Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
StGG Art8; Freiheitsbeschränkung durch behördliche Aufforderung, zum Gendarmeriepostenkommando mitzukommen; keine gesetzliche Deckung; Verletzung der persönlichen Freiheit B-VG Art83 Abs2; behördliche Nachschau gemäß Vbg. Sittenpolizeigesetz; Einschreiten behördlicher Hilfsorgane ohne konkreten Auftrag der Behörde; Verletzung des gesetzlichen RichtersSpruch
Die Bf. F St. und R St. sind dadurch, daß sie am 23. Juli 1983 um etwa 2.30 Uhr von Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Feldkirch unter Zwangsandrohung veranlaßt wurden, sich vom Haus Feldkirch, Qu-Gasse, zum Gendarmeriepostenkommando Feldkirch zu begeben und dort bis etwa 3.30 Uhr angehalten wurden, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.
Die Bf. J L und I Sch. sind durch die am 23. Juli 1983 um etwa 2.00 Uhr von Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Feldkirch im Haus Feldkirch, Qu-Gasse, durchgeführte Nachschau im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. In den unter Berufung auf Art144 B-VG erhobenen Beschwerden wird vorgebracht:
Der Bf. J L sei Eigentümer des Hauses Feldkirch, Qu-Gasse; die Bf. I Sch. habe dieses Haus gemietet und bewohne es; die Bf. F St. und R St. seien in dem Haus wohnhaft.
Am 23. Juli 1983 nach Mitternacht seien mehrere uniformierte Gendarmeriebeamte in das Haus eingedrungen und hätten (iZm. dem Verdacht der unerlaubten Ausübung der Prostitution) einigen Personen, darunter den Bf. F St. und R St., befohlen, mit zum Gendarmeriepostenkommando (GPK) Feldkirch zu kommen.
In Befolgung dieses Auftrages seien ua. diese beiden Bf. mit VW-Bussen zur erwähnten Gendarmeriedienststelle gebracht worden. Dort seien ihre Daten aufgenommen worden; sie seien befragt und fotografiert worden. Sodann hätten die Gendarmeriebeamten sie wieder mit KFZ zum erwähnten Haus zurückgebracht.
Die Bf. qualifizieren dieses Vorgehen der Beamten als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, nämlich als - ohne richterlichen Befehl - erfolgte Verhaftung und Hausdurchsuchung. Die Bf. F St. und R St. behaupten, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden zu sein. Die Bf. L und Sch. machen eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unverletzlichkeit des Hausrechtes und auf Achtung der Wohnung (Art8 MRK) geltend. Alle Bf. beantragen, diese angenommenen Rechtsverletzungen kostenpflichtig festzustellen.
2. Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der der maßgebliche Sachverhalt - zusammengefaßt - wie folgt geschildert wird:
Da der dringende Verdacht bestanden habe, daß im Haus Qu-Gasse in Feldkirch - entgegen den Bestimmungen des 3. Abschn. des Vbg. Sittenpolizeigesetzes, LGBl. 6/1976 (SPG) - ein Bordellbetrieb unterhalten werde, hätten Beamte des GPK Feldkirch in der Nacht vom
22. auf 23. Juli 1983 dieses Gebäude beobachtet. Insbesondere aufgrund von Aussagen einiger männlicher Besucher dieses Hauses habe sich dieser Verdacht erhärtet. Daraufhin hätten gegen 2.00 Uhr drei Gendarmeriebeamte des GPK Feldkirch sowie zwei Beamte der Städtischen Sicherheitswache Feldkirch gemäß §17 Abs1 SPG im Hause die Nachschau durchgeführt, ohne daß dabei Zwang iS des §17 Abs7 SPG hätte angewendet werden müssen.
