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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Gewerbesteuergesetz 1953 §7 Z1; keine Abstandnahme von der Hinzurechnung der Dauerschuldzinsen bei einem Betrieb des Gaststättengewerbes mangels Vorhandensein eines Betriebsgrundstücks; Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, da §7 Z1 letzter Satz im Wege der Analogie verfassungskonform auszulegen gewesen wäreSpruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Bf. ist zu 1/4 Anteil Miteigentümer der Liegenschaft EZ 36 KG Bürs. Laut dem Einheitswertbescheid und Grundsteuermeßbescheid zum 1. Jänner 1973 mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 1974 des Finanzamtes Feldkirch vom 17. Juni 1974 handelt es sich bei dieser Liegenschaft um ein gemischtgenütztes Grundstück. In diesem Bescheid ist ausdrücklich angeführt, daß das Grundstück nicht Betriebsgrundstück iS der §§59 und 60 des Bewertungsgesetzes 1955 - BewG 1955, BGBl. 148/1955 idgF, ist.
Auf dem Grundstück betreibt der Bf. als Alleininhaber des Betriebes eine Gastwirtschaft.
In der Beilage zur Gewerbesteuererklärung für das Jahr 1977 stellte der Bf. den Antrag, von der Hinzurechnung der Dauerschuldzinsen insoweit Abstand zu nehmen, als die Dauerschulden 80 vH des Einheitswertes der zum Betriebsvermögen gehörenden Betriebsgrundstücke übersteigen.
Dieser Antrag wurde vom Finanzamt mit der Begründung abgewiesen, daß das zum Betriebsvermögen des Bf. gehörige Grundstück kein Betriebsgrundstück sei.
Die vom Bf. gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch erhobene Berufung hat die Finanzlandesdirektion für Vbg. mit dem Bescheid vom 19. Juni 1980 als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, daß die vom Bf. in der Berufung geltend gemachte wirtschaftliche Betrachtungsweise (§21 BAO) nur im Bereich der Sachverhaltswürdigung eine Bedeutung habe, nicht aber der Klärung von Rechtsfragen diene. Die Bestimmung des §21 BAO enthalte keine Auslegungsgrundsätze. Der Bf. unterstelle der Bestimmung des §7 Z1 letzter Satz des Gewerbesteuergesetzes 1953, BGBl. 2/1954 idF des ArtII Z1 des Abgabenänderungsgesetzes 1974, BGBl. 17/1975, (im folgenden kurz GewStG 1953) einen Sinn, der vom Wortlaut des Gesetzes nicht umfaßt sei. Nach diesem sei Grundlage für die Berechnung des Ausmaßes der Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen der "Einheitswert der Betriebsgrundstücke". Aus dem Hinweis des Gesetzes auf den "Einheitswert der Betriebsgrundstücke" sei zu schließen, daß die Begünstigungsbestimmung des §7 Z1 letzter Satz GewStG 1953 nicht anwendbar sei, wenn die zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücke keine Betriebsgrundstücke iS des Bewertungsgesetzes seien.
2. Gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vbg. vom 19. Juni 1980 richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Der Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Er stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
II. Der VfGH hat ua. aus Anlaß dieser Beschwerde gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des letzten Satzes des §7 Z1 GewStG 1953, auf den sich der angefochtene Bescheid gestützt hatte, eingeleitet. Diese Bestimmung lautet (auszugsweise):
"Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§6) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinnes abgesetzt sind:
1. Zinsen für Schulden, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes (Teilbetriebes) oder eines Anteiles am Betrieb zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen.
Die Hinzurechnung wird nur insoweit vorgenommen, als die Zinsen 10000 S übersteigen.
...
Übersteigen bei Betrieben des Gaststätten- und Beherberungsgewerbes die Dauerschulden 80 v. H. des Einheitswertes der Betriebsgrundstücke, so ist auf Antrag insoweit von einer Hinzurechnung abzusehen;
2. ..."
Der VfGH hat mit Erk. vom 3. Dezember 1983, VfSlg. 9884/1983 ausgesprochen, daß §7 Z1 letzter Satz GewStG 1953 nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.
III. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9186/1981) nur verletzt werden, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid ist dem Bf. unter Berufung auf die Bestimmung des §7 Z1 letzter Satz GewStG 1953 die begehrte Steuerbegünstigung versagt worden. Die Versagung ist im wesentlichen damit begründet, daß zum Betrieb des Gaststättengewerbes des Bf. ein Betriebsgrundstück iS des §60 des Bewertungsgesetzes nicht gehöre.
Wie sich aus dem unter II. angeführten Erk. ergibt, sieht die Bestimmung des §7 Z1 letzter Satz GewStG 1953 nach ihrem Wortlaut Steuererleichterungen für die Fälle vor, in denen die Dauerschulden 80 vH des Einheitswertes der Betriebsgrundstücke übersteigen. Diese Vorschrift setzt die Existenz von Betriebsgrundstücken voraus. Nach dem Wortlaut des Gesetzes fehlt eine Regelung für den Fall, daß Betriebsgrundstücke nicht existieren. Aus dem offenkundigen Zweck des Gesetzes, Fremdenverkehrsbetriebe zu fördern (zur Erreichung dieses Zieles kommt es nicht darauf an, ob der Betrieb auf eigenen oder fremden Grundstücken geführt wird), kann geschlossen werden, daß hier eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, die für den Fall des Nichvorhandenseins von Betriebsgrundstücken im Wege der Analogie zu schließen ist.
Das bedeutet, daß dann, wenn das Gaststätten- oder Beherbergungsgewerbe auf gepachteten oder gemieteten Grundstücken oder auf Grundstücken betrieben wird, die nicht als zum Betrieb dieses Gewerbes gehörende Betriebsgrundstücke anzusehen sind, der Einheitswert mit Null anzunehmen ist.
Daraus folgt, daß das Begehren des Bf. auf Gewährung der Steuerbefreiung nicht deswegen, weil kein Betriebsgrundstück vorhanden ist, abzuweisen gewesen wäre; vielmehr wäre als Einheitswert der Betriebsgrundstücke iS der nach dem unter II. angeführten Erk. vorzunehmenden verfassungskonformen Auslegung des §7 Z1 letzter Satz GewStG 1953 der Wert Null anzunehmen gewesen.
Die bel. Beh. hat bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt und damit den Bf. im Gleichheitsrecht verletzt.
Der Bescheid ist sohin als verfassungswidrig aufzuheben.
Schlagworte
Gewerbesteuer, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B337.1980Dokumentnummer
JFT_10159375_80B00337_00