TE Vfgh Erkenntnis 1984/6/20 B526/79

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Veröffentlicht am 20.06.1984
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Index

46 Statistik
46/01 Bundesstatistikgesetz 1965

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art20 Abs3
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
MRK Art8
BStatG §2 Abs2
BStatG §7 Abs2
BStatG §7 Abs3
BStatG §8 Abs1
Verordnung vom 22.12.71, BGBl 11/1972

Beachte

gleiche Erwägungen B114, 115/80 und B272/80 vom selben Tag

Leitsatz

Bundesstatistikgesetz 1965; keine Bedenken gegen die in diesem Gesetz normierte Auskunftspflicht unter dem Gesichtspunkt der Amtsverschwiegenheit (Art20 Abs3 B-VG) und des Art8 MRK; keine gleichheitswidrige Umschreibung des zur Auskunft verpflichteten Personenkreises

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tir. vom 22. Oktober 1979, Z IIa-11227/1 und IIa-11228/1, wurden über den Bf. wegen Verletzung der ihm für den Monat September 1978 (erstzitierter Bescheid) und Juli 1978 (zweitzitierter Bescheid) nach §8 Abs1 des Bundesstatistikgesetzes 1965, BGBl. 91/1965 (künftig: BStatG), iVm. §6 der V vom 22. Dezember 1971, BGBl. 11/1972, obliegenden Auskunftspflicht gemäß §11 des BStatG Geldstrafen von je 1000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit Arreststrafen von jeweils zwei Tagen, verhängt.

2.1. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der - der Sache nach - nur die Verletzung von Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen, und zwar des §7 Abs3 und des §8 Abs1 BStatG, soweie des §6 der V vom 22. Dezember 1971, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.

3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1. Nach §1 BStatG umfaßt die Bundesstatistik alle statistischen Erhebungen und sonstigen statistischen Arbeiten, die über die Interessen eines einzelnen Landes hinausgehen und die für die Bundesverwaltung von Bedeutung sind.

§2 normiert, daß statistische Erhebungen, die der Mitwirkung der Bevölkerung bedürfen, durch Bundesgesetz anzuordnen sind. Die nach dem Gegenstand der Erhebung zuständigen Bundesministerien sind jedoch ermächtigt, die im Anhang zum BStatG angeführten statistischen Erhebungen durch V anzuordnen.

Dies ist für den Bereich des Groß- und Einzelhandels sowie des Beherbergungs- und Gaststättenwesens einschließlich der Campingplätze durch die V vom 22. Dezember 1971, BGBl. 11/1972, geschehen.

Nach §8 Abs1 BStatG sind natürliche und juristische Personen sowie die Personengesellschaften des Handelsrechtes verpflichtet, über die bei statistischen Erhebungen gestellten Fragen rechtzeitig, vollständig und wahrheitsgetreu Auskünfte zu erteilen. Wer der Auskunftspflicht durch Verweigerung der Auskunft nicht nachkommt oder wissentlich unvollständige oder wahrheitswidrige Angaben macht, begeht gemäß §11 BStatG, wenn darin keine strenger zu bestrafende Handlung gelegen ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 30000 S oder mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

Auskunftspflichtig nach §6 der bereits zitierten V ist der Inhaber oder verantwortliche Leiter des Betriebes oder des Unternehmens, dem der Betrieb angehört.

Nach §7 Abs1 BStatG sind Gemeinden zur Mitwirkung bei statistischen Erhebungen verpflichtet, wenn das Gesetz oder die V es anordnen. Nach Abs2 leg. cit. kann jeder Staatsbürger verpflichtet werden, bei der Durchführung statistischer Erhebungen die Gemeinden seines Wohnsitzes als Zähl- oder Kontrollorgan zu unterstützen. Von dieser Verpflichtung sind nach Abs3 Personen ausgenommen, die das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht oder das 60. bereits überschritten haben, ferner Kranke, Körperbehinderte, Geistliche oder Ordenspersonen sowie Angehörige des Bundesheeres, des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Dienststellen und Betriebe des öffentlichen Verkehrs und der Sanitätsberufe. In näher bezeichneten weiteren Fällen darf eine Heranziehung von Personen zu den in Abs2 angeführten Verpflichtungen nur erfolgen, wenn deren Dienststelle zustimmt.