Im Anschluß an die Nachschau hätten die Beamten vier im Haus anwesende Frauen (darunter die Bf. F St. und R St.) und ihre männlichen "Kunden" gebeten, zu einer Gegenüberstellung mit zum GPK Feldkirch zu kommen. Diesem Ersuchen seien die Frauen und die Männer bereitwillig nachgekommen. Nach niederschriftlicher Einvernahme seien die Frauen gegen 3.40 Uhr wieder zum Haus Qu-Gasse zurückgebracht worden.
Die Behörde vertritt die Ansicht, daß gegenüber den Bf. F St. und R St. keine Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt worden sei; die Frauen seien dem Ersuchen der Beamten, zum GPK Feldkirch mitzukommen, freiwillig gefolgt.
Der Zutritt zum Haus sei den Beamten freiwillig gestattet worden. Auch in dieser Hinsicht sei kein Zwang ausgeübt worden.
Es wird beantragt, allen vier Beschwerden keine Folge zu geben.
II. 1. Der VfGH hat Beweis erhoben, durch die im Rechtshilfeweg erfolgte Einvernahme der Gendarmeriebeamten GrInsp. E A, RevInsp. N G und RevInsp. A L sowie der Beamten der Städtischen Sicherheitswache Feldkirch N J und L G als Zeugen sowie der vier Bf. als Parteien; ferner durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch (z X 5045/83, X 6867/83, X 7047/83, X 7048/83, X 7304/83, X 7306/83 und X 7436/83) betreffend den Verdacht der Verwaltungsübertretungen nach dem SPG bzw. dem Geschlechtskrankheitengesetz.
2. Aufgrund dieser Beweise steht fest:
Das Haus Qu-Gasse in Feldkirch steht zur Hälfte im Eigentum des Bf. J L. Es ist zur Gänze von der Bf. I Sch. gemietet, die auch darin wohnt. Die Bf. F St. und R St. haben dort ihre Wohnung.
Aufgrund früherer Vorfälle und aufgrund von Wahrnehmungen, die sie in der Nacht vom 22. auf 23. Juli 1983 machten, hatten die als Zeugen einvernommenen Gendarmeriebeamten den dringenden Verdacht, daß im Haus Qu-Gasse ein Bordellbetrieb unterhalten werde. Sie nahmen daher unter Leitung von GrInsp. A (GPK Feldkirch) unter Berufung auf §17 Abs1 SPG um etwa 2.00 Uhr aus eigenem Antrieb in diesem Gebäude eine Nachschau vor, deren Ergebnisse ihren Verdacht bekräftigten. Zwang wandten sie hiebei nicht an, da ihrem Begehren, ins Haus Einlaß zu erhalten, ohne weiteres Folge gegeben wurde. Bei der Nachschau wurden sie von den beiden als Zeugen vernommenen Beamten der Städtischen Sicherheitswache Feldkirch unterstützt.
Die Beamten wollten die vier im Haus anwesenden Frauen (darunter die Bf. F St. und R St.) und ihre männlichen Besucher einvernehmen, da der Verdacht von Übertretungen des SPG und des Geschlechtskrankheitengesetzes bestand. Sie forderten daher diese Personen (darunter die erwähnten Bf.) gegen 2.30 Uhr auf, mit zum GPK Feldkirch zu kommen. Diese Aufforderung erfolgte in einem sehr bestimmten, (keineswegs bittenden oder ersuchenden) Ton. Aufgrund dieser Aufforderung folgten die Personen den Gendarmeriebeamten zur Gendarmeriedienststelle. Nach den um etwa 3.30 Uhr beendeten Einvernahmen wurden die Frauen um etwa 3.40 Uhr mit dem Auto von den Beamten zum Haus Qu-Gasse zurückgebracht. Körperlicher Zwang zum Mitkommen oder zum Verbleiben bei der Gendarmeriedienststelle wurde nicht ausgeübt.
Die Bf. J L und I Sch. waren zum Zeitpunkt der Amtshandlung nicht im Hause anwesend.
