Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
NRWO 1971; Antrag auf Bestätigung der Eintragung in die Wählerevidenz auf einer Unterstützungserklärung; Abweisung mangels persönlichen Erscheinens gemäß §45 Abs3; keine Bedenken gegen diese Bestimmung; keine Verletzung des Gleichheits- und des WahlrechtesSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (Magistratsabteilung 62) vom 22. März 1983, Z MA 62-71/N83, wurde der Antrag der E F, auf der von ihr unterfertigten Unterstützungserklärung für den im Wahlkreis Wien einzubringenden Kreiswahlvorschlag der "Gesamteuropäischen Partei" (zur Nationalratswahl) gemeindeamtlich zu bestätigen, daß sie am Stichtag (25. Feber 1983) in der Wr. Wählerevidenz als wahlberechtigt eingetragen gewesen sei, gemäß §45 Abs3 Nationalrats-Wahlordnung 1971, BGBl. 391/1970 (NRWO 1971), abgewiesen.
1.1.2. Begründend wurde wörtlich ausgeführt:
"... Gemäß §45 Abs3 NRWO ist die Bestätigung, daß die in der Unterstützungserklärung genannte Person am Stichtag in der Wählerevidenz als wahlberechtigt eingetragen war, nur dann zu erteilen, wenn - abgesehen von weiteren inhaltlichen und formellen Voraussetzungen - die in der Erklärung genannte Person vor der zur Führung der Wählerevidenz zuständigen Gemeindebehörde persönlich erscheint. Diese Grundvoraussetzung des persönlichen Erscheinens wird nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes auch in dem Falle nicht entbehrlich, daß die Unterschrift der unterstützungswilligen Person gerichtlich oder notariell beglaubigt ist. Wenngleich nun der Vertreter der antragstellenden wahlwerbenden Partei das Original einer Unterstützungserklärung vorlegte, in welchem die Echtheit der Unterschrift der ... E F durch einen Notar bestätigt war, mußte sohin mangels persönlichen Erscheinens der Erklärenden auf Grund der zwingenden Bestimmung des §45 Abs3 NRWO in Verbindung mit dem Grundsatz der strikten Auslegung von Wahlvorschriften (vgl. VfSlg. 1904, 2539 und 2654) der gegenständliche Antrag spruchgemäß abgewiesen werden ..."
1.2.1. Der von E F gegen diesen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 20. April 1983, Z MDR-F 19/83, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 keine Folge.
1.2.2. In der Begründung dieses Bescheides heißt es ua.:
"... Aus dem klaren Wortlaut ... (des §45 Abs3 NRWO 1971) folgt, daß eine notarielle Beglaubigung der Unterschrift des Unterstützungswilligen nur die Unterfertigung vor der Gemeindebehörde, nicht aber das persönliche Erscheinen vor der Gemeindebehörde und den Nachweis seiner Identität zu ersetzen vermag. Wie die Behörde erster Instanz unter Hinweis auf die Judikatur zu Recht ausgeführt hat, sind die Bestimmungen der Wahlordnungen strikte nach ihrem Wortlaut auszulegen. Da es sich im vorliegenden Fall um eine Unterstützungserklärung für einen Wahlvorschlag für die Nationalratswahl handelt, sind nur die Bestimmungen der NRWO heranzuziehen, die ... das persönliche Erscheinen für die Bestätigung einer Unterstützungserklärung ausdrücklich verlangen. Daran ändert auch nichts, daß die Gemeindewahlordnung der Stadt Wien ein persönliches Erscheinen des Unterstützungswilligen nicht vorsieht.
Da die Berufungswerberin nicht persönlich vor der Gemeindebehörde erschienen ist und sich ... vertreten ließ, war es der Gemeinde verwehrt, die beantragte Bestätigung auf der Unterstützungserklärung gemäß §45 Abs3 NRWO zu erteilen ..."
1.3.1. Gegen den Berufungsbescheid richtet sich die gegenständliche, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der E F an den VfGH, in der die Verletzung sowohl in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, und zwar des §45 Abs3 Satz 2 NRWO 1971, als auch in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, nämlich im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) und im Recht auf Teilnahme an der Nationalratswahl (Art26 B-VG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
1.3.2. Der Landeshauptmann von Wien als bel. Beh. erstattete - unter Vorlage der Administrativakten - eine Gegenschrift und beantragte darin die Abweisung der Beschwerde.
