TE Vfgh Erkenntnis 1984/3/15 G79/83, G1/84, G2/84, G3/84, G4/84, G5/84, G6/84, G7/84, G8/84, G9/84,

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Veröffentlicht am 15.03.1984
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Index

32 Steuerrecht
32/03 Steuern vom Vermögen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsmaßstab
BG, mit dem eine Sonderabgabe von Kreditunternehmungen erhoben wird, BGBl 553/1980

Leitsatz

Bundesgesetz, mit dem eine Sonderabgabe von Kreditunternehmungen erhoben wird, BGBl. 553/1980; keine Gleichheitswidrigkeit der §§1, 3 und 4 Abs1 erster Satz im Hinblick auf die rechtliche Sonderstellung der Kreditunternehmungen

Spruch

Die §§1, 3 und 4 Abs1 erster Satz des Abschn. I des BG vom 26. November 1980, mit dem eine Sonderabgabe von Kreditunternehmungen erhoben wird, BGBl. 553/1980, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1 Aufgrund des BG vom 26. November 1980, BGBl. 553/1980, unterliegt der Betrieb von Kreditunternehmungen einer Sonderabgabe (Abschn. 1, §1), Abgabenschuldner ist die Kreditunternehmung (Abschn. 1, §2).

2. Beim VfGH sind unter den Geschäftszahlen B542/82, B553 - 591/82, B625 - 627/82, B9 - 13/83, B16/83, B22 - 24/83, B76 - 70/83, B78 - 82/83, B95a, b/83, B149 - 151/83, B159, 160/83 und B227/83 Beschwerden von Kreditgenossenschaften gegen im Instanzenzug ergangene Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. anhängig, mit denen den bf. Genossenschaften für 1981 eine Sonderabgabe nach dem unter Punkt I/1 genannten Gesetz - und im Falle des dem Verfahren B542/82 zugrunde liegenden Bescheides auch Vorauszahlungen für die beiden ersten Kalendervierteljahre 1982 - vorgeschrieben wurden.

In den genannten Beschwerden behaupten die bf. Genossenschaften, durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes im Eigentumsrecht verletzt zu sein. Die Sonderabgabe für Kreditunternehmen ermangle nämlich einer sachlichen Rechtfertigung.

3. Bei der Beratung über die Beschwerden sind beim VfGH Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§1, 3 und 4 Abs1 erster Satz des 1. Abschn. des BG vom 26. November 1980, mit dem eine Sonderabgabe von Kreditunternehmungen erhoben wird, BGBl. 553/1980, entstanden. Der Gerichtshof hat daher gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, die genannten Bestimmungen von Amts wegen zu prüfen.

Der Gerichtshof ging dabei davon aus, daß die Beschwerden zulässig zu sein scheinen und daß er die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Gesetzes bei der Entscheidung über die Beschwerden anzuwenden haben werde.

Seine Bedenken hat der Gerichtshof in dem das Verfahren G79/83 einleitenden Beschluß B542/82-14 (auf den in dem die anderen Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschluß verwiesen wurde) folgendermaßen formuliert:

a) Die Sonderabgabe von Kreditunternehmungen bezweckt wie jede Abgabe die Erzielung staatlicher Einnahmen. Rechtsvorschriften zu diesem Zweck zu erlassen, steht dem jeweils zuständigen Gesetzgeber innerhalb des ihm vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmens zu. Wie es dem Gesetzgeber grundsätzlich freisteht zu entscheiden, welche Instrumente er unter Berücksichtigung allfälliger erwünschter oder in Kauf genommener Nebenwirkungen zur Erreichung seiner Ziele für geeignet erachtet (VfSlg. 8457/1978), so steht ihm auch die Wahl des Besteuerungsgegenstandes im Rahmen der von der Finanzverfassung gezogenen Grenzen und der übrigen verfassungsrechtlichen Schranken, insbesondere auch des Grundrechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz grundsätzlich frei.

Der Gleichheitsgrundsatz verbietet dem Gesetzgeber ua., tatsächlich Gleiches ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedlich zu behandeln. Das bedeutet, daß unterschiedliche Rechtsfolgen ihre jeweilige sachliche Rechtfertigung in Unterschieden im Bereich des Tatsächlichen finden müssen. Eine auf Kreditunternehmungen beschränkte Sonderabgabe kann daher vor dem Gleichheitsgrundsatz nur dann Bestand haben, wenn sich eine sachliche Rechtfertigung dafür finden läßt, daß gerade Kreditunternehmungen mit einer derartigen Abgabe belegt werden.

