TE Vfgh Erkenntnis 1984/6/7 B5/79

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Veröffentlicht am 07.06.1984
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Allg
Tir LandesbauO §7
Tir RaumOG 1972 §16
Tir RaumOG 1972 §31
Tir BauO §31 Abs3
Tir BauO §56 Abs4
Verbauungsplan der Gemeinde Fieberbrunn vom 11.12.62

Leitsatz

Tir. BauO; Versagung der Baubewilligung für eine Jagdhütte im land- und forstwirtschaftlichen Nutzgebiet gemäß §31 Abs3; keine Bedenken gegen den gemäß §7 Tir. LandesbauO erlassenen Bebauungsplan und seine Weitergeltung; keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Bf. ist Eigentümer der GP ... KG Fieberbrunn "Obere S-Alm", auf der er die Errichtung einer Jagdhütte für das Eigenjagdgebiet S-Alpe beabsichtigte.

1.2. Nach dem Verbauungsplan der Gemeinde Fieberbrunn vom 11. Dezember 1962, genehmigt gemäß §7 der Tir. Landesbauordnung vom 15. Oktober 1900, LGBl. 1/1901 idF der II. Bauordnungsnov. vom 26. Jänner 1928, LGBl. 11/1928 (künftig: TLBO), mit Beschluß der Tir. Landesregierung vom 17. September 1963, Z Ve-1082/23/63, ist die GP ... als land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche gewidmet. Für ein so gewidmetes Gebiet besteht nach der Legende des Verbauungsplanes ein Bauverbot für Bauten aller Art mit Ausnahme von:

"a) Instandsetzungen und Umbauten, wenn hiemit keine Änderung der bisherigen Zweckwidmung des Baues verbunden ist; die Bebauungsregeln sind sinngemäß einzuhalten;

b) in land- und forstwirtschaftlich genutzten Gebieten, land- und forstwirtschaftlichen Betriebsbauten ohne Wohnteil, wie Feldställe, Städel und dgl."

1.3.1. Mit Ansuchen vom 13. April 1977 beantragte der Bf. gemäß §16 des Tir. Raumordnungsgesetzes vom 6. Dezember 1971, LGBl. 10/1972 (künftig: TROG), bei der Gemeinde Fieberbrunn die Umwidmung eines Teiles der GP ... KG Fieberbrunn von Freiland in Sonderfläche zur Errichtung einer Jagdhütte, da eine solche zur ordentlichen Führung und Betreuung der Jagd notwendig sei.

1.3.2. Mit Erledigung vom 20. Mai 1977 gab der Bürgermeister der Gemeinde Fieberbrunn dem Bf. bekannt, daß sein Ansuchen um Umwidmung vom Gemeinderat in der Sitzung vom 16. Mai 1977 abgelehnt worden sei, "da das geplante Gebäude im Ausmaß von 7,62 x 6,40 m, den Charakter eines Wochenendhauses und nicht einer Jagdunterkunft" aufweise.

1.4.1. Am 18. Juli 1977 brachte der Bf. unter gleichzeitiger Vorlage eines Schreibens des Bezirksbeirates vom 24. Juli 1977, der bescheinigte, daß die Errichtung einer Jagdunterkunft (ein Schlaf- und ein Kochraum) "durchaus erforderlich" sei, ein Baugesuch und gleichzeitig ein Ansuchen um allfällige Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von "örtlichen Vorschriften" ein.

Nach den angeschlossenen Planunterlagen sollte der Bau dieselben Ausmaße haben wie das vom Gemeinderat bereits abgelehnte Projekt, also im Grundriß ein Ausmaß von 7,62 x 6,40 m, und drei Räume (einen Aufenthaltsraum mit 17,64 Quadratmeter, einen Schlafraum mit 10,24 Quadratmeter und einen Abstellraum mit 6,68 Quadratmeter) sowie zwei Nebenräume (WC und Flur) umfassen.

1.4.2.1. Mit Erledigung vom 19. August 1977 gab der Bürgermeister dem Bf. (zunächst) bekannt, daß sein Ansuchen um "Flächenwidmungsplanänderung" vom Gemeinderat in der Sitzung vom 16. August 1977 neuerlich abgelehnt worden sei, da das geplante Objekt - wie schon vorher mitgeteilt - nicht den Charakter einer Jagdunterkunft, sondern eines Wochenendhauses aufweise.