1.4. §45 Abs3 NRWO 1971 hat folgenden Wortlaut:
"Die Unterstützungserklärung hat die Bestätigung der Gemeinde zu enthalten, daß die in der Erklärung genannte Person am Stichtag in der Wählerevidenz als wahlberechtigt eingetragen war. Diese Bestätigung ist von der Gemeinde nur dann zu erteilen, wenn die in der Erklärung genannte Person vor der zur Führung der Wählerevidenz zuständigen Gemeindebehörde persönlich erscheint, ihre Identität durch ein mit Lichtbild ausgestattetes Identitätsdokument (zum Beispiel Reisepaß, Personalausweis, Führerschein, Postausweis usw.) nachgewiesen hat, die Unterstützungserklärung die Angaben über Vor- und Zuname, Geburtsdatum und Wohnadresse sowie den Namen der zu unterstützenden wahlwerbenden Partei enthält und die eigenhändige Unterschrift der in der Unterstützungserklärung genannten Person entweder vor der Gemeindebehörde geleistet wurde oder gerichtlich oder notariell beglaubigt ist."
2. Über die Beschwerde wurde erwogen:
2.1.1. Gegen den angefochtenen Berufungsbescheid steht kein weiteres administratives Rechtsmittel offen.
Der Instanzenzug ist damit erschöpft.
2.1.2. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Beschwerde zulässig.
2.2. Zur behaupteten Rechtsverletzung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes
2.2.1. Die Bf. macht gegen die - dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte und darum in dieser Beschwerdesache iS des Art140 Abs1 Satz 1 B-VG präjudizielle - Bestimmung des §45 Abs3 Satz 2 NRWO 1971 unter dem Gesichtspunkt des Art7 Abs1 B-VG sinngemäß geltend, es sei gleichheitswidrig, wenn das Gesetz gebiete, daß die in der Unterstützungserklärung genannte Person vor der Gemeindebehörde persönlich erscheinen müsse, sich also dort nicht vertreten lassen dürfe. Denn zum einen diskriminiere diese Regelung (schwer) Erkrankte und Behinderte, zum anderen sei ein persönliches Auftreten des Unterstützungswilligen vor der Gemeindebehörde dann überflüssig, wenn ein Gericht oder ein Notar die eigenhändige Unterschrift auf der Unterstützungserklärung bereits beglaubigt habe. Dies führe zur Annahme, daß der einzige Zweck des §45 Abs3 Satz 2 NRWO 1971 in der Verhinderung ernsthafter Wahlwerbung zu suchen sei.
2.2.2. Der VfGH kann sich diesen Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §45 Abs3 Satz 2 NRWO 1971 aus folgenden Erwägungen nicht anschließen:
§45 Abs3 Satz 2 NRWO 1971 besagt, daß die im ersten Satz dieser Gesetzesstelle vorgesehene Bestätigung von der Gemeinde nur dann zu erteilen ist, wenn die in der Erklärung genannte Person vor der zur Führung der Wählerevidenz zuständigen Gemeindebehörde persönlich erscheint. Damit ist - kraft des für Wahlordnungen geltenden Gebots strikter Wortinterpretation (vgl. VfSlg. 8848/1980 uva.) - unmißverständlich und zwingend festgelegt, daß der Unterstützungswillige vor der Behörde selbst auftreten muß, sich also in dieser Beziehung niemals durch einen Machthaber vertreten lassen kann.
Wie nun der VfGH in seinem Erk. VfSlg. 5166/1965 aussprach, liegt aber in der Unterstützung eines Wahlvorschlags bereits eine Wahlentscheidung des Wahlberechtigten. So gesehen, kann es im Hinblick auf den in Art26 Abs1 B-VG (über die Wahl zum Nationalrat) aufgestellten Grundsatz des persönlichen Wahlrechts und angesichts des Umstands, daß die Überprüfung der Identität der Wahlberechtigten zu den typischen Aufgaben der Wahlbehörden zählt, keinesfalls verfassungswidrig sein, wenn §45 Abs3 Satz 2 NRWO 1971 ein persönliches Erscheinen (auch) des Unterstützungswilligen vor der Gemeindebehörde vorschreibt, weil es sich hiebei nach den einleitenden Ausführungen um einen der Wahlentscheidung im gedachten Sinn zuzurechnenden - wesentlichen - Akt handelt, der - iZm. weiteren Formalakten (Identitätsnachweis, Leistung der Unterschrift) - den Unterstützungswillen des Wahlberechtigten der zuständigen Behörde verbindlich zur Kenntnis bringt.