Die EB zur RV (476 BlgNR 15. GP) rechtfertigen die unterschiedliche Rechtsfolge hinsichtlich der Abgabenbelastung zwischen einer Kreditunternehmung und einem sonstigen Abgabepflichtigen hinsichtlich der Grundabgabe mit der besonderen Ertragskraft der Kreditunternehmungen und hinsichtlich der Abgabenzuschläge pro unterhaltener Betriebsstätte mit dem Erfordernis der Einschränkung der Filialausweitung. Ausdrücklich heißt es in den EB: "Die besondere Ertragskraft dieser Unternehmungen iVm. dem Ziel einer Einschränkung des derzeit gegebenen Wettlaufes um Gründung neuer Zweigstellen rechtfertigt die Beschränkung dieser Abgabe auf Kreditunternehmungen."

Der VfGH geht vorläufig davon aus, daß eine solche Zielsetzung im Rahmen des dem Gesetzgeber zukommenden rechtspolitischen Spielraumes läge. Er kann aber vorläufig nicht finden, daß die Behauptung der besonderen Ertragskraft von Kreditunternehmungen in dieser umfassenden und undifferenzierten Weise zutrifft und die Ertragskraft von Kreditunternehmen volkswirtschaftlich gesehen größer ist als die sonstiger Wirtschaftsunternehmungen (vgl. H R Laurer, aaO 75 ff).

Faßt man hingegen entgegen der bisher zugrunde gelegten Auffassung die Sonderabgabe von Kreditunternehmungen als ertragskraftunabhängige Steuer auf, mißt also dem Argument, daß die besondere Ertragskraft der Kreditunternehmungen die Sonderabgabe für diese Unternehmungen rechtfertige, keine Bedeutung zu, so bedürfte es einer anderen sachlichen Rechtferigung für die Beschränkung der Sonderabgabe auf Kreditunternehmungen. Ein solche vermag der VfGH vorerst nicht zu erkennen. Auch aus den zitierten Materialien und der bisher erschienen Literatur zum Thema (vgl. H R Laurer aaO und H G Ruppe, Die Sonderabgabe von Kreditunternehmungen II, ÖStZ 1983, 190 ff.) geht eine solche Rechtfertigung nicht hervor. Ob allenfalls die volkswirtschaftliche Sonderstellung des Geld- und Kreditsektors, die auch zu einer weitgehenden rechtlichen Sonderbehandlung (etwa im Hinblick auf eine besondere Staatsaufsicht und einen wettbewerbsbeschränkenden Konkurrenzschutz) geführt hat, die Sonderabgabe sachlich zu rechtfertigen vermag, wird im Gesetzesprüfungsverfahren zu beurteilen sein.

b) Sollte sich in diesem Verfahren aber zeigen, daß Kreditunternehmungen im allgemeinen entgegen der Annahme des VfGH im Durchschnitt über eine besondere Ertragskraft verfügen, die ihre abgabenrechtliche Sonderbehandlung rechtfertigt, hat der VfGH das Bedenken, daß das vom Gesetz gewählte Kriterium, die Steuerbelastung der abgabepflichtigen Kreditunternehmungen zu messen, dem Gleichheitsgrundsatz nicht entspricht:

Der VfGH verkennt nicht, daß die vom Gesetz zur Bemessungsgrundlage der Sonderabgabe herangezogene Größe der modifizierten Bilanzsumme bei der betriebswirtschaftlichen Beurteilung von Kreditunternehmungen von Bedeutung ist und daß diese Größe Aussagen über den Umsatz und über die Marktanteile von Kreditunternehmungen zuläßt. Andererseits ist sicher, daß die Ertragskraft von Unternehmungen an Hand verschiedener Faktoren gemessen werden kann. Der VfGH bezweifelt jedoch, daß die Bilanzsumme geeignet ist, irgendwelche Rückschlüsse auf die Ertragskraft von Kreditunternehmungen zuzulassen (vgl. H G Ruppe, aaO mit Hinweisen auf die bankbetriebliche Literatur). Wenn aber die besondere Ertragskraft bestimmter Unternehmungen eine Sonderabgabe für diese Unternehmungen rechtfertigt, so scheint es unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes nicht zulässig zu sein, die Höhe dieser Abgabe von Umständen abhängig zu machen, die mit der Ertragskraft in keinem Zusammenhang stehen. Vielmehr scheint es unsachlich zu sein, die Höhe der Abgabe bei ertragskraftbezogenen Steuern von der Bilanzsumme abhängig zu machen, da diese mit der Ertragskraft von Unternehmungen nicht zu korrelieren scheint.