3. Die Aussagen stimmen in den hier wesentlichen Belangen überein. Die einzige Differenz besteht in Nuancen, in welcher Form die Aufforderung der Beamten zum Mitkommen erfolgte. Aber auch der die Amtshandlung leitende GrInsp. A gibt als Zeuge vernommen an, er habe seine Aufforderung mitzukommen einer Bewohnerin des Hauses gegenüber in "etwas bestimmterem Ton" vorgebracht.
III. Zur Zulässigkeit der Beschwerden hat der VfGH erwogen:
1. a) Die Bf. F St. und R St. (B552/83 und B553/83) wurden von Gendarmeriebeamten insbesondere wegen des Verdachtes, eine Übertretung des SPG begangen zu haben, aufgefordert, zum GPK Feldkirch mitzukommen. Diese Aufforderung war nicht etwa eine bloß unverbindliche Einladung, deren Nichtbefolgung freigestanden wäre. Die Bf. mußten vielmehr die an sie gerichtete Aufforderung - obgleich sie nicht explizit als Festnahme deklariert war - als einen - sofortige Befolgung heischenden - Befehl verstehen, bei dessen Nichtbefolgung unmittelbar ihre Vorführung zur Gendarmeriedienststelle unter Ausübung von körperlichem Zwang veranlaßt worden wäre (vgl. zB VfSlg. 8359/1978).
Auch wenn diese Folge nicht ausdrücklich angedroht wurde, hatten die Bf. unter den gegebenen Umständen mit ihrer unverzüglichen Vorführung zu rechnen. Es ist völlig unwahrscheinlich, daß es die Beamten, wenn sich die Bf. geweigert hätten, der Aufforderung zu folgen, dabei bewenden hätten lassen.
Daß sich die Bf. dessen bewußt waren, geht schon daraus hervor, daß die Bf. F St. ausdrücklich aussagte, sie wäre einer Aufforderung zum freiwilligen Mitkommen nicht nachgekommen. Die Bf. R St. deponierte sinngemäß Ähnliches. Der Zeuge RevInsp. G erinnert sich daran, daß die Frauen telefoniert hätten, um abzuklären, ob sie mitkommen müßten. Solche Telefongespräche wären sinnlos gewesen, wenn die Frauen die Aufforderung der Gendarmeriebeamten zum Mitkommen als bloße Einladung zum freiwilligen Aufsuchen der Gendarmeriedienststelle aufgefaßt hätten.
Die erwähnten Aufforderungen sind sohin als unverzügliche Befolgung fordernde, von Gendarmeriebeamten als Hilfsorgane der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch (s. §16 SPG) ausgesprochene Befehle zu werten, die nach Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG beim VfGH bekämpft werden können.
Der Umstand, daß die drei als Zeugen einvernommenen Gendarmeriebeamten die Atmosphäre als "locker" darstellen und aussagen, die vier Frauen hätten vielfach gelacht und gescherzt, ändert an dieser rechtlichen Beurteilung nichts, da es hiebei nicht auf die Reaktion der von der Amtshandlung betroffenen Personen ankommt, sondern auf das Verhalten der Beamten.
b) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die von den Bf. F St. und R St. erhobenen Beschwerden zulässig.
2. Das Betreten des Hauses Qu-Gasse durch behördliche Hilfsorgane stellt eine in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgte Amtshandlung iS des Art144 Abs1 B-VG dar (vgl. zB VfSlg. 8928/1980). Obgleich das Vorgehen der Beamten nicht als Hausdurchsuchung zu werten ist (s. unter IV.2) und obgleich die Beamten nicht unter Anwendung von Gewalt in das Haus eingedrungen sind, haben sie sich doch nur aufgrund ihres (unverzügliche Befolgung fordernden) Befehls Zutritt in das Haus verschafft. Hinter diesem Befehl stand die Bestimmung des §17 Abs7 SPG, wonach das Zutrittsrecht (erforderlichenfalls) mit den Mitteln des sofortigen Zwanges erwirkt werden kann.
