TE Vfgh Erkenntnis 1984/3/10 B505/79, B506/79

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Veröffentlicht am 10.03.1984
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Index

60 Arbeitsrecht
60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

MRK Art7
StGG Art5
ArbeitszeitG §17 Abs2
ArbeitszeitG §28 Abs1
FahrtenbuchV §4
VStG §5 Abs1
VStG §9

Leitsatz

VStG §9; Arbeitszeitgesetz 1969 §17 Abs2, §28 Abs1; Fahrtenbuchverordnung §4; keine denkunmögliche Verhängung von Verwaltungsstrafen wegen Verwaltungsübertretungen gemäß §4 über den gewerberechtlichen Geschäftsführer einer GesmbH

Spruch

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg verhängte über den Bf. mit Bescheiden VerkGe-29/1977 und VerkGe-30/1977, beide vom 14. Juli 1977, wegen Verwaltungsübertretungen nach §4 Abs4 der Fahrtenbuchverordnung, BGBl. 461/1975, iVm. §17 Abs2 Arbeitszeitgesetz 1969, BGBl. 461 idF BGBl. 2/1975, (AZG) gemäß §28 Abs1 AZG Geldstrafen in der Höhe von je 500 S im Falle der Uneinbringlichkeit jeweils Ersatzarreststrafen in der Höhe von 12 Stunden, weil, wie bei Überprüfungen am 25. März 1977 (erstzitierter Bescheid) und am 28. März 1977 (zweitzitierter Bescheid) bei Kontrollen durch Organe des Arbeitsinspektorates festgestellt worden sei, das Fahrtenbuch mangelhaft geführt wurde und kein Wochenberichtsblatt ausgefüllt war. Der Bf. habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der J H GesmbH unterlassen, bei den Lenkern von LKW-Zügen die entsprechende Überprüfung des Fahrtenbuches durchzuführen.

1.2. Die gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen wurden mit Bescheiden des Landeshauptmannes von OÖ vom 11. Oktober 1979, VerkR-8589/1-1977-II/Weg und VerkR-8589/2-1977-II, abgewiesen und die angefochtenen Straferk. vollinhaltlich bestätigt.

2.1. Gegen diese Bescheide richten sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützten, zu B505/79 und B506/79 protokollierten Beschwerden, in denen der Bf. - mit wortgleichen Eingaben - die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) und des Art7 MRK geltend macht und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt.

2.2. Die bel. Beh. hat in beiden Beschwerdefällen Gegenschriften erstattet, in denen sie die Abweisung der Beschwerden begehrt.

3. Der VfGH hat über die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen - zulässigen - Beschwerden erwogen:

3.1. Der Bf. macht geltend, daß er bereits im Administrativverfahren darauf verwiesen habe, daß bei der Firma H GesmbH, deren Geschäftsführer er sei, nahezu 140 Dienstnehmer beschäftigt seien. Derzeit stünden zirka 90 LKW-Züge im Einsatz. Der Betrieb des Unternehmens habe damit einen Geschäftsumfang erreicht, der es erforderlich mache, einzelne Aufgabengebiete zu delegieren. K R sei daher zum Prokuristen bestellt und mit der Leitung des Fuhrparks betraut worden. Dem Prokuristen obliege es, die Einhaltung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen, die dem Halter von KFZ duch die Bestimmungen der Fahrtenbuchverordnung iVm. dem AZG auferlegt seien, zu überwachen, und dafür zu sorgen, daß diese von den jeweiligen Lenkern eingehalten werden. Der Umfang des Betriebes erlaube dem Bf. nur stichprobenweise die dem Prokuristen übertragenen Tätigkeiten zu überwachen. Da die LKW-Züge auch außerhalb des österreichischen Bundesgebietes, ja sogar außerhalb Europas eingesetzt würden, sei es unmöglich, in die Fahrtenbücher wöchentlich Einsicht zu nehmen. Der Bf. habe jedoch die Dienstnehmer schon bei deren Eintritt in das Dienstverhältnis auf die Bestimmungen der Fahrtenbuchverordnung und des AZG schriftlich und in gewissen Zeitabständen bei Betriebsversammlungen auch mündlich hingewiesen. Bei den von ihm durchgeführten Stichproben habe er keinen Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen feststellen können. Da der Prokurist auch mit der Überwachung der Fahrtenbücher und der Wochenberichtsblätter beauftragt gewesen sei, habe der Bf. Zuwiderhandlungen gegen die gesetzlichen Bestimmungen weder vorhersehen, noch vermeiden können. Im übrigen sei der bel. Beh. nicht beizupflichten, daß einem Prokuristen nach dem zweiten Satz des §9 VStG die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften nicht übertragen werden könne.