c) Die in Prüfung gezogenen Regelungen scheinen daher dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz zu widersprechen.

4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen verteidigt und beantragt, der VfGH wolle die in Prüfung gezogenen Bestimmungen der §§1, 3 und 4 Abs1 erster Satz des BG, BGBl. 553/1980, nicht als verfassungswidrig aufheben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Aufgrund des BG vom 26. November 1980, BGBl. 553/1980, unterliegt der Betrieb von Kreditunternehmungen einer Sonderabgabe (Abschn. I, §1), die als ausschließliche Bundesabgabe konstruiert ist (Abschn. II, §3). Abgabenschuldner ist die Kreditunternehmung (Abschn. I, §2), Bemessungsgrundlage für die Sonderabgabe ist die Bilanzsumme der Kreditunternehmung, vermindert um näher aufgezählte Beträge (Abschn. I, §3). Die Abgabe beträgt 0,5 vT der Bemessungsgrundlage (Grundabgabe); sie erhöht sich pro unterhaltener Betriebsstätte um 100000 S (bei Kreditunternehmungen mit eingeschränktem Wirkungsbereich um 10000 S), darf aber 1 vT der Bemessungsgrundlage nicht überschreiten (Abschn. I, §4). Auf die zu veranlagende Abgabe sind vierteljährlich Vorauszahlungen zu entrichten (Abschn. I, §5). Die Sonderabgabe stellt eine Betriebsausgabe nach dem EStG 1972 dar (Abschn. II, §2).

Das Gesetz ist für die Kalenderjahre 1981 bis 1985 anzuwenden (Abschn. II, §1).

b) Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des genannten Bundesgesetzes haben folgenden Wortlaut:

"Gegenstand der Abgabe

§1. Der Sonderabgabe von Kreditunternehmungen unterliegt der Betrieb von Kreditunternehmungen. Kreditunternehmungen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind jene Kreditunternehmungen, auf die das Kreditwesengesetz, BGBl. Nr. 63/1979, anzuwenden ist, und Bausparkassen (§2 Abs2 Z1 des Kreditwesengesetzes).

...

Bemessungsgrundlage

§3. (1) Bemessungsgrundlage für die Sonderabgabe ist die Bilanzsumme der Kreditunternehmung, vermindert um die in Abs2 genannten Beträge. Bilanzsumme ist die Summe der von der Kreditunternehmung auf Grund der gesetzlichen Vorschriften über die Rechnungslegung aufzustellenden Jahresbilanz.

(2) Die Bilanzsumme ist zu kürzen um

1. jene Aktivposten, soweit sie Betrieben unmittelbar zuzurechnen sind, die nach der Verkehrsauffassung nicht den Geschäftsbereich der Kreditunternehmung darstellen,

2. jene Aktivposten, soweit sie ausländischen Betriebsstätten unmittelbar zuzurechnen sind,

3. Verbindlichkeiten aus der Refinanzierung von Rechtsgeschäften oder Rechten, soweit der Bund für diese Rechtsgeschäfte oder Rechte die Haftung nach dem Ausfuhrförderungsgesetz 1964, BGBl. Nr. 200, übernommen hat, Verbindlichkeiten, zu deren Besicherung diese Haftungen abgetreten worden sind, und Verbindlichkeiten, für die der Bund die Haftung nach dem Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz 1967, BGBl. Nr. 196, übernommen hat,

4. Verbindlichkeiten in ausländischer Währung, soweit ihnen Forderungen in auslänischer Währung gegenüberstehen,

5. Verbindlichkeiten der in §43 Abs6 des Nationalbankgesetzes 1955, BGBl. Nr. 184, genannten Kreditunternehmungen aus den bei ihnen nach dieser Bestimmung gehaltenen Mindestreserven,