Als Eigentümer des Hauses (J L) bzw. dessen Mieterin und Bewohnerin (I Sch.) sind diese Bf. (B554/83 und B555/83) legitimiert, das Betreten des Hauses beim VfGH zu bekämpfen. Auch die von diesen Bf. erhobenen Beschwerden sind zulässig.
IV. In der Sache hat der VfGH erwogen:
1. Durch die von den Gendarmeriebeamten an F St. und R St. gerichteten Befehle wurden diese Bf. verhalten, sich gegen ihren Willen zum GPK Feldkirch zu begeben und sich dort mehr als eine Stunde aufzuhalten. Durch diese Amtshandlung wurden sie in ihrer persönlichen Freiheit beschränkt (Art8 StGG).
Diese - ohne richterlichen Haftbefehl erfolgte - Freiheitsbeschränkung wäre nur dann verfassungsmäßig, wenn es sich dabei um einen vom Gesetz bestimmten Fall handelte, in dem die zur Anhaltung berechtigten Personen der öffentlichen Gewalt gemäß §4 des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit, RGBl. 87/1862, eine Person in Verwahrung nehmen dürfen (vgl. zB VfSlg. 8180/1977).
Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Auch die bel. Beh. behauptet solches nicht. Die Beamten schritten nicht im Dienste der Strafjustiz ein. Ein Haftgrund nach §35 VStG 1950 lag nicht vor.
Für die Vorführung der Bf. F St. und R St. zum GPK Feldkirch und die folgende Anhaltung fehlte die vom Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit geforderte rechtliche Grundlage, sodaß diese Bf. im verfassungsgesetzlichen gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt wurden (vgl. zB VfSlg. 8359/1978).
2. Der VfGH beurteilt das von den Bf. J L und I Sch. bekämpfte Betreten des Hauses Qu-Gasse wie folgt:
a) Dem §17 Abs1 zweiter Satz SPG iVm. dem vorangehenden Satz zufolge ist "den Organen der zur Vollziehung dieses Gesetzes zuständigen Behörden" jederzeit Zutritt zu Grundstücken und Gebäuden zu gewähren, wenn der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung gemäß §18 Abs1 litc oder d SPG vorliegt. Nach den zuletzt zitierten Bestimmungen ist die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu sowie die Gewährung oder Beschaffung von Gelegenheiten, insbesondere die Überlassung von Räumen, zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht oder zum Anbieten hiezu unter Verwaltungsstrafsanktion verboten, sofern nicht eine Bordellbewilligung gemäß §5 SPG vorliegt. Eine derartige Bewilligung war für das Haus Qu-Gasse nicht erteilt worden.
Gemäß §17 Abs3 SPG können "die zur Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren gemäß §18 Abs1 litc und d zuständigen Behörden durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine Hausdurchsuchung vornehmen, wenn dies mit großer Wahrscheinlichkeit zur Auffindung von Personen, die eine Verwaltungsübertretung gemäß §18 Abs1 litc oder d begangen haben, oder von Sachen, die in einem Verwaltungsstrafverfahren gemäß §18 Abs1 litc oder d als Beweismittel in Betracht kommen, führt". Nach dem folgenden Abs4 gilt als Hausdurchsuchung die Durchsuchung von Wohn- und Betriebsräumen sowie dazugehörigen Nebenräumen nach bestimmten Personen oder Sachen.
b) §17 Abs3 und 4 SPG verwendet sohin den Begriff der "Hausdurchsuchung" in gleichem Sinn wie ihn die Judikatur des VfGH (s. zB VfSlg. 8928/1980 und die dort zitierte weitere Rechtsprechung) für die Hausdurchsuchung iS des Gesetzes vom 27. Oktober 1862, RGBl. 88, zum Schutze des Hausrechtes entwickelt hat. Danach ist für das Wesen einer Hausdurchsuchung das Suchen nach einer Person oder einem Gegenstand charakteristisch, von denen unbekannt ist, wo sie sich befinden.
