TE Vfgh Erkenntnis 1984/3/8 B412/79

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Veröffentlicht am 08.03.1984
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
GewerbesteuerG 1953 §7 Z1

Leitsatz

Gewerbesteuergesetz 1953; gleichheitswidrige Auslegung des §7 Z1 letzter Satz durch Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen zum Gewinn eines Gaststätten- und Beherbergungsbetriebes wegen Fehlens eines eigenen Betriebsgrundstückes

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die bf. Gesellschaft betreibt in Wien, A-Gasse, ein Hotel. Grundbücherlicher Liegenschaftseigentümer ist der Souveräne Malteser Ritterorden. Die bf. Gesellschaft hat einen Großteil des erwähnten Gebäudes gemietet. In der Gewerbesteuererklärung für 1976 hat die bf. Gesellschaft keine Zinsen gemäß §7 Z1 des Gewerbesteuergesetzes 1953, BGBl. 2/1954, idF des ArtII Z1 des Abgabenänderungsgesetzes 1974, BGBl. 17/1975, (im folgenden kurz: GewStG 1953) bei der Ermittlung des Gewinnes aus dem Gewerbebetrieb hinzugerechnet.

Das Finanzamt für Körperschaften hat jedoch mit Gewerbesteuerbescheid 1976 die Aufwandzinsen von 443094 S abzüglich des Freibetrages von 10000 S gemäß §7 Z1 GewStG 1953 hinzugerechnet.

Die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. hat mit Bescheid vom 23. Juli 1979 die dagegen von der bf. Gesellschaft erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß die bf. Gesellschaft keinen Antrag iS des §7 Z1 letzter Satz GewStG 1953 gestellt habe. Aber selbst wenn man in dem Hinweis der bf. Gesellschaft auf das Abgabenänderungsgesetz 1974 und in dem Umstand, daß sie in der Gewerbesteuererklärung keinerlei Zinsen als Dauerschuldzinsen erklärt hat, eine konkludente Handlung iS eines Antrages erblicken könnte, so wäre damit für sie nichts gewonnen, weil die Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigung nach der zitierten Gesetzesstelle auch davon abhängig sei, daß ein (eigenes) Betriebsgrundstück vorliegt (sachliche Voraussetzung). Die bf. Gesellschaft erfülle wohl die persönliche Voraussetzung für die Begünstigung, da sie ein "Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe" iS der zitierten Gesetzesvorschrift betreibe. Das Grundstück, auf dem sich der Hotelbetrieb der bf. Gesellschaft befindet, stehe aber nicht in ihrem Eigentum, sondern in jenem des Souveränen Malteser Ritterordens. Es sei bewertungsrechtlich nicht der bf. Gesellschaft, sondern dem Souveränen Malteser Ritterorden zugerechnet worden. Damit fehle aber die sachliche Voraussetzung - nämlich ein eigenes Betriebsgrundstück - für die Inanspruchnahme der Begünstigung.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. a) Der VfGH hat ua. aus Anlaß dieser Beschwerde gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des letzten Satzes des §7 Z1 GewStG 1953 eingeleitet:

b) Mit seiner Einleitung lautet §7 Z1 GewStG in der hier maßgeblichen Fassung (nämlich in jener des ArtII Z1 AbgÄG 1974; vgl. dessen ArtIV Abs1) auszugsweise wie folgt:

"Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§6) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinnes abgesetzt sind:

1. Zinsen für Schulden, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes (Teilbetriebes) oder eines Anteiles am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebes zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen.

Die Hinzurechnung wird nur insoweit vorgenommen, als die Zinsen 10000 S übersteigen.

...

Übersteigen bei Betrieben des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes die Dauerschulden 80 vH des Einheitswertes der Betriebsgrundstücke, so ist auf Antrag insoweit von einer Hinzurechnung abzusehen;

2. ..."

c) Der VfGH hat mit Erk. vom 3. Dezember 1983, G37/80, G66/82 und G64/83, ua. ausgesprochen, daß §7 Z1 letzter Satz GewStG 1953 nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsrecht steht auch inländischen juristischen Personen zu (vgl. zB VfSlg. 8233/1978 und die dort zitierte weitere Judikatur). Es ist daher möglich, daß die bf. Partei (eine GesmbH mit dem Sitz in Wien) durch den bekämpften Bescheid im Gleichheitsrecht verletzt wurde.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9186/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

2. a) Der angefochtene Bescheid wird in materieller Hinsicht vor allem auf §7 Abs1 letzter Satz GewStG 1953 gestützt.

Wie sich aus dem oben unter I.3.c zitierten Erk. des VfGH vom 3. Dezember 1983 ergibt, wäre diese Gesetzesbestimmung - hätte sie den Inhalt, den ihr die Behörde beimißt - gleichheitswidrig. Der VfGH hat in diesem Erk. aber weiters dargetan, daß eine Auslegung möglich ist, die dieses verfassungswidrige Ergebnis vermeidet.

Daraus folgt, daß die Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt und damit die bf. Gesellschaft im Gleichheitsrecht verletzt hat.

b) Zum Vorbringen des Behördenvertreters bei der (fortgesetzten) mündlichen Verhandlung vor dem VfGH vom 8. März 1984, wonach der angefochtene Bescheid primär damit begründet wurde, daß die bf. Gesellschaft keinen Antrag iS des §7 Z1 letzter Satzteil GewStG gestellt habe, ist zu bemerken, daß diese Gesetzesbestimmung eine besondere Form für den Antrag nicht verlangt (s. §85 BAO; vgl. hiezu Stoll, Bundesabgabenordnung-Handbuch, Wien 1980, S 201 f. und die dort zitierte Judikatur) und daß der Behördenvertreter anläßlich der mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 1982 zugestanden hat, die antragstellende Gesellschaft habe zwar keinen formellen Antrag auf Gewährung der Begünstigung gestellt, wohl aber dieses Begehren konkludent zum Ausdruck gebracht.

c) Der Bescheid ist sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

Schlagworte

Gewerbesteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B412.1979

Dokumentnummer

JFT_10159692_79B00412_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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