Daß das Erfordernis der eigenhändigen Unterschriftsleistung vor der Gemeindebehörde entfällt, wenn die Unterschrift (bereits) gerichtlich oder notariell beglaubigt wurde, macht die weitere Voraussetzung (der gemeindeamtlichen Bestätigung über die Eintragung in die Wählerevidenz), nämlich das persönliche Erscheinen des Unterstützungswilligen vor der Behörde, der in der Beschwerdeschrift verfochtenen Rechtsauffassung zuwider keineswegs unsachlich (Art7 Abs1 B-VG), weil es dabei - wie schon dargetan - um einen der - hier zu teffenden - Wahlentscheidung immanenten höchstpersönlichen Schritt des Wahlberechtigten geht. Sollte die Bf. aber schließlich behaupten wollen, daß die Vorschrift des §45 Abs3 Satz 2 NRWO 1971 gegen das Prinzip der Freiheit der Wahl (Art26 B-VG) verstoße, könnte dieser Rechtsmeinung allein deshalb nicht gefolgt werden, weil die für Unterstützungserklärungen normierten Erfordernisse - im hier maßgebenden Kontext - durchaus nicht strenger als die für den Wahlakt im engeren Sinn selbst geltenden Voraussetzungen sind.
2.2.3. Der VfGH vermag also die von der Bf. vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §45 Abs3 Satz 2 NRWO 1971 nicht zu teilen. Er vermeint hier auch nicht, daß diese Norm aus anderen als den schon als unstichhältig erkannten Gründen verfassungswidrig sein könnte. Daß sonstige Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides verfassungswidrig seien, behauptet die Bf. gar nicht. Auch der VfGH hegt - aus der Sicht dieses Beschwerdefalls - keine derartigen Bedenken.
2.3. Zur behaupteten Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte
2.3.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Wahlrechts nach Art26 B-VG wird darin erblickt, daß die bel. Beh. in rechtsirriger Auslegung des §45 Abs3 NRWO 1971 ein persönliches Erscheinen der unterstützungswilligen Bf. vor der Gemeindebehörde gefordert und demgemäß einen bevollmächtigten Vertreter nicht zugelassen habe. Diese Einrede ist jedoch - nach dem schon Gesagten - vom Ansatz her verfehlt, weil sie nicht vom normativen Inhalt des §45 Abs3 NRWO 1971 ausgeht, wie er zu Punkt 2.2.2. umschrieben wurde. Auf die entsprechenden Beschwerdeausführungen konnte unter diesen Umständen nicht näher eingegangen werden.
2.3.2.1. Da gegen die angewendeten Rechtsvorschriften verfassungsrechtliche Bedenken - auch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (s. Abschn. 2.2.) - nicht bestehen und es nach den Darlegungen zu 2.2. auch an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, daß die bel. Beh. dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, könnte nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 8238/1978 ua.) eine Verletzung des Gleichheitsrechts nur dann vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre.
2.3.2.2. Der aus den Akten zu ersehende Ablauf des Verwaltungsgeschehens, insbesondere die eingehende Begründung des angefochtenen Bescheides, zeigt, daß die Berufungsinstanz sich keineswegs von subjektiven oder anderen unsachlichen Momenten leiten ließ und daß sie ihre Entscheidung offenkundig nicht leichtfertig fällte, sondern um eine genaue Prüfung und Würdigung des Falles, und zwar unter berührender Berücksichtigung der Parteieinreden bemüht war. Schon ein solches Bemühen um die gesetzmäßige Lösung schließt unter den hier gegebenen Verhältnissen (subjektive) Willkür aus (vgl. VfSlg. 7860/1976).
2.3.2.3. Die Bf. wurde daher auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt.
2.3.3. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Beschwerdeverfahren vor dem VfGH nicht hervor.
2.4. Die Beschwerde war bei der gegebenen Sach- und Rechtslage als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Wahlen, Wahlrecht aktives, Wählerevidenz, WahlvorschlagEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B307.1983Dokumentnummer
JFT_10159380_83B00307_00