TE Vfgh Erkenntnis 1984/6/9 B289/80

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Veröffentlicht am 09.06.1984
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Index

L5 Kulturrecht
L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, Naturschutz

Norm

B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Stmk NaturschutzG 1976 §4 Abs1
Stmk NaturschutzG 1976 §4 Abs6 bis Abs8
Stmk NaturschutzG 1976 §4 Abs6
Stmk NaturschutzG 1976 §35

Beachte

in den Entscheidungsgründen ähnlich - ohne Z4 - Erk. B232, 233/80 vom selben Tag

Leitsatz

Stmk. Naturschutzgesetz §4; Entfernung von Plakattafeln durch den Grazer Bürgermeister als zuständige Behörde; vertretbare Annahme einer Verunstaltung des Landschaftsbildes; keine Verletzung des gesetzlichen Richters, des Eigentums und der Erwerbsausübungsfreiheit

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Kostenersatz wird nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Erstbf., ein Werbeunternehmen, war aufgrund einer mit dem Zweitbf. und der Drittbf. als Eigentümer der Liegenschaft EZ ..., KG Ries (Graz), geschlossenen Vereinbarung berechtigt, auf der genannten Liegenschaft eine Plakattafel mit einer Länge von 3,5 m und einer Höhe von 2,6 m aufzustellen, und zwar am Rande der Riesstraße in einem Winkel von 90 Grad zu dieser.

Gegenstand der vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde ist der Umstand, daß diese Plakattafel am 22. April 1980 von Organen des Magistrats der Stadt Graz ohne vorherige Verständigung der Bf. und ohne Durchführung eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens in der Form entfernt worden ist, daß die Steher der Plakatwand knapp unter dem Erdreich durchgeschnitten und mit der Plakatwand abtransportiert worden sind.

Die Bf. erachten sich durch diese von ihnen als unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt qualifizierte Vorgangsweise der Behörde in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf Erwerbsfreiheit verletzt; sie beantragen, der VfGH möge dies feststellen.

Zum behaupteten Verstoß gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird unter Hinweis auf §4 des Stmk. Naturschutzgesetzes, LGBl. 65/1976, vorgebracht, daß die Voraussetzungen für die bekämpfte Maßnahme deshalb nicht vorgelegen seien, weil die Plakattafel (das Vorliegen einer Bewilligung nach dem Naturschutzgesetz für die Tafel wird nicht behauptet) nicht außerhalb einer geschlossenen Ortschaft gelegen sei. Der nähere und auch der weitere Bereich der Riesstraße sei durchgehend verbautes Gebiet. Wenn man die Riesstraße in Richtung Graz befahre, beginne einige Meter nach der in diesem Fall links an der Straße gelegenen Plakattafel eine Siedlung mit zahlreichen Neubauten mit bis zu 8 Geschossen (Billroth-Siedlung). Während diese Anlage auf der der Plakatwand gegenüberliegenden Seite der Riesstraße liege, sei jene Seite der Riesstraße, auf welcher die Plakatwand installiert gewesen sei, durch eine Verbauung mit Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern mit Gärten und Einfriedungen gekennzeichnet.

Eine Störung des Landschaftsbildes sei deswegen nicht gegeben, weil es bei Beurteilung dieser Frage nicht auf den Ausblick der Landschaft selbst ankomme, sondern nur darauf, ob die Umgebung des Standortes der Ankündigung eine Störung des Landschaftsbildes darstelle.

Ein Verstoß gegen das Eigentumsrecht sei gegeben, weil die Plakatwand bereits lange Zeit vor Inkrafttreten des Naturschutzgesetzes installiert worden sei und für diesen Fall §35 des genannten Gesetzes vorsehe, daß Werbeeinrichtungen, die nach den bisherigen naturschutzrechtlichen Bestimmungen errichtet worden seien, unberührt blieben. Bereits am 3. November 1977 habe eine "Begehung" der Plakattafel durch die Behörde stattgefunden, bei der der Naturschutzbeauftragte keine Einwendungen gegen die Tafel erhoben habe.

