TE Vfgh Erkenntnis 1984/6/13 B505/78

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Veröffentlicht am 13.06.1984
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Index

32 Steuerrecht
32/01 Finanzverfahren, allgemeines Abgabenrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BAO §211 Abs1 litb
BAO §211 Abs1 litd

Leitsatz

BAO; keine Gleichheitswidrigkeit der durch §211 Abs1 litb und d idF vor der Nov. BGBl. 151/1980 bewirkten Differenzierung zwischen Einzahlungen bei der Postsparkasse und solchen bei anderen Kreditinstituten

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das Finanzamt Linz erließ an die bf. Gesellschaft einen Vermögenssteuerbescheid zum 1. Jänner 1977, mit dem die Vermögensteuer in Höhe von 10000 S festgesetzt wurde. Diesem Bescheid zufolge bestand insbesondere eine Vierteljahresfälligkeit von 2500 S am 10. August 1977. Die Belastung des Abgabenkontos der Bf. mit diesem Betrag am Fälligkeitstag ergab (im Hinblick auf ein bestehendes Guthaben von 435,38 S) eine Zahllast von 2064,62 S, die Buchung einer widmungsgebundenen Zahlung der Bf. und der korrespondierenden Belastung des Kontos eine Zahllast am folgenden Tag von 2065,28 S. Mit Wirkung vom 16. August 1977 wurde auf dem Abgabenkonto eine der Abstattung der Vermögenssteuerrate gewidmet, im Überweisungsverkehr eingegangene Zahlung der Bf. in Höhe von 2500 S gutgebracht.

Das Finanzamt nahm nicht zeitgerechte Abgabenentrichtung an und setzte einen Säumniszuschlag von 41 S fest. Die dagegen erhobene Berufung wies die Finanzlandesdirektion für OÖ mit Bescheid vom 7. Juli 1978 ab. Werde - wie in diesem Fall - die Abgabe mittels Zahlschein bei einem österreichischen Kreditinstitut eingezahlt, so gelte sie gemäß §211 Abs1 litd BAO - sämtliche Zitierungen dieses Gesetzes beziehen sich stets auf dessen Fassung vor der Nov. BGBl. 151/1980 - als an dem Tag entrichtet, an dem die Gutschrift erfolgt.

2. Der Berufungsbescheid ist Gegenstand der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde, in der die bf. Gesellschaft eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die Bescheidaufhebung begehrt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die geltend gemachte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums könnte nach der Lage dieser Beschwerdesache gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9014/1981) nur dann stattgefunden haben, wenn der angefochtene Bescheid auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die belangte Finanzlandesdirektion eine Rechtsvorschrift in denkunmöglicher Weise angewendet hätte. Entgegen den Beschwerdebehauptungen trifft jedoch beides nicht zu.

2. Die Bf. behauptet zunächst, daß die von der bel. Beh. herangezogene litd im §211 Abs1 BAO wegen Widerspruchs zum Gleichheitsgebot verfassungswidrig sei. Sie nimmt dabei auf die litb und d in diesem Absatz Bezug, die (samt Eingang des Absatzes) folgendermaßen lauten:

§211 (1) Abgaben gelten in nachstehend angeführten Fällen als entrichtet:

...

b) bei Einzahlungen mit Erlagschein am Tag, der sich aus dem Tagesstempel des Aufgabepostamtes ergibt;

...

d) bei Überweisung auf das Postscheckkonto oder ein sonstiges Konto der empfangsberechtigten Kasse am Tag der Gutschrift;

...

Im einzelnen legt die Bf. ihren Vorwurf wie folgt dar:

