TE Vfgh Erkenntnis 1984/6/7 B426/80

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Veröffentlicht am 07.06.1984
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Index

32 Steuerrecht
32/06 Verkehrsteuern

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
ErbStG 1955 §3 Abs1 Z2

Leitsatz

Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955; Vorschreibung von Schenkungssteuer gemäß §3 Abs1 Z2; keine willkürliche oder denkunmögliche Annahme des Vorliegens einer Bereicherung; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 24. Feber 1966 haben sich die Alleininhaberin der protokollierten Firma "Apotheke zum Hirschen Ph. Mri. Franz Petzold & Sohn" (im folgenden Apothekeninhaberin) in Leibnitz und der Bf. zum Weiterbetrieb der bisher als Einzelfirma geführten Apotheke in Leibnitz mit Wirkung ab 1. Jänner 1966 zu einer OHG vereinigt.

Von der Apothekeninhaberin wurde in die Gesellschaft das Apothekenunternehmen und eine Liegenschaft, die in das Eigentum der Gesellschaft übertragen wurde, eingebracht. Der Bf. brachte "seine Arbeitskraft und seine unbeschränkte Haftung für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft ein".

Im Vertrag war ferner vorgesehen, daß der Bf. "als Vergütung für seine Tätigkeit ... einen Betrag in der Höhe seines bisherigen Honoraranspruches als Steuerberater" erhält. Nach Punkt 6. des Vertrages bemißt sich die Höhe des Auseinandersetzungsanspruches eines ausscheidenden Gesellschafters "nach dem Habensaldo seines Kapitalkontos in der unverändert belassenen steuerlichen Erfolgsbilanz zum Zeitpunkt des Ausscheidens. Demnach erfolgt die Abfindung zu Buchwerten".

Am 28. Feber 1966 wurde eine "Zusatzvereinbarung Nr. 1 betreffend die Ergänzung des Punktes 6. des Gesellschaftsvertrages vom 24. Feber 1966" abgeschlossen. Nach dieser Vereinbarung sollte dem ausscheidenden Gesellschafter, der zum Zeitpunkt des Ausscheidens über ein Kapitalkonto verfügt, bzw. seinen Rechtsnachfolgern auf die Dauer von 20 aufeinanderfolgenden Jahren, im Falle des so langen Bestehens des Unternehmens, ein nach einem näher umschriebenen Verfahren zu ermittelnder Betrag zustehen.

Für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters durch Kündigung, Ableben usw. sollte das Unternehmen vom verbleibenden Gesellschafter fortgeführt werden.

b) Am 23. März 1966 (somit etwa ein Monat nach Abschluß des Gesellschaftsvertrages) ist die Apothekeninhaberin gestorben.

Die an die Erben und Legatare ergangenen Erbschaftssteuerbescheide des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Graz (im folgenden Finanzamt) wurden von der Finanzlandesdirektion für Stmk. gemäß §299 Abs1 litc BAO aufgehoben, weil nicht geklärt worden war, wem der Wert der Apothekengerechtigkeit und die stillen Reserven des beweglichen Anlagevermögens der Gesellschaft zugeflossen waren, und weil dafür auch keine Steuer erhoben worden war. Das Finanzamt wurde angewiesen, im Wege einer Betriebsprüfung den Firmenwert und die stillen Reserven des beweglichen Anlagevermögens der Apotheke zu ermitteln, festzustellen, wem diese Vermögenswerte zugeflossen sind, und vom tatsächlich vorhanden gewesenen Vermögen der Erblasserin die Steuern den Personen vorzuschreiben, denen Vermögenswerte tatsächlich zugeflossen sind.

Das Finanzamt hat daraufhin dem Bf. gemäß §148 Abs5 BAO mitgeteilt, daß bei der Firma "Apotheke zum Hirschen Ph. Mri. Franz Petzold & Sohn OHG" in Leibnitz eine abgabenbehördliche Prüfung gemäß §147 BAO durchgeführt wird und daß diese Prüfung

1. die Gebühr betreffend den Gesellschaftsvertrag vom 24. Feber 1966 und

2. die Erbschaftssteuer im Verlaß nach der verstorbenen Apothekeninhaberin umfaßt.

c) Das Prüfungsverfahren wurde bis zum Abschluß eines Zivilprozesses, in dem die Erben nach der Apothekeninhaberin von der mit dem Vertrag vom 24. Feber 1966 gebildeten OHG und vom Bf. die Übergabe des Apothekenunternehmens - nach dem Urteil des OGH vom 20. Dezember 1973 vergeblich - begehrt hatten, ausgesetzt.