6. Verbindlichkeiten der Zentralinstitute aus der Haltung der Liquiditätsreserve gemäß §13 Abs5 des Kreditwesengesetzes, soweit sie die Mindestreserve gemäß Z5 übersteigen,

7. Verbindlichkeiten aus dem sonstigen Wertpapieremissionsgeschäft (§1 Abs2 Z9 des Kreditwesengesetzes), wenn die Aufbringung der Fremdmittel ausschließlich aus diesem Geschäft erfolgt,

8. Verbindlichkeiten aus der Ausgabe von Schuldverschreibungen im Sinne des §1 Abs1 Z1 des Wertpapieremisionsgesetzes, BGBl. Nr. 65/1979, wenn der Erlös nach der Satzung der Kreditunternehmung dazu bestimmt ist, ausschließlich an andere Kreditunternehmungen weitergegeben zu werden,

9. die Hälfte der Verbindlichkeiten aus der Ausgabe von Pfandbriefen und Kommunalschuldverschreibungen,

10. jene Aktivposten in Form österreichischer festverzinslicher Wertpapiere, wenn der genehmigte Geschäftsgegenstand ausschließlich das Garantiegeschäft (§1 Abs2 Z7 des Kreditwesengesetzes) umfaßt.

(3) Maßgebend ist die Bilanzsumme für jenes Kalenderjahr, für das die Sonderabgabe festgesetzt wird (§5 Abs1). Wird der Jahresabschluß für ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr aufgestellt oder geht die Kreditunternehmung auf einen anderen Abschlußstichtag über, dann ist die Bilanzsumme für jenes Wirtschaftsjahr maßgebend, das im Kalenderjahr endet. Dies gilt sinngemäß auch bei Erlöschen der Abgabepflicht vor Ablauf des Kalenderjahres. Kommen in einem Kalenderjahr mehrere Bilanzsummen als Bemessungsgrundlage in Betracht, dann ist der für das zuletzt im Kalenderjahr endende Wirtschaftsjahr aufgestellte Jahresabschluß maßgebend. Endet in einem Kalenderjahr kein Wirtschaftsjahr, dann ist die Bilanzsumme der Eröffungsbilanz maßgebend.

Höhe der Abgabe

§4. (1) Die Sonderabgabe beträgt 0,5 vT der Bemessungsgrundlage (§3).

..."

(Die durch BGBl. 111/1982 dem §3 Abs2 angefügte Z11, die sich bloß auf Beteiligungsfondsgesellschaften bezieht, wurde mangels Präjudizialität nicht in Prüfung gezogen.)

2. a) Der VfGH ging in den diese Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschlüssen von der Annahme aus, daß die Beschwerden gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. zulässig sind und daß er bei Prüfung der Bescheide die in Prüfung gezogenen Bestimmungen anzuwenden habe.

b) Beide Annahmen blieben in den Gesetzesprüfungsverfahren unbestritten. Es ist nichts hervorgekommen, was gegen diese Annahmen sprechen würde.

Die Beschwerden sind, da alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.

Die angefochtenen Bescheide stützen sich expressis verbis und ihrem Inhalt nach auf das in Prüfung gezogene Bundesgesetz. Die in den Anlaßfällen bel. Beh. hatte bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Gesetzes, die Regelungen über den Gegenstand der Abgabe, die Bemessungsgrundlage sowie über die Höhe der Grundabgabe enthalten, anzuwenden und hat sie auch angewendet; auch der VfGH hat diese Bestimmungen bei der Entscheidung über die die Anlaßfälle zu diesen Gesetzesprüfungsverfahren bildenden Beschwerden anzuwenden.

c) Die Gesetzesprüfungsverfahren sind daher zulässig.

3. In der Sache hat der VfGH erwogen:

Der VfGH ging in seinen diese Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschlüssen davon aus, daß eine auf Kreditunternehmungen beschränkte Sonderabgabe vor dem Gleichheitsgrundsatz nur dann Bestand haben kann, wenn sich eine sachliche Rechtfertigung dafür finden läßt, daß gerade Kreditunternehmungen mit einer derartigen Abgabe belegt werden.

a) Eine derartige Rechtfertigung sahen die EB zur RV (476 BlgNR 15. GP) hinsichtlich der Grundabgabe in der im Vergleich zur Ertragskraft sonstiger Abgabepflichtiger besonderen Ertragskraft der Kreditunternehmungen. Der VfGH konnte vorläufig nicht finden, daß die Behauptung der besonderen Ertragskraft von Kreditunternehmungen in dieser umfassenden und undifferenzierten Weise zutrifft und die Ertragskraft von Kreditunternehmungen volkswirtschaftlich gesehen größer ist als die sonstiger Wirtschaftsunternehmungen.