Durch die bekämpfte Amtshandlung sei auch das Recht der Bf. auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt worden.

2. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz (in seiner Funktion als Bezirksverwaltungsbehörde) hat als bel. Beh. das Beschwerdevorbringen dahingehend bestritten, daß im Bereich des Aufstellungsortes der Plakattafel eine geschlossene Verbauung iS des Erk. VfSlg. 8388/1978 wohl nordwestlich der Riesstraße vorliege. Dagegen sei nördlich, östlich und auch südlich der Riesstraße über weite Strecken keine Verbauung gegeben und die Umgebung durch umfangreiche Grünflächen gekennzeichnet. In der Beschwerde werde selbst ausgeführt, daß erst einige Meter nach der an der Straße gelegenen Plakattafel eine Siedlung beginne. Der Standort der Tafel liege daher nicht mehr innerhalb einer geschlossenen Ortschaft.

Zur Frage der gröblichen Verunstaltung des Landschaftsbildes weist die bel. Beh. darauf hin, daß der Bezirksnaturschutzbeauftragte für Graz festgestellt habe, daß die Plakattafel durch die verschiedene Farbgebung der aufgeklebten Reklame sowie wegen ihrer Länge und Größe eine empfindliche Verunstaltung der weitgehend unbebauten freien Landschaft mit Wiesen und Äckern darstelle.

Zum Beschwerdevorbringen betreffend §35 Naturschutzgesetz weist die bel. Beh. darauf hin, daß diese Gesetzesbestimmung sich nur auf vor dem Inkrafttreten des Gesetzes (1. Jänner 1977) erteilte Bewilligungen beziehe, daß im vorliegenden Fall aber - unbestrittenermaßen - keine Bewilligung erteilt worden sei.

Die bel. Beh. beantrage daher, die Beschwerde abzuweisen.

II. Der VfGH hat über die - zulässige (s. das gleichgelagerte Fälle in Graz betreffende Erk. VfSlg. 8388/1978) - Beschwerde erwogen:

1. Nach §4 Abs1 des Stmk. Naturschutzgesetzes, LGBl. 65/1976, dürfen Ankündigungen (Werbeeinrichtungen, Bezeichnungen, Hinweise und nichtamtliche Bekanntmachungen) außerhalb geschlossener Ortschaften nur mit Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde vorgenommen werden.

Gemäß dem ersten Satz des Abs6 dieses Paragraphen sind nicht bewilligte Ankündigungen, die das Landschaftsbild gröblich verunstalten, durch die Bezirksverwaltungsbehörde unverzüglich zu entfernen.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese der bekämpften Amtshandlung zugrunde liegenden Bestimmungen wurden nicht geäußert und sind auch beim VfGH nicht entstanden (s. VfSlg. 8388/1978, S 127).

2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ua. dann verletzt, wenn eine sachlich unzuständige Behörde eingeschritten ist. Die bf. Parteien wären daher in diesem Recht verletzt, wenn der Magistrat der Stadt Graz zu einer Maßnahme nach §4 Abs6 Naturschutzgesetz nicht zuständig gewesen wäre.

a) Die Zuständigkeit des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz als Bezirksverwaltungsbehörde (vgl. hiezu VfSlg. 8388/1978, S 123) beschränkt sich nach §4 Abs6 bis 8 Naturschutzgesetz auf Maßnahmen zur Beseitigung bewilligungspflichtiger - weil außerhalb geschlossener Ortschaften vorgenommener -, nicht bewilligter Ankündigungen. Wie der VfGH in dem bereits mehrfach erwähnten Erk. VfSlg. 8388/1978 - ausgehend von dem §4 Naturschutzgesetz innewohnenden Zweck der Vermeidung von Störungen im Landschaftsbild - ausgeführt hat, liegt eine geschlossene Ortschaft insoweit vor, als das äußere Erscheinungsbild des Ortes oder Ortsteiles überwiegend von einer größeren Ansammlung von Bauwerken einschließlich der sie etwa umgebenden Grünanlagen geprägt wird.

