschuldverhältnisses den Abgabenbescheid an sämtliche Gesamtschuldner zu erlassen und ihnen so die Möglichkeit zur Ergreifung eines Rechtsmittels zu eröffnen. Richtig ist, daß ein hier nach §17 Z4 GrestG gegebenes abgabenrechtliches Gesamtschuldverhältnis bereits dann entsteht, wenn der maßgebliche abgabenrechtliche Tatbestand verwirklicht ist. Den weiteren in der Beschwerde gezogenen Schlußfolgerung ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:
§6 BAO will das Gesamtschuldverhältnis ausdrücklich als ein solches gemäß §891 ABGB verstanden wissen. Gemäß dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle hängt es nun vom Gläubiger ab, ob er von allen oder von einigen Mitschuldnern das Ganze, oder nach von ihm gewählten Anteilen, oder ob er das Ganze von einem einzigen fordern will. Der Gläubiger kann daher jeden der Mitschuldner nach seinem Belieben in Anspruch nehmen, bis er die Leistung vollständig erhalten hat (vgl. Klang, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, Zweite Auflage, Vierter Band, erster Halbband, S 297). Bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses in Abgabensachen steht daher der Abgabenbehörde - dem Gläubiger - die Wahl zu, ob sie alle Gesamtschuldner, die dieselbe Abgabe schulden, zur Leistung heranziehen will. Das Gesetz räumt der Abgabenbehörde sohin einen Ermessensspielraum ein, in dessen Rahmen sie ihre Entscheidung gemäß §20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen hat (vgl. Erk. des VwGH vom 1. April 1971, Z 1805/69). Ist aber ein im Ermessen der Behörde stehendes Wahlrecht - sohin sicher kein willkürliches - gegeben, so kann von einer Verpflichtung zur Heranziehung sämtlicher Gesamtschuldner einer Abgabe mit Bescheid nicht gesprochen werden. Aus diesem Grunde gehen die weiteren Ausführungen und Schlußfolgerungen der Bf. ins Leere. Denn selbst wenn der Meinung zu folgen wäre, daß durch die Bestimmung des §6 BAO zwischen den Gesamtschuldnern einer Abgabe ein zivilrechtliches Rechtsverhältnis geschaffen wird, so sind Streitigkeiten aus einem solchen doch grundsätzlich vor den ordentlichen Gerichten auszutragen. Diese Rechtsmeinung hat auch der VwGH in einem ähnlich gelagerten Fall in seinem Erk. vom 19. Juni 1980, Z 1532/78, vertreten und dort auch dargetan, daß es keine gesetzliche Vorschrift gäbe, die die Abgabenbehörde verpflichten würde, bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses nach Bezahlung der Schuld durch einen der Schuldner einen Abgabenbescheid gegen den Mitschuldner zu erlassen. Die Bf. sind sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht in dem verfassungsgestzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden.
Aus dem oben Gesagten ergibt sich weiters, daß auch die Gesetzeslage als solche verfassungskonform ist. Denn die Bf. verlangen eine abgabenbehördliche Zuständigkeit nicht für die Geltendmachung ihrer Rechte gegenüber eben dieser Abgabenbehörde, da an sie kein Leistungsgebot der Behörde ergangen ist, sondern zur Geltendmachung ihrer Rechte gegenüber dem Vertragspartner des Kaufvertrages. Ein Fehlen einer Zuständigkeit zur Austragung eines zivilrechtlichen Anspruches vor einer Verwaltungsbehörde widerspricht sohin nicht dem Verfassungsgrundsatz des Art83 Abs2 B-VG.