1.4.2.2. Mit Bescheid vom 13. September 1978 wies der Bürgermeister der Gemeinde Fieberbrunn sodann das "in der Baubeschreibung angegebene Bauvorhaben (Jagdhütte) gemäß §31 Abs3 der Tir. Bauordnung, LGBl. 42/1974" (künftig: TBO), ab.

1.5. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Fieberbrunn vom 19. Oktober 1978 abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

1.6. Die dagegen erhobene Vorstellung wurde von der Tir. Landesregierung mit Bescheid vom 27. November 1978, Z Ve-550-608/1, abgewiesen.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Erwerbsfreiheit, sowie die Gesetzwidrigkeit des Verbauungsplanes behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1. Der primäre Vorwurf des Bf. richtet sich gegen die Gesetzmäßigkeit des Verbauungsplanes der Gemeinde Fieberbrunn.

3.2.1. Er erhebt zunächst - alternativ - die Bedenken, daß der Verbauungsplan gesetzwidrig sei, weil er entweder gegen §15 Abs2 TROG oder gegen §7 TLBO verstoße, je nachdem, ob man ihn an der einen oder der anderen Bestimmung zu messen habe, was davon abhänge, welchen Inhalt man §31 Abs3 TROG beimesse, sofern nicht überhaupt anzunehmen sei, daß der Verbauungsplan mit Ablauf der "Schonfrist" von fünf Jahren des §31 Abs1 TROG aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sei. §31 Abs3 TROG erkläre nämlich lediglich, daß Verbauungspläne "bis zur Erlassung der Flächenwidmungs- bzw. Bebauungspläne, die den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechen", in Kraft bleiben. Damit werde die Rechtsnatur solcher Pläne als V nicht geändert; die Bestimmung habe lediglich bewirkt, daß der Verbauungsplan nicht, wie es sonst rechtens wäre, durch Wegfall des ihn tragenden Gesetzes automatisch gleichfalls außer Kraft trat.

3.2.2. Der VfGH hegt keines dieser Bedenken.

Daß die Weitergeltung von Verbauungsplänen nur befristet vorgesehen sei, sodaß sie nach Ablauf der Frist des §31 Abs1 TROG außer Kraft träten, widerlegt sich sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Sinn des §31 leg. cit. (vgl. insbesondere auch die EB zur RV); daß Verbauungspläne entsprechend §31 Abs3 TROG auch nach Ablauf der Frist von fünf Jahren des Abs1 leg. cit. weiter in Kraft bleiben, hat der Gesetzgeber auch in §56 Abs5 TBO idF der ersten Bauordnungsnov. vom 23. Mai 1978, LGBl. 37/1978, normativ bestätigt.

Ebensowenig ist fraglich, daß der Verbauungsplan nach wie vor an §7 TLBO inhaltlich zu messen ist, also an der Gesetzesbestimmung, auf die er sich als Grundlage seiner Erlassung stützte; hiezu genügt es auf die Erk. VfSlg. 8167/1977 und 8330/1978 zu verweisen, worin der VfGH aussprach, daß Verbauungspläne zufolge §31 Abs1 (richtig: Abs3) TROG bis zur Erlassung von Plänen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes in Kraft bleiben und in materieller Hinsicht an Hand des zur Zeit ihrer Entstehung geltenden Rechtes zu beurteilen sind, aber auch in Ansehung des durchgeführten Verfahrens die zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung geltende Fassung des Gesetzes maßgeblich ist.

Wenn der Bf. des weiteren vermeint, §7 TLBO habe die Erlassung eines Verbauungsplanes überhaupt nur insoweit erlaubt, als ganze Ortschaften oder einzelne Ortsteile neu angelegt oder wieder aufgebaut werden sollten, ansonsten nur über Aufforderung der Landesregierung für Ortschaften, die eine besondere bauliche Entwicklung erwarten ließen, ist ihm auch insoweit nicht beizupflichten. Die bel. Beh. verweist mit Recht darauf, daß §7 TLBO nicht nur die Anordnung enthielt, daß bei Vorliegen der genannten Fälle ein Verbauungsplan zu erlassen "ist", sondern auch eine allgemeine Ermächtigung, was der VfGH in VfSlg. 4498/1963 ("Da nach §7 TLBO Verbauungspläne für Ortschaften bzw. einzelne Ortsteile erlassen werden können, können sie auch Bauverbote für Gemeindeflächen außerhalb des eigentlichen Verbauungsgebietes enthalten") zum Ausdruck brachte. Diese Rechtsprechung wurde auch in VfSlg. 5795/1968 und 6857/1972 aufrecht erhalten; der VfGH sieht sich auch aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlaßt, von dieser Rechtsmeinung abzugehen.

