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40 VerwaltungsverfahrenNorm
B-VG Art144 Abs1 / LegitimationLeitsatz
AVG 1950; bescheidmäßige Erledigung eines Ansuchens auf Ausübung des Aufsichtsrechtes gemäß §68 aufgrund einer Devolution gemäß §73; Vorstellung dagegen wäre zurückzuweisen gewesen; trotz abweisender Vorstellungsentscheidung keine Anfechtungslegitimation mangels BeschwerSpruch
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. a) Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Gitschtal vom 5. Dezember 1975 wurde dem Eigentümer der Grundstücke ...
und ..., KG W, gemäß §§4, 12 und 13 der Ktn. Bauordnung,
LGBl. 48/1969, die Bewilligung zur Errichtung einer Tennisanlage auf
den genannten Grundstücken erteilt. Für das Grundstück ... war im
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Gitschtal die Widmung "Bauland -
Wohngebiet", für das Grundstück ... die Widmung "Bauland -
Dorfgebiet" ausgewiesen.
b) Mit einem an den Gemeindevorstand gerichteten Schreiben vom 9. Feber 1978 stellten G E, Ch. M, R Ph., G K und J W den Antrag, den Bescheid des Bürgermeisters vom 5. Dezember 1975 gemäß §68 AVG 1950 aufzuheben; der Bescheid sei zufolge der Erteilung der Baubewilligung für eine Tennisanlage auf einem als Bauland - Dorfgebiet und Bauland - Wohngebiet gewidmeten, also nicht auf einem mit einer entsprechenden Sonderwidmung ausgewiesenen Grundstück wegen eines Widerspruches zum Flächenwidmungsplan gemäß §11 des Ktn. Gemeindeplanungsgesetzes, LGBl. 1/1970, (Fassung vor der Wiederverlautbarung durch LGBl. 51/1982) mit Nichtigkeit bedroht.
c) Mit dem Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Gitschtal vom 24. Oktober 1978 wurde das als Bauland - Dorfgebiet gewidmete
Grundstück ... und das als Bauland - Wohngebiet gewidmete
Grundstück ... in einer Tiefe von zirka 20 m in "Grünland - Tennis"
umgewidmet. Dieser Beschluß wurde mit dem Bescheid der Ktn. Landesregierung vom 8. Jänner 1979 genehmigt und in der Ktn.
Landeszeitung am 11. Jänner 1979 kundgemacht.
d) Da der Gemeindevorstand über den von den Antragstellern mit Schreiben vom 9. Feber 1978 gestellten Antrag nicht entschieden hatte, begehrten die Antragsteller (anstelle des Antragstellers J W seine Rechtsnachfolgerin Th. K) mit einer an den Gemeinderat gerichteten Eingabe vom 8. November 1978 gemäß §73 AVG 1950 die Entscheidung des Gemeinderates über diesen Antrag.
2. a) Der Bürgermeister der Gemeinde Gitschtal richtete an den Rechtsvertreter der Antragsteller das folgende Schreiben vom 21. März 1979:
"Der Gemeinderat der Gemeinde Gitschtal hat in seiner Sitzung vom
20. 03. 1979 einstimmig entschieden, den rechtskräftigen Baubescheid
des Bürgermeisters der Gemeinde Gitschtal vom 05. 12. 1975, Zl ...,
betreffend die Bewilligung zur Errichtung einer Tennisanlage auf den
Grundstücken Nr. ... und ..., KG W, aus nachstehenden Gründen nicht
aufzuheben:
Da die Umwidmung der Teilflächen der Parz. ... und ..., KG W, auf
denen sich der Tennisplatz des W F befindet, in 'Grünland - Tennisplatz' erfolgt ist, das bedeutet, daß der Bewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Gitschtal vom 05. 12. 1975, Zl. ..., dem Flächenwidmungsplan entspricht. Gemäß §11 Abs1 des Gemeindeplanungsgesetzes ist ein Baubescheid nur dann mit Nichtigkeit bedroht, wenn derselbe dem Flächenwidmungsplan widerspricht. Es bestand daher keine Veranlassung, den angefochtenen Bescheid aufzuheben. ..."