Dem Vorbringen, daß die Rechtslage dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen würde, da durch abgabenrechtliche Vorschriften betroffene Personen willkürlich aus dem Abgabenverfahren ausgeschieden werden könnten, ist folgendes entgegenzuhalten: Die Bf. wurden keineswegs 'willkürlich aus dem Abgabenverfahren ausgeschieden', sondern die Abgabenbehörde hat in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens aus Zweckmäßigkeitserwägungen die Gesfö, einen im Inland greifbaren Abgabenschuldner, zur Grunderwerbsteuer herangezogen, da die Erben nach Dr. K überwiegend im Ausland wohnhaft sind und eine Abgabenanforderung bei diesen sohin unzweckmäßig gewesen wäre. Es kann nicht gesagt werden, daß eine Ungleichbehandlung von Gleichem vorliegt, wenn die verfahrensrechtliche Stellung eines zu einer Abgabe mit Bescheid herangezogenen Gesamtschuldners anders geregelt ist als die eines nicht herangezogenen gesamtschuldners, der seinerseits sohin gegenüber der Abgabenbehörde kein konkretes Rechtsschutzinteresse hat.
Was letztlich das Recht auf die Unverletzlichkeit des Eigentums anlangt, so hätte eine solche Verletzung zur Voraussetzung, daß durch die angefochtenen Bescheide überhaupt ein Eingriff in das Eingentum der Bf. erfolgt ist. Die trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Nach der Judikatur des VfGH genießen nämlich den Schutz des Art5 StGG nur Privatrechte. Die Bf. haben jedoch Maßnahmen des öffentlichen Rechtes beantragt, die von der belangten Behörde mit den angefochtenen Bescheiden abgelehnt wurden. Dadurch sind aber keine Bescheide gegeben, die (direkt) in das Eigentum der Bf. eingegriffen hätten, sodaß keine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtes des Eigentums durch die angefochtenen Bescheide gegeben sein kann. (Vgl. Erk. des VfGH vom 12. Jänner 1963, B113/62, Sammlung 4352). Diese Argumentation ist aber auch hinsichtlich der Gesetzeslage an sich tragend. Denn die von den Bf. in der Beschwerde zitierten, wie auch die von der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden herangezogenen Bestimmungen der BAO sind Bestimmungen des öffentlichen Rechts und nicht des Privatrechts.
Aus all dem Gesagten ist die belangte Behörde der Ansicht, daß durch die beiden angefochtenen Bescheide die Bf. in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt sind."
Sinngemäß Gleiches führt die bel. Beh. in der Gegenschrift aus, die sie zu der unter B401, 402/82 erhobenen Beschwerde erstattet hat.
II. Der VfGH hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
1. Die Grunderwerbsteuer schulden gemäß §17 Z4 GrEStG sowohl der Verkäufer als auch der Käufer.
Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, sind nach §6 Abs1 BAO Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, §891 ABGB).
Bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses ist kein Haftungsbescheid nach §224 BAO zu erlassen. Die Inanspruchnahme hat durch Abgabenbescheid zu erfolgen (§198 Abs1 BAO).
§199 BAO lautet:
"Sind zur Entrichtung einer Abgabe mehrere Personen als Gesamtschuldner verpflichtet, so kann gegen sie ein einheitlicher Abgabenbescheid erlassen werden, und zwar auch dann, wenn nach dem zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnis die Abgabe nicht von allen Gesamtschuldnern zu tragen ist."
Ein solcher Bescheid kann unter bestimmten Voraussetzungen dem §101 Abs1 BAO zufolge mit Wirkung für alle Gesamtschuldner nur einer Person zugestellt werden:
"Ist eine schriftliche Ausfertigung an mehrere Personen gerichtet, die dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden oder die gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind, und haben diese der Abgabenbehörde keinen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten bekanntgegeben, so gilt mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an eine dieser Personen die Zustellung an alle als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird."
Das Recht, Berufung gegen Abgabenbescheide zu erheben, regelt die grundsätzliche Bestimmung des §246 Abs1 BAO:
"Zur Einbringung einer Berufung ist jeder befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildenden Bescheid ergangen ist."
Nach §257 BAO ist der Beitritt zu einer Berufung möglich:
"(1) Einer Berufung, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann beitreten, wer nach Abgabenvorschriften für die den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildende Abgabe als Gesamtschuldner ... in Betracht kommt.