Im Gegensatz dazu soll das im zweiten Satz des §17 Abs1 SPG verankerte Zutrittsrecht Feststellungen darüber ermöglichen, ob eine Verwaltungsübertretung nach §18 Abs1 litc oder d SPG vorliegt; diese Nachschau hat nicht im Suchen nach bestimmten Personen oder Gegenständen zu bestehen, die aufgefunden werden sollen.
Aus dem Ablauf des hier in Beschwerde gezogenen Geschehens ergibt sich, daß ausschließlich eine Nachschau iS des §17 Abs1, nicht aber eine Hausdurchsuchung nach §17 Abs3 und 4 SPG vorgenommen wurde. Die Beamten suchten nicht eine bestimmte Person oder Sache, sondern wollten Feststellungen zur Erhärtung ihres Verdachtes treffen, daß die mehrfach erwähnten Verwaltungsübertretungen begangen wurden.
c) Das Vorgehen der Beamten ist also nach §17 Abs1 SPG zu beurteilen.
Nach dieser Gesetzesbestimmung haben nur die "Organe der zur Vollziehung dieses Gesetzes zuständigen Behörden" - das sind der Gemeindevorstand (§15 Abs1) und die Bezirkshauptmannschaft (§18 Abs3) - das Zutrittsrecht zwecks Vornahme der Nachschau. Gendarmeriebeamte und Beamte der Städtischen Sicherheitswache sind nun aber nicht "Organe der Behörde", sondern deren Hilfsorgane. Daß auch das SPG diese übliche Unterscheidung trifft, ergibt sich deutlich aus §17 Abs3, wo davon die Rede ist, daß die zuständigen Behörden "durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes" eine Hausdurchsuchung vornehmen können.
Eine Nachschau iS des §17 Abs1 SPG dürfen sohin nur die Behördenorgane selbst durchführen; Organe des öffentlichen Sicherheitssdienstes als behördliche Hilfsorgane dürfen das Zutrittsrecht nur dann in Anspruch nehmen, wenn ein konkreter diesbezüglicher Auftrag der Behörde vorliegt. Wenn der Wortlaut des §17 Abs1 noch Zweifel über die Auslegung offen lassen sollte, schafft ein Vergleich mit §17 Abs3 SPG eindeutig Klarheit. Diese Vorschrift normiert nämlich ihrer jede andere Interpretation ausschließenden Textierung zufolge, daß die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nur über Auftrag der Behörde eine Hausdurchsuchung vornehmen dürfen. Es ist nicht einzusehen, weshalb für die Nachschau anderes gelten sollte.
Das Vbg. Landesgesetz über die Mitwirkung der Bundesgendarmerie bei der Vollziehung von Landesgesetzen, LGBl. 29/1966, tritt als das allgemeinere Gesetz gegenüber der Spezialbestimmung der §§16 und 17 Abs1 SPG zurück.
d) Hier hat keine Behörde den einschreitenden Exekutivbeamten den konkreten Auftrag erteilt, das Haus Qu-Gasse zwecks Vornahme einer Nachschau zu betreten. Vielmehr schritten die Gendarmeriebeamten - assistiert von Beamten der Städtischen Sicherheitswache Feldkirch - aus eigenem Antrieb ein.
Mangels eines konkreten behördlichen Auftrages, eine Nachschau vorzunehmen, fehlte - wie dargetan - jegliche gesetzliche Grundlage dafür, daß sie Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vornehmen durften. Diese Organe haben somit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihnen nach dem Gesetz nicht zustand. Die Bf. J L und I Sch. wurden daher durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. zB VfSlg. 5807/1968, 9013/1981).
Schlagworte
VfGH / Legitimation, Prostitution, Bundesgendarmerie, Behörde Organe, Polizei, Sittlichkeitspolizei, Polizeirecht, Behördenzuständigkeit, Derogation, Hausrecht, Hausdurchsuchung, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, FestnehmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B552.1983Dokumentnummer
JFT_10159392_83B00552_00