TE Vfgh Beschluss 1984/6/20 B613/78

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.06.1984
beobachten
merken

Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Allg
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs1 / Allg
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StVO 1960 §1
StVO 1960 §82

Beachte

ähnlich Beschl. B651/78 vom 13. Juni 1984

Leitsatz

B-VG Art144; mangelnde Anfechtbarkeit der Anordnung der Entfernung und der daraufhin erfolgten Entfernung von auf Grundstücken der Gemeinde (öffentlichem Gut und Privatgrund) aufgestellten Plakatständern; Privatwirtschaftsverwaltung iS des Art17 B-VG

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Am 23. Oktober 1978 erteilte der Magistratsdirektor der Stadtgemeinde Wels an die Abteilung Liegenschaftsverwaltung die Weisung festzustellen, auf welchen Standorten die ÖVP Dreieckständer mit Werbeplakaten gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Zwentendorf aufgestellt hatte. Soweit diese auf im Eigentum der Stadt stehenden Grundflächen errichtet waren, sei alles in die Wege zu leiten, diese Plakatständer zu entfernen. Am 25. Oktober 1978 langte beim Büro des Bürgermeisters das an den Bürgermeister gerichtete Schreiben des bevollmächtigten Rechtsanwaltes der ÖVP, Landesparteileitung für OÖ ein, in dem ausgeführt wurde, laut Aussendung in den Oö. Nachrichten habe der Bürgermeister die Weisung erteilt, die von der ÖVP aufgestellten Werbeeinrichtungen entfernen zu lassen. Das öffentliche Gut sei aber für jedermann zugänglich. Sollte aus welchen Überlegungen immer die Benützung des öffentlichen Gutes nach Auffassung des Bürgermeisters unzulässigerweise erfolgt sein, müßte darüber mit Bescheid erkannt werden. Sicherlich sei es nicht angängig, ohne Erkenntnis eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde eigenmächtige Handlungen zu setzen. Daher werde um Zustellung eines Bescheides ersucht. Am 25. Oktober wurden von Beauftragten der Stadt Wels 10 Werbetafeln der ÖVP, von denen nach den Feststellungen der Gemeinde eine auf einem Privatgrundstück und 9 auf öffentlichem Gut im Eigentum der Gemeinde Wels standen, eingesammelt und in einem Gebäude des städtischen Wirtschaftshofes gelagert. In dem hierüber errichteten Aktenvermerk wurde festgestellt, daß gegen andere Plakattafeln nicht eingeschritten werden konnte, weil sie weder auf öffentlichem Gut noch auf Privatgrund der Stadt Wels stünden. Am 27. Oktober 1978 wurden 12 weitere Plakattafeln, die nach den Feststellungen der Gemeinde Wels ebenfalls auf öffentlichem Gut oder einem Privatgrundstück der Gemeinde Wels standen, eingesammelt und ebenfalls im Wirtschaftshof gelagert. Schließlich wurde am 30. Oktober ein weiterer Plakatständer, der nach den Feststellungen der Gemeinde ebenfalls auf öffentlichem Gut im Eigentum der Gemeinde Wels stand, von der Gemeinde entfernt.

Am 9. November 1978 teilte der Bürgermeister der Gemeinde Wels dem bevollmächtigten Rechtsanwalt der bf. Parteiorganisation folgendes mit:

"Zu Ihrem Schreiben vom 25. 10. 1978 darf ich Ihnen mitteilen, daß die in Rede stehenden Plakatständer von Ihrer Mandantschaft größtenteils auf öffentlichem Gut der Stadt Wels aufgestellt wurden. Die Aufstellung derartiger Plakatständer auf öffentlichem Gut geht über den Gemeingebrauch hinaus und bedarf daher der privatrechtlichen Zustimmung der Stadt Wels. Da die Aufstellung ohne Zustimmung der Stadt Wels erfolgte - es wurde nicht einmal darum angesucht - ist sie unzulässig."

1.2. Gegen die Anordnung des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 23. Oktober 1978, mit der dieser Angestellte des Bauhofes der Stadt Wels beauftragt hat, von der Bf. auf öffentlichem Gut der Stadt Wels, auf Landesstraßengrund des Landes OÖ, Bundesstraßengrund der Republik Österreich und auf Privatgrund der römisch-katholischen Kirche Pernau, nämlich deren Kirchenvorplatz, aufgestellte mobile Ständer, die eine Informationsschrift beinhalten, zu entfernen und die darauf erfolgte Beseitigung dieser mobilen Plakate durch Angestellte des Bauhofes erhob die Landesparteiorganisation OÖ der ÖVP, der laut Statut Rechtspersönlichkeit zukommt, Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der sie die Verletzung in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit ihres Eigentums und auf Gleichheit vor dem Gesetz behauptet, die Aufhebung der V des Bundespolizeikommissariates Wels vom 11. August 1967, P 4157, wegen Verfassungswidrigkeit nach Art139 B-VG und §59 VerfGG als gesetzwidrig, und die Feststellung begehrt, daß die bf. Parteiorganisation durch die angeführte Anordnung des Bürgermeisters und die Durchführung durch die Angestellten der Stadtgemeinde Wels in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art7 Abs1 und Art83 Abs2 B-VG sowie Art5 StGG verletzt worden sei. Im Gegensatz zum Bürgermeister behauptet die bf. Parteiorganistion, daß zwei weitere Plakatständer entfernt wurden, von denen einer auf einem Grundstück gestanden sei, das der röm.-kath. Pfarrkirche Pernau zu eigen sei.