Nach der im Anschluß an das zivilgerichtliche Verfahren vorgenommenen Durchführung des - mehrfache Ergänzungen und Rückfragen erfordernden - Vorhalteverfahrens über das Ergebnis der Prüfung und nach neuerlicher Durchführung einer Betriebsprüfung am 25. Mai 1978 erging der Bescheid des Finanzamtes vom 6. Juli 1978, in dem festgestellt wurde, daß aufgrund der im Gesellschaftsvertrag vom 24. Feber 1966 im Punkt 6. enthaltenen "Abfindung zu Buchwerten" eine Bereicherung des Bf. iS des §3 Abs1 Z2 des Erbschaftssteuergesetzes 1955, BGBl. 141/1955, (im folgenden: ErbStG 1955) enthalten sei. Ferner wurde nach der ermittelten Bemessungsgrundlage (Wert der Apothekengerechtigkeit, der stillen Reserven des Anlagevermögens, Rückzahlungen usw.) dem Bf. eine Schenkungssteuer in der Höhe von 517039 S vorgeschrieben.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes zum Teil Folge gegeben und die Schenkungssteuer mit 119470 S festgesetzt.

Diese Berufungsvorentscheidung verlor ihre Wirksamkeit, da innerhalb der offenen Frist die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt worden war.

In der Folge wurde von der Finanzlandesdirektion für Stmk. der Bescheid vom 6. Juli 1978 gemäß §299 Abs1 litb und c BAO aufgehoben, weil der dem Bescheid zugrude liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkte aktenwidrig angenommen wurde und weil außerdem bei Erlassung des Bescheides Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid erlassen hätte werden können.

d) Mit dem Bescheid des Finanzamtes vom 6. Juli 1979 wurde dem Bf. "für die unentgeltliche Zuwendung laut Gesellschaftsvertrag vom 24. Feber 1966, aufschiebend bedingt mit dem Ableben der Apothekeninhaberin" (23. März 1966) gemäß §3 Abs1 Z2 ErbStG 1955 ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 1587900 S Schenkungs- und Erbschaftssteuer in Höhe von 657900 S vorgeschrieben.

e) Die gegen diesen Bescheid des Finanzamtes erhobene Berufung hat die Finanzlandesdirektion für Stmk. mit dem Bescheid vom 4. Juli 1980 als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Bf. erachtet sich durch diesen Bescheid in seinen "verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt, so insbesondere in dem Recht auf Freiheit des Eigentums und im Recht auf Durchführung eines mangelfreien objektiven Verfahrens durch die Finanzbehörden".

Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die bel. Beh. beantragt die Abweisung der Beschwerde und die Zuerkennung des Ersatzes für den entstandenen Schriftsatzaufwand.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Vorschreibung von Schenkungssteuer stützt sich auf §3 Abs1 Z2 ErbStG 1955. Nach dieser Bestimmung gilt als Schenkung jede andere (als in Z1 genannte) freigiebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung sowie auch der sonstigen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften sind in der Beschwerde nicht geltend gemacht worden. Beim VfGH sind aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles solche Bedenken nicht hervorgekommen (vgl. VfSlg. 7880/1976, 8302/1978).

2. In der Beschwerde wird eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter dem Wortlaut nach nicht geltend gemacht.

Sofern vom Hinweis auf die lange Dauer und die Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie auf die Unrichtigkeit der von der bel. Beh. gezogenen Schlußfolgerungen auch die Behauptung einer unrichtigen Beurteilung der Frage der Verjährung umfaßt und darin eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht sein sollte, ist auf die Rechtsprechung des VfGH zu verweisen, nach der eine unrichtige Beurteilung der Verjährungsfrage im Abgabenrecht keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter darstellt (vgl. VfSlg. 9140/1981, 8804/1980). Ferner hat der VfGH wiederholt dargetan, daß eine Verletzung dieses Rechtes dann nicht stattfindet, wenn in einem Verwaltungsverfahren Verfahrensvorschriften verletzt werden, insbesondere auch nicht, wenn Parteienrechte mißachtet werden, ohne daß aus diesem Grund eine Sachentscheidung verweigert wird (vgl. VfSlg. 8727/1980, 8828/1980, 8908/1980, 9488/1982). Da die Steuervorschreibung von den in erster und zweiter Instanz zuständigen Behörden erlassen wurde, ist der Bf. durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

3. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte eine Verletzung des Gleichheitsrechtes nur stattgefunden haben, wenn die Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte. Ein willkürliches Verhalten könnte der Behörde ua. dann vorgeworfen werden, wenn sie den Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hätte oder aber wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften im Widerspruch stünde (vgl. zB VfSlg. 8783/1980, 9024/1981).

Die vom Bf. behauptete Verletzung des Eigentumsrechtes könnte nur vorliegen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8866/1980, 9047/1981).