"Der Abgabenschuldner, der den geschuldeten Abgabenbetrag einzahlt, erleidet in gleicher Weise eine Vermögensminderung und begibt sich in gleicher Weise der Verfügung über die entsprechende Summe Geldes, wenn er diese beim Postamt bar durch Erlagschein oder bei einer Bank oder Sparkasse, sei es bar oder durch Abbuchung von einem eigenen Konto, zur Einzahlung bringt. Die technische Abwicklung (Gutbuchung am Abgabenkonto) dauert in allen Fällen annähernd gleich. Die gesetzliche Regelung stellt nicht nur eine Bevorzugung der Östereichischen Postsparkasse gegenüber den Banken und Kreditinstituten dar, sondern auch eine sachlich durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung derjenigen Abgabenschuldner, die bei einer Bank oder einer Sparkasse einzahlen, gegenüber denjenigen Abgabenschuldnern, die bei einem Postamt einzahlen. Der Abgabenschuldner, der aus irgendwelchen hier nicht näher zu untersuchenden Gründen bei einer Bank oder einer Sparkasse einzahlen will) so etwa, weil die Entfernung zum Postamt weiter ist oder weil er mit dem Kreditinstitut seines Vertrauens seine sonstige Geldgebarung abwickelt und sich nicht ein zweites Mal auch noch beim Postamt anstellen will etc.), ist gezwungen, den Abgabenbetrag früher zur Einzahlung zu bringen (und somit auf den Nutzen des Geldes wie zB Zinsen zu verzichten) als derjenige, der am Postamt zahlt. Während nämlich der Abgabenschuldner, der am Postamt zahlt, ungefährdet am Fälligkeitstag einzahlen kann, wird bei der Einzahlung bei einer Bank oder Sparkasse Gleiches ungleich behandelt, nämlich mit einem Säumniszuschlag bedroht."

Der VfGH teilt diese Bedenken jedoch nicht.

Vorerst ist festzuhalten, daß es im Hinblick auf den Gegenstand der Regelung verfehlt ist, einen Vergleich der Stellung der Österreichischen Postsparkasse (im folgenden: PSK) mit anderen Kreditinstituten an sich anzustellen. Maßgeblich für die Beurteilung aus dem Blickwinkel des Gleichheitsgebotes kann vielmehr bloß ein Vergleich desjenigen Abgabenschuldners, der am Postamt mit Erlagschein (bar) einzahlt, mit jenem sein, der Barzahlung bei einem Geldinstitut leistet und dieses mit der Überweisung an die empfangsberechtigte Kasse beauftragt, wobei allerdings auch zu berücksichtigen ist, daß dem Abgabenschuldner die Wahl zwischen diesen Zahlungsarten offensteht. Der vorzunehmende Vergleich erfordert aber nicht nur die Bedachtnahme auf die Interessenlage des Abgabenschuldners, sondern (was die Bf. im übrigen durchaus einräumt) auch die Berücksichtigung der Interessensposition des durch die empfangsberechtigte Kasse repräsentierten Abgabengläubigers; sowohl aus der Interessenlage des Abgabenschuldners als auch aus der des Abgabengläubigers können sich nämlich für die Sachlichkeit der Regelung wesentliche Umstände ergeben. Solche liegen hier - wie die folgenden Ausführungen nachweisen - auch tatsächlich vor.

Der VfGH hält es für nicht richtig, die unterschiedliche Stellung von Abgabenschuldnern ausschließlich erst ab jenem Zeitpunkt zu betrachten, zu dem sie die ihnen freie Wahl zwischen den verschiedenen Zahlungsmöglichkeiten bereits getroffen haben; eine solche - eingeschränkte - Betrachtungsweise führte freilich zum Ergebnis, daß der beim Kreditinstitut zahlende Abgabenschuldner gegenüber dem beim Postamt einzahlenden im allgemeinen benachteiligt ist. Eine Benachteiligung kann jedoch überhaupt erst dann eintreten, wenn die Zahlung knapp vor dem Fälligkeitstag geleistet wird; daher erweist sich die Möglichkeit, eine sonst drohende Säumnis durch Einzahlung beim Postamt noch abzuwenden als eine allen Abgabenschuldnern gleichermaßen zukommende Begünstigung.

Aber auch wenn man die Position der unterschiedliche Zahlungsmodalitäten wählenden Abgabenschuldner ab dem Zeitpunkt der Entrichtung des Abgabenbetrags ins Auge faßt, zeigt sich, daß keineswegs eine einseitige Begünstigung vorliegt, sondern daß - verschieden gestaltete - Begünstigungen einander gegenüberstehen:

Während dem mit Erlagschein beim Postamt einzahlenden Abgabenschuldner der Vorteil zukommt, daß bereits der Einzahlungstag (und nicht erst der Tag der Gutschrift) maßgeblich ist, hat der Zahlung über ein Geldinstitut leistende Abgabenschuldner die Begünstigung der sogenannten Respirofrist des §217 Abs6 BAO - auch hier ist die Fassung vor der Nov. BGBl. 151/1980 gemeint -, welche die sonst bereits mit Ablauf des Fälligkeitstages entstehende Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlags erst zwei Tage später eintreten läßt.