In §10 Abs1 BStatG wird angeordnet, daß, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, die bei den statistischen Erhebungen in Erfüllung der Auskunftspflicht gemachten Angaben nur für statistische Zwecke verwendet werden dürfen. Sollen die Angaben auch für andere Zwecke Verwendung finden, so muß dies das Bundesgesetz oder die V, welche diese Erhebungen regeln, ausdrücklich anordnen. Nach Abs2 leg. cit. sind die bei einer statistischen Erhebung oder bei deren Auswertung mitwirkenden Organe verpflichtet, die Angaben der befragten Personen geheim zu halten. Die gleiche Verpflichtung trifft die Erhebungsorgane hinsichtlich der bei der Erhebung gemachten Beobachtungen.

3.2.1.1. Der Bf. hält §8 Abs1 BStatG und §6 der V vom 22. Dezember 1971 zunächst deshalb für verfassungswidrig, weil sie gegen das Verfassungsgebot der Amtsverschwiegenheit verstießen. Die Formulare des Österreichischen Statistischen Zentralamtes, die zur monatlichen Meldungslegung zu verwenden seien, enthielten wohl den Aufdruck "der Kopf des Formulares wird nach Einlangen im ÖStZ abgetrennt, sodaß alle nachstehenden Angaben anonym bleiben", wodurch jedoch der verfassungsgesetzlich gebotene Anonymitätsschutz nicht gewährleistet werde. Art20 Abs3 B-VG verpflichte alle mit Aufgaben der Hoheitsverwaltung betrauten Organe zur Amtsverschwiegenheit. Die Auskünfte, zu denen der Bf. gegenüber dem Statistischen Zentralamt verpflichtet sei, seien als der Behörde bekanntwerdende Tatsachen zu betrachten, die unter die Amtsverschwiegenheit fallen. Aus diesem Grunde sei die Übermittlung von Informationen, "die der Amtsverschwiegenheit (somit) unterliegen, durch die zuständigen Behörden an 'andere', wie dies im vorliegenden Fall erwartet werden muß, selbst zur bloßen Verarbeitung und Rückgabe an die zuständigen Behörden im Hinblick auf Art20 (3) B-VG bis zum Inkrafttreten einer besonderen gesetzlichen Zulässigkeit verfassungsrechtlich bedenklich. Indem jedoch auf die Einhaltung der Bestimmungen über die Amtsverschwiegenheit für den Betroffenen selbst ein Rechtsanspruch nicht besteht, bleibt eine solche Verletzung der Amtsverschwiegenheit durch eine Behörde selbst sanktionslos".

3.2.1.2. Die unter Berufung auf Art20 Abs3 B-VG vorgetragenen Bedenken sind schon deshalb verfehlt, weil die zitierte Verfassungsbestimmung einen Gesetzesvorbehalt enthält. Selbst wenn das BStsatG (samt Durchführungsverordnungen) im Lichte des aus Art20 Abs3 B-VG erfließenden Gebotes zur Amtsverschwiegenheit betrachtet wird, können die vom Bf. aufgeworfenen Bedenken somit nicht zutreffen.

3.2.2.1. Verfassungswidrigkeit wird vom Bf. §8 Abs1 BStstG und §6 der V angelastet, weil die Bestimmungen gegen Art8 MRK verstießen. Auch der Eingriffsvorbehalt des Abs2 der Konventionsbestimmung vermöge die Regelung nicht zu rechtfertigen, da die "vom Beschwerdeführer auf der Grundlage des Bundesstatistikgesetzes geforderten, von diesem jedoch verweigerten Daten ... unter keinen wie immer gearteten Umständen Maßnahmen dar(stellen), die der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung oder dem wirtschatlichen Wohl des Gemeinwesens dienen, sodaß die diesbezügliche gesetzliche Bestimmung dem verfassungsrechtlich normierten Grundrecht auf Schutz des Privat- und Familienlebens widerspricht".

