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L5 KulturrechtNorm
B-VG Art131 Abs2Leitsatz
Zurückweisung der Beschwerde einer Gemeinde gegen die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung der S 18 Bodensee Schnellstraße mangels Legitimation; Verletzung subjektiver Rechte als Voraussetzung einer Beschwerdelegitimation vor dem Verfassungsgerichtshof; Amtsbeschwerde wegen objektiver Rechtsverletzung nur vor dem Verwaltungsgerichtshof; kein subjektives Recht der Gemeinde im naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren, sondern lediglich Anspruch auf Teilnahme am Verwaltungsverfahren zur Wahrung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftsentwicklung; keine Verletzung der Gemeinde im Recht auf Selbstverwaltung infolge Beteiligung am naturschutzbehördlichen VerfahrenSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. a) Mit Bescheid vom 6. Juli 2001 erteilten die Bezirkshauptmannschaften Dornbirn und Bregenz der "Republik Österreich" (gemeint: dem Bund) nach dem Vbg. Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung, LGBl. 22/1997, (im Folgenden: Vbg. NSchG) die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung der S 18 Bodensee Schnellstraße in den Gemeinden Höchst, Fußach, Lustenau, Dornbirn, Lauterach und Wolfurt zwischen der Anschlussstelle Wolfurt - Lauterach und der Staatsgrenze in Höchst einschließlich verschiedener Nebenanlagen unter Auflagen und Bedingungen.
Gegen diesen Bescheid haben neben der Naturschutzanwaltschaft Vorarlberg die (Standort-)Gemeinden Lauterach, Wolfurt und Dornbirn, nicht aber hat die nunmehr beschwerdeführende Gemeinde Lustenau, über deren Gemeindegebiet die bewilligte Schnellstraße ebenfalls führen soll, Berufung erhoben.
b) Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 21. Februar 2003 wurde den Berufungen keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass dem Bund die Bewilligung gemäß den §§33 Abs1 litg, 24 Abs2 und 25 Abs1 und 2 Vbg. NSchG sowie Art4 Abs4 der Richtlinie 79/409/EWG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl. 1979 L 103, S 1 (im Folgenden: Vogelschutz-RL) und Art12 Abs1 litd und Art16 Abs1 litc der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. 1992 L 206, S 7 (im Folgenden: Fauna-Flora-Habitat-RL) unter einer Reihe von näher beschriebenen Auflagen und Bedingungen erteilt wird.
Dieser Bescheid wurde der beschwerdeführenden Gemeinde nicht zugestellt. Laut eigenen Angaben erlangte sie von dem Bescheid der Vorarlberger Landesregierung durch Übermittlung einer Kopie vom Amt der Stadt Dornbirn am 5. März 2003 Kenntnis.
2. a) In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde behauptet die Gemeinde Lustenau, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und - der Sache nach - auf Gleichheit vor dem Gesetz ("Willkürverbot") verletzt zu sein, und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides.
b) Zur Frage ihrer Beschwerdelegitimation vertritt die einschreitende Gemeinde die Auffassung, dass diese gegeben sei, obgleich sie gegen den in erster Instanz ergangenen naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheid keine Berufung erhoben hat. Denn die Berufungsbehörde und die im Berufungsverfahren tätigen Sachverständigen hätten teils weit erheblichere Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen der beschwerdeführenden Gemeinde festgestellt, als dies in erster Instanz hervorgekommen und für sie nach Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides absehbar gewesen sei. Die Berufungsbehörde habe das Verfahren zudem auf Bereiche ausgedehnt, die nicht Gegenstand der Entscheidung der Bezirkshauptmannschaften Bregenz und Dornbirn waren und sich zusätzlich auf §35 Abs3 Vbg. NSchG und Art4 Abs4 Vogelschutz-RL sowie Art12 Abs1 litd und Art16 Abs1 litc Fauna-Flora-Habitat-RL gestützt.
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. a) Wie der Verfassungsgerichtshof im (beiliegenden) Beschluss vom 8. Juni 2006, B562/03, unter Berufung auf VfSlg. 17.220/2004 ausgeführt hat, setzt seine Zuständigkeit gemäß Art144 Abs1 B-VG, über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden zu erkennen, schon auf Grund des verfassungsrechtlich vorgegebenen Prozessgegenstandes notwendig die Beschwerdelegitimation, also die mögliche Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid, voraus.
