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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzBeachte
vgl. Anlaßfall VfGH 3. 10. 1984, B367/81; vgl. Kundmachung BGBl. 375/1984 am 27. September 1984Leitsatz
Staatsbürgerschaftsgesetz 1965; Gleichheitswidrigkeit des §7 Abs4 - keine sachliche Rechtfertigung dafür, bei Legitimation eines Minderjährigen zwingend den Erwerb der Staatsbürgerschaft des Vaters vorzuschreibenSpruch
§7 Abs4 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965, BGBl. 250, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 1985 in Kraft. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. §7 Abs4 des StaatsbürgerschaftsG 1965 lautet:
"Wird ein unehelich geborener Fremder zu einer Zeit, da er noch minderjährig und ledig ist, legitimiert, so erwirbt er mit seiner Legitimation die Staatsbürgerschaft, wenn sein Vater in diesem Zeitpunkt Staatsbürger ist oder die Staatsbürgerschaft im Zeitpunkt seines vorher erfolgten Ablebens besessen hat. Der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Legitimation erstreckt sich auf die unehelichen Kinder der legitimierten Frau."
1. Beim VfGH ist zu B367/81 das Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 24. Juli 1981 anhängig, worin über den Feststellungsantrag des am 20. Jänner 1979 in der Schweiz geborenen St. A M ausgesprochen wird, daß er seit 9. September 1980 die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Der Antragsteller sei als außereheliches Kind der liechtensteinischen Staatsangehörigen A I B geboren. Der österreichische Staatsbürger F St. M habe am 24. Juni 1980 vor dem Bezirksgericht Sbg. die Vaterschaft anerkannt und am 9. September 1980 mit der Mutter die Ehe geschlossen. Mit Beschluß des Fürstlich Liechtensteinischen Landgerichtes Vaduz vom 17. November 1980 sei festgestellt worden, daß der Antragsteller durch die Heirat seiner Eltern die Rechtsstellung eines ehelichen Kindes erlangt habe. Daher seien die Rechtsfolgen des §7 Abs4 StaatsbürgerschaftsG eingetreten.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird ua. die Verfassungswidrigkeit des §7 Abs4 StaatsbürgerschaftsG gerügt. Der Bf. habe zufolge des darin angeordneten Erwerbes der österreichischen Staatsbürgerschaft gegen seinen Willen und den Willen seiner Eltern die liechtensteinische Staatsangehörigkeit verloren. Die Mutter sei trotz des Erwerbes der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Erklärung liechtensteinische Staatsangehörige geblieben. Die ausschließliche und zwingende Maßgeblichkeit der Staatsangehörigkeit des Vaters widerspreche dem Gleichheitssatz.
2. Aus Anlaß dieser Beschwerde sind beim VfGH Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des §7 Abs4 StaatsbürgerschaftsG entstanden. Die Bedenken hat der Gerichtshof im Prüfungsbeschluß so umschrieben:
"Der VfGH kann vorerst keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennen, daß die zu prüfende Bestimmung für jeden Fall und zwangsläufig an die Staatsbürgerschaft des Vaters anknüpft.
Es besteht sohin das Bedenken, daß diese Vorschrift den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz verletzt und daher verfassungswidrig ist."
Die Bundesregierung verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung. Sie bewirke im Ergebnis nur, daß der Legitimierte Österreicher werde, wenn auch nur ein Elternteil Österreicher sei: sei es die Mutter im Zeitpunkt der Geburt, erwerbe das Kind die Staatsbürgerschaft nach §7 Abs3, sei sie es nicht, ordne §7 Abs4 den Erwerb an, wenn der Vater Österreicher sei. Der Grundsatz, daß das Kind Österreicher werden solle, wenn auch nur ein Elternteil Österreicher sei, werde mit der jüngsten StaatsbürgerschaftsG-Nov. auch für eheliche Kinder verwirklicht. Es würden daher weder Vater und Mutter noch eheliche und legitimierte Kinder ungleich behandelt. Der allfällige Verlust der fremden Staatsangehörigkeit sei nicht dem österreichischen Recht anzulasten.
II. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist zulässig. Es ist nichts hervorgekommen, was Anlaß gäbe, an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde oder der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zu zweifeln.
III. Die Bedenken des VfGH sind auch begründet. §7 Abs4 StaatsbürgerschaftsG verstößt gegen den Gleichheitssatz.
Auszugehen ist von den im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken. Diese gehen nicht dahin, daß Vater und Mutter ungleich behandelt würden. Der Gerichtshof konnte vorerst nur keine Rechtfertigung dafür erkennen, daß die Staatsbürgerschaft des Vaters auf jeden Fall und zwangsläufig also auch gegen den Willen von Kind und Eltern und ohne Rücksicht auf die bisherige Staatsangehörigkeit von Mutter und Kind maßgeblich sein soll.