Die Bundesregierung ist dieser Annahme des VfGH der Sache nach auch nicht entgegengetreten. Sie vermeint jedoch, daß den Kreditunternehmungen eine besondere Ertragschance, die die Bundesregierung "potentielle Ertragskraft" nennt, zukomme. Darunter versteht die Bundesregierung die "abstrakte Möglichkeit, Erträge zu erzielen, die keineswegs mit den tatsächlichen ausgewiesenen (durchschnittlichen) Gewinnen gleichzusetzen" sei. Nur in diesem Sinn, dh. iS einer Ertragsmöglichkeit dürfe die Aussage von der besonderen Ertragskraft des Bankensektors verstanden werden. Die Bundesregierung verweist darauf, daß infolge des hohen Fremdfinanzierungsanteils in der österreichschen Volkswirtschaft die Annahme einer relativ höheren Ertragschance des im Kreditsektor angesetzten Kapitals nicht als unbegründet angesehen werden könne, ohne freilich diesen Aspekt mit anderen - allenfalls gegenläufigen -, die potentielle Ertragsmöglichkeit beeiflussenden Aspekten in Relation zu setzen. Auch vermag die Bundesregierung nicht dazutun, wieso die von ihr behauptete hohe Ertragschance des Kreditsektors keine Entsprechung in den tatsächlichen Erträgnissen der Kreditunternehmungen gefunden hat. Insbesondere sind auch die von der Bundesregierung vorgelegten Statistiken über die Reihung der größten Banken der Welt schon ihrer Art nach nicht geeignet, ihre Behauptungen zu untermauern. Vielmehr bezweifelt die Bundesregierung selbst die Möglichkeit derartiger Aussagen, wenn sie ausführt, daß "Renditenvergleichen zwischen sehr unterschiedlichen Sektoren der Volkswirtschaft nur sehr beschränkt möglich" seien.

b) Wenn aber die - behauptete - besondere Ertragskraft von Kreditunternehmungen die Sonderabgabe für diese Unternehmungen nicht zu rechtfertigen vermag, bedarf - wie der VfGH in den Einleitungsbeschlüssen weiter meinte - diese Sonderabgabe einer anderen sachlichen Rechtfertigung. Eine solche vermochte der Gerichtshof vorerst nicht zu erkennen. Er führte jedoch aus, es werde im Gesetzesprüfungsverfahren zu beurteilen sein, ob allenfalls die volkswirtschaftliche Sonderstellung des Geld- und Kreditsektors, die auch zu einer weitgehenden rechtlichen Sonderbehandlung (etwa im Hinblick auf eine besondere Staatsaufsicht und einen wettbewerbsbeschränkenden Konkurrenzschutz) geführt hat, die Sonderabgabe sachlich zu rechtfertigen vermöge.

Die Bundesregierung nahm in ihrer Äußerung auf diesen Gedanken Bezug und führte aus, daß die den Kreditsektor betreffenden wirtschaftsrechtlichen Regelungen vom Gedanken eines besonderen Funktionsschutzes getragen seien. Es bestünden strenge Zugangs- und Geschäftsführungsregelungen. Weiters meint die Bundesregierung, daß die Kreditunternehmungen in vielfacher Weise privilegiert seien. So sei die gewerbsmäßige Durchführung von Bankgeschäften den Kreditunternehmungen vorbehalten. Auch würden zB die kartellrechtlichen Beschränkungen des Kartellgesetzes (§5 Abs1 Z4) für Kreditunternehmungen aus besonderen vokswirtschaftlichen Erwägungen nicht gelten, es seien vielmehr Absprachen über Zinssätze in diesem Wirtschaftsbereich durchaus üblich und zT auch in Form der Festlegung des Eckzinssatzes rechtlich vorgesehen.