b) Mit einer an die Gemeinde Gitschtal gerichteten Eingabe vom 5. April 1979 wurde von den Antragstellern für den Fall, daß "das Schreiben vom 21. 3. 1979 des Gemeindeamtes Gitschtal, Zl. ..., als Bescheid zu werten sein" sollte, gegen diesen Vorstellung an die Ktn. Landesregierung erhoben. Im wesentlichen wurde vorgebracht, daß der Bescheid des Bürgermeisters vom 5. Dezember 1975 zur Zeit der Erlassung dem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan widersprochen habe. Eine Sanierung dieses Mangels sei durch die nunmehr erfolgte Umwidmung nicht eingetreten. Es werde daher der Antrag gestellt, der Vorstellung Folge zu geben.
c) Die Ktn. Landesregierung erhielt von dieser Vorstellung erst durch die wegen der Nichterledigung der Vorstellung von den Antragstellern erhobene Säumnisbeschwerde an den VwGH Kenntnis. Sie hat diese Vorstellung mit dem Bescheid vom 7. November 1980 gemäß §84 der Allgemeinen Gemeindeordnung, LGBl. 1/1966, als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, daß der Erledigung des Gemeinderates vom 21. März 1979 Bescheidcharakter zukomme. Diese Erledigung weise die für das Vorliegen eines Bescheides geforderten Voraussetzungen (Bezeichnung der Behörde, Spruch und Unterschrift) auf, der Ausspruch, den bekämpften Baubewilligungsbescheid nicht aufzuheben, habe normativen (im gegenständlichen Fall rechtsfeststellenden) Charakter. Die Wendung "nicht aufzuheben" komme darüber hinaus der Zurückweisung des diesbezüglichen Antrages gleich.
Sodann wird unter Hinweis auf §68 Abs7 AVG 1950 ausgeführt, daß für die Antragsteller ein Anspruch auf eine materiell-rechtliche Erledigung ihres Antrages nicht gegeben sei. Es habe daher für den Gemeinderat keine Verpflichtung bestanden, sich mit dem Antrag vom 9. Feber 1978 inhaltlich auseinanderzusetzen. Der Gemeinderat habe unter Berufung auf die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan diesen Weg dennoch beschritten und den Antragstellern dadurch eine Rechtsstellung eingeräumt, die ihnen von Gesetzes wegen nicht zukomme. Er wäre berechtigt gewesen, den Antrag vom 9. Feber 1978 unter Hinweis auf die Bestimmung des §68 Abs7 AVG 1950, ohne auf die Sache einzugehen, als unzulässig zurückzuweisen.
Es bedürfe keiner weiteren Erörterung, daß die Einschreiter durch die als Bescheid zu wertende Erledigung des Gemeinderates vom 21. März 1979 in ihren Rechten nicht verletzt worden seien.
3. Gegen den Bescheid der Ktn. Landesregierung vom 7. November 1980 richten sich die von G E (B653/80), Th. K (B654/80), G K (B655/80), R Ph. (B656/80) und von Ch. M (B657/80) erhobenen Beschwerden. In diesen (im wesentlichen wörtlich übereinstimmenden) Beschwerden wird geltend gemacht, daß die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden seien. Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Bf. haben mit ihrem an den Gemeindevorstand (der nach §83 der Allgemeinen Gemeindeordnung die in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse ausübt) gerichteten Antrag vom 9. Feber 1978 (I.1. litb) das Begehren gestellt, den Bescheid des Bürgermeisters vom 5. Dezember 1975 gemäß §68 AVG 1950, somit in Ausübung des Aufsichtsrechtes, aufzuheben.