(2) Wer einer Berufung beigetreten ist, kann die gleichen Rechte geltend machen, die dem Berufungswerber zustehen."
2. a) Mit den im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheiden der FLD GA 11-448/82 und GA 11-448/2/82 wurden die Berufungen der Bf. gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 30. Juli 1980 zurückgewiesen. Es wurde den Bf. also eine Sachentscheidung über ein Rechtsmittel verweigert. Wäre dies zu Unrecht erfolgt, so wären die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden (vgl. zB VfSlg. 9105/1981).
b) Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 30. Juli 1980 ist weder an die Bf. adressiert (gerichtet), noch wurde er ihnen zugestellt. Weder die Regel des §199, noch jene des §101 Abs1 BAO, findet daher hier Anwendung.
Es steht außer Zweifel, daß der Grunderwerbsteuerbescheid nicht an die Bf. ergangen ist. Sie sind daher nicht zur Einbringung einer Berufung legitimiert. Eine andere Auslegung läßt der klare Wortlaut des §246 Abs1 BAO nicht zu. Daran ändert der Umstand nichts, daß die Bf. potentielle Abgabenschuldner sind und im Innenverhältnis zwischen ihnen und dem Verkäufer (Gesfö) die zivilrechtliche Verpflichtung besteht, die Grunderwerbsteuer zu tragen (vgl. zB VfSlg. 6318/1970, 7554/1975, 9312/1982; VwSlg. 4165 F/1970; VwGH 5. 4. 1971 Z 1536/69, 16. 5. 1979 Z 173/79).
Da die Berufungen der Bf. gegen den Grunderwerbsteuerbescheid zu Recht zurückgewiesen worden sind, sind die Bf. im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der die Zurückweisung tragenden Rechtsvorschriften (s. hiezu die folgende Z3) ist es damit auch ausgeschlossen, daß sie in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wären (vgl. zB VfSlg. 8741/1980).
Die Beschwerden waren sohin, soweit sie sich gegen die beiden zuletzt zitierten Berufungsbescheide wenden, abzuweisen.
3. a) Mit den weiters angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der FLD GZ GA 11-448/1/82 und GA 11-448/3/82 wurden die Anträge der Bf., (auch) ihnen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 30. Juli 1980 zuzustellen, abgewiesen.
Dieser Grunderwerbsteuerbescheid ist ausschließlich an die Verkäuferin (die Gesfö) adressiert.
Wie bereits erwähnt, sind hier die §§199 und 101 Abs1 BAO außer Betracht zu lassen. Ebensowenig ist §257 BAO heranzuziehen, da die Gesfö nicht das Rechtsmittel der Berufung erhoben hat, der die Bf. hätten beitreten können.
b) Der VwGH hat mit Erk. vom 19. Juni 1980, Z 1532/78, in einer Gebührensache dargetan, daß keine gesetzliche Vorschrift bestehe, die die Abgabenbehörde verpflichten würde, bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses nach Bezahlung der Schuld durch einen der Schuldner einen Gebührenbescheid gegen den Mitschuldner zu erlassen.
Nichts anderes gilt für das Gesamtschuldverhältnis in Grunderwerbsteuersachen:
§6 BAO nimmt auf §891 ABGB über das Gesamtschuldverhältnis Bezug. Nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesbestimmung hängt es vom Gläubiger ab, ob er von allen oder von einigen Mitschuldnern das Ganze oder nach von ihm gewählten Anteilen, oder ob er das Ganze von einem einzigen fordern will. Der Gläubiger kann daher jeden der Mitschuldner nach seinem Belieben in Anspruch nehmen, bis er die Leistung vollständig erhalten hat.
Es trifft daher die Meinung der bel. Beh. zu, daß bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses in Abgabensachen der Abgabenbehörde - dem Gläubiger - die Wahl zusteht, ob sie alle Gesamtschuldner oder nur einzelne, im letzteren Fall, welche der Gesamtschuldner, die dieselbe Abgabe schulden, zur Leistung heranziehen will.