In der Tat zeigt die neue Fassung, die der für eheliche Kinder geltende Abs1 des §7 durch die Nov. 1983, BGBl. 170, erhalten hat, recht deutlich, daß es hier nicht einfach um die Bevorzugung des Vaters gegenüber der Mutter geht. Während nämlich in der Stammfassung das eheliche Kind mit der Geburt (nur dann) Österreicher wurde, wenn sein Vater Staatsbürger war, tritt der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft nunmehr schon ein, wenn auch nur ein Elternteil Staatsbürger ist, und dennoch paßt Abs3 unverändert auch in den neuen Zusammenhang. Aber auch er macht nicht einsichtig, warum die Legitimation auf jeden Fall und zwangsläufig zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft des Vaters führt, obwohl das Kind in diesem Zeitpunkt - anders als das eheliche Kind im Zeitpunkt seiner Geburt - bereits eine Staatsangehörigkeit besitzt (und zwar regelmäßig jene der Mutter im Zeitpunkt der Geburt). Aufgeworfen ist also die Frage, ob es sachlich ist, wenn sich die österreichische Staatsbürgerschaft des Vaters gegen die fremde Staatsangehörigkeit des ledigen Minderjährigen ausnahmslos durchsetzt.
Zu dieser Frage trägt die Bundesregierung nichts vor. Ihr Hinweis, daß der allfällige Verlust einer fremden Staatsangehörigkeit der Rechtsordnung des fremden Staates anzulasten sei, übersieht, daß das österreichische Recht auch mit der Möglichkeit der Vermeidung von Doppelbürgerschaften seitens fremder Staaten rechnen muß, die den Erwerb der Staatsbürgerschaft gegen den Willen der Betroffenen für diese überaus nachteilig machen kann. Die Bundesregierung zieht ferner nicht in Betracht, daß das eheliche Kind (fremder Eltern), dessen Vater (oder Mutter) nach der Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft erwirbt, gerade nicht zwingend Österreicher wird (sondern nur auf Antrag: §§17 und 19 StaatsbürgerschaftsG), obwohl dann gleichfalls (nachträglich) ein Elternteil Österreicher ist. Zeigt das doch, daß das Gesetz ein Interesse am Fortbestand der einmal erworbenen Staatsangehörigkeit sonst - und auch bei ehelichen Kindern - durchaus beachtet.
Gewiß kann dem Gesetzgeber nicht schlechthin verwehrt werden, aus Anlaß eines die familienrechtliche Stellung des Kindes so grundlegend verändernden Aktes wie dem der Legitimation die Frage der Staatsangehörigkeit neu aufzurollen und dem Kind die Staatsbürgerschaft zu verleihen, die es erwerben würde, wenn es im Zeitpunkt der Legitimation als Kind verheirateter Eltern geboren würde. In aller Regel wird nämlich - wie auch der Anlaßfall dieses Gesetzesprüfungsverfahrens zeigt - die Zeitspanne zwischen Geburt des Kindes und Heirat seiner Eltern so gering sein, daß die durch die Geburt erworbene Staatsangehörigkeit auf die Verhältnisse des Kindes noch keinen nachhaltigen Einfluß gewonnen hat. Würde der Gesetzgeber den Erwerb der Staatsbürgerschaft bei Legitimation durch einen Österreicher niemals oder immer nur auf Antrag oder nur dann vorsehen, wenn sich keiner der Beteiligten dagegen ausspricht, könnte unter gewissen Umständen durch bloß kurzfristige Verzögerung der Eheschließung der sonst kraft Gesetzes zwingend eintretende Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch das Kind eines Österreichers endgültig vermieden werden.
Aber diese Zielsetzung rechtfertigt es nicht, den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft ohne Rücksicht auf das Alter bis hin zur Großjährigkeit des Kindes gleicherweise zwingend vorzuschreiben. Vergleicht man nämlich die rigide Regelung der staatsbürgerschaftsrechtlichen Folgen der Legitimation mit der elastischen Gestaltung der Folgen des Erwerbes der österreichischen Staatsbürgerschaft durch einen Elternteil nach der Geburt eines ehelichen Kindes, so zeigt sich, daß das Gesetz Sachverhalte mit praktisch gleicher Interessenlage dermaßen unterschiedlich regelt, daß die familienrechtlichen Wirkungen diese Unterschiede nicht mehr tragen. Der Gesetzgeber verkennt offenbar, daß die nachträgliche Gleichstellung des unehelich geborenen mit dem ehelichen Kind in ihrer Wirkung auf eine Ungleichbehandlung hinausläuft, deren Berechtigung rasch abnimmt. Ist zwischen Geburt und Legtimation bereits eine längere Zeit verstrichen - das Kind etwa gar schon mündig geworden -, so ist der Erwerb der Staatsbürgerschaft gegen den Willen aller Beteiligten jedenfalls dann nicht mehr sachlich, wenn die Mutter jene Staatsangehörigkeit beibehalten hat, die das Kind von ihr herleitet. Der Gesetzgeber hat folglich mit der Regelung des §7 Abs4 StaatsbürgerschaftsG seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschritten.
IV. Die für das Inkrafttreten der Aufhebung gemäß Art140 Abs5 B-VG gesetzte Frist soll es dem Gesetzgeber ermöglichen, die staatsbürgerschaftsrechtlichen Folgen der Legitimation seinen Vorstellungen entsprechend neu zu regeln, ohne daß für die Mehrzahl der Fälle die Rechtslage sich vorübergehend entscheidend verändert.
Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG.
Schlagworte
Staatsbürgerschaftsrecht, Kindschaftsrecht, Ehe und VerwandtschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:G54.1982Dokumentnummer
JFT_10159388_82G00054_00