3.2.2.2. Auch diese Ausführungen des Bf. vermögen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Bestimmungen des BStatG nicht auszulösen. Eine Auskunftsverpflichtung, wie sie aufgrund der gemäß §2 Abs2 BStatG erlassenen V vom 22. Dezember 1971 nach §8 Abs1 BStatG verfügt ist, besteht nämlich nur im Rahmen des (Auskunfts-)Kataloges des einen intergrierenden Bestandteil des Gesetzes bildenden Anhanges. Da - wie sich aus den anzuwendenden Bestimmungen des Anhanges ergibt - die Erhebungen nach Gegenstand und Merkmalen nur solche Daten zu umfassen haben, die sich aus der Teilnahme des Befragten am Wirtschaftsleben im Bereiche des Groß- und Einzelhandels ergeben, können die gesetzlichen Grundlagen der V vom 20. Dezember 1971, weil weder das Privat- noch das Familienleben des Auskunftspflichtigen betroffen wird, gegen Art8 MRK nicht verstoßen.

3.2.3.1. Bedenken werden vom Bf. schließlich dahingehend geltend gemacht, daß die Bestimmungen des BStatG gegen das Gleichheitsgebot verstießen, weil sich die "bundesstatistischen Erhebungen ... nur auf den Groß- und Einzelhandel" bezögen und außerdem "unverständlicher Weise alle die in §7 (3) Bundesstatistikgesetz 1965 angeführten Personen" begünstigt wären.

3.2.3.2. Auch diese Vorwürfe sind offensichtlich verfehlt. Der Vorwurf, daß gleichheitswidrigerweise Auskunftspflichten nur Groß- und Einzelhändlern auferlegt wären, berücksichtigt nicht, daß das Gesetz eine solche Beschränkung nicht enthält; daß die V insbesondere den Groß- und Einzelhandel betrifft, beruht lediglich darauf, daß die zur Erlassung der V zuständigen Bundesminister von der ihnen übertragenen Ermächtigung in der vorliegenden V nur in dieser Richtung Gebrauch gemacht haben. Der VfGH hat daher auch aus der Sicht des Gleichheitsgebotes keine Bedenken gegen die hier maßgeblichen Bestimmungen des BStatG.

Wenn der Bf. schließlich glaubt, daß durch §7 Abs3 BStatG von der Auskunftspflicht Ausnahmen vorgesehen werden und er deshalb Gleichheitsbedenken dahin äußert, daß der in §7 Abs3 BStatG umschriebene Personenkreis sachwidrig begünstigt werde, irrt er; diese Ausnahmeregelung befreit die dort aufgezählten Personen nämlich nur von der in Abs2 leg. cit. normierten Verpflichtung jedes Staatsbürgers, bei der Durchführung statistischer Erhebungen die Gemeinde seines Wohnsitzes als Zähl- oder Kontrollorgan zu unterstützen. Es handelt sich hiebei also um eine Regelung, die im Beschwerdefall offenkundig nicht präjudiziell ist.

3.2.4. Die in der Beschwerde behaupteten Normbedenken treffen somit insgesamt offenkundig nicht zu. Der VfGH sieht sich aus der Sicht des Beschwerdefalles auch ansonsten zu keinen Bedenken gegen die angewendeten Rechtsnormen veranlaßt.

Der Bf. wurde somit durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

3.3. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Dabei war nicht zu prüfen, ob der Bf. durch den bekämpften Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde, weil er eine derartige Rechtsverletzung nicht behauptet hat (vgl. VfSlg. 8814/1980, 8920/1980, zuletzt VfSlg. 9447/1982).

Schlagworte

Amtsverschwiegenheit, Statistik, Auskunftspflicht, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B526.1979

Dokumentnummer

JFT_10159380_79B00526_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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