Es liegt also gerade im Wesen eines Gesamtschuldverhältnisses, daß dem Gläubiger (hier der Finanzbehörde) freisteht, an wen er (sie) sich hält. Das schließt - mangels ausdrücklicher gegenteiliger Norm - seine (ihre) Pflicht aus, sich an mehrere oder alle Gesamtschuldner zu wenden; das bedeutet, daß eine Pflicht der Finanzbehörde, allen Gesamtschuldnern bescheidmäßig die Steuer vorzuschreiben, grundsätzlich nicht besteht. Weder die BAO noch das GrEStG noch eine andere Rechtsvorschrift enthält eine von diesem Prinzip abweichende Regelung. Wortlaut und Sinn des Gesetzes sprechen also für die von der Behörde gewonnene Auslegung. Auch andere Auslegungsmethoden führen zu keinem anderen Ergebnis, insbesondere auch nicht der Grundsatz, daß Gesetze im Zweifel (ein solcher kommt nach dem Gesagten hier ohnehin kaum noch in Betracht) verfassungskonform auszulegen sind (s. die folgende litc).
c) Der VfGH hat mit Erk. VfSlg. 6013/1969 dargetan, daß gegen eine Regelung (§17 Z4 GrEStG iVm. § BAO), gemäß der es ganz in die Hand der Finanzbehörde gelegt ist, an welchen der Gesamtschuldner sie sich halten will, grundsätzlich nichts einzuwenden sei, weil dies dem Wesen der solidarischen Haftung entspreche.
Der Gerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Judikatur abzurücken. In deren Verfolg hat er nicht das Bedenken, daß das Gesetz bei dem von der Behörde angenommenen Inhalt verfassungswidrig ist.
Gegen das Institut des Gesamtschuldverhältnisses an sich besteht kein verfassungsrechtlicher Einwand. Auch die Bf. bringen in dieser Hinsicht nichts vor. Wenn der Steuergesetzgeber hier eine Art Zwangsgemeinschaft zwischen dem Verkäufer und dem Käufer einer Liegenschaft begründet hat, ist dies wegen des zwischen ihnen bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhanges nicht unsachlich. Beide Vertragsteile haben es in der Hand, das Innenverhältnis nach Belieben zu gestalten, so auch ihre (gegenseitigen) Rechte und Pflichten iZm. der Grundwerwerbsteuer zu vereinbaren; es steht ihnen frei, nicht bloß zu vereinbaren, wer die Steuer zu tragen hat, sondern in den Kaufvertrag - in Kenntnis der dargestellten Rechtslage - auch Bestimmungen aufzunehmen, die den hiezu verpflichteten Vertragsteil absichern (etwa die Pflicht zur Verständigung dieses Vertragsteiles durch den anderen bei Heranziehung durch die Finanzbehörde oder die Pflicht, über Aufforderung Rechtsmittel gegen den Grunderwerbsteuerbescheid zu erheben).
Es ist auch nicht erkennbar, weshalb der Umstand, daß dann, wenn der eine Vertragsteil die Pflichten vernachlässigt, die ihn aufgrund des Kaufvertrages iZm. der Grunderwerbsteuer gegenüber dem anderen Vertragsteil treffen, allenfalls das ordentliche Gericht indirekt über die Rechtmäßigkeit des Abgabenanspruches (als Vorfrage) zu befinden hätte, das Gesetz verfassungsrechtlich bedenklich machen sollte.
d) Die gegen die Bescheide, mit denen die Zustellung des Grunderwerbsteuerbescheides verweigert wurde, gerichteten Beschwerden waren sohin abzuweisen, ohne daß erörtert zu werden brauchte, ob die Bescheide überhaupt in jene verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte eingreifen, deren Verletzung die Bf. behaupten.
Schlagworte
Finanzverfahren, Gesamtschuldverhältnis, Rechtsmittel Finanzverfahren, Bescheiderlassung, Verwaltungsverfahren, Berufung, GrunderwerbsteuerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B399.1982Dokumentnummer
JFT_10159693_82B00399_00