Anders als der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art131 Abs1 Z2 und 3 B-VG und darüber hinaus in den gemäß Art131 Abs2 B-VG vom Gesetzgeber ausdrücklich bezeichneten weiteren Fällen ist der Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG immer "nur imstande, über die Behauptung der Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers, nicht auch über eine behauptete objektive Rechtsverletzung zu erkennen".
b) Der Grundgedanke, von dem das Naturschutzrecht ganz allgemein und speziell auch das Vbg. NSchG getragen ist, gelangt in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes deutlich zum Ausdruck, wenn diese eine geschützte subjektive Rechtssphäre Dritter in naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren an sich verwirft (s. zB VwSlg. 12.800 A/1988 zum Vbg. Landschaftsschutzgesetz 1982, dem Vorgänger des jetzt geltenden Vbg. NSchG; VwGH 29.1.2001, Z2000/10/0195).
c) Auch soweit Gemeinden kraft Gesetzes an naturschutzrechtlichen Verfahren zu beteiligen sind, wird ihre Rechtsstellung von der ausschließlichen Ausrichtung des Naturschutzesrechts an öffentlichen Interessen beherrscht.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt demgemäß in seiner ständigen Rechtsprechung zu Vorschriften, mit denen die Parteistellung von Gemeinden in naturschutzbehördlichen Verwaltungsverfahren begründet wird, die Auffassung, dass "der Gemeinde damit bloß die Stellung einer Legal- oder Formalpartei eingeräumt wird[; ihr] jedoch ..., was die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung in Ansehung der für den Naturschutz relevanten materiell-rechtlichen Bestimmungen betrifft, ein subjektives Recht [fehlt], dessen Verletzung sie vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend machen könnte"(so VwGH 23.10.1995, Z95/10/0081, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur; sowie VwGH 9.3.1998, Z97/10/0145, unter Hinweis auf die ausnahmehaft anders strukturierte Regelung des §41 Abs4 Tir. NSchG 1997). Das gilt auch für die Rechtsstellung Vorarlberger (Standort-)Gemeinden nach §48 Abs1 Vbg. NSchG (vgl. VwGH 4.9.2000, Z2000/10/0088).
Schon der Umstand, dass §48 Abs1 dritter Satz Vbg. NSchG der jeweiligen Standortgemeinde die Amtsbeschwerdebefugnis vor dem Verwaltungsgerichtshof einräumt, beweist, dass die Gemeinde der zitierten Vorschrift zufolge kein subjektives Recht in der Sache, sondern lediglich einen Anspruch auf Teilnahme am Verwaltungsverfahren (einschließlich der Legitimation zur Berufung) besitzt. Dem "Rechtsanspruch" (so §48 Abs1 Vbg. NSchG) auf Beteiligung am Verfahren zur Wahrung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftsentwicklung entspricht die Stellung der Gemeinde als bloßer Formalpartei, ohne dass diese aus dem Vorarlberger Naturschutzrecht einen rechtlichen Schutz eigener Interessen und dementsprechend die Beschwerdelegitimation nach Art131 Abs1 Z1 B-VG (vor dem Verwaltungsgerichtshof) sowie gemäß Art144 Abs1 B-VG (vor dem Verfassungsgerichtshof) ableiten könnte.
2. a) Demzufolge ist die beschwerdeführende Gemeinde gemäß §48 Abs1 dritter Satz Vbg. NSchG darauf beschränkt, "die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftsentwicklung", also öffentliche Interessen, "bei der Entscheidung", also im Verwaltungsverfahren und letztlich mittels Amtsbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art131 Abs2 B-VG, geltend zu machen, ohne dass sie vor dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 Abs1 B-VG beschwerdelegitimiert ist.
b) Da auch nicht davon die Rede sein kann, dass der angefochtene Bescheid der Vorarlberger Landesregierung das verfassungsgesetzlich gewährleistete gemeindliche Recht auf Selbstverwaltung verkürzt (siehe auch dazu näher den beiliegenden Beschluss B562/03), ist die Beschwerde daher mangels Legitimation zurückzuweisen. Im Übrigen bildete die Nichtbeteiligung der Gemeinde Lustenau am Berufungsverfahren lediglich die Konsequenz aus dem Nichtergreifen eines Rechtsmittels gegen den naturschutzrechtlichen Bescheid erster Instanz durch die Gemeinde.
c) Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, der Frage nachzugehen, ob die einschreitende Gemeinde trotz Nichtausübung des ihr als Partei (vgl. §48 Abs1 zweiter Satz Vbg. NSchG) zukommenden Berufungsrechtes gegen den - auch ihr zugestellten - erstinstanzlichen Bescheid "infolge ... vielfältiger Neuerungen und der damit verbundenen Änderung des Prozessgegenstandes des Berufungsverfahrens" - wie sie behauptet - zur Beschwerdeerhebung gegen den Berufungsbescheid berechtigt gewesen wäre.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Rechte subjektive öffentliche, Rechtsschutz, Naturschutz, Landschaftsschutz, Umweltschutz, Verwaltungsgerichtshof Zuständigkeit, Amtspartei, Parteistellung Naturschutz, Aufsichtsrecht, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Selbstverwaltungsrecht, VfGH / LegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B563.2003Dokumentnummer
JFT_09939377_03B00563_2_00