Aufgrund der strengen Zulasungsbeschränkungen zum Betrieb einer Kreditunternehmung verbunden mit den zahlreichen ordnungspolitischen und wirtschaftspolitischen Sondervorschriften für Kreditunternehmungen könne mit Recht behauptet werden, daß dieser Sektor der Volkswirtschaft eine wettbewerbsmäßige Sonderstellung gegenüber anderen Sektoren der Volkswirtschaft genieße. Die Bundesregierung weist darauf hin, daß im Bereich des Kreditwesens auch die Leistungskonditionen vielfach nicht allein durch den Markt sondern durch - volkswirtschaftlich oft durchaus sinnvolle - Absprachen über die Höhe der Zinssätze und sonstigen Vertragsbedingungen festgelegt würden, und hat dabei offenbar die Möglichkeit des Abschlusses der verschiedenen im KWG vorgesehenen Abkommen durch die Kreditinstitute bzw. deren Verbände im Auge.

Hinzu komme noch, daß der Gesetzgeber die Kreditunternehmungen angesichts ihres Zwecks, die Volkswirtschaft mit dem notwendigen Kapital zu versorgen, vielfach indirekt fördere; in diesem Zusammenhang weist die Bundesregierung einerseits auf die Förderungsmaßnahmen zur Erhöhung der Spartätigkeit der Bevölkerung sowie andererseits darauf hin, daß nahezu alle Wirtschaftsförderungsaktionen der Gebietskörperschaften, da sie in der Regel mit einem Kreditgeschäft verbundene seien, über Kreditunternehmungen laufen.

Die Bundesregierung meint sodann: "Alle diese geschilderten Regelungen und Maßnahmen führen zu einer wirtschaftlichen und rechtlichen Sonderstellung des Kreditsektors, die mit den Rahmenbedingungen anderer Wirtschaftszweige nicht vergleichbar ist."

Diese Sonderstellung hält der VfGH in der Tat für geeignet, die Wahl des Besteuerungsgegenstandes bei der Sonderabgabe für Kreditunternehmungen sachlich zu rechtfertigen. Kreditunternehmungen nehmen eine - aus ihrer besonderen wirtschaftlichen Funktion (vgl. die Zielvorstellungen der RV zum KWG, 844 BlgNR 14. GP, 36 iVm. dem Bericht des Ausschusses 1124 BlgNR 14. GP, 1) erklärbare - spezifische rechtliche Sonderstellung ein, wie sie sich insbesondere in der extrem restriktiven wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Regelung des Zugangs zum Markt, in der wettbewerbsmäßigen Stellung, die den Kreditunternehmungen durch das Kartellrecht und das Kreditwesenrecht eingeräumt ist, und in der von der Bundesregierung ins Treffen geführten indirekten Förderung der Kreditwirtschaft durch die Sparförderung und die Konstruktion der Subventionsverwaltung dokumentiert. Die für Kreditunternehmungen geltenden Sondervorschriften bewirken in ihrer Summe eine derartige rechtliche Sonderstellung, daß sie eine unterschiedliche steuerliche Behandlung in der Weise, wie sie die in Prüfung gezogene Regelung vorsieht, nach Ansicht des VfGH zu rechtfertigen vermag.

Die Sonderabgabe für Kreditunternehmungen widerspricht daher nicht dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz. Ob die Abgabe auch wirtschaftspolitisch sinnvoll ist, hat der VfGH nicht zu beurteilen.

c) Die Bedenken gegen die Bemessungsgrundlage der Sonderabgabe hatte der VfGH nur für den Fall geäußert, daß sich - entgegen seiner vorläufigen Annahme - im Gesetzesprüfungsverfahren herausstellen sollte, daß die Kreditunternehmungen tatsächlich über eine besondere Ertragskraft verfügen und diese besondere Ertragskraft die sachliche Rechtfertigung für die Sonderabgabe bietet. Da dies aber - wie schon dargestellt wurde - nicht der Fall ist, war auf diese - unter Punkt II/2/b des oben wiedergegebenen Einleitungsbeschlusses dargelegten - Bedenken des VfGH nicht einzugehen.

d) Es hat somit das Gesetzesprüfungsverfahren ergeben, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Präjudizialität, Kreditwesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:G79.1983

Dokumentnummer

JFT_10159685_83G00079_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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