Gemäß §68 Abs7 AVG 1950 steht niemandem ein Anspruch auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs2 bis 4 des §68 AVG 1950 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes zu. Für den Gemeindevorstand ist daher eine Verpflichtung zur Entscheidung über den von den Bf. gestellten Antrag vom 9. Feber 1978 nicht entstanden. Besteht aber für ihn keine Entscheidungspflicht, ist auch deren Übergang auf den Gemeinderat (der nach §35 Abs1 der Allgemeinen Gemeindeordnung das oberste Organ in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches und damit im Verhältnis zum Gemeindevorstand als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde anzusehen ist) nach §73 Abs2 AVG 1950 ausgeschlossen; die Bestimmungen des §73 AVG 1950 über das Entstehen und den Übergang der Entscheidungspflicht beziehen sich eben nicht auf Aufsichtsbeschwerden und deren Erledigung (vgl. Mannlicher - Quell, Das Verwaltungsverfahren, 8. Auflage, Fußnote 2 zu §73, S 416).
Die Bedeutung des von den Bf. an den Gemeinderat gerichteten, zu Unrecht auf §73 Abs2 AVG 1950 gestützten Antrags vom 8. November 1978 (I.1. litd) erschöpft sich daher in dem Begehren, den Bescheid des Bürgermeisters vom 5. Dezember 1975 gemäß §68 AVG in Ausübung des Aufsichtsrechtes aufzuheben.
2. Im Hinblick auf §68 Abs7 AVG hat der VfGH wiederholt (vgl. VfSlg. 9095/1981) ausgesprochen, der Mitteilung der Behörde, daß sie sich zu einer begehrten aufsichtsbehördlichen Verfügung nicht veranlaßt finde, fehle jeder rechtsgestaltende oder rechtsfeststellende Inhalt; auch die Angabe der Gründe, warum die Behörde der Anregung nicht entspreche, ändere die rechtliche Qualität der Antwort nicht (vgl. VfSlg. 6456/1971 und die dort genannte Vorjudikatur; ferner VfSlg. 1628/1948 und 3301/1957). Entbehrt aber der Inhalt einer solchen Äußerung jeder rechtsgestaltenden oder feststellenden Wirkung, so vermag auch die Wahl der äußeren Form eines Bescheides nicht zu einer Verletzung subjektiver Rechte zu führen.
Der VfGH stimmt in dieser Auffassung im Ergebnis mit der Rechtsprechung des VwGH überein, der Beschwerden gegen die Ablehnung eines Abänderungsbegehrens ohne Rücksicht auf die Form der Erledigung zurückweist (vgl. aus letzter Zeit VwGH 17. 2. 1978 Z 1471/77 und 30. 10. 1978 Z 2817, 2818/78).
Durch die negative Erledigung ihres Begehrens (I.2. lita) konnten die Bf. daher in keinem Recht verletzt worden sein (vgl. VfSlg. 9095/1981, 9555/1982).
3. Die bel. Beh. hat aufgrund der von den Bf. gegen die Erledigung des Gemeinderates vom 21. März 1979 erhobenen Vorstellung ausgesprochen, daß die Bf. hiedurch in keinem Recht verletzt worden sind. Nach Lage der Dinge konnte - ungeachtet des Umstandes, daß die Vorstellung gegen die Erledigung des Gemeinderates zurückzuweisen gewesen wäre (vgl. VfSlg. 4371/1963, 5947/1969) - auch durch diesen Ausspruch in subjektive Rechte der Bf. nicht eingegriffen worden sein. Es fehlt ihnen sohin die Beschwer, den an sie ergangenen Bescheid mit Verfassungsgerichtshofbeschwerde anzufechten (vgl. VfSlg. 9452/1982, 9471/1982).
Die Beschwerden sind daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen (§19 Abs3 Z1 lite VerfGG).
Schlagworte
VfGH / Legitimation, Verwaltungsverfahren, Devolution, Abänderung und Behebung von amtswegen, Gemeinderecht, VorstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B653.1980Dokumentnummer
JFT_10159387_80B00653_00