Was die Interessenlage des durch die empfangsberechtigte Kasse repräsentierten Abgabengläubigers anlangt, ist vorweg zweierlei zu berücksichtigen: Der Gesetzgeber kann von der Tatsache ausgehen, daß die empfangsberechtigte Kasse ein Konto bei der PSK unterhält, und weiters davon, daß die Einzahlung beim Postamt kraft §2 Abs1 Postsparkassengesetz 1969, BGBl. 458, für Rechnung der PSK erfolgt. Bei dieser Lage ist die Einzahlung durch Erlagschein beim Postamt (auf Konto der empfangsberechtigten Kasse bei der PSK) so zu werten, als ob der Abgabenschuldner diese Zahlung bar beim Geldinstitut des Abgabengläubigers leistete, was für diesen günstiger ist als die Zahlung über ein Kreditinstitut. Denn die Einzahlung mit Erlagschein führt unmittelbar (also ohne das Dazwischentreten eines anderen Kontos) und daher - bei gebotener Durchschnittsbetrachtung - rascher zur Gutschrift auf dem Konto der empfangsberechtigten Kasse.

3. Weiters behauptet die Bf. - und zwar der Sache nach vom Blickpunkt des Gleichheitsgebotes her - die Verfassungswidrigkeit des dem bekämpften Bescheid in materiell-rechtlicher Hinsicht ebenfalls zugrunde liegenden §219 BAO, demzufolge der Säumniszuschlag 2 vH des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages beträgt. Sie kritisiert den "starren Prozentsatz ... der die zahlenmäßige Höhe des Säumniszuschlages nach oben nicht begrenzt" und meint, die Verspätung der Abgabenentrichtung um einen Tag führe zu einer auf das Jahr bezogenen Verzinsung von 730 vH, eine solche Verspätung bei Berücksichtigung des zweitägigen Respiros des §217 Abs6 BAO zu einer Verzinsung von über 243 vH.

Daß diese Argumentation aber nicht zielführend ist, ergibt sich aus dem hg. Erk. B249/80 vom 25. Feber 1984, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen werden kann.

4. Nach §221 BAO entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages (insbesondere) dann nicht, wenn der Abgabenpflichtige nur ausnahmsweise säumig ist und die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt. Die bf. Gesellschaft wirft der bel. Beh. eine denkunmögliche Gesetzesanwendung deshalb vor, weil das Vorliegen eines - nach Meinung der Bf. gegebenen - Anwendungsfalles der zitierten Bestimmung nicht geprüft worden sei. Nach Ansicht der bf. Gesellschaft hätte die bel. Beh. "im Sinn der BAO" - sie bezieht sich auf deren §108 Abs3 und §210 Abs2 - zu berücksichtigen gehabt, daß die beiden Tage vor dem 16. August 1977 (das ist der Tag der Gutschrift am Abgabenkonto) ein gesetzlicher Feiertag und ein Sonntag gewesen seien.

Mit dieser Argumentation macht die Bf. der bel. Beh. in Wahrheit jedoch nur eine unrichtige Gesetzesanwendung zum Vorwurf, worüber im hier gegebenen Zusammengang ausschließlich der VwGH zu befinden hat. Die Bf. bestreitet nämlich selbst nicht, daß der Zeitraum zwischen dem Fälligkeitstag (10. August 1977) und dem Tag der Gutschrift kalendermäßig mehr als fünf Tage ausmacht.

5. Das Beschwerdeverfahren ergab schließlich auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß eine im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren wahrzunehmende Rechtswidrigkeit aus anderen als den von der Bf. geltend gemachten Gründen unterlaufen wäre.

Die Beschwerde war sohin abzuweisen.

Schlagworte

Finanzverfahren, Säumniszuschlag Finanzverfahren, Bankwesen, Sparkassen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B505.1978

Dokumentnummer

JFT_10159387_78B00505_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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