TE Vfgh Erkenntnis 1984/6/8 B717/83

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Veröffentlicht am 08.06.1984
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Index

L2 Dienstrecht
L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art83 Abs2
Wr DienstO 1966 §72 Abs2

Leitsatz

Dienstordnung 1966 (Wien); gesetzwidrige Zusammensetzung der Berufungskommission in Disziplinarsachen im Hinblick auf §72 Abs2; Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Erk. der Berufungskommission in Disziplinarsachen für den Magistrat der Stadt Wien - Berufungssenat I - vom 1. September 1983, Z MD-139-1/82, wurde über den Amtsrat des Magistrates der Stadt Wien R O wegen eines Dienstvergehens die Disziplinarstrafe der "Ausschließung von der Vorrückung" auf drei Jahre gemäß §59 Abs1 litb des Gesetzes vom 18. November 1966 und vom 14. Juli 1967 über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1966), LGBl. 37/1967 igF, verhängt.

1.2.1.1. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde des R O an den VfGH, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

1.2.1.2. Im einzelnen wurde ua. eingewendet, daß dem bescheiderlassenden Senat der Berufungskommission - der Vorschrift des §72 Abs2 Dienstordnung 1966 zuwider - kein zweites Mitglied aus der Beamtengruppe des Bf. angehört habe.

1.2.2. Die Berufungskommission in Disziplinarsachen für den Magistrat der Stadt Wien als bel. Beh. legte die Administrativakten vor und erstattete eine Gegenschrift, worin das Vorbringen des Bf. zu Punkt

1.2.1.2. als zutreffend bezeichnet wurde.

2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Wie der VfGH schon wiederholt aussprach, wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) verletzt, wenn eine Kollegialbehörde - wie hier die belangte Berufungskommission in Disziplinarsachen für den Magistrat der Stadt Wien - nicht in der vom Gesetz geforderten Art zusammengesetzt ist (zB VfSlg. 2679/1954, 5296/1966).

2.1.2. Über die Zusammensetzung der Berufungskommission in Disziplinarsachen für den Magistrat der Stadt Wien bestimmt Abs2 des §72 Dienstordnung 1966:

"Die Berufungskommission verhandelt und entscheidet in Senaten. Jeder Senat besteht aus dem Vorsitzenden und vier Beisitzern. Zwei Beisitzer sind dem Kreis der Gemeinderäte, zwei Beisitzer den vom Österreichischen Gewerkschaftsbund - Gewerkschaft der Gemeindebediensteten entsendeten Mitgliedern der Berufungskommission in Disziplinarsachen für den Magistrat der Stadt Wien zu entnehmen. Die Beisitzer aus dem Kreis der vom Österreichischen Gewerkschaftsbund - Gewerkschaft der Gemeindebediensteten entsendeten Mitgliedern müssen der Beamtengruppe des Beschuldigten angehören. Außerdem ist der Verhandlung und Beratung ein vom Bürgermeister bestimmter rechtskundiger Beamter mit beratender Stimme beizuziehen."

2.1.3. Danach müssen also die beiden vom Österreichischen Gewerkschaftsbund - Gewerkschaft der Gemeindebediensteten entsendeten Mitglieder (Beisitzer) des erkennenden Senates der Berufungskommission der "Beamtengruppe" des Beschuldigten angehören; Ausnahmen läßt das Gesetz nicht zu.

2.2.1. Im vorliegenden Fall steht nach Maßgabe des Gesetzes vom 18. November 1966 über das Besoldungsrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Besoldungsordnung 1967), LGBl. 18/1967 igF, iVm. der Dienstordnung 1966 unbestritten fest, daß eines dieser beiden vom Österreichischen Gewerkschaftsbund - Gewerkschaft der Gemeindebediensteten nominierten Senatsmitglieder, nämlich der Kanzleioberkommissär W (Verwendungsgruppe C, Beamtengruppe "Kanzleibeamte") nicht der "Beamtengruppe" des nunmehrigen Bf. (Verwendungsgruppe B, Beamtengruppe "Fachbeamte des Verwaltungsdienstes") zugerechnet werden kann.

2.2.2. Daraus folgt, daß der in der Disziplinarsache des Bf. einschreitende Senat der belangten Berufungskommission insoweit gesetzwidrig zusammengesetzt war, als ihm der nicht die - bereits dargelegte - Voraussetzung des §72 Abs2 Dienstordnung 1966 erfüllende Kanzleioberkommissär W angehörte.

2.3. Demgemäß wurde der Bf. durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) verletzt.

Der Bescheid war darum als verfassungswidrig aufzuheben.

Bei dieser Sach- und Rechtslage brauchte auf das sonstige Beschwerdevorbringen nicht mehr näher eingegangen zu werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Disziplinarrecht Beamte, Kollegialbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B717.1983

Dokumentnummer

JFT_10159392_83B00717_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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