1.3. Der belangte Bürgermeister bestreitet dieses letztere Sachverhaltsvorbringen und beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Er weist durch Vorlage von Grundbuchauszügen nach, daß die von ihm zugegebene Entfernung von 23 Plakatständern ausnahmslos von Privatgrundstücken oder öffentlichem Gut im Eigentum der Stadtgemeinde Wels erfolgt ist, obgleich dieses öffentliche Gut der Stadt Wels zum Teil als Landesstraßen-, zum Teil als Bundesstraßengrund gewidmet sei. Die in der Beschwerde angeführten Plakatständer beim Haus Salzburgerstraße und auf dem Grundstück der röm.-kath. Pfarrkirche Pernau seien vom Magistrat der Stadt Wels nicht entfernt worden.

1.4. In weiteren Schriftsätzen bleiben die Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens in dieser Hinsicht bei ihren Behauptungen und bieten hiefür Beweis an.

2. Der VfGH hat erwogen:

2.1. Die Bf. ist der Auffassung, daß die Anordnung des Bürgermeisters vom 23. Oktober 1978, die Plakatständer, welche die Bf. auf im Eigentum der Stadt Wels stehenden Grundflächen aufgestellt hatte, zu entfernen, eine verwaltungsbehördliche war und dementsprechend ihre Durchführung Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iS des Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG war. Sie äußert ferner wörtlich folgende Meinung: "Es wird daher im Rahmen dieser Beschwerde auch die Verordnung des Bundespolizeikommissariates Wels vom 11. 8. 1967, Zl. P-4157 betreffend das Aushängen oder Anschlagen von Druckwerken an öffentlichen Orten des Stadtgebietes von Wels als verfassungswidrig aufzuheben sein." Sie stellt einen darauf hinzielenden Antrag. Der belangte Bürgermeister vertritt hingegen die Meinung, nur von dem Rechte des Besitzers gemäß §344 ABGB Gebrauch gemacht zu haben, Gewalt mit angemessener Gewalt abzutreiben, da im Beschwerdefall richterliche Hilfe zu spät gekommen wäre. Er behauptet also mit seiner Anordnung und der Durchführung derselben durch die Angestellten der Gemeinde nur im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gemäß Art17 B-VG tätig gewesen zu sein.

2.2. Der Bürgermeister führte in seiner Gegenschrift aus, dem Art144 B-VG sei eindeutig zu entnehmen, daß Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung entweder Bescheide von Verwaltungsbehörden oder sogenannte "verfahrensfreie Verwaltungsakte" seien, mit den Worten des Art144 Abs1 zweiter Satz B-VG ausgedrückt, die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Eine solche Ausübung liege aber im Beschwerdefall nicht vor. Die eigenmächtige Aufstellung der Plakatständer auf öffentlichem Gut, das im Eigentum der Stadt Wels stehe, stelle jedenfalls eine Besitzstörung dar. Zu den Rechten des Besitzers gehöre es, sich in seinem Besitze zu schützen (§344 ABGB). Die Stadt Wels handle durch ihre Organe und zwar auch dann, wenn es sich um eine privatrechtliche Tätigkeit handle. Die Entfernung der Plakatständer durch den Magistrat der Stadt Wels sei ausschließlich in Wahrung der Besitz- und Eigentumsrechte der Stadt Wels erfolgt, sei also der Privatrechtssphäre zuzuordnen. Der Magistrat sei nicht in behördlicher Funktion tätig geworden.