Es hat sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben, daß die Durchführung des Ermittlungsverfahrens auf eine Benachteiligung des Bf. aus unsachlichen Gründen ausgerichtet gewesen wäre. Insbesondere hat sich die bel. Beh. in der Ergänzung des Ermittlungsverfahrens eingehend mit den Überlegungen auseinandergesetzt, mit denen der Bf. in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid das Fehlen der Voraussetzungen für die Vorschreibung der Schenkungssteuer überhaupt begründet und mit denen er insbesondere auch die festgesetzte Höhe der Schenkungssteuer bekämpft hatte.

Allein schon daraus ergibt sich, daß von einer in die Verfassungssphäre reichenden Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, mit der der Bf. die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz begründet, nicht gesprochen werden kann.

Der Bf. erblickt eine Verletzung des Gleichheitsrechtes ferner auch darin, "daß von der bel. Beh. die Auffassung vertreten wird, eine Apotheke besitze einen Monopolcharakter und sei daher mit anderen Unternehmen überhaupt nicht vergleichbar". Es gehe aber nicht an, Apotheken anders zu qualifizieren als andere Unternehmungen, weil dadurch der Grundsatz der Gleichheit zweifellos verletzt werde. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes sei ohne Zweifel dadurch gegeben, daß im gegenständlichen Falle der Firmenwert gegenüber anderen Apotheken überhöht angesetzt worden sei, weil die gegebenen besonderen Umstände nicht berücksichtigt wurden.

Auch mit diesem Vorbringen kann ein willkürliches Vorgehen der bel. Beh. nicht aufgezeigt werden. Es kommt ausschließlich darauf an, ob die bel. Beh. vertretbarerweise aufgrund des vorliegenden Gesellschaftsvertrages zur Annahme kommen konnte, daß es durch den Abschluß dieses Vertrages zu einer Bereicherung des Bf. und damit zur Entstehung einer Schenkungssteuerpflicht nach §3 Abs1 Z2 ErbStG 1955 gekommen ist. Auch für die Ermittlung der Höhe der sich daraus ergebenden Schenkungssteuer sind allein die durch den Abschluß des Gesellschaftsvertrages bestimmten Verhältnisse maßgeblich. Auf das Verhältnis der Apotheken zu anderen Unternehmen kommt es dabei nicht an. Ebensowenig ist hiefür die Frage maßgeblich, wie dann, wenn über das Unternehmen einer anderen Apotheke ein vergleichbarer Gesellschaftsvertrag abgeschlossen worden wäre, der Firmenwert dieser Apotheke anzusetzen gewesen wäre.

Die bel. Beh. ist zusammenfassend zur Ansicht gelangt, daß der Gesellschaftsvertrag vom 24. Feber 1966 iVm. der Zusatzvereinbarung vom 28. Feber 1966 für den Bf. niemals die Übernahme eines Wagnisses und sohin tatsächlich kein entgeltliches Rechtsgeschäft bedeuten konnte; dies deswegen, weil nach den besonderen Umständen, unter denen diese Verträge abgeschlossen wurden, immer nur eine Bereicherung auf Seiten des Bf., nie jedoch eine solche auf Seiten der Apothekeninhaberin eintreten konnte. Die bel. Beh. ist ferner aufgrund der unbestrittenermaßen besonders engen persönlichen Beziehungen der beiden Gesellschafter zueinander zur Auffassung gelangt, daß bei der Apothekeninhaberin ein Bereicherungswille zugunsten des Bf. vorgelegen ist. Sie hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Umstände, die zur Annahme des Vorliegens einer Bereicherung geführt haben, eingehend dargelegt. Sie hat ebenso ausführlich die Umstände begründet, die für die Festsetzung der Höhe der Schenkungssteuer maßgeblich waren. Für einen Vorwurf, daß die dabei von der bel. Beh. gezogenen Schlußfolgerungen so fehlerhaft wären, daß die Fehlerhaftigkeit mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, haben sich im Verfahren vor dem VfGH keine Anhaltspunkte ergeben.

Es ergibt sich zusammenfassend, daß die bel. Beh. weder in einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung noch in einem willkürlichen Vorgehen die Verpflichtung des Bf. zur Entrichtung einer Schenkungssteuer angenommen und ihre Höhe festgesetzt hat. Ob der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch eine richtige Anwendung der materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften zugrunde liegt, hat nicht der VfGH, sondern der VwGH zu prüfen.

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums noch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Kosten an die bel. Beh. als Ersatz des Aufwandes für die Vorlage der Verwaltungsakten sowie für die Einbringung der Gegenschrift waren nicht zuzusprechen, da dies im Verfassungsgerichtshofgesetz nicht vorgesehen ist (vgl. VfSlg. 9710/1983).

Schlagworte

Erbschafts- und Schenkungssteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B426.1980

Dokumentnummer

JFT_10159393_80B00426_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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