Die angefochtenen Bescheide seien daher rechtswidrig und beruhten auf einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes; damit liege auch ein Verstoß gegen Art7 MRK vor.

3.2. Die angefochtenen Bescheide greifen in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980, 9014/1981) dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügenden Bescheide ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wären oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhten, oder wenn die Behörde bei Erlassung der Bescheide verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlagen in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Gemäß §17 Abs2 AZG haben Arbeitgeber mindestens einmal monatlich zu überprüfen, ob die den Lenkern und Beifahrern nach Abs1 leg. cit. obliegende Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuches - nähere Bestimmungen über Form und Inhalt desselben sind gemäß Abs3 dieser Gesetzesstelle durch V zu treffen, was mit der Fahrtenbuchverordnung geschehen ist - erfüllt wird. Gemäß §28 Abs1 AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen.

Da die Vorschriften der §§17 Abs2 und 28 Abs1 AZG sowie die hier maßgebliche Bestimmung des §4 Fahrtenbuchverordnung den Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht voraussetzen und auch über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmen, handelt es sich hiebei um ein Ungehorsamsdelikt iS des §5 Abs1 zweiter Satz VStG 1950.

Trifft eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, deren Nichterfüllung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, eine Gesellschaft, so finden gemäß §9 VStG, sofern die Verwaltungsvorschrift nicht anderes bestimmt, die Strafbestimmungen auf die satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe Anwendung. Diese sind nach der genannten Gesetzesstelle berechtigt und auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreise handlungsfähige Personen zu bestellen, denen für den gesamten Betrieb oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Gebiete die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmungen wurden vom Bf. nicht geltend gemacht, solche sind auch im Gerichtshof nicht entstanden (vgl. auch VfSlg. 5021/1965, 7210/1973, 8238/1978).

Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen könnte der Bf. durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums somit nur bei einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung verletzt worden sein. Auch eine solche liegt offenkundig nicht vor. Es ist jedenfalls nicht denkunmöglich, wenn die bel. Beh. in den angefochtenen Bescheiden davon ausgegangen ist, daß die Frage, ob der Unternehmer persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit ist, im Einzelfall davon abhängt, ob er den Nachweis zu erbringen vermag, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Ebensowenig ist es denkunmöglich, wenn die bel. Beh. vermeint, daß ein Prokurist nicht als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer juristischen Person zu werten ist, zumal sich die bel. Beh. mit dieser Ausführung auf die Rechtsansicht beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes berufen kann (vgl. VfSlg. 8273/1978, 9016/1981 und VwGH 15. 9. 1966 Z 525/66). Damit ist es aber vertretbar, wenn die bel. Beh. in den angefochtenen Bescheiden zu dem Ergebnis kommt, daß dem Bf. der Nachweis nicht gelungen sei, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt somit nicht vor.

Ebensowenig trifft der für die Beschwerdefälle durch nichts begründete Vorwurf einer Verletzung des Art7 MRK zu, nach welcher Bestimmung eine Verurteilung wegen einer Handlung oder Unterlassung, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war, untersagt ist (vgl. VfSlg. 8087/1977).

3.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerden waren daher abzuweisen.

Schlagworte

Arbeitsrecht, Arbeitszeit, Verwaltungsstrafrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B505.1979

Dokumentnummer

JFT_10159690_79B00505_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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