b) Die von der bel. Beh. vorgelegten Pläne und das Foto zeigen iZm. dem übrigen Inhalt der Verwaltungsakten folgende Situation:

Die von den Organen der bel. Beh. entfernte Plakattafel befand sich unmittelbar am östlichen Rand der an dieser Stelle in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Riesstraße. Es trifft zwar zu, daß die der Plakattafel gegenüberliegende Seite der Riesstraße (nach Westen zu) eine mehr oder weniger geschlossene Verbauung aufweist. Die bel. Beh. weist aber zutreffend darauf hin, daß nördlich, östlich und südlich der Riesstraße an dieser Stelle über weite Strecken keine Verbauung gegeben ist. Dies ist auch auf dem bei den Verwaltungsakten befindlichen Lichtbild (welches den Blick in Richtung Südosten zeigt) deutlich erkennbar.

Daraus ergibt sich, daß die Plakatwand im vorliegenden Fall am Rand (vgl. hiezu VfSlg. 8388/1978, S 124 f., sowie VwGH 1. 6. 1981 Z 81/10/0006, 81/10/0015), aber nicht (mehr) innerhalb einer geschlossenen Ortschaft lag.

Der behauptete Verstoß gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt somit nicht vor.

3. Da die bekämpfte Amtshandlung in das Eigentum der bf. Parteien eingegriffen hat, wären diese im Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt, wenn die Auslegung der Behörde denkunmöglich, also mit einem der Gesetzlosigkeit gleichzuhaltenden groben Fehler behaftet wäre.

Das Verbot des §4 Naturschutzgesetz will eine Verunstaltung der Landschaft vermeiden. Das in den Verwaltungsakten liegende Farblichtbild zeigt, daß die Plakattafel wegen ihrer Größe und Bildgestaltung das gegebene Landschaftsbild störte. Der Naturschutzbeauftragte hat auf diese Störung in seiner Äußerung, welche zum Einschreiten der bel. Beh. geführt hat, ausdrücklich hingewiesen. Es ist daher durchaus vertretbar, wenn die bel. Beh. von einer gröblichen Verunstaltung des Landschaftsbildes ausgegangen ist. Es liegt auch nicht außerhalb jeder vernüftigerweise vertretbaren Überlegung, wenn die Behörde unter "Ankündigung" den ganzen dem verbotenen Zweck dienenden Gegenstand - die Werbeanlage - verstanden und nicht geprüft hat, ob das Ablösen der Tafel von den sie tragenden Ständern wirtschaftlich vertretbar gewesen wäre.

Ob die bekämpften Maßnahmen in richtiger Anwendung des Gesetzes erfolgten, hat der VfGH nicht zu beurteilen.

Zum Beschwerdevorbringen betreffend §35 Naturschutzgesetz genügt der Hinweis, daß auch nach diesem Vorbringen eine naturschutzbehördliche Bewilligung zur Errichtung der Tafel nicht erteilt worden ist. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß der Naturschutzbeauftragte anläßlich einer "Begehung" am 3. November 1977 die Tafel nicht beanstandet hat.

Eine Verletzung des Eigentumsrechtes hat somit ebenfalls nicht stattgefunden.

4. Zum behaupteten Verstoß gegen das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung genügt der Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8309/1978, S 320, und die dort angeführte Vorjudikatur), wonach Art6 StGG keinen Schutz gegen Amtshandlungen gewährt, die die Erwerbsbetätigung nicht unmittelbar betreffen, deren Objekt - dem äußeren Ablauf des Verwaltungsgeschehens nach und der Absicht der Behörde entsprechend - also ein davon Verschiedenes ist, mögen auch die Nebenwirkungen mittelbar die Erwerbsbetätigung verhindern.

5. Da nicht hervorgekommen ist, daß die bf. Parteien durch die bekämpfte Amtshandlung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden, ist die Beschwerde abzuweisen.

Schlagworte

Landschaftsschutz, Behördenzuständigkeit, Erwerbsausübungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B289.1980

Dokumentnummer

JFT_10159391_80B00289_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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