3.3. Soweit schließlich in der Beschwerde behauptet wird, das Bauverbot schränke die Ausübung der Jagd - wie auch der Almwirtschaft - in einem derartigen Maß ein, daß sie nicht mehr voll und sachgerecht ausgeübt werden könnte, wird übersehen, daß für eine diesen Zwecken angemessene Bauführung eine Sonderflächenwidmung - auch nach Meinung der Behörde - keineswegs ausgeschlossen ist; daß eine solche Widmung zweimal abgelehnt wurde, ist ja lediglich darauf zurückzuführen, daß das Bauprojekt des Bf. nicht einer Jagdhütte, sondern einem Wochenendhaus entsprach.

3.4.1. Der Bf. richtet gegen die Gesetzmäßigkeit des Verbauungsplanes einen weiteren Angriff, indem er bezweifelt, daß die Genehmigung durch die Landesregierung als "Kollegialorgan" ordnungsgemäß, dh. durch jedes einzelne seiner Mitglieder "erfolgt ist". Sollte sich die bel. Beh. auf dem Bf. nicht näher bekannte V der Landesregierung über deren Geschäftsverteilung oder Geschäftsordnung berufen, so könne er eine solche dem Landesgesetzblatt nicht entnehmen. Derartige V "wären jedenfalls wegen Kundmachungsmangels" gesetzwidrig. Diese Gesetzwidrigkeit habe auch das Zustandekommen der "Genehmigung" beeinflußt und "zur Folge, daß der zugrunde liegende Verbauungsplan auch aus dem Grunde des Fehlens einer gesetzmäßigen Genehmigung durch die Tir. Landesregierung gesetzwidrig ist".

3.4.2. Aus dem beigeschafften Protokoll über die Sitzung der Tir. Landesregierung vom 17. September 1963, Z Ve-1082/23/63, geht hervor, daß der Antrag, den vom Gemeinderat der Gemeinde Fieberbrunn am 11. Dezember 1962 beschlossenen Verbauungsplan gemäß §7 TLBO zu genehmigen, von der Landesregierung in kollegialer Beschlußfassung angenommen wurde. Damit kommen die vom Bf. für den Fall einer monokratischen Erledigung aufgeworfenen Fragen nicht zum Tragen.

3.5. Der VfGH sieht sich daher bei der gegebenen Lage des Falles weder im Hinblick auf die Beschwerdeausführungen noch sonst veranlaßt, ein Verfahren zur Prüfung der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeteten Rechtsgrundlagen einzuleiten.

3.5.1. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen würde der angefochtene Bescheid den Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Erwerbsfreiheit nur dann verletzen, wenn die Gemeindebehörden das Gesetz denkunmöglich angewendet hätten und dies im Vorstellungsbescheid nicht wahrgenommen worden wäre. Ein derartiger Vorwurf wird vom Bf. jedoch gar nicht erhoben; auch der VfGH kann nichts finden, was einen solchen Vorwurf rechtfertigen würde.

3.6.2. Die behauptete Gleichheitsverletzung könnte im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen schließlich nur dann zutreffen, wenn die bel. Beh. eine willkürliche Gesetzesanwendung der Gemeindebehörden nicht aufgegriffen hätte. Ein solcher Vorwurf wird vom Bf. mit dem Hinweis erhoben, daß die Gemeinde Fieberbrunn in einer Reihe weiterer Fälle die Errichtung von Jagdhütten bewilligt habe, ja Jagdhütten, die ohne Baubewilligung errichtet worden seien, toleriere. Hiezu genügt es auf die ständige Rechtsprechung des VfGH zu verweisen, daß ein Fehlverhalten der Behörde anderen Personen nicht das Recht auf ein gleiches Fehlverhalten der Behörde gibt, da das Ergebnis ein Anspruch auf Nichtanwendung des Gesetzes trotz gegebener Tatbestandsmäßigkeit wäre (vgl. VfSlg. 6072/1969, 7656/1975, 7836/1976, 7856/1976).

Auch die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt somit nicht vor.

3.7. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Baurecht, Baubewilligung, Raumordnung, Bebauungsplan, Flächenwidmungsplan, Verordnungserlassung, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B5.1979

Dokumentnummer

JFT_10159393_79B00005_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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