Daß die Plakatständer teilweise auf öffentlichem Gut aufgestellt und von diesem entfernt worden seien, ändere nichts an der Tatsache, daß ausschließlich der Privatrechtssphäre zuzuordnendes Handeln vorliege. Die Aufstellung von Plakatständern auf öffentlichem Gut gehe nämlich über den Gemeingebrauch hinaus und stelle einen Sondergebrauch oder eine Sondernutzung dar. Öffentliches Gut, wie zB im konkreten Fall öffentliche Verkehrsflächen, dienten nämlich nicht allgemein der Aufstellung von Plakatständern. Es würde auch von der Allgemeinheit nicht hiefür benutzt. Die Beschwerdeausführungen, welche im Vorgehen des Bürgermeisters eine Beschränkung des Gemeingebrauches sehen, gingen ins Leere. Für jede über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützung der Straßen sei eine Bewilligung des Grundeigentümers erforderlich. Die Aufstellung der Plakatständer sei daher ein nach dem Privatrecht zu beurteilender Eingriff in die Rechte der Stadt gewesen, dem mit privatrechtlichen Mitteln begegnet worden sei. Streitigkeiten hieraus seien vor den ordentlichen Gerichten auszutragen.

Demgegenüber behauptet die Bf., die vom Bürgermeister ohne Erlassung eines Bescheides oder ohne gerichtliche Entscheidung getroffene Anordnung verstoße auf alle Fälle gegen Art83 Abs2 B-VG, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden dürfe. Die Plakatständer mit den darauf befindlichen Informationsschriften hätten sich teils auf öffentlichem Gut der Gemeinde, teils auf Landesstraßengrund, teils auf Bundesstraßengrund und teils auf privatem Grund der röm.-kath. Kirche Pernau befunden. Auf welchem Grunde immer sich die Plakatständer befunden haben, der Bürgermeister hätte "nur im Wege des Verwaltungsverfahrens oder im Wege eines gerichtlichen Verfahrens iS der Bestimmungen nach §19 ABGB seine Beschwerde vor dem gesetzlichen Richter anbringen müssen".

2.3. Soweit sich die Beschwerde gegen die Anordnung des Bürgermeisters an die ihm unterstellten Organe der Stadt Wels richtet, die aufgestellten Plakatständer zu entfernen, liegt ihr ein tauglicher Anfechtungsgrund nicht zugrunde. Hiebei handelt es sich weder um einen Bescheid noch um die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, sondern um eine Weisung, die einer Anfechtung in einem Beschwerdeverfahren gemäß Art144 Abs1 B-VG entzogen ist (zB VfSlg. 9420/1982).

2.4. Ob die vorliegende Beschwerde, soweit sie sich gegen die Entfernung der aufgestellten Plakatständer richtet, zulässig ist, hängt ausschließlich von der Entscheidung der Frage ab, ob die Organe der Gemeinde erkennbar verwaltungsbehördlich tätig sein wollten und ob sie tatsächlich verwaltungsbehördlich tätig geworden sind oder ob ihre Tätigkeit ausschließlich der Privatsphäre zuzurechnen ist.

Daß das Aufstellen von Plakatständern auf einer öffentlichen Straße nicht zum Gemeingebrauch einer solchen Straße zählt, sondern nur mit einer besonderen Bewilligung zulässig ist, hat der VfGH bereits mehrfach ausgesprochen (vgl. zB VfSlg. 5616/1967, 5663/1968).

Im Beschwerdefall besteht kein Anzeichen dafür, daß die Organe der Stadt Wels bei der Beseitigung der Plakatständer hoheitlich tätig werden wollten. Der Bürgermeister der Stadt Wels erklärte gegenüber dem bevollmächtigten Vertreter der Bf. aufgrund einer Anfrage ausdrücklich, daß er als Vertreter des Eigentümers die Entfernung der Plakatständer angeordnet habe. Der Bürgermeister der Stadt Wels ist daher entgegen der Annahme der Bf. bei der Beseitigung der Plakatständer der Bf. durch die Organe des städtischen Bauhofes nicht hoheitlich, sondern privatwirtschaftlich tätig geworden. Ob er diese Tätigkeit entsprechend dem Gesetz ausübte, hat nicht der VfGH zu überprüfen. Diese Aufgabe obliegt den ordentlichen Gerichten.

2.5. Die Beschwerde war infolgedessen als unzulässig zurückzuweisen.

3. Soweit die Bf. den Antrag stellt, die V des Bundespolizeikommissariates Wels vom 11. 8. 1967, Zl. P 4157, wegen Verfassungswidrigkeit gemäß Art139 B-VG und §59 VerfGG als gesetzwidrig aufzuheben, ist darauf hinzuweisen, daß dieser Antrag ausdrücklich im Rahmen der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde gestellt wurde und dementsprechend als Anregung zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieser V im Rahmen der Beschwerde aufzufassen ist. Da jedoch der VfGH in Erledigung der Beschwerde die genannte V nicht anzuwenden hat, war auf dieses Vorbringen nicht einzugehen.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Weisung, VfGH / Prüfungsgegenstand, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Hoheitsverwaltung, Privatwirtschaftsverwaltung, Straßenpolizei, Auslegung eines Antrages, VfGH / Zuständigkeit, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B613.1978

Dokumentnummer

JFT